Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Maßstab und wir leben in einem Rechtsstaat, wenn schon heute sechs Kreistage, zwei kreisfreie Städte – übrigens, da würde mich mal interessieren, wie der eine oder andere SPD-Landtagsabgeordnete, der dort sitzt, dort gestimmt hat

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

zu diesen Beschlüssen, mich würde das wirklich interessieren, aber wir haben ja die namentliche Abstimmung von gestern – sagen, wir wollen eigenständig bleiben, und ein Teil davon hat gesagt, wir werden klagen.

Sie gehen, und das sage ich Ihnen auch noch einmal ganz ausdrücklich an dieser Stelle, ein so hohes Risiko ein, wie es größer nicht sein könnte. Sie haben gestern allen Vorschub geleistet mit Ihren Argumentationen beginnend beim Ministerpräsidenten Ringstorff bis hin zu Herrn Ritter und Herrn Müller als denjenigen, die aus den Fraktionen von SPD und PDS das Pro geredet haben, dass Verfassungsklagen Erfolg haben könnten, nach meiner Auffassung Erfolg haben werden. Deswegen unser Antrag, auch im Zeitplan beim Punkt 4. „Entscheidung über die Notwendigkeit einer Kreisgebietsreform erst nach Abschluss der Punkte 1 bis 3“.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich blicke noch einmal auf 1993 zurück. 1993 ist die Gebietsreform im Juni beschlossen worden nach der Funktionalreform I, zum Beispiel nachdem entschieden worden ist, dass die Kataster- und Vermessungsämter übertragen werden auf die Landkreise, kommunalisiert werden. Aber gleichzeitig, obwohl das Konnexitätsprinzip damals nicht in der Landesverfassung stand, wurden 30 Millionen DM an die Landkreise und kreisfreien Städte heruntergereicht unter dem Motto: Personal folgt der Aufgabe. Dieser Punkt ist deswegen ganz entscheidend, um auch eine rechtliche Klarheit zu erreichen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben mit der Verknüpfung von Verwaltungsreform und Kreisge

bietsneuordnung – und Sie argumentieren weiter so – auch eine Kabinettsreform, eine Reform der Landesbehörden. Das ist alles nur im Zusammenhang mit einer Gebietsreform möglich. Andere Länder machen es anders. Niedersachsen löst vier Bezirksregierungen auf, 4.000 Bedienstete. Die Hälfte geht auf die Kommunen, ein Teil wird wegfallen, ein Teil wird in Landesbetriebe gehen, ein Teil in die Ministerien. Die denken gar nicht daran, eine Gebietsneuordnung vorzunehmen. Wir haben einen Landkreis Lüchow-Dannenberg von 50.000 Einwohnern – und übrigens, die Region Hannover lässt grüßen –, ineffizient ohne Ende.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Wir haben den Innenminister Herrn Schünemann zum Gespräch gehabt. Er sagt eines ganz klar und deutlich: Dieses Monstrum von 1,1 Millionen Einwohnern ist deutlich teurer

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

als vorher die Struktur der Stadt Hannover und des Landkreises Hannover. Das diente einigen von Ihnen vor einem Jahr und neun Monaten immer als Beispiel, meine sehr verehrten Damen und Herren. Gucken Sie doch einmal hin, wo bestimmte Dinge nicht gelaufen sind, und seien Sie nicht so beratungsresistent!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letzter Appell an Sie: Wer so eine wichtige Frage wie eine Kreisgebietsreform und den notwendigen Personalabbau im öffentlichen Dienst im Alleingang als Landesregierung oder Regierungsfraktion lösen will, der wird scheitern. Sie haben bisher an keiner Stelle, zu keinem Zeitpunkt seit dem 9. Oktober 2002 versucht, die Betroffenen mitzunehmen. Sie haben eine Konfrontation vor dem Landkreistag aufgebaut. Und übrigens, Herr Dr. Ringstorff, hören Sie auf zu erzählen, die überwiegende Zahl der Landräte sei dafür! Es gibt einen Beschluss. Zehn Landräte sind gegen vier oder fünf Kreise.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: So ist das.)

Es gibt eine eindeutige Beschlusslage des Landkreistages, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Was der Städte- und Gemeindetag Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, hat gestern schon Frau Schulz zitiert, und zwar – ich gebe es sinngemäß wieder –, dass man so eine Landesregierung nicht mehr ernst nehmen kann, die alle halbe Jahre Ziel und Richtung von Kommunalpolitik ändert. Deswegen noch einmal meine, auch in Ihrem eigenen Interesse dringliche Bitte an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Die Schrittfolge, die wir vorschlagen, ist die richtige. Wir sind bei den Schritten Deregulierung, Entbürokratisierung, Aufgabenübertragung, Aufgabenkritik, Aufgabenwegfall, Straffung und Bündelung der Ministerien und Landesbehörden bis zum Ende der Legislaturperiode voll bei Ihnen. Und dann lassen Sie uns gegebenenfalls gemeinsam überlegen, wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, ob man nicht im Zuge der Ergebnisse, die dann vorliegen, nach dem Jahr 2006 vielleicht auch mit einem Rahmengesetz über eine Freiwilligkeitsphase zu den Strukturen kommen kann, die Mecklenburg-Vorpommern ins Jahr 2010 und 2020 tragen.

Herr Kollege Friese hat mich gefragt nach den Jahren 1991 bis 1993. Es war eine schwierige Zeit, aber auch eine gute Zeit, wo man parteiübergreifend gearbeitet hat, weil es doch um Kirchtürme ging.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU: Ja, das ist richtig.)

Wir sind alle Menschen. Den eigenen Kirchturm sieht man viel häufiger als das Schloss in Schwerin. Wenn Sie das nicht beachten, dann werden Sie scheitern. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort der Innenminister des Landes Dr. Timm. Bitte schön, Herr Minister.

Verehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat gestern einen Beschluss gefasst über die Verwaltungsreform in Mecklenburg-Vorpommern und dabei unter dem Punkt IV. auch Aussagen getroffen zum Zeitplan. Da heißt es: „Diese Konzeption zur umfassenden Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform ist in Stufen bis zur Kommunalwahl 2009 umzusetzen.“ Dann wird weiterhin beschlossen, was in dieser Legislaturperiode an Gesetzesaktivitäten abzuarbeiten ist, nämlich die unmittelbare Landesverwaltung ist gesetzlich neu zu regeln, Funktionalreformgesetz I, Funktionalreformgesetz II, Kreisgebietsreformgesetz und Kommunalverfassung. Jetzt treten wir ein in eine verfassungsrechtlich gebotene geordnete Arbeitsweise, indem die Landesregierung die Gesetze vorbereitet,

(Wolfgang Riemann, CDU: Was haben Sie denn zwei Jahre gemacht, Herr Timm?)

dem Parlament zuleitet und Sie ihrerseits dann umfassende Beratungsmöglichkeiten haben werden. Allerdings, da gebe ich Herrn Rehberg Recht, wir haben äußerst knappe zeitliche Ressourcen zur Verfügung. Wir müssen also mit allen zur Verfügüng stehenden Steuerungsmöglichkeiten die nächsten zwei Jahre so gestalten, dass wir auch die Ziele, die der Landtag mit diesem Beschluss von gestern anvisiert, erreichen.

Ein ganz zentraler Punkt – und der ist im Zeitplan auch von enormer Bedeutung – ist die umfassend zu organisierende Anhörung der Gesetzesentwürfe im Land. Wenn das Verfassungsgericht, Herr Rehberg, fordert, dass Anhörungen durchzuführen sind – ich will Ihnen das gerne erläutern –, dann meint das Verfassungsgericht damit, dass Anhörungen zu Gesetzentwürfen vorzunehmen sind. Diese gibt es aber noch gar nicht. Demzufolge ist die Herausforderung die, in den nächsten Monaten Gesetzentwürfe aufzustellen und diese in jeder Gemeinde – wir haben mehr als 900 – und in jedem Kreis, also in jeder Gebietskörperschaft, und sonst in Vereinen und Verbänden zur Anhörung zu bringen und die Anhörungsergebnisse vernünftig auszuwerten, um diese dann einfließen zu lassen in die weiteren Beschlüsse von Kabinett und Regierung.

Dass es dabei natürlich auch verfassungsrechtliche Klagen geben kann, wissen wir. Zum Beispiel hat mein

Kollege in Brandenburg, Herr Innenminister Schönbohm, mir mitgeteilt, dass es in Brandenburg bei der Gemeindegebietsreform über 200 Verfassungsklagen vor dem dortigen Verfassungsgericht gibt. Nun kann man sagen, das ist eine Erfolgsstory des Rechtsstaates. So weit gehe ich hier nicht, aber immerhin ist es eine Möglichkeit für Betroffene, sich Rechtsschutz zu organisieren. Ich gehe auch davon aus, dass in Mecklenburg-Vorpommern Verfassungsklagen möglich sind, vielleicht auch eingereicht werden.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Darauf stellen wir uns ein. Das ist auch die Möglichkeit, Konflikte in einer Gesellschaft auf einem rechtsstaatlich geordneten Wege zu lösen.

Eine Kreisgebietsreform ist allerdings in MecklenburgVorpommern notwendig. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir in diesem Bundesland die Instrumentarien anwenden werden,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

die erforderlich sind, um eine Kreisgebietsreform durchzuführen. Dass Kreisgebietsreformen erfolgreich durchgeführt werden können, zeigt nicht nur die Kreisgebietsreform von 1993/1994 im eigenen Lande, sondern das zeigen viele Kreisgebietsreformen, die in vielen anderen Bundesländern in den letzen Jahren und Jahrzehnten durchgeführt wurden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So viele gibt es nicht.)

Wir werden uns in Mecklenburg-Vorpommern dabei der besten Kapazitäten bedienen, die es im Land und weit darüber hinaus gibt. Juristen innerhalb meines Ministeriums und innerhalb sowie auch außerhalb der Landesregierung werden herangezogen, um diese Instrumentarien anzuwenden, denn ich sage noch einmal: Wir brauchen eine umfassende Verwaltungs- und Gebietsreform und wir brauchen auch für dieses Bundesland MecklenburgVorpommern den Erfolg in dieser Arbeit und wir werden den organisieren. Dabei werden wir, wie gesagt, keine Mühe scheuen, auch Professoren heranzuziehen, die entsprechende Hinweise geben können.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich betone noch einmal – und das haben wir gestern schon ausdiskutiert –, dass für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mehr als 360 Behörden bei circa 1,5 Millionen Einwohnern in Zukunft nicht getragen werden können. Dieses Land ist nicht überlebensfähig, wenn wir nicht eine umfassende Verwaltungs- und Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg bringen und verabschieden. Dann ist, das hat Herr Schlotmann gestern schon gesagt, die politische Handlungsfähigkeit und die Eigenständigkeit dieses Bundeslandes in höchster Gefahr. Das heißt, sowohl die rechtlichen Instrumentarien anzuwenden als auch die neuen technischen Möglichkeiten, die gegeben sind, durch neue Informationstechniken heranzuziehen, um eine bürgernahe, leistungsfähige, kostengünstige Verwaltung aufzubauen mit einem starken Schwerpunkt. Das hat auch die Diskussion der letzten Monate innerhalb der Koalition zwischen SPD und PDS erbracht als Ergebnis, eine starke kommunale Selbstverwaltung in diesem Lande aufzubauen. Das ist unser Ziel und an diesem Ziel werden wir arbeiten und es umsetzen.

Nun will ich einen kurzen Blick darauf werfen, was andere Bundesländer derzeit an ihren eigenen Verwal

tungsbemühungen zeigen. Das Bundesland SachsenAnhalt zum Beispiel hat Folgendes gemacht: Dort hat mein Kollege Püchel – damaliger Innenminister der SPD – eine Verwaltungsreform inklusive einer Kreisgebietsreform vorbereitet. Dann kam ein Regierungswechsel. Jetzt regiert dort die CDU und die hat damals nach dem Wahltag in Sachsen-Anhalt entschieden, diese Verwaltungsreform, die die SPD vorbereitet hat, zu stoppen. Zwei Jahre später zieht man die Schubladen auf und sagt, es gibt keine Alternative zu einer Verwaltungs- und Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern!)

Ich sage nur eins: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Wir müssen jetzt anfangen,

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Hier anfangen!)

in Mecklenburg-Vorpommern diesen Weg zu gehen, und nicht jahrelang in politischem Meinungsstreit verharren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben nicht unendlich viel Zeit. Die Vorgabe 2009, die der Landtag gestern beschlossen hat, ist eine sehr ehrgeizige Vorgabe, an die die Regierung sich hält.

In Bayern ist eine Verwaltungsreform auf den Weg gebracht worden, bei der eine komplette Verwaltungsebene in der Struktur der bayerischen Verwaltung – übrigens auch innerhalb der Polizeiverwaltung – aufgelöst wird mit sehr vielen Diskussionen. Ich bekomme das auch mit im Rahmen der Besprechungen in der Innenministerkonferenz, wo da im Einzelnen die Widerstände liegen. Ich will hier nicht zitieren, was die Opposition in Bayern dazu sagt.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Wir sind in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Minister! Haben Sie das schon mitbekommen?)

Das ist im Grunde das Gleiche, was Sie hier in diesem Landtag sagen. Aber es ist wohl auch ein Wechselspiel innerhalb der Parlamente, dass die Notwendigkeiten zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition unterschiedlich bewertet werden.

Baden-Württemberg ist zitiert worden. Auch dort ist interessant, was die Opposition einwendet. Zum Beispiel heißt es in Baden-Württemberg seitens der Opposition, dass dies der Untergang der staatlichen Verwaltung in Baden-Württemberg sei, was dort gemacht wird.