Protokoll der Sitzung vom 18.02.2004

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Anschließend kam dann die Frau Ministerin Keler mit einem wunderbaren Ausspruch, und zwar: Die Lehrerzahl wird der Schülerzahl angepasst. Wenn man sich das so auf der Zunge zergehen lässt, dann denkt man,

(Heike Polzin, SPD: Umgekehrt geht es ja nicht.)

dass wir jetzt demnächst automatisch unheimlich viele Lehrer einstellen werden, zusätzlich.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Man muss nicht nur denken, man muss auch mal nachdenken! – Dr. Margret Seemann, SPD: Wissen Sie nicht, dass die Schülerzahl zurückgegangen ist?!)

Das wird hier vielleicht noch suggeriert. Dann kommt als Vierter Herr Borchert, der kommt dann wieder mit diesem polemischen politischen Touch. Er wird dafür sorgen, dass die Vermögensteuer eingeführt wird und...

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Erbschaftsteuer! – Ministerin Sigrid Keler: Haben wir doch! – Zurufe von Rudolf Borchert, SPD, und Dr. Margret Seemann, SPD)

Ach, die auch noch, meine Damen und Herren! Und das will er natürlich, das ist Ihre Politik, sofort der Bildungspolitik zugute kommen lassen.

(Zuruf von Regine Lück, PDS)

Meine Damen und Herren, lassen Sie dem endlich Taten folgen! Für mich hat heute im Prinzip nur noch ein Ausspruch gefehlt von der Fraktionsvorsitzenden Frau Gramkow. Diese hat heute das Thema Bildung nicht so strapaziert mit ihrem Lieblingsspruch. Und zwar will die PDS ja investieren in die Köpfe und nicht in Beton. Aber ich will Ihnen an dieser Stelle einfach noch mal ganz deutlich sagen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Lassen Sie endlich Taten folgen! Das sollten wir als Parlament an dieser Stelle ganz deutlich sagen. Das ist eigentlich auch der Anlass, warum ich mich noch einmal nach vorne bewegt habe. Nicht dass es nachher heißt, wir haben nicht gewusst, was der Beschluss des Haushalts für Folgen haben wird, und nicht, dass es draußen verwechselt wird, dass es immer wieder heißt, wir alle haben dafür gesorgt, dass es zu Stundenerhöhungen bei den Lehrern

kommt. Nein, jedem muss bewusst sein, wenn wir hier heute den Haushalt verabschieden, wenn wir hier diesen Einzelplan verabschieden, dass das die Ermächtigung ist.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und ob Sie das jetzt als direkte oder indirekte Beschlussfassung ansehen, auf alle Fälle wird damit der Minister mehr oder weniger durch Sie, durch das Parlament, durch die Regierungsfraktionen beauftragt, hier Veränderungen vorzunehmen, und zwar bei der Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung. Das bewirkt unser Beschluss mit Zustimmung des Haushalts. Und ich gehe davon aus, dass ich Sie an dieser Stelle nicht mehr belehren werde heute, dass Sie diesem Einzelplan nicht zustimmen. Aber sagen Sie bitte nachher nicht, dass Sie das nicht gewusst haben! Es ist dann einfach eine Tatsache. Bei der Lehrerzahl wird sicherlich in begrenztem Maße etwas getan, das akzeptieren wir, aber die eigentliche Lösungsmöglichkeit, die hier gewählt wird, ist das Hochsetzen von 25 auf 27 Stunden zum Beispiel im gymnasialen Bereich oder auch im Bereich der Berufsschulen. Das muss man deutlich an dieser Stelle so aussprechen.

(Heike Polzin, SPD: Und damit haben sie genauso viel Stunden wie die Lehrer an den Haupt- und Realschulen.)

Frau Polzin, wenn Sie nachher Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ich kann meine Meinung dann zu den Maßnahmen äußern, die Sie hier anbieten und die Sie auf den Weg bringen.

Ich weiß auch gar nicht, ob den Leuten, die hier sitzen, wenn es zum Beispiel um die Unterrichtsverpflichtung geht, bezogen auf das 60. Lebensjahr, die so genannten Altersanrechnungsstunden bekannt sind. Es ist einfach so, sicherlich auch gut und zu Recht, dass 60-Jährige zwei Stunden in der Woche weniger unterrichten müssen als Leute, die noch nicht 60 sind. Das heißt, eine Lösungsmöglichkeit, die hier durch Sie oder durch den Minister später angeboten wird, ist, dass diese zwei Stunden wegfallen. Also die Kollegen werden nicht mehr 23, sondern ab September dann 25 Stunden unterrichten. Und mit dem gleichzeitigen Hochsetzen der Pflichtstundenzahl auf 27 werden dann gerade diese Kollegen noch mal bestraft, also doppelt werden sie abgestraft. Das lassen Sie sich bitte auf der Zunge zergehen, meine Damen und Herren! Das heißt, wir werden diese Kollegen mit einem Altersdurchschnitt über 60 in ihren letzten Arbeitsjahren sehr stark belasten.

Wer einmal in diesem Berufsfeld tätig war, wenn ich zum Beispiel gerade an die höheren Klassen denke, wenn ich an meinen Bereich, die Berufsschulen, denke, wer sich dort vor Ort mal umschaut, was das für Belastungen sind, die auf diese Kollegen zukommen, der kann wahrscheinlich jetzt nur stillschweigend in sich gehen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Waren Sie schon mal in einer Hauptschulklasse?)

Und wenn ich dann von Qualität in der Bildung spreche, das ist ja das Lieblingsthema aller Politiker in Wahlkämpfen, das wissen Sie.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Wenn einmal angekündigt wird, wir wollen Klassenfrequenzen setzen, wir wollen die Eingangszahl verändern und, und, und – hier werden Sie an Taten gemessen und dann sagen Sie das bitte.

(Die Abgeordnete Heike Polzin bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Ich würde die Fragen gern zum Ende beantworten.

Dann sagen Sie bitte auch den Leuten, dass sie hier dafür verantwortlich sind! Und wenn es dann um Qualität geht, was ich ja auch zitiert habe, wenn ich dann lese, in welcher Art und Weise Teilungsunterricht mehr oder weniger abgeschafft werden soll, erschwert werden soll, wenn ich den Bereich der Berufsausbildung nehme, wo durch das Ministerium die Vorgaben im Bildungsausschuss vorgelegt wurden, wenn dort Formulierungen sind, wie, es soll doch mal geprüft werden, in welchen Berufen vielleicht überhaupt noch Teilungsunterricht möglich ist, wo wir heute eine veränderte Berufsschullandschaft haben, wo es um handlungsorientierten Unterricht geht, dann kommen wir oder kommen Sie und wollen in diesem Bereich Teilungsunterricht einsparen.

Das ist für mich, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, eine Katastrophe, und da kann ich Ihnen auch schon versprechen, dass ich das morgen im Bildungsausschuss thematisieren werde. Das kann einfach nicht das letzte Wort gewesen sein, dass wir auch in diesem Bereich an der Stellschraube drehen und die Qualität damit extrem beeinflussen. Und dieser handlungsorientierte Unterricht, die Zuweisung der Stunden nicht mehr in Abhängigkeit von Klassen – damit sollte man sich einmal auseinander setzen –, sondern in Abhängigkeit von der Schülerzahl, obwohl man genau weiß, dass die Durchschnittszahl der Klassen unter 24 liegt und die vollständige Zuweisung des Teilungsunterrichtes nur bei der Zahl 24 erfolgt, das ist ein bewusstes Vorgehen, um hier, das muss ich Ihnen einfach unterstellen, Qualität abzubauen. Und dann kann ich es nicht akzeptieren, dass hier alle Vorredner von mir die Bildungspolitik mit zwei, drei Sätzen mal streifen

(Unruhe bei Torsten Koplin, PDS, und Regine Lück, PDS)

und sagen, das ist alles nicht ganz so schlimm, wir wollen weiter Qualität erhalten. Dann sprechen Sie die Tatsachen aus! Ich kann Ihnen versprechen, wir werden weiterkämpfen und damit werde ich morgen im Bildungsausschuss zum Thema Berufsschulen beginnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Margret Seemann, SPD: Aber Frau Lochner-Borst hat länger geredet.)

Herr Abgeordneter Renz, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Polzin zu antworten? (Zustimmung)

Frau Polzin, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Renz, ist Ihnen bekannt, dass in den Schulartgruppen Haupt- und Realschule die Unterrichtsverpflichtung von 27 Stunden bereits seit dem Jahre 1992 existiert? Wenn ja, wie würden Sie es dann bewerten, dass man den einen, wie Sie soeben vorgetragen haben, diese Erhöhung auf 27 Stunden jetzt im Jahre 2004 nicht zumuten kann, der anderen Schulartgruppe jedoch seit über zehn Jahren das Gleiche bei einem schwierigen Schülerklientel zugemutet hat?

Darf ich noch eine zweite Frage stellen? (Zustimmung)

Ist Ihnen eigentlich bekannt, wie im Bundesmaßstab die Unterrichtsverpflichtung aussieht? Jedes Bundesland entscheidet ja selbst, was in den einzelnen Schulartgrup

pen an Unterrichtsverpflichtung da ist, wie wir in Mecklenburg-Vorpommern bisher im Reigen standen und was die jetzige Veränderung im Vergleich zum Bundesmaßstab bewirkt.

Ich bin tolerant, Sie können sich auch hinsetzen, Frau Polzin.

Die Geschäftsordnung lässt das nicht zu.

Herr Renz, das entscheiden Sie nicht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Frank Ronald Lohse, SPD: Das entscheiden Sie aber nicht.)

Entschuldigen Sie bitte, Frau Präsidentin, dass ich hier versucht habe, meine Befugnisse zu überschreiten. Es tut mir aufrichtig Leid und ich nehme die Bemerkung mit Bedauern zurück.

(Zurufe von SPD und PDS: Oh!)

Bei der ersten Fragestellung ging es um die Gleichbehandlung von Lehrern. Das ist mir sehr wohl bekannt. Ich persönlich sehe das ebenfalls als starke Belastung der Lehrkräfte in diesem Schulbereich an und deswegen muss ich das ja nicht gutheißen, dass wir dort 27 Stunden haben und das vielleicht noch als Anlass und Grund nehmen, auch die anderen Schularten jetzt auf 27 Stunden nachzuziehen. Sicherlich wäre mir das auch recht und billig, wenn ich hätte die anderen absenken können.

(Heiterkeit bei Ministerin Sigrid Keler)

Dass das eine Geldfrage ist, denke ich einmal, ist kein Thema.

(Andreas Bluhm, PDS: Oh doch!)

Aber das, was ich Ihnen vorwerfe, Frau Polzin, nicht Ihnen persönlich, sondern Ihrer Mitstreiterin und Ihrer gesamten Fraktion zum Beispiel,

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD: Dann brauchen wir doch noch die Vermögensteuer, Herr Renz.)

ist die Tatsache, dass Sie Politik machen unter dem Deckmantel, nur wir, die SPD, und wir, die PDS, sind die Einzigen, die sozial in der Lage sind, diese Probleme bildungstechnisch und mit allem, was dazugehört, zu lösen. Und das ist mein Auftrag hier auch als Opposition, dass die Bevölkerung – und ich hoffe, dass die Presse noch anwesend ist –

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heinz Müller, SPD: Ach so!)

mal hört, dass nämlich Sie diejenigen sind, die auf der einen Seite, wie man so schön sagt, Wasser predigen und Wein trinken. Das ist mein großer Vorwurf, den ich Ihnen mache.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Deswegen heiße ich das noch lange nicht gut, dass die anderen Kollegen auch 27 Stunden arbeiten müssen.