Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Erstaunt hat mich, wie Sie mit dem Begriff „Liquidität“ umgehen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sich Ihre Agrarexperten damit besser auskennen. Wenn ein Landwirtschaftsbetrieb Pachtfläche verliert, ergibt sich daraus zunächst einmal eine höhere Liquidität, da das Feldumlaufvermögen circa 500 bis 700 Euro pro Hektar freies Vermögen und somit liquide Mittel darstellt.

(Beate Schlupp, CDU: Mit Ihrer Hilfe wird der Kredit gestrichen.)

Was Sie meinen, ist die Wirtschaftlichkeit, Frau Schlupp. Dieses kann in der Tat geschmälert werden, wenn sich die Bewirtschaftungsfläche verkleinert. Die landeseigenen Flächen sind langfristig in der Regel für 12 beziehungsweise 18 Jahre verpachtet, und zwar an Tierproduzenten, aber auch an reine Marktfruchtbetriebe. Betriebskonzepte und deren Einhaltung wurden bei der Vergabepraxis zugrunde gelegt. Das ist aber auch allgemein bekannt.

In der Begründung Ihres Antrages stellen Sie die Verpachtungspraxis der Landgesellschaft aus meiner Sicht nicht richtig dar. Die Verpachtungsrichtlinie des Landwirtschaftsministeriums beinhaltet zwar, dass keinem Unternehmen mehr als 20 Prozent der bewirtschafteten Fläche entzogen werden kann, das heißt aber nicht, dass grundsätzlich ein Entzug von 20 Prozent der Betriebsfläche durch diese Verpachtungspraxis erfolgt, denn Betriebe mit weniger als 250 Hektar werden gar nicht diesbezüglich angefasst und die, die einen Großviehbestand – ich sage das noch mal, es wurde auch schon gesagt – von 0,4 Großvieheinheiten pro Hektar oder mehr als 10 Prozent arbeitsintensive Feldfrüchte haben, ebenfalls nicht. Sie, werte Kollegen der CDU, stellen aber dar, dass dieses die allgemeine Praxis der Landgesellschaft ist. In der Regel liegt der Flächenentzug deutlich darunter.

Falsch ist auch, und ich zitiere aus Ihrem Antrag, dass die „bisherigen Betriebskonzepte, Planungen und Investitionen … völlig unberücksichtigt (bleiben)“. Die Praxis ist eine andere und ich möchte das an Beispielen erläutern.

Die Nachfrage nach Landesflächen ist groß. Je nach Ausschreibungsobjekt gab es bisher zwischen 7 und 35 Bewerber. Die neuen Pachtverträge, und deswegen kommt es auch zu diesen Unruhen, gelten erst ab 01.10.2004, da erst am 30.09. die bisherigen Pachtverträge auslaufen. Jeder Einzelfall liegt anders. Und wir sprechen hier immer von Flächenentzug. Wir entziehen aber nicht irgendwo Fläche in irgendeinem Fonds, sondern diese Flächen werden auf andere Betriebe umverteilt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber das bringt Unruhe. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Da gebe ich Ihnen Recht, das bringt Unruhe.

Um das zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen Beispiele nennen, eine Ausschreibung von circa 300 Hektar, die bisher von einem Unternehmen über einen Bewirtschaftungsvertrag von Lohnunternehmen bewirtschaftet wurden, die Neuvergabe erfolgt wie folgt:

Erstens. Ein Betrieb bekommt circa 165 Hektar mit Investitionsverpflichtungen über 1 Million Euro an biologisch wirtschaftende Legehennenhalter, Arbeitskräfteverpflichtung: vier Personen.

Zweitens. Ein zweiter Betrieb, der davon profitiert, circa 50 Hektar, hauptsächlich Grünland an biologische Bewirtschafter mit einem Tourismuskonzept, Arbeitskräfteverpflichtung: fünf neue Arbeitsplätze.

Und der dritte Betrieb, der davon profitiert: 85 Hektar an einen Sauenhalter mit 1.200 Sauen, der bislang nur circa 100 Hektar bewirtschaftet hat, zur Betriebsstabilisierung und Absicherung bestehender Arbeitsplätze und Investitionen.

Ein zweites Beispiel – ich sage das deswegen so ausführlich, damit nicht immer nur gesagt wird, es wird entzogen, es wird also auch neu verteilt, übrigens auch in Vorpommern –,

(Wolfgang Riemann, CDU: Aha!)

Ausschreibungen von circa 260 Hektar, die bislang von einem 1.800-Hektar-Marktfruchtunternehmen bewirtschaftet wurden. Die Neuverteilung wird wie folgt aussehen: Circa 130 Hektar an einen Milchviehbetrieb, der weiter aufstocken will und einen neuen Kuhstall mit 800 Plätzen mit Neuinvestitionen von circa 1,3 Millionen Euro baut und 9,5 Arbeitskräfte weiterbeschäftigen wird. Und der zweite Betrieb, ebenfalls 130 Hektar an den bisherigen Pächter mit der Verpflichtung zum Ausbau eines Katoffelanbaus von 100 Hektar, Arbeitskräfteverpflichtung: drei neue Arbeitsplätze.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und so könnte ich Ihnen noch mehrere Beispiele nennen. Sie sehen also, dass genau geprüft wird, wenn man auch sagen muss, dass Flächenentzug immer bitter ist. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Keiner gibt gerne Fläche ab.

Ich möchte Ihnen aber was ganz Aktuelles auch noch mitteilen. Gestern, am Rande der DLG-Feldtage, hatte ich ein Gespräch mit einem Betriebsleiter, der 1.000 Hektar bewirtschaftet, Milchproduktion hat, Kartoffeln anbaut, Vermehrung macht, ganzjährig 25 Arbeitskräfte beschäftigt, der natürlich eine ganz andere Meinung hat als die, die Frau Holznagel hier dargelegt hat, weil er sagt: Mein Nachbar, ebenfalls 1.000 Hektar, Marktfruchtbetrieb, beschäftigt in der Saison keine fünf Arbeitskräfte, und das sowieso nur ein halbes Jahr.

Tatsache ist auch, dass betroffene Betriebe, wenn sie dann Investitionen – und das habe ich, denke ich, nachgewiesen – insbesondere zur Aufnahme und Verstärkung der Veredlung planen, bei den Verhandlungen mit der Landgesellschaft durchaus auf positive Resonanz stoßen, und das muss man auch der Ehrlichkeit halber sagen.

Im dritten Punkt Ihres Antrages nehmen Sie sich die BVVG vor und unterstellen ihr, dass sie freihändig, wie Sie das nennen, den Unternehmen nach Auslaufen ihrer langfristigen Pachtverträge die Flächen unter dem Pflug oder, ich sage, unter dem Grubber weg verkauft.

Werte Kollegin Schlupp, und Herrn Ringguth spreche ich jetzt an, Sie waren doch im Landwirtschaftsausschuss am 18. März 2004 dabei. Es wurde bereits diese Ausschusssitzung mehrfach genannt, wo Herr Dr. Wilhelm Müller Ausführungen dazu gemacht hat, wie die Verwertungspraxis der BVVG ist. Er hat uns das sehr umfassend erläutert. Auch Sie haben erfahren, dass die BVVG in Mecklenburg-Vorpommern zurzeit 250.000 Hektar verwaltet und davon für 200.000 Hektar nach Ablauf der langfristigen Pachtverträge Anträge auf Pachtverlängerung vorliegen. Aber wir waren auch alle erstaunt, dass für 50.000 Hektar keine Pachtverlängerungsanträge vorlagen. Diese Flächen wären somit nach Richtlinie des Bundesfinanzministeriums inzwischen nach Höchstgebot und nach offener Ausschreibung zu verkaufen, wobei die BVVG nicht daran interessiert ist, vom Flächenentzug betroffene Betriebe in der Existenz zu gefährden. Auch das wurde von Herrn Dr. Müller mehrfach bestätigt und dieses ist im Kurzprotokoll von Herrn Dr. Röhl detailliert nachzulesen.

Meine Damen und Herren der CDU, ich kann nicht umhin festzustellen, dass Sie sich bei den Recherchen für diesen Antrag auf mögliche Einzelfallentscheidungen stützen, die zwar durchaus unterschiedlich zu bewerten sind, aber die Gesamtsituation bei der Flächenvergabe nicht repräsentieren. Es ist ein Antrag mit Fehlern, Ungenauigkeiten und Fehleinschätzungen und wird deshalb von der Fraktion der SPD abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Kühnel.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Timm. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ik bin keen Buer, aber verstahn dau ik lütt bäten wat von. Aber, meine Damen vom Protokoll, ich bleibe beim Hochdeutsch.

Ich habe in der vergangenen Woche interessante Gespräche gehabt mit Betriebsleitern von landwirtschaftlichen Betrieben und mit dem Geschäftsführer des Bauernverbandes Rügen. Und, Herr Minister, Sie haben hier vorhin so schnurzig reingehalten: Ziehen Sie mal den Antrag zurück! Ich hau jetzt mal schnurzig dagegen: Fahren Sie mal nach Rügen, reden Sie mit den Leuten!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Frau Peters, auch Ihnen kann ich das nur empfehlen, hier bäten lut twischenräden reikt nich.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Informieren ist die große Sache, mit der man nach vorne kommt.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Ich will Ihnen mal ein paar kleine Beispiele aus der Praxis erzählen: Drei Betriebe tragen mir vor, Größen 600 bis 1.200 Hektar, sie haben die Kündigung der Flächen von der Landgesellschaft in der Hand, selbst gesehen. Sie haben auf dieser Kündigung vermerkt, dass sie sich am Erwerb dieser Flächen nicht beteiligen dürfen. Das heißt, es steht von vorneherein fest, dass ihre Betriebsgröße kleiner wird. Alle drei sind Diplomagraringenieure, die sehr große sozialistische Landwirtschaftsbetriebe geleitet haben, die ich aus der Vergangenheit sehr gut kenne und die ich als hervorragende Landwirte einschätze. Der eine Betrieb auf Mönchgut – es gibt auf Mönchgut nur einen Landwirtschaftsbetrieb mit ungefähr 600 Hektar – hat eine Kündigung bekommen für 16 Hektar. Diese 16 Hektar liegen in 4 Gemarkungen auf 6 Fluren und auf 29 Flurstücken. Nun frage ich Sie, Herr Minister: Welchen anderen Agrarbetrieb wollen wir mit solchen Flecken beglücken, damit er ein glücklicher Landwirtschaftsbetrieb wird? Ich wüsste keinen und ich nehme an, dass Sie auch keinen sagen können.

Zweitens. Was kommt dabei heraus? Die Organisationsstruktur dieser Betriebe wird gestört, weil ihre Flächeneinheit kaputtgeht.

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Als Projektierungsleiter im Meliorationskombinat Rostock habe ich mal auf der Grundlage eines Modellprojektes sehr großen Anteil daran gehabt, dass wir große Fruchtfolge- und Arbeitsschläge in den Landwirtschaftsbetrieben wegen ihrer guten Wirtschaftlichkeit gemacht haben. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass unter marktwirtschaftlichen Bedingungen die Voraussetzungen für gute Agrarbetriebe andere seien. Ich kann mir vorstellen, dass sie nur noch enger geworden sind.

(Beate Mahr, SPD: Die müssen besser geworden sein.)

Und das nächste Problem, was hinzukommt, ist, dass die einjährige Verpachtung – und ob das nun ein Stück ist oder ob das hundert Stücke sind, das spielt dabei gar keine Rolle – die Betriebswirtschaft dieser Landwirtschaftsbetriebe schlicht und ergreifend stört. Und eine Störung des Betriebes ist immer gleichzusetzen mit finanziellen Ausfällen. Frau Kühnel, Sie sind Landwirtin, Sie wissen das besser als ich zu beurteilen, aber ich nehme an, Sie können mir da beipflichten.

Wir wissen auch für die Tierproduktion – und da kann ich nur wieder von Rügen ausgehen, Frau Kühnel, Sie mögen andere Zahlen haben, was auch völlig normal ist –, auf Rügen ist der Besatz an Rindviechern gegenüber 1990 kleiner als 50 Prozent geworden

(Angelika Peters, SPD: Ach ja?!)

und der Besatz an Schweinen ist kleiner, zehn Prozent, geworden, so dass also das Anliegen, dass unter anderem Betriebe, die in der Tierproduktion nun tätig werden, durch dieses neue Verfahren oder durch die Neuverteilung beziehungsweise Umverteilung begünstigt werden sollen, zumindest auf Rügen nicht zutrifft. Und ich kann mir vorstellen, dass es in anderen Bereichen auch nicht der Fall ist.

Ich habe auch Sorge, dass durch die Umverteilung von

Flächen – Frau Kühnel, auch das haben Sie angesprochen – Lohnarbeitsbetriebe wirksam werden, die mit Landwirtschaft, mit natürlichen Standortbedingungen, mit land

wirtschaftlicher Produktion, mit Natur, Umwelt und Mensch in der Region sehr wenig zu tun haben werden. Und ich will versuchen, eine Brücke zu bauen. Die Landwirte der Insel Rügen haben mit mir in der vergangenen Woche gesprochen und ich habe ihnen empfohlen, setzt euch bitte mit der PDS- und SPD-Fraktion in Verbindung, damit wir wenigstens eine Überweisung dieses Antrages in den Landwirtschaftsausschuss erreichen.

(Zurufe von Angelika Peters, SPD, und Birgit Schwebs, PDS)

Ich nehme an, auch wenn Sie davon ausgehen, dass er an vielen Stellen schlecht ist, was alles sein muss, Frau Monegel, dann ist es aber doch möglich, sich im Interesse der Sache viele Dinge noch mal zu überlegen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Und wenn schließlich und letztendlich bei der gemeinsamen Behandlung dieses Antrages im Ausschuss herauskommt, dass er wahrhaftig in der Form nicht umsetzbar ist oder dass er das Ziel nicht erreichen kann, dann, glaube ich, werden sich auch die Mitglieder der CDUFraktion diesem nicht verschließen. Ich möchte deshalb namens der CDU-Fraktion die Überweisung dieses Antrages in den Landwirtschaftsausschuss beantragen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Timm.

Es hat noch einmal ums Wort gebeten der Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei Herr Dr. Backhaus. Bitte schön, Herr Minister.