Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

machen wird, die auch die Verantwortung dafür haben wird, dass dieses Haus sicher bleibt. Und ich darf in dem Zusammenhang darauf verweisen, dass wir auch im Bereich der Zusammenarbeit mit den jungen Leuten gute Projekte angeschoben haben. Ich erinnere an die erste Phase des deutsch-polnischen Jugendprojektes, das in Stettin stattgefunden hat, das wir in wenigen Tagen, im April, hier bei uns in Schwerin fortsetzen werden. Im Rahmen dieses Projektes will ich nur zwei Dinge herausgreifen, die sicherlich ganz wichtig in diesem Zusammenhang sind. Das ist einmal das Projekt deutsch-polnische Zusammenarbeit unter Nutzung europäischer Fördermittel und das zweite Projekt ist die zu erarbeitende Broschüre, die als Ratgeber für junge Leute fungieren soll, umsich auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der Bildung im europäischen Haus zurechtzufinden. Und ich darf Sie alle – und damit meine ich nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die Damen und Herren Ministerinnen und Minister – sehr herzlich einladen, uns bei der Fortführung dieses Projektes zu unterstützen.

Ich will jetzt keinen Exkurs machen auf die wirtschaftlichen Aspekte. Das ist zum Teil schon angeklungen und das wird sicherlich mein Kollege Herr Müller noch einmal aufgreifen. Ich will einen Punkt herausgreifen, der mir natürlich besonders am Herzen liegt, und das ist die ganze Problematik Tourismus. Ich denke, dass es auch hier Ängste und Befürchtungen gibt. Dass der Tourismusmarkt heiß umkämpft ist, wissen wir. Wir haben gute Grundlagen geschaffen. Wir haben hervorragende Ausgangsdaten. Wir haben, um einmal in der technischen Sprache zu bleiben, hervorragende Hardware.

(Beifall Detlef Müller, SPD)

Jetzt geht es darum, aus diesem Pfrund die Kraft und die Perspektiven zu ziehen, die sich für uns auch vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung bieten. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern die meisten Hotels im 5-Sterne-Bereich, wir haben die höchsten Zuwachsraten und wir sind mittlerweile die beliebteste Urlaubsregion für ganz Deutschland geworden. Daran müssen wir anknüpfen und das, denke ich, können wir auch halten und ausbauen vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union und wir sollten uns konzentrieren auf das, was uns in diesem Rahmen möglich ist.

Ich sehe sehr gute Chancen für die Ausrichtung auf den baltischen Raum, dass wir gerade auch die neuen Partner in der EU mit einbeziehen sollten in unsere Überlegungen, wenn es darum geht, Touristen aus diesen Ländern zu uns zu holen. Das gilt auch für unseren europäischen Nachbarn Polen, denn die Ausrichtung gerade im Tourismusbereich ist dort zum Teil inhaltlich unterschiedlich und das können wir nutzen. Wir setzen in erster Linie auf Qualitätstourismus im hochpreisigen Segment. Aber wir haben auch, denke ich, vor dem Hintergrund gemeinsamer Möglichkeiten dort entscheidende Kooperationsoptionen. Ich will an der Stelle nur die Bereiche nennen: Hansestädte, Backsteingotik, Kultur insgesamt im Ostseeraum, aber natürlich auch unseren reichen Schatz an kultureller und vor allem landschaftlicher Vielfalt, also die Naturschutzgebiete, die sich auf beiden Seiten der Grenze erstrecken. Das sind Punkte, wo man Kooperationsmodelle ausbauen muss. Es gibt solche Kooperationsmöglichkeiten auch schon. Nehmen wir nur einmal die Regionalverbände im Bereich des Tourismus, beispielsweise auf Usedom. Dort gibt es Kooperationen. Und auch das deutsche Jugendherbergswerk hat bereits solche Kooperationen geschlos

sen. Die Ostsee wird also für uns ein Quellmarkt sein für Touristen.

Wir müssen allerdings im Bereich der Software noch einiges verbessern. Und da will ich in erster Linie ansprechen die Sprachkompetenzen. Wenn wir nach Polen fahren, wenn wir nach Lettland fahren, wenn wir nach Estland fahren, dann treffen wir dort überall auf Leute, die unsere Sprache sprechen oder zumindest Englisch beherrschen, wo man sich also verständlich machen kann. Kommen diese Gäste zu uns, dann finden sie weder eine polnische Speisekarte noch Hinweisschilder in unmittelbarer Grenznähe.

(Beifall und Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Und ich denke, das sind Dinge, die wir in der Zukunft abbauen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Dr. Martina Bunge, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

Wir haben die Chance, gemeinsam mit den polnischen Kollegen die Ostsee und insbesondere die südliche Ostsee als große europäische Urlaubsregion zu etablieren und noch mehr als bisher in das Bewusstsein der Menschen zu rücken. Ich denke, wesentliche Voraussetzungen für alles, was wir tun – das war jetzt nur ein ganz kurzer Exkurs –, ist, dass die Menschen sich kennen lernen, dass sie die Möglichkeit haben, miteinander zu kommunizieren, und das bedeutet Sprache. Und da, glaube ich, müssen wir insbesondere im Bereich der Jugend, im Bereich der Ausbildung etwas tun und wir sollten auch die europäischen Programme nutzen, die uns Möglichkeiten eröffnen, im Bereich der Qualifizierung und Weiterbildung hier einen entscheidenden Schritt voranzukommen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Bretschneider.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“ Dieser Satz, den Willy Brandt geprägt hat im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit, passt auch zu dem heutigen Thema. Europa und die Osterweiterung der Europäischen Union, die vor uns liegt, ist nicht etwas künstlich Geschaffenes, sondern hier fallen Grenzen, hier fallen staatspolitische Grenzen, hier wird ein gemeinsames Projekt, kann man fast sagen, das über 2000 Jahre alt ist, vollendet, und zwar genau so, wie es der Ministerpräsident gesagt hat. Es wird vollendet nach dem Willen der dort lebenden Völker und nach dem Willen der einzelnen Staaten. Das ist höchst erfreulich und Teil einer sagenhaften Weltgeschichte, an der wir heute teilnehmen genauso wie 1989, nur ist es heute ein bisschen mehr vorbereitet von all den Staaten und Ministerien, die daran beteiligt sind.

Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern geraten aus der Randlage in die Mitte der Europäischen Union und auch dieses hat erhebliche Veränderungen für uns hier in unserem Lande. Über die große Freude, die wir sicher alle, die wir hier sind, teilen, hat sich aber ein nicht unerhebli

cher Schatten gelegt, denn wir haben heute erfahren, dass das Kooperationsbüro für den östlichen Ostseeraum in Tallinn geschlossen werden wird zum Ende dieses Jahres.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur peinlich.)

Ich betone hier ausdrücklich, dass es sich um ein Kooperationsbüro handelt und nicht um ein Aufbauhilfebüro. Das wäre etwas ganz anderes.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Karsten Neumann, PDS)

Wenn Sie in die entsprechenden Protokolle der Landtagssitzungen aus dem Jahre 1991 schauen, dann werden Sie feststellen, dass es dort um die Pflege wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen geht. Das ist der Kernpunkt der Arbeit, die dort zu leisten war.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Die kulturellen Beziehungen zwischen den Ländern und Staaten der Europäischen Union sind etwas ganz Besonderes. Sie kennen möglicherweise eine Umfrage zwischen den Staatsmännern, die damals Montan Union und EWG ins Leben gerufen haben. Sie wurden gefragt: Sagen Sie einmal rückblickend, was würden Sie denn heute anders machen? Und da hat man überwiegend gesagt, wir würden heute nicht mehr mit Kohle und Stahl anfangen, sondern wir würden mit Kultur beginnen.

(Beifall Frank Ronald Lohse, SPD)

Dieses war und ist auch eine Aufgabe des Büros in Tallinn.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, heute Morgen im Rechtsausschuss haben wir den Bericht des Staatssekretärs erhalten, der uns mitteilte, dass dieses Büro geschlossen werden wird. Herr Dankert, Sie haben eben eingeworfen beim Redebeitrag, das wäre ja bereits länger bekannt. Ja, möglicherweise dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, dem Rechtsausschuss einhellig nicht,

(Karsten Neumann, PDS: Dem Europaaus- schuss. – Rainer Prachtl, CDU: Dafür hat der Staatssekretär sich entschuldigt. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

der CDU-Fraktion auch nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich weiß nicht, warum Sie das nicht wussten. Wir wussten es nicht.

(Reinhard Dankert, SPD: Ich weiß auch nicht, warum Sie Dringlichkeitsanträge machen.)

Und wir waren einhellig heute der Auffassung, dass wir über die Informationspolitik insoweit verärgert waren und dass wir über die Schließung dieses Büros enttäuscht sind.

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sie haben heute erklärt, Herr Ministerpräsident, wir machen das in Zukunft in Tallinn, was auch andere Länder machen. Ja, es ist doch sehr schade, wenn andere Länder hier auf Sparflamme fahren.

(Reinhard Dankert, SPD: Was hätten Sie denn gemacht, wenn wir keine Ankündi- gung zu diesem Thema gemacht hätten?)

Dann ist es auch schade, dass wir zukünftig nicht noch ein Scheit nachlegen und das ausbauen, was wir bereits in der Vergangenheit begonnen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Genau das ist der Punkt!)

Es ist schade, dass wir hier die Flamme zurückdrehen und nunmehr auf Sparflamme fahren. Ich erinnere Sie daran, was Bremen macht im baltischen Raum. Das ist vorbildlich, das ist großartig und man kann im Grunde nur sagen, daran sollten wir uns orientieren und hier nicht zurückdrehen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

denn auch der baltische Raum, der Ostseeraum ist in Zukunft für Mecklenburg-Vorpommern sehr bedeutsam. Gleichwohl bietet die größer werdende Europäische Union natürlich erhebliche Chancen. Auch dieses ist bereits angeklungen. Der Binnenmarkt der Europäischen Union wird auf 450 Millionen Menschen anwachsen. Das ist enorm. Dieser größere Wirtschaftsraum führt natürlich auch zu einer größeren Dynamik und damit zu Wachstumschancen. Wachstumschancen sind dann gut, wenn man sie ergreifen kann. Und hier steht eigentlich vor uns die Frage, Exzellenz oder Exodus.

Wenn ich an bestimmte Projekte der Europäer in der Vergangenheit und auch noch in der Gegenwart denke, dann stellt sich diese Frage ganz besonders. Der Wettbewerb zwischen den USA und der Europäischen Union wird gestärkt – in diesem Falle positiv für die Europäische Union –, beispielsweise durch das Weltraumprogramm ESA/Ariane. Sie denken sicher in diesem Zusammenhang auch an die jüngsten Marsmissionen, die besonders erfolgreich auch für die Europäer waren. Bekannt ist auch, dass das Navigationssystem Galileo an den Start gehen wird und damit ein weiteres europäisches Projekt, das eine erhebliche auch wirtschaftliche Tragweite für die ganze Europäische Union haben wird.

Aber ich denke dabei auch an den Transrapid, den wir uns versagt haben. Ich denke dabei auch an die Hochtechnologie von ITER, die wir uns versagt haben. Und schließlich und nicht zuletzt denke ich natürlich auch an Airbus: sechs Produktionsstätten allein in Norddeutschland, keine einzige davon in Mecklenburg-Vorpommern. Selbst Hamburger sagen heute hinter vorgehaltener Hand, nach dem, was dort in Hamburg passiert, was landschaftlich passiert, was im Hafen geschieht, na ja, das Projekt hätte möglicherweise doch besser nach Rostock gepasst. Das ist auch richtig so, obwohl natürlich die Hamburger für ihren eigenen Standort eintreten müssen, das ist ganz klar. Aber wenn wir erkennen müssen, dass wir so viele Projekte hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht haben durchsetzen, nicht haben anschieben können, dann müssen wir uns sicher auch davor hüten, nicht zu Bedenkenträgern der Nation zu werden.

Ich stelle mir das so vor: Wenn ein Airbus-Flugzeug in Frankreich zusammengebaut wird, laufen die Franzosen dort hin mit Fähnchen, sie rufen: „Vive la France!“, trinken Rotwein und freuen sich darüber, dass hier ein europäisches Objekt verwirklicht worden ist. Immerhin liefert Airbus zwischenzeitlich mehr Flugzeuge aus, als Boing das tut. Wenn dasselbe Projekt in Deutschland stattfinden

würde, dann würden dort die Menschen wahrscheinlich auch hinlaufen, aber nicht mit Fähnchen, sondern mit Kugelschreibern in der Hand und der Frage auf den Lippen: Wo ist denn hier die Liste, in die ich mich eintragen kann, damit das Flugzeug nachts nicht startet?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Klaus Mohr, SPD: Das stimmt doch nicht!)

Das ist die große Sorge, die ich hier bei uns habe, wenn wir an Hochtechnologie denken.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Weiter berührt uns natürlich auch sehr die schon angesprochene innere Sicherheit im Lande.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das ist ein ganz wesentlicher Faktor, der Ministerpräsident hat es angesprochen. Vor dem grauenhaften Terroranschlag in Spanien in der jüngsten Zeit müssen wir natürlich, und das werden wir auch heute im Landtag tun, das Augenmerk insbesondere auch auf die Sicherheitspolitik lenken. Polizei und Sicherheitsbehörden müssen natürlich entsprechend ausgestattet werden mit Geräten, mit Funkgeräten, beispielsweise digitaler Funk, und möglicherweise sind auch Sprachen zu lernen, jedenfalls dann, wenn man im grenznahen Raum eingesetzt ist.