Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 3. Sitzung des Landtages. Die Fraktion der CDU hat gemäß Paragraph 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung beantragt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 3. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 3. Sitzung gemäß Paragraph 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt: Wirtschaftskraft im Ostseeraum stärken – Interessen von Mecklenburg-Vorpommern beim Verkauf der Geschäftsanteile an Scandlines durchsetzen. Hierzu liegen Ihnen ein Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/18 sowie ein Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/20 vor.
Wirtschaftskraft im Ostseeraum stärken – Interessen von Mecklenburg-Vorpommern beim Verkauf der Geschäftsanteile an Scandlines durchsetzen
Antrag der Fraktion der CDU: Verkauf von Anteilen der Scandlines AG an das Dänische Transportministerium – Drucksache 4/18 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 180 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch dazu, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Dimension der Thematik, die uns zur heutigen Sondersitzung zusammenkommen lässt, ist von derartiger Wichtigkeit für das Land Mecklenburg-Vorpommern, dass ich es sehr bedauere, dass wir nicht schon in der vergangenen Woche einen entsprechenden Termin finden konnten.
An Aktualität und Notwendigkeit zum Handeln hat sich allerdings bis heute nichts, aber auch gar nichts geändert, wenn man Pressemitteilungen und Verlautbarungen aus dem Dänischen Transportministerium trauen darf, und ich zitiere: „Die deutsch-dänische Reederei Scandlines AG soll im Februar ganz in dänische Hände übergehen“, wie der zuständige Sprecher von Dänemarks Verkehrsministerium laut dpa in Kopenhagen am Mittwoch, dem 30. Oktober 2002, mitteilte. Wortzitat des Pressesprechers: „Wir setzen jetzt aber seriös darauf, alle Aktien zu übernehmen.“ Und weiter: „Der Hauptsitz soll nach dem Kauf aller DB-Aktien durch die dänische Regierung voraussichtlich von Rostock nach Dänemark verlegt werden.“
Meine Damen und Herren, wie kommt der Pressesprecher eines Ministeriums in Kopenhagen zu solch einer Aussage? Wie kommt es dazu, dass offenkundig Gespräche sehr weit gediehen sind und dass die Dänen ganz offenkundig nur noch von einer Option ausgehen? Und diese Option heißt: Wir kaufen und die Deutsche Bahn
Mancher mag meinen, dass der Verkauf von Unternehmensanteilen zum alltäglichen Geschäft gehört. Das mag zwischen Privatunternehmen durchaus so sein, aber, meine Damen und Herren, Fährverbindungen, das ist Verkehrsinfrastruktur, Fährverbindungen, das sind die Autobahnen auf dem Wasser. Wenn es dann noch um Fährverbindungen geht in einem Raum wie dem Ostseeraum, dem das größte Zukunftspotential in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten vorausgesagt wird, dann muss man sich fragen, welche Interessen werden hier für das Land Mecklenburg-Vorpommern wahrgenommen. Dies muss man sich ganz ernsthaft fragen.
Und, Herr Wirtschaftsminister, wenn sich dann die CDU-Fraktion entschließt, eine Landtagssondersitzung einzuberufen, weil einmal ganz offenkundig in der Zeit Eile geboten ist und zum anderen die Ausschüsse leider noch nicht konstituiert sind, dann ist das kein Tamtam. Wenn Sie die Problematik und die Diskussion darüber, wie unsere Interessen im zukünftigen Ostseeraum wahrgenommen werden, als Tamtam bezeichnen, wie Sie das vor einigen Tagen in der Presse gemacht haben, dann bin ich schon hoch gespannt, Herr Ebnet, was Sie uns nachher verkünden werden, was Sie in den letzten Monaten – denn die Debatte um Scandlines AG wurde nicht erst in den letzten Tagen geführt – getan haben, damit die Interessen von Mecklenburg-Vorpommern, die nicht unbedingt die gleichen sind wie die Interessen in Dänemark, wie die Interessen in Hamburg, wie die Interessen in Schleswig-Holstein, damit unsere Interessen wahrgenommen werden. Darauf bin ich sehr gespannt.
Meine Damen und Herren, kurz zur Historie: 1998 ist die Scandlines AG entstanden aus der Deutschen Fährgesellschaft Ostsee GmbH und der dänischen Scandlines. Je 50 Prozent der Anteile werden von beiden Seiten gehalten. Jeder, der sich ein bisschen mit Unternehmensführung auskennt, der weiß, dass das eine etwas komplizierte Situation ist. Aber Scandlines ist nicht irgendeine Reederei, Scandlines ist die marktbeherrschende Reederei im Ostseeraum. Sie gehört zu den weltweit größten Reedereien, sie dominiert den Fährverkehr im Ostseeraum. Deswegen muss man in diesem Unternehmen ein sensibles Gleichgewicht herstellen, ein Gleichgewicht, das eben nur aufgrund der ausgewogenen Gesellschafterstruktur bei Scandlines bis heute aufrechtzuerhalten war. Es gibt hier hoch profitable Linien wie die Vogelfluglinie von Puttgarden nach Rødby und es gibt defizitäre Linien, heute noch defizitäre Linien wie zum Beispiel die Verbindung von Rostock nach Gedser oder des dänischen Inlandsverkehrs.
Aber wer hier nur im Augenblick denkt und nicht ein, zwei, drei Jahrzehnte vorwegdenkt, das heißt, wer hier nur rein fiskalisch denkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem muss ich ein Zitat Ihrer SPD-Bundestagskollegin Frau Lucyga aus Rostock vorhalten, die am 23. Oktober Folgendes gesagt hat: „Den Eindruck, dass die Bahn mit dem Erlös kurzfristig Finanzlöcher stopfen wolle, unterstrich Dr. Christine Lucyga (SPD)“. Wortzitat: „Es macht aber keinen Sinn, die Kuh, die mir heute Milch gibt, zu verkaufen, um mir morgen die Milch woanders zu holen“. „Auch würde mit dem Verkauf an die Dänen ein Monopolist im Fährverkehr entstehen.“ Wieder Wortzitat:
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr wahr. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Für die Deutsche Bahn AG ist deren Intention vielleicht noch zu erklären, weil der Fährverkehr nicht zum Kerngeschäft gehört. Aber was haben die Dänen für ein Interesse – und das ist das entscheidende Moment –, hier durch den Kauf der Scandlines-Anteile ein Monopol zu erreichen? Kurzfristig betrachtet mag man sagen, es geht hier insgesamt um 1.100 Arbeitsplätze auf deutscher Seite, mindestens noch mal die gleiche Zahl im Dienstleistungsund Zulieferbereich. Aber dies würde den Dänen eine Monopolstellung im Fährverkehr im Ostseeraum bescheren. Das heißt, sie könnten die heute etwas defizitären Linien von Rostock abgehend auf die Vogelfluglinie umleiten – das wäre der erste Schritt –, um, und das ist jetzt das entscheidende Moment, ein Preisdiktat möglicherweise zu erreichen und die feste Fehmarnbeltquerung – und wenn ich das richtig in Erinnerung habe, Herr Minister Ebnet, Sie haben sich ja massiv dagegen ausgesprochen – mit so einem betriebswirtschaftlichen Mengengerüst zu versehen, dass es sich privat finanziert rechnen lässt. Übrigens, ich bin auch gespannt, ob Sie uns erläutern, ob es zutrifft, dass es schon Zusagen der Bundesregierung gibt, hier bei der festen Fehmarnbeltquerung mitzufinanzieren, und inwieweit schon Prozentanteile der Europäischen Union fest dabei eingeplant sind, wie man Presseveröffentlichungen entnehmen konnte.
Meine Damen und Herren, wenn es den Dänen gelingt nachzuweisen, dass sich die feste Fehmarnbeltquerung rechnet, dann muss ich Sie fragen, Herr Ministerpräsident und Herr Wirtschaftsminister Ebnet: Gehen Sie dann im Ernst davon aus, dass die 160.000 Waggons, die heute von Rostock-Warnemünde, von Saßnitz abgehen, noch weiter von dort abgehen? Oder: Kennen Sie möglicherweise die Vorverträge der Deutschen Bahn AG mit einem mengenunabhängigen Rabatt, das heißt, ob sie große oder kleine Mengen schicken werden zum gleichen Preis? Was wird hier eigentlich gespielt in diesem Segment, in diesem Bereich?! Übrigens, nach dem Wegfall des Dutyfree-Handels, etwa 30 Prozent des Gesamtumsatzes bei Scandlines, machen die 160.000 Waggons 30 Prozent der Grundauslastung auf dieser Fährlinie von Rostock abgehend aus. Das heißt, wir reden hier nicht über Peanuts, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn jetzt diese Schritte Wirklichkeit werden, dann frage ich mich ganz besorgt, wo sind unsere Interessen gewahrt. Und ich möchte heute auch von Ihnen wissen: Wie wahren Sie unsere Interessen gegenüber anderen Landesregierungen, Schleswig-Holstein? Wie wahren Sie unsere Interessen gegenüber den gemeinsamen Interessen der dänischen Staatsbahn und der schwedischen Privatbahn?
Und ein Nächstes, glaube ich, müssen Sie uns auch darlegen: Wir haben insgesamt verbaut in Rostock etwa 133 Millionen Euro, in Mukran rund 90 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für Hafeninfrastruktur, weil wir – und das ist, glaube ich, politische Übereinstimmung in diesem Landtag – es als wichtig und richtig ansehen, dass die öffentliche Hand bei der Infrastruktur in Vorleistung geht, damit wir die Verkehrsströme durch Mecklenburg-Vorpommern nach Skandinavien lenken können. Dies mag
alles ein Schreckensszenario sein, aber ich frage mich ganz besorgt, warum sind die Dänen so daran interessiert, diese Anteile so zu übernehmen, und warum äußert sich ein Sprecher so. Ich glaube, wir tun alle miteinander gut daran, dass es hier nicht zu Strukturen kommt, meine Damen und Herren, die uns ins verkehrspolitische Abseits befördern.
Und ein weiteres Moment will ich Ihnen aufzeigen. Aller Voraussicht nach wird im Jahr 2005 die Autobahn von Prag nach Stettin fertig sein. Stettin, dort entsteht eine durchaus moderne Hafeninfrastruktur, übrigens auch mit europäischen Mitteln, das ist überhaupt nicht zu kritisieren, das ist nur festzustellen. Und weiterhin wird es sicher noch über Jahre so sein, dass die Lohnkosten in Stettin deutlich niedriger sein werden als in unseren Häfen. Das heißt, ich habe die große Sorge, dass wir in ein verkehrspolitisches Loch fallen. Das heißt auf der einen Seite sehr günstige und kurze Verbindungen über Land nach Stettin und auf der anderen Seite eine Fährlinie Puttgarden– Rødby, hoch profitabel, als Vorstufe für die feste Fehmarnbeltquerung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen einen Antrag auf den Tisch gelegt, Sie haben einen von Ihrer Seite dem Hohen Haus vorgelegt. Für uns ist nicht die Deutsche Bahn AG der Ansprechpartner. Der 100-prozentige Eigentümer der Deutschen Bahn AG ist die Bundesrepublik Deutschland. Und der Bundeskanzler heißt Gerhard Schröder (SPD), der Bundesverkehrsminister heißt Stolpe und wir haben jetzt einen Staatssekretär aus diesem Land, Herrn Braune. Und ich erwarte von Ihnen, Herr Ministerpräsident, und von Ihnen, Herr Minister Ebnet, dass Sie sich mit diesen Herren schnellstmöglich in Verbindung setzen und dass Sie wirklich dafür sorgen, dass die Interessen des Landes MecklenburgVorpommern hier gewahrt werden. Und die Interessen können nicht sein, ich sage Ihnen das ganz klar und deutlich, dass Anteile nach Dänemark verkauft werden, dass die unternehmerische Führung in dänische Hand kommt. Die unternehmerische Führung muss in deutscher Hand bleiben, damit unsere Interessen gewahrt werden. Ich will Ihnen eines sagen: Das ist die Nagelprobe, ob Sie es wirklich ernst meinen, sich für dieses Land zu engagieren. – Herzlichen Dank.
Herr Rehberg, jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, warum Sie die Sondersitzung beantragt haben und warum das alles so dringend gewesen ist.
Dass die Fehmarnbeltquerung gebaut werden soll oder in der Planung ist oder beabsichtigt ist oder auch nicht beabsichtigt ist, das ist ein Thema, das hätte auch noch ein paar Tage Zeit gehabt, um hier im Landtag behandelt zu werden. Duty free ist auch schon länger abgeschafft, und die Autobahn nach Stettin, das wissen wir auch schon seit einiger Zeit.
Die große Dringlichkeit ist nach wie vor nicht zu verstehen, es sei denn, Herr Rehberg, Sie wären Ende Oktober der Meinung gewesen, hier würde ganz schnell was pas
sieren und hier würde etwas geschehen, was nicht wieder zurückgeholt werden kann. Das mag Ihre persönliche Befürchtung gewesen sein – über die Presse haben Sie so was Ähnliches geäußert –, aber wie das mit Ihren Befürchtungen so ist, die Realität ist normalerweise eine andere, auch diesmal war es eine andere.
Es ist am 28. Oktober 2002, als Herr Mehdorn in Dänemark war, genau das nicht passiert, was Sie vorausgesagt haben.
Meine Damen und Herren, das Unternehmen Scandlines hatte in den letzten zehn Jahren eine bewegte Geschichte. Die Belegschaft musste sich immer wieder Sorgen machen, was mit dem Unternehmen in Zukunft geschieht. Das ist auf Dauer nicht zumutbar für die Menschen und es wird endlich Zeit für Klarheit und eine dauerhafte Lösung für Scandlines.
Ich denke, wir sind uns hier im Landtag alle einig, die Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern müssen erhalten werden und Rostock muss Firmensitz bleiben.
Meine Damen und Herren, worum geht es jetzt bei Scandlines? Dazu ein kurzer Rückblick: Am 21. Juli 1998 – damals war noch Helmut Kohl (CDU)
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)
in Bonn Bundeskanzler und damals hieß der Bahnchef Ludewig (CDU) –, am 21. Juli 1998 wurde die Scandlines AG gegründet, eine Fusion der Deutschen Fährgesellschaft Ostsee, zu 100 Prozent im Besitz der DB AG, mit der dänischen Scandlines AS. Verwaltungssitz der Scandlines AG wurde Rostock-Warnemünde.
Diese Pattsituation hat sich nun in der Realität als Problem erwiesen, denn die Zusammenarbeit der Partner klappt nicht reibungslos. Bahnchef Mehdorn sagt, er hätte die Verträge, die noch unter seinem Vorgänger Ludewig geschlossen wurden, so nicht unterschrieben.
Die gute Marktposition von Scandlines sollte eigentlich eine gute Basis für das deutsch-dänische Unternehmen sein, möchte man meinen. Doch die Scandlines-Gesellschafter, DB AG und das Dänische Transportministerium, sind sich nicht einig, was die Führung des Unternehmens oder strategische Entwicklungsfragen angeht. Dementsprechend kompliziert verlaufen auch die im September 2001, also vor über einem Jahr, begonnenen Verhandlungen über eine Neuordnung des Unternehmens. Das Problem existiert schon seit Jahren und die Landesregierung ist seit Jahren mit der Deutschen Bahn AG darüber intensiv und dauernd im Gespräch. Scandlines war und ist ein Dauerthema, ein Thema, das nun auch die CDU entdeckt hat.