Protokoll der Sitzung vom 13.05.2004

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt hier ein Antrag der CDU-Fraktion vor, mit dem vorgeschlagen wird, im Bereich des Pflanzenschutzes für Mecklenburg-Vorpommern die Rahmenbedingungen wettbewerbsfähiger zu gestalten.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wettbewerbsfähig für wen, fragte ich mich beim Lesen der Briefe aus der Agrarindustrielobby, die auch unsere Fraktion erreichten, bevor wir überhaupt von diesem Antrag wussten.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Erreicht werden soll mehr Wettbewerbsfähigkeit, indem die Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel harmonisiert werden und der Abstand bei der Anwendung wassergefährdender Stoffe zum Gewässerrand verringert wird.

Schauen wir mal, wie es aussieht: Seit 1987 wurden weit über 200 Wirkstoffe und mehr als 1.200 Mittel im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf ihre Umweltauswirkung geprüft. Derzeit werden circa 1.156 verschiedene Pflanzenschutzmittel hergestellt und vertrieben. Für fast jedes Mittel, Frau Kühnel hat es erwähnt, gibt es konkrete Vorschriften, wie und wo es zu verwenden sei, wie weit der Abstand von Gewässern sein muss beispielsweise.

Was heißt denn in diesem Falle „Harmonisierung“? Alle Mittel unabhängig von ihrer Wirksamkeit über einen Kamm scheren und eine allgemeine Regelung festlegen?

(Beate Schlupp, CDU: Bundesweit einheitlich regeln!)

Also für ungleiche Wirkstoffe gleiche Regelungen schaffen?

(Beate Schlupp, CDU: Bundesweit einheitliche Regelungen!)

Das steht nicht in Ihrem Antrag. Bitte lesen Sie, was Sie geschrieben haben!

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Das widerspricht jedem Vorsorge- und Verursacherprinzip. Ich denke, flexible Regelungen, die auf konkrete Wirkstoffe unter konkreten und unterschiedlichen Bedingungen eingehen und den gesetzlichen Rahmen einhalten, sind da zeitgemäßer. Sicher ist es so, dass Pflanzenschutzmittel und auch Düngemittel heutzutage in wesentlich geringeren Mengen eingesetzt werden, schon aus ökonomischen Gründen. Und erwiesen ist auch, dass der Stickstoffgehalt in den Düngemitteln seit 1990 wesentlich zurückgegangen ist.

Auch die 1996 verabschiedete Düngemittelverordnung reflektiert darauf, die Nährstoffeinträge in Gewässer zu vermindern, indem sie punktgenau eingetragen werden.

(Beate Schlupp, CDU: Genau.)

Und trotzdem, meine Damen und Herren, seit 1989 werden im Umweltbundesamt die Funde von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser erfasst und jährlich zusammengestellt. Aus diesen jährlichen Übersichten ist ersichtlich, an jeder vierten Messstelle für Trinkwasser wurden Pflanzenschutzmittel nachgewiesen, an jeder zehnten Messstelle wird der Grenzwert der Trinkwasserverordnung für Pflanzenschutzmittel überschritten.

(Egbert Liskow, CDU: In M-V?)

Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, dass nicht nur die Menge, sondern auch und gerade die Intensität des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln bestimmend für ihre Wirkung ist. Und da ist es dann auch logisch, dass, wenn der Abstand zum Gewässerrand verringert wird, die Intensität der Wirkung der Dünge- oder Pflanzenschutzmittel auf das Gewässer steigt.

Gerade die Seen in Mecklenburg-Vorpommern, auf die wir so stolz sind, mit denen wir touristisch werben – ich höre immer Frau Skrzepski, wenn Sie von den 2.000 Seen in unserem Lande ganz begeistert spricht –,

(Egbert Liskow, CDU: Bundesweit, nicht nur in M-V.)

gerade diese Seen haben große, durch landwirtschaftliche Nutzung geprägte Einzugsgebiete. Und sieht man sich einmal die Karten landwirtschaftlicher Nutzflächen unseres Landes an, so ist zu erkennen, dass zwei Drittel dieser landwirtschaftlich genutzten Flächen einen Stickstoffüberschuss aufweisen. Wo bleibt der denn? Und damit sind wir dann auch beim größten Problem unserer Seen, nämlich der große Nährstoffeintrag. Der diffuse Eintrag von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln hat daran einen erheblichen Anteil.

Meine Damen und Herren, in unserem Lande stehen die Novellierung des Landeswassergesetzes ganz oben auf der Tagesordnung und die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Die Hauptforderung dieser Richtlinie ist, dass es keine Verschlechterung des Zustandes der Gewässer geben darf, dass möglichst alle Gewässer auf dem Gebiet der EU bis zum Jahr 2015 einen guten Gewässerzustand erreichen sollen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Als wir uns im März im Umweltausschuss über den Stand der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie unterrichten ließen, beeindruckten mich ehrlich gesagt die betroffenen Gesichter meiner Kollegen, und die betroffenen Gesichter waren fraktionsübergreifend, als uns erklärt wurde, dass zwar 80 Prozent aller Gewässer im Land den Gewässergütezustand II erreicht haben, dass aber Nährstoffeinträge und übermäßiges Algenwachstum immer noch ein großes Problem sind. Bei den Untersuchungen, die in diesem Rahmen bisher an den Fließgewässern in unserem Lande durchgeführt wurden, stellten die Experten fest, dass hinsichtlich der physikalisch-chemischen Qualitätskomponente die überwiegende Zahl der Gewässerstrecken im Land keinen guten Zustand erreichen werden.

Und ein Letztes, meine Damen und Herren, möchte ich noch erwähnen. Vor nicht vier Wochen stellte der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung ein Sondergutachten zum Meeresschutz in der Ostsee vor. Ausgehend von einem kontinuierlichen Monitoring der Ostsee im Rahmen der HELCOM-Vereinbarungen stellte er fest, dass die Belastung der Ostsee durch Pflanzenschutzmittel immer noch zu hoch ist. Ursache ist das Abschwemmen von mit Pflanzenschutzmitteln belasteten Böden in die Ostsee.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Damit bin ich wieder bei meiner Eingangsfrage: Wem nützt es, an dieser Stelle unter dem Deckmantel der Deregulierung zu harmonisieren und das Landeswassergesetz beispielsweise entsprechend zu novellieren? Die Antwort geben die Lobbybriefe und deswegen lehnt meine Fraktion diesen Antrag ab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU die Vizepräsidentin Frau Holznagel. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also ich staune wirklich, was in unserem Antrag drinstecken soll. Das habe ich nicht geahnt und Sie werden es mir sicherlich glauben, es ist wirklich für mich erstaunlich, was Sie daraus gemacht haben.

(Hans-Heinrich Jarchow, SPD: Völlig harmlos.)

Herr Minister, wenn Sie meinen, dass wir die Landwirtschaft kleinreden wollen, dann möchte ich nur eines dazu sagen: Wir wollen die Landwirtschaft überhaupt nicht kleinreden, im Gegenteil, wir wollen das Wohl der Landwirtschaft noch erhöhen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Deswegen haben wir in diesem Landtag, in diesem Hohen Haus die Anträge gestellt,

(Egbert Liskow, CDU: Bärenstark soll sie werden.)

um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte gegenüber anderen Ländern und auch EU-weit herzustellen. Das möchte ich doch noch einmal deutlich sagen.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Ich freue mich, dass Sie den sorgsamen Umgang mit unserer Umwelt hier dargestellt haben und dass Sie mich eigentlich in dieser Hinsicht ja mit hineingezogen haben. Ich kann das nur unterstreichen. Mir geht es wirklich auch ganz besonders um die Bewahrung der Schöpfung. Ich ziehe mir die Jacke nicht an, die Sie mir hier verpassen wollen, denn die passt mir nun wirklich nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau. Richtig.)

Ich möchte aber eines sagen, vielleicht auch angesichts der FFH-Diskussion: Man muss versuchen, vernünftige Lösungen zu finden, und zwar mit den Menschen und hier auch mit den Landwirten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und nicht über die Menschen hinweg!)

Und ich weise es auch zurück, dass wir hier eine Lobby vertreten wollen. Das haben wir überhaupt nicht vorgehabt und ich sage Ihnen auch, warum, weil nämlich die Landwirte, die Bauern mit diesem Problem in den letzten zwei Jahren sehr häufig zu uns gekommen sind. Und insofern, denke ich, ist es auch wichtig, dass wir im Parlament darüber debattieren. Und eigentlich bin ich schon sehr froh, wenn wir über Vorgewende, Randstreifen und vielleicht auch eine Stilllegung dann diskutieren können. Also wenn ich das andere alles wegstecke, dann lohnt es sich vielleicht doch noch mit diesem Antrag und er kann vielleicht noch etwas erreichen.

Ich möchte noch einige grundsätzliche Dinge sagen:

Die Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, der besonders eng mit der Natur verbunden ist. Das ist für uns sehr deutlich. Eine intakte Umwelt ist die Grundlage des wirtschaftlichen Handels eines jeden Landwirts, das möchte ich auch noch mal unterstreichen. Gerade die Erzeugung von pflanzlichen Nahrungsgütern ist eng in den Ablauf der Natur eingebunden. Dass wir das nicht wollen, steht überhaupt nicht in unserem Antrag.

In der Landwirtschaft werden jahrhundertealte Erfahrungen genutzt, gleichzeitig werden auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse existenzerhaltende Betriebsmittel und hoch entwickelte Technik eingesetzt.

Dies gilt auch für den Pflanzenschutz, denn sichere und qualitativ hochwertige Ernten sind ohne Pflanzenschutz nicht möglich, meine Damen und Herren. Trotz des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln werden heute noch ein Drittel der jährlichen Ernten in Westeuropa durch so genannte Schadorganismen wie Insekten, Pilze oder andere Erreger von Pflanzenerkrankungen geschädigt oder vernichtet. Aus diesem Grund ist es immer noch notwendig, dass Schutzmaßnahmen gegen Schadorganismen genutzt und entwickelt werden. Pflanzenschutz, das denke ich und möchte ich wirklich unterstreichen, sollte im wahrsten Sinne des Wortes hier positiv betrachtet werden und nicht immer gleich mit einer Horrorversion der Umweltschützer in Verbindung gebracht werden.

Meine Damen und Herren, Pflanzenschutz ist ein dynamischer biologischer Prozess, der von einer Vielzahl natürlicher Variablen beeinflusst wird. Meistens sind diese Variablen vom Anwender nicht vorhersehbar und auch wenig beeinflussbar. Der Antrag meiner Fraktion soll dazu beitragen, dass die rechtlichen Regelungen, und da gibt es ja auch noch eine ganze Menge, nicht nur diese im Wassergesetz, eben nicht dazugehören.

Meine Damen und Herren, wenn es auch heute und morgen keinen Mangel an Lebensmitteln in Europa geben wird, so sind doch Nahrung und Reichtum auf der Welt ungleich verteilt. Obwohl sich in den vergangenen 40 Jahren die Nahrungsmittelerzeugung mehr als verdoppelt hat und damit noch schneller als die Weltbevölkerung wuchs, sterben immer noch Menschen an mangelnder Ernährung. Angesichts der Agrarreform möchte ich noch mal deutlich machen, gerade Mecklenburg-Vorpommern hat sehr gute Bedingungen, hier Landwirtschaft zu betreiben, und wir sollten es immer wieder betonen.

(Birgit Schwebs, PDS: Das machen wir doch auch.)

Meine Damen und Herren, zurück zum Thema. Bereits in den 50er Jahren wurden beim Pflanzenschutz durch die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel beachtliche Erfolge erzielt. Dennoch hat es sich gezeigt, dass Pflanzenschutzmittel auch Belastungen für die Umwelt mit sich bringen können, vor denen Mensch, Tier und Grundwasser geschützt werden müssen. Wir haben da überhaupt keine andere Meinung, wie Sie es hier vorgetragen haben, Herr Minister. Wir wollen hier auch keinen gesetzlosen Zustand und wir wollen auch darauf aufmerksam machen, dass es hier sehr viele Regelungen gibt. Hier müssen wir doch wirklich noch mal darüber nachdenken, was wir gestern und heute Morgen diskutiert haben. Hier kann man aktive Deregulierung betreiben und Bürokratie abbauen. Bereits im Jahre 1968 wurden aus diesem Grund umfassende gesetzliche Regelungen getroffen, die diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen. Seitdem hat sich das Pflanzenschutzrecht den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und der Umweltschutz in der Landwirtschaft wurde zu einer tragenden Säule.