Protokoll der Sitzung vom 14.05.2004

Und ich habe mir dann überlegt – ich habe das auch besprochen bei uns im Vorstand –, was wir an der Stelle machen. Was machen wir als Opposition, die wir eigentlich die Pflicht haben, Regierungsentscheidungen kritisch zu hinterfragen, beim Bericht der Bundesregierung, wo gesagt wird, dass im Jahr 2002 bei den Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen jeder zweite Euro nicht zum teilungsbedingten Ausgleich oder zum Ausgleich der unterproportionalen kommunalen Finanzkraft verwendet worden ist? Frau Keler, wir haben entschieden, das nicht im Landtag zu debattieren. Punkt, Schluss, aus! Das haben wir im Herbst letzten Jahres entschieden, denn der Bericht liegt seitdem vor. Übrigens aus einem ganz entscheidenden Grund, nämlich um hier nicht ausgehend von Mecklenburg-Vorpommern eine Debatte zu entfachen mit der ganzen schwierigen Gefechtslage EU-Strukturfonds und was da alles noch ist, wo Eichel sagt, es gibt keinen Euro mehr, obwohl zehn Länder dazukommen,

dass wir die nicht noch mehr belasten. Frau Keler, der Ehrlichkeit halber müssen Sie sich doch erst einmal fragen, wer verantwortlich für das Bewertungsschema ist. Ich entnehme diesem Bericht, das ist einvernehmlich miteinander abgestimmt.

Der zweite Punkt, ich begrüße das ganz ausdrücklich, ist nämlich ein Beispiel – man kann es aus meiner Sicht so sagen – des Abbaus von Mischfinanzierungen. Wie oft haben wir gestöhnt, ich kann mich noch an die große Koalition erinnern: Investitionsfördergesetz, Solidarpakt I, Verwaltungsvereinbarung im Bund. Wann war das fertig? Im August bis September. Mittel konnten nicht ausgereicht werden. Die Kommunen haben gestöhnt, das ist alles zu eng, wir können unsere Sportplätze nicht sanieren. Dann haben wir es zum Beispiel hineinbekommen in Sanierungsgebiete und so weiter Schritt für Schritt geöffnet. Und dann kam der Tag, auch den habe ich sehr begrüßt, dass die rund 350 Millionen Euro, 692 Millionen DM, ich habe das noch sehr gut als Zahl im Kopf, die Mittel des Investitionsfördergesetzes zu den Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen zugeschlagen worden sind und frei verwendbar waren.

Frau Keler, Entschuldigung, Ihnen ist ins Stammbuch geschrieben worden, der gesamten Landesregierung, ich kann das gerne zitieren, wenn Sie es wünschen, spare mir das aber im Augenblick, dass Sie jeden zweiten Euro nicht sachgerecht verwendet haben. Und das IFH in Halle hat noch einen draufgesetzt. Das hat sogar die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme noch einberechnet. Frau Keler, wenn ich dann gefragt werde an dieser Stelle, was die Opposition dazu sagt, dann habe ich das zu kritisieren. Und zweitens, das sage ich Ihnen ganz offen und ehrlich, wer auch immer die Debatte vom Zaun gebrochen hat zum Aufbau Ost: Am fatalsten finde ich diesen Satz – egal, wo das Zitat herstammt, das ist nicht mein Punkt –, dass zwei Drittel der Probleme des Westens am Aufbau Ost liegen. Das ist so ein fatales Zitat, ob das jetzt ein Entwurf ist oder was auch immer. Und dann müssen sich die Herren von Dohnanyi, Most oder wer auch immer daran mitgewirkt hat, wer das zu verantworten hat, wirklich fragen, was sie damit betrieben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und erst danach, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Debatte losgegangen. Und, Frau Keler, wenn nur dem Freistaat Sachsen in so einer schwierigen Debattenlage in Deutschland die Steuerausfälle von gestern konstatiert werden, können Sie froh sein, dass Sie so niedrig mit den Schätzungen rangegangen sind. Ob jeder Ihrer Kabinettskollegen so froh ist über den niedrigen Ansatz, das wage ich zu bezweifeln, aber ich sage einmal, es ist clever gemacht. Es ist alles in Ordnung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Mehr Sorgen mache ich mir um die Folgejahre bis 2007 mit 60 Milliarden Euro. Wenn man das dann wieder im normalen Verteilungsverhältnis von 55 bis 60 Prozent auf den Bund und zu 40 Prozent auf Länder und Kommunen verteilt, dann gnade uns Gott für die nächsten Jahre!

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Dieses Jahr sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Ob es nächstes Jahr noch so wird, ist fraglich, denn die Verteilung ist dieses Jahr 7,5, 1,5:6, also deutlich eine andere Verteilung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir begrüßen, dass die Mittel frei verwendet werden können, aber bitte dann, Frau Keler, machen Sie es auch sachgerecht. Nicht wir haben Ihnen das ins Stammbuch geschrieben, nicht ich habe Ihnen das ins Stammbuch geschrieben. Wer so mit Mitteln verfährt, der muss sich natürlich dann auch Fragen stellen lassen in diesem Prozess, wo wir über Föderalismus, Entflechtung und so weiter miteinander debattieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde mir wünschen, Herr Kollege Schlotmann, ich nehme Ihr Gesprächsangebot an, das ist überhaupt kein Problem, ich bin immer für Gespräche, ich weiß nur nicht, was es bewirken soll, lassen Sie uns zusammensetzen, lassen Sie uns miteinander reden. Ich denke, ich bin inhaltlich fit genug, dass wir da auch auf gleicher Augenhöhe miteinander reden können.

Unsere Ziele sind folgende: Was wir wirklich möchten, sind mehr Kompetenzen, Eigenständigkeit für die Landesparlamente und nicht ein Seilbahngesetz. Wissen Sie, das brauchen wir nicht. Wir brauchen mehr Entscheidungskompetenzen in den originären Zuständigkeiten der Länderparlamente wie zum Beispiel im Bereich der Bildung, der Kommunen, der Polizei, aber wir wollen noch ein Stückchen darüber hinausgehen. Und wir sollten uns auch gegebenenfalls streiten, ob der Küstenschutz weiter Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern bleiben muss.

Zu den Steuern muss ich Ihnen eines sagen, Herr Schlotmann: Die Aufregung war umsonst. Ich bin doch nicht so dämlich und möchte, dass wir Hebesatzrechte für die Einkommen-, Körperschaft- oder Umsatzsteuer haben. Was ich interessant finde – das hat auch etwas mit Standortwettbewerb zu tun –, ist, ob man bei den Steuern, die originär den Ländern und Kommunen zustehen, ob man da nicht über Hebesätze und mehr Zuständigkeiten reden könnte. Ich weiß, das ist nicht unproblematisch. Aber wenn ich zum Beispiel das Thema Kfz-Steuer sehe, frage ich mich, ob dort nicht ein Wettbewerb zwischen den Ländern dazu führt, dass sich mehr Unternehmen aus einer bestimmten Branche ansiedeln könnten. Wir sind Bindeglied nach Skandinavien, wir sind Bindeglied nach Osteuropa. Ich halte es gar nicht für so uninteressant,

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann lassen wir die LKWs über Mecklenburg-Vorpommern fahren.)

dieses Thema in aller Ruhe einmal zu beleuchten, ohne uns hier gleich zu unterstellen, Frau Keler, wir wollten dem Land Mecklenburg-Vorpommern schaden.

Was ich mir aber wünschen würde, und das kostet kein Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, dass Sie sich wirklich massiv einsetzen für Öffnungsklauseln für die neuen Bundesländer, das heißt im Bereich von Bürokratie und Deregulierung. Wir haben gestern über Finanzierung gesprochen. Wenn Sie mit Unternehmern reden, dann sind es drei Komplexe, die sie bedrücken und berühren. Das ist erstens die völlig überzogene Gesetzgebung und Rechtsprechung im Bereich des Kündigungsschutzes, des Arbeitsmarktes, das ist zweitens die Frage der Finanzierung und das ist drittens Überregulierung und überordnende Bürokratie. Das Letzte abzubauen, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kostet kein Geld. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Rehberg.

Um das Wort hat jetzt noch einmal die Finanzministerin Frau Keler gebeten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich denke, wir liegen so gut in der Zeit, dass ich noch einmal auf einige Punkte eingehen möchte.

Ich komme zuerst zur bundesstaatlichen Ordnung und zu dem Antrag von der CDU-Fraktion. Meine Damen und Herren, die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, ich habe es gesagt, ist sinnvoll und notwendig. Aber wir sollten keine Wettbewerbsdiskussion führen. Herr Rehberg, der Begriff des Wettbewerbsföderalismus ist nun einmal belegt.

(Volker Schlotmann, SPD: So ist das.)

Da können Sie machen, was Sie wollen. Der Begriff steht für den Wettbewerb, und zwar in Sachen Länderfinanzausgleich und der Steuerhoheit. Deshalb: Vorsicht mit diesem Begriff!

(Volker Schlotmann, SPD: Ganz genau!)

Das Zweite, die beklagte fehlende Beteiligung der Landtage in den Strukturen der Föderalismusreform, ist durchaus ein Thema, aber keines, das man der Regierung von Mecklenburg-Vorpommern anlasten kann, denn das Problem ist in Bayern und Baden-Württemberg genauso. Da klagen die Länderparlamente genauso darüber.

(Rainer Prachtl, CDU: Das stimmt. – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Deshalb bitte, sollten wir das …

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das habe ich auch nicht gemacht, Frau Keler! – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Gut.

Und eine Diskussion im Landtag zu Föderalismusfragen ist zweifellos erforderlich. Ihr Antrag suggeriert aber etwas, was dem Land schadet, und Ihre Diskussionsbeiträge sind wesentlich konstruktiver gewesen als Ihr Antrag und vor allen Dingen die Überschrift Ihres Antrages. Deshalb würde ich Ihnen empfehlen, prüfen Sie doch noch einmal, ob Sie den Antrag nicht zurückziehen können.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Ich garantiere Ihnen aber und ich sage Ihnen hier zu, dass Sie ganz kurzfristig die Ergebnisse der Beratung vom 6. Mai erhalten.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Die habe ich mir doch schon besorgt, Frau Keler.)

Ja, aber Sie bekommen sie auch von uns offiziell

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist ja sehr schön!)

und Sie bekommen sie dann eben auch nicht als Beschluss, wie es in dem Papier steht. Ich sage Ihnen auch zu, dass die Landesregierung jederzeit bereit ist, in die entsprechenden Ausschüsse beziehungsweise in die Fraktionen zu kommen. Ich biete das hier ausdrücklich an.

Lassen Sie mich aber jetzt noch etwas zu dem Fortschrittsbericht sagen, denn das hängt ja zusammen. Es ist

nicht von ungefähr, dass gerade in der Diskussion, die jetzt aufgeflammt ist, dieses Thema eine entscheidende Rolle spielt, weil es natürlich in dieser Föderalismuskommission ganz direkt um Geld geht. Machen wir uns doch nichts vor, es ist doch ein Kampf der starken süddeutschen Länder gegen die wirtschaftlich schwächeren norddeutschen Länder. Die Finanzminister der norddeutschen Länder haben jetzt einen Beschluss gefasst und die Finanzminister der ostdeutschen Länder haben einen Beschluss gefasst und haben diese direkt an die Föderalismuskommissionsvorsitzende geschickt, weil wir durchaus die Angst haben, dass da einiges nicht in unserem Interesse läuft. Wir sehen das mit sehr gemischten Gefühlen und auch hochwach. Sie können sicher sein, dass wir daran natürlich ein Interesse haben.

Und noch einmal zu dem Fortschrittsbericht. Wir haben uns dazu bereit erklärt, Sie haben es schon gesagt. Als die Mittel aus dem Investitionsfördergesetz Ost zu dem Solidarpakt dazugekommen sind, hat der Bund gesagt, als Gegenleistung möchte er von den Ostländern und von Berlin jedes Jahr einen Fortschrittsbericht haben. An sich gelten die Fortschrittsberichte erst mit dem Solidarpakt II, aber es war dann schon vereinbart worden, wir machen einmal so eine Art Nullserie und prüfen, wie sieht das aus für das Jahr 2002.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann kann’s ja nur besser werden, Frau Keler!)

Als wir dem im Jahr 2001 zugestimmt hatten, hatten wir noch 423 Millionen Euro mehr bei den Steuereinnahmen. Wir sind 2002 um 423 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Das ist doch der entscheidende Punkt. Wenn Sie sich unseren Bericht ansehen, dann wird deutlich, Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit den höchsten Pro-Kopf-Infrastrukturausgaben. Wir haben mehr ausgegeben als Sachsen und wir haben 2,3mal mehr ausgegeben als jedes – also pro Kopf Einwohner berechnet – finanzschwache westdeutsche Bundesland.

(Wolfgang Riemann, CDU: Setzen Sie mal die Pro-Kopf-Einnahmen dagegen!)

Ich kann Ihnen das erklären, Herr Riemann. Wir haben hier eine Brutto-Netto-Diskussion. Lassen Sie doch das weg! Das bringt uns hier nicht weiter.

Wir haben ferner nachgewiesen und auch der Bund sagt das in seinem Bericht – ich hoffe, Sie haben auch den Bundesbericht von Anfang bis Ende gelesen –

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja. – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, genau!)

auf der Seite 31, dass wir im Jahre 2001 durchaus noch 75 Prozent unserer Solidarpaktmittel eingesetzt haben für Infrastrukturausgaben, also auch da noch. Und dann kommt der Bund natürlich zu dem Ergebnis, im Jahr 2002 hat es nicht funktioniert, mit Ausnahme von Sachsen. Aber er sagt auf der Seite 41 ganz eindeutig und klar, woran es gelegen hat. Ich zitiere jetzt noch einmal, damit wir hier keine falschen Legenden bilden: „Bei der Bewertung der Ergebnisse darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die schwache konjunkturelle Entwicklung im Berichtsjahr in allen öffentlichen Haushalten deutliche Einnahmeausfälle verursacht hat, die allgemein zu einem großen Teil durch eine Ausweitung der Finanzierungsdefizite beziehungsweise der Nettokreditaufnahme ausgeglichen wurden. Rechnerisch weist der für den Nachweis der

SoBEZ-Verwendung herangezogene Indikator in diesem Fall einen Rückgang der zweckgerechten Mittelverwendung aus, der allerdings unmittelbar durch die Zunahme der Kreditfinanzierung und weniger durch den Rückgang der Investitionsausgaben ausgelöst ist.“

Herr Rehberg, Sie können mir glauben, dass wir das ganz genau verfolgen und dass wir das auch genau wissen, ich habe ja vorgestern dazu Stellung genommen. Ich vermute einmal, Sie ärgern sich selber über Ihren Ausspruch am 23. im Norddeutschen Rundfunk beziehungsweise im Fernsehen mehr, als Sie hier zugestehen wollen. Das war einfach ein unglücklicher Ausspruch.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ach!)

Man kann nicht sagen, wer hier schlecht gearbeitet hat, unter anderem auch Mecklenburg-Vorpommern, der soll bestraft werden. Und „bestrafen“ bedeutet in diesem Fall Geldentzug. Und das ist das, was wir alle nicht wollen.