Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und Schwerin hat mit Berlin gleichgezogen. Denken Sie doch bitte mal darüber nach, ob das nicht auch Auswirkungen der Personalpolitik sind, denn Präsenz verhindert Straftaten. Die Präsenz ist geringer geworden, weil wir weniger Polizeivollzugsbeamte haben und Sie die noch weiter abbauen. Wir haben ein Plus von 9 Prozent an Sexualstraftaten und Sie wollen gerade in dem Bereich kriminaltechnisches Personal abbauen. Das kann doch wohl nicht wahr sein! 43 Prozent Zuwachs bei Geld- und Wertzeichenfälschungen, das ist eine Explosion. Dafür sind Sie zwar nicht verantwortlich, aber Sie sollen das bitte zum Anlass nehmen, wirklich einmal darüber nachzudenken. Bei Vermögens- und Fälschungsdelikten, da sind ja gewaltige Steigerungen:

1999 15.500 2002 25.800 2003 36.400

Und die PKS, die aufgrund der Ermittlungspraxis eben nicht mehr die reale Kriminalitätslage bei uns wiedergibt, sollte doch Grund genug sein, alles noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Das ist der Hintergrund unseres Antrages. Im Übrigen ist das nicht der erste Antrag und deswegen müsste es einmal, aus meiner Sicht, einen kurzen Rückblick geben, um einmal auf die Fakten zu kommen, Herr Dr. Körner. Die Anträge von uns kann ich Ihnen noch alle zeigen.

Ich darf auch einmal an die Probleme erinnern, als Sie rangekommen sind: PSV, Hempel-Affäre, V-Mann-Affäre, Mobbing, Streit mit den Gewerkschaften der Polizei, Informationspannen, Stellenstreichprogramm. Haben Sie das alles schon vergessen? Täglich, täglich, wöchentlich wurde die berühmte neue Sau durchs Schweriner Landeshauptdorf im Bereich der Polizei getrieben. Rechtlich haben Sie der Polizei auch nicht mehr Möglichkeiten gegeben: Schleierfahndung, Überwachung von Verbrecherwohnungen, Videoüberwachung, alles raus, denn auch damit kann man sich dem Personaldruck anpassen. Um das damalige Personalchaos zu beenden, forderten wir von der Landesregierung im November 2000, nicht erst heute, Maßnahmen zur qualitativen Fortentwicklung der Landespolizei ein. Unseren 6-Punkte-Forderungskatalog schmetterten Sie ab.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Von wegen, wir haben von Ihnen etwas abgeguckt, das haben wir weiß Gott nicht nötig. Da kommt doch nichts.

Wir forderten ein Aus- und Fortbildungskonzept für das Bildungsinstitut der Polizei bis zum 31. März 2001 und Sie erzählen uns heute, wir arbeiten dran.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie wissen noch nicht einmal, dass es dazu einen IMAG-Beschluss gibt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Mein Gott Walter! Wir wollten, dass Sie bis zum 3 1. Juli 2001 ein Personalentwicklungskonzept Polizei

mit Dienstpostenbewertung nach einem Punktesystem und einen Zeitplan zur Umsetzung des Konzepts vorlegen, bei dem die geplanten Polizeireviere mit zu beachten sind. Abgeschmettert! Wir wollten, dass Sie vorher, bis Ende Januar 2001, eine Tätigkeitsanalyse vorlegen, die gehört nämlich dazu und nicht nur die fiskalische Betrachtung, auf die sich das Änderungsprofil für den gehobenen Dienst stützen kann. Wir wollten auch einen Änderungsentwurf zur Laufbahnverordnung, weil man Polizei eben nur aufgabenbezogen und nicht fiskalisch beurteilen kann. Das ist doch das, was Sie bis heute ignorieren! Zur Verbesserung der Eigensicherung forderten wir damals auch einen Maßnahmenkatalog von Ihnen. Auch das haben Sie abgelehnt, weil Sie schon heftig daran arbeiten. Nur Sie arbeiten immer noch daran und sind nicht fertig geworden. Sie haben alle Argumente aus den Reihen der Polizei, der Kommunen, der Gewerkschaft und der Opposition in den Wind geschlagen, ich sage, ohne Sinn und Verstand in den Wind geschlagen!

Im April 2001 haben wir ein Positionspapier zur qualitativen Fortentwicklung der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt. Lesen Sie sich das durch! Ihre Vorhaben wurden dabei nicht nur kritisch begleitet, sondern mit Gegenvorschlägen untersetzt. Und die waren nicht alle Unsinn, weiß Gott nicht. Trotz des realen Belastungsindexes der Polizei, bei dem wir führen, trotz höherer Anforderungen an die Polizei durch die verschärfte Sicherheitslage, aber auch durch mehr Besucherzahlen, das ist ja das Positive, haben Sie immer weiter Polizeibeamte, Angestellte und Arbeiter abgebaut, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center war dieses Land das einzige, was kein Antiterrorpaket aufgelegt hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist so.)

Das ist auch bemerkenswert,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

denn Bayern gab 400 Millionen aus, Schleswig-Holstein 25 Millionen,

(Torsten Koplin, PDS: Super! Toll, toll! Spitzenmäßig!)

Bremen 5 Millionen für 90 neue Stellen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Immer auf die Knochen der Polizeibeamten.)

Brandenburg 75 Millionen. Sogar Niedersachsen hat gesagt, oh Gott, wir haben Fehler gemacht, 271 Millionen für die nächsten vier Jahre. Für Niedersachsen war das damals ja wirklich etwas.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Und was haben Sie gemacht? Acht Stellen für den Verfassungsschutz, den Sie vorher abgebaut haben zur Terrorismusbekämpfung, das ist null, das ist gar nichts. Hätten wir da etwas gehabt, hätten wir jetzt mehr Substanz. Unser Antiterrorpaket vom Oktober 2001 haben Sie abgebügelt, so, wie Sie das heute machen! Und natürlich muss man die Anschläge, den Krieg im Irak bis Moskau in ein Sicherheitskonzept, in ein Personalentwicklungskonzept mit einbeziehen! Wir leben doch nicht fernab von diesen Ländern, sondern wir leben darin.

Sie sind – und ich sage, leider – mit Ihrer Sicherheitspolitik hier gescheitert, mit Ihrer Organisationsstruktur,

weil Sie mit immer weniger Personal weder die polizeilichen Aufgaben in der Fläche noch in den Zentren erfüllen können. Neubrandenburg ist doch wohl das beste Beispiel dafür. Der Rückzug aus der Fläche ist mittlerweile irreparabel! Das haben Sie wohl noch gar nicht mitbekommen? Und mit den Zielvereinbarungen zur Senkung der Fallzahlen versuchen Sie seit Jahren, sprichwörtlich die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und zu täuschen. Ich sagte schon, wozu das letztlich führt.

Drittens. Mit der Zerschlagung der dritten Polizeibereitschaftsabteilung haben Sie doch nur ein paar Personallöcher in den Polizeidirektionen stopfen können!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig!)

Das war der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Viertens. Sie zeichnen verantwortlich für den kontinuierlichen Abbau an Polizeivollzugsbeamten in diesem Lande. Mit Ihren jetzigen Plänen, von 672 Arbeitern und Angestellten 392 abzubauen, darunter das Rückgrat im kriminaltechnischen Bereich, gehen Sie wirklich an die Substanz. Nur gemessen an den Planstellen fehlen zurzeit 400 Polizeivollzugsbeamte. 400 fehlen! In den nächsten zehn Jahren scheiden 1.254 Beamte aus, plus 300 aus gesundheitlichen Gründen. Eingestellt werden aber nur 800! Wissen Sie das noch nicht? Das ist wieder eine neue Lücke von 754 Beamten. 80 Prozent der Dienststellen und Liegenschaften sind, um es freundlich zu sagen, nicht gerade im besten Zustand. Das Durchschnittsalter der Funkstreifenwagen liegt bei sieben, das der Kräder bei acht Jahren. Wagen mit zehn Jahren Laufleistung und 400.000 Kilometer, sogar beim MEK und SEK, sind leider keine Seltenheit. Die jährliche Laufleistung hat sich jetzt wegen Ihrer überaus klugen Strukturveränderungen um circa 24.000 Kilometer pro Funkstreifenwagen erhöht und deswegen sind es d i e Unterhaltskosten, die dramatisch gestiegen sind, in I h r e m Haushalt nachzulesen. Ergebnis: In Doberan-West zum Beispiel stehen nur noch zwei Streifenwagen für 8 3. 0 0 0 Bürger zur Verfügung. Von Laptops, Handys und anderen modernen Kommunikationsmitteln will ich erst gar nicht reden, da planen Sie, die irgendwann einzuführen. Das erzählen Sie uns aber schon seit Jahren. Das ist die reale Bilanz! Und ich bitte Sie, das wirklich nicht nur negativ zu sehen. Nehmen Sie doch einmal diese Bilanz, um zu versuchen umzudenken! Sichtbarstes Zeichen – das will ich hier wirklich sagen, das stört mich jedes Mal – Ihrer Sicherheitspolitik ist der Kontrast zwischen der Polizeistation in der Schlossstraße und den Prachtbauten nebenan!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das ist eine Schande für dieses Land, eine Schande für den Innenminister und eine Schande für eine Landesregierung! So etwas können wir doch nicht machen!

(Minister Dr. Gottfried Timm: Wem gehört denn das Gebäude?)

Wissen Sie, wenn ich Innenminister wäre, dann hätte ich das doch selbst bezahlt. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das ist doch …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Herr Minister, Herr Thomas, bitte einen Moment. Herr Thomas, einen kleinen Moment bitte.

Herr Minister, von der Regierungsbank bitte keine Wortmeldungen.

Bitte schön, Herr Thomas.

Wir sollten uns daran erinnern: Alle Sicherheitspolitiker, auch die der SPD, warnen vor der stetig wachsenden Bedrohung. Das hat etwas mit der Polizei zu tun, auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde das wieder bestätigt.

(Siegfried Friese, SPD: Wir warnen vor dem Verfolgungswahn! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Hören Sie doch auf! Wissen Sie, Ihre Argumentation ist wirklich noch unter dem Niveau meiner Enkeltochter und die ist sieben Jahre alt.

(Zuruf von Bodo Krumbholz, SPD)

Der Generalbundesanwalt Kay Nehm, der BND und andere sind sich einig: Die Gefährdung ist auch in Deutschland weiter latent hoch. Was das mit Verfolgungswahn zu tun hat, das erklären Sie sich mal selbst!

(Beifall Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Ja, jetzt hat er es! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Na, jetzt wird es langsam lustig.

Trotz dieser Gefahren streichen Sie weiter bei der Landespolizei.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und deswegen müssten wir eigentlich erst einmal definieren, was wir nach dem 11. September gebraucht hätten, um eine vernünftige Ausgangsbasis zu haben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Da kann man vielleicht einen Kompromiss finden und deswegen sage ich Ihnen das mal: