Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Torsten Koplin, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Danke schön, Herr Bluhm, nein, Herr Minister. Entschuldigung!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU, PDS und Minister Dr. Wolfgang Methling)

Das Wort hat jetzt der Vizepräsident Herr Bluhm von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Riemann, CDU: Noch kein Minister!)

Ich beneide den Minister auch nicht um sein Amt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das glaube ich. – Heiterkeit und Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Ja, das wird ja im Protokoll nachzulesen sein.

Die vorliegende Berichterstattung zu dem Antrag der Fraktion der CDU zur Unterrichtsversorgung findet so, wie das im Ausschuss vorgeschlagen ist, die Zustimmung meiner Fraktion. Natürlich war, und der Minister hat es deutlich gemacht, die Unterrichtsversorgung schon vor dem Antrag der CDU-Fraktion ein Thema hier in diesem Hause. Das wird auch so bleiben. Und die Situation der Unterrichtsversorgung ist natürlich eines der zentralen bildungspolitischen Themen, weil sie nämlich das Alltagsproblem von Schule kennzeichnet.

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Und ich glaube nicht, dass es jemals so sein wird, dass die Unterrichtsversorgung kein bildungspolitisches Thema mehr sein könnte. Ich würde es mir wünschen, dass wir in eine Situation kommen, wo alles das, was nötig und möglich ist, auch machbar wäre, allerdings fehlt mir daran der Glaube.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist, weil die Landesregierung keine Schwerpunkte setzt!)

Wenn jetzt die CDU-Fraktion hier den Eindruck erweckt, es würde einzig und allein die CDU sein, die sich für die Erteilung des Unterrichts stark macht,

(Heike Polzin, SPD: Das haben wir ja gesehen!)

mit Verlaub, Frau Fiedler-Wilhelm, das ist denn doch nicht so. Die Fraktionen, die bildungspolitischen Sprecher, das Ministerium, viele Beteiligte ringen seit Jahren – unterschiedlich, woher sie politisch kommen –

(Torsten Renz, CDU: In der Opposition!)

um eine möglichst gute höchstmögliche Unterrichtsversorgung.

(Wolfgang Riemann, CDU: Mit wem ringen wir denn da, Herr Bluhm?!)

Diesem Ansatz, dass das auch künftig so sein wird, denke ich, wird auch die Beschlussfassung des Landtages hier heute gerecht. Denn wenn nunmehr halbjährlich durch das Ministerium dem Parlament ein aktueller Bericht zur Unterrichtsversorgung vorzulegen ist, dann, denke ich, ist das eine Maßnahme, die es dem Parlament und der Öffentlichkeit ermöglicht, nachzuvollziehen, in welcher Art und Weise sich hier diese Fragen weiterentwickeln. Natürlich könnte man jetzt sagen, nur vom dauernden Wiegen wird das Schwein nicht fett, aber, meine Damen und Herren, das Analysieren der sich vollziehenden Prozesse ist schon in Ordnung, und das aus zwei Aspekten heraus: organisatorisch und natürlich inhaltlich. Und nur auf die rechnerische Seite des Problems abzuheben, greift aus meiner Sicht zu kurz.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Es ist und bleibt die Grundauffassung meiner Fraktion, alles dafür zu tun, um den laut Rahmenplänen und Stundentafeln zu erteilenden Unterricht auch abzusichern, und

das in einem Höchstmaß fachgerecht und nach möglichst modernsten pädagogischen Erkenntnissen. Und an dieser Stelle möchte ich dann doch all denen Lehrerinnen und Lehrern danken, die tagtäglich mit hohem persönlichen Einsatz, trotz widriger Rahmenbedingungen, die hier niemand bestreitet, Frau Fiedler-Wilhelm, dieses versuchen im Interesse der ihnen anvertrauten Mädchen und Jungen.

(Beifall Heike Polzin, SPD, Torsten Koplin, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Natürlich hängt die Sicherung der Unterrichtsversorgung von einer Vielzahl von Faktoren ab und es greift zu kurz, hier so zu tun, als müsste man nur genügend Stellen bereitstellen. So einfach ist es denn doch nicht, denn es ist ein kompliziertes System von verschiedenen Zahnrädern, die nur in ihrem koordinierten Zusammenwirken tatsächlich eine Kuckucksuhr zum Schlagen bringen. Natürlich geht es um die zur Verfügung stehenden Stellen,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Herr Renz, natürlich geht es um die zur Verfügung stehenden Stellen, a) von ihrer Anzahl her und b) von ihrer Fachlichkeit her.

(Torsten Renz, CDU: Das ist korrekt.)

Und da geht es eben darum, politische Mehrheiten dafür zu finden, vielleicht doch eine Reserve einzubauen. Das muss hier aber politisch ausgehandelt und entschieden werden. Das ist angesichts der finanziellen Situation des Landes kein ganz einfacher Prozess. Aber da sind sich die Bildungspolitiker querbeet – davon gehe ich mal aus – ja einig. Da haben wir ein bisschen was mit anderen Ressorts zu tun.

(Wolfgang Riemann, CDU: Mit wem denn?)

Natürlich hat die Unterrichtsversorgung etwas zu tun mit der tatsächlich sich vollziehenden Klassenbildung in den vielen Schulen, deren Anzahl sich von 1970, als noch 90 Prozent der Schüler in eine gemeinsame Schule gingen, was einfacher zu organisieren und zu planen war, im Jahre 1990 auf nunmehr knapp 715 mit der entsprechenden hohen Gliedrigkeit reduziert hat, verbunden mit einem Rückgang der Schülerzahlen absolut von knapp 36 Prozent. Es hat etwas damit zu tun, wie die Schülerströme, die ja jedes Jahr neu entstehen, zu Bedarfen in den einzelnen Schularten führen, also im Bildungsübergang von Jahrgangsstufe 4 nach 5, und natürlich auch damit, was sich in der Bildungsgangbeteiligung in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 vollzieht mit Rückstufungen, Abwanderungen und Ähnlichem.

(Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Und, Frau Fiedler-Wilhelm, die Förderschulen und die gleich bleibende Anzahl von Förderschülern hat nicht nur damit etwas zu tun, dass vielleicht die mecklenburgischen und vorpommerschen Kinder dümmer geworden sind oder höheren Förderbedarf haben, es hat auch etwas zu tun mit sozialen Verwerfungen, mit sozialem Gefüge, mit sozialen Bedingungen, die natürlich genauso rückwirken auf die entsprechende Bildungsgangbeteiligung und die nicht von vornherein vorhersehbar waren. Und da greift es eben einfach zu kurz zu sagen, wir müssen hier dann die entsprechenden Rahmenbedingungen ändern.

Nein, ich gehe an dieser Stelle schon darüber hinaus und sage, da gibt es auch andere Ursachen, die nicht

ursächlich im Bildungsbereich zu suchen sind, die aber darauf Auswirkungen haben, dass die festgestellten Förderbedarfe sich verändern. Es geht natürlich auch um die Frage, welche Schulstandortentscheidungen denn vollzogen und welche nicht vollzogen werden. Alles das hat Auswirkungen genauso wie der Krankheitsstand bei Lehrerinnen und Lehrern. Für dieses Problem gibt es ja eine explizite Ursache. Ergo, zusammengefasst, die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist mehr als nur die rechnerische Bestimmung der zur Verfügung zu stellenden Stellen.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Sie hängt ab von der Qualität, von den Entwicklungen der inneren und äußeren Strukturen von Schulen in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hängt auch ab von demographischen Verwerfungen.

Ich empfehle Ihnen zwei interessante Papiere: Das eine ist der Bericht der Enquetekommission des thüringischen Landtages zur Entwicklung der Bildung, die ja auf der Grundlage eines Beschlusses der dortigen CDU-Fraktion zustande gekommen ist – ein interessantes Papier mit unheimlich vielen Aspekten, die die Enquetekommission dort in Thüringen feststellt –, und das andere ist der Bericht des Bundesministeriums zur Demographie und den Auswirkungen auf den Bildungsbereich. Ich will hier einfach nur die Schlagzeile hochhalten: „Die Schlauen sterben aus.“ –

(Torsten Koplin, PDS: Was?!)

ein grundsätzliches Problem deutscher Bildungsentwicklung auf der Grundlage von demographischen Prozessen.

(Heiterkeit und Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Auch das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Bildungsgangbeteiligung.

(Rainer Prachtl, CDU: Weil die Dummen nicht aufhören.)

Und da die rote Lampe noch nicht leuchtet an der Stelle, oh, jetzt kommt sie, nur eine Bemerkung.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und auf der Ministerbank – Karsten Neumann, PDS: Hättest du mal nichts gesagt!)

Die von Jahr zu Jahr steigenden höheren Bildungsgangbeteiligungen im gymnasialen Bildungsgang stellen natürlich wieder neue Herausforderungen an die Unterrichtsversorgung, insbesondere in diesem. Und von daher taucht schon die Frage auf,

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

ob denn diese frühe Ausdifferenzierung von Bildung am Ende der Jahrgangsstufe 4

(Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

bildungspolitisch wie ordnungspolitisch überhaupt noch vernünftig ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)