Protokoll der Sitzung vom 23.06.2004

Ich habe nicht gesehen, dass PDS-Politiker abgestraft worden sind.

(Andreas Bluhm, PDS: Zum Thema, Herr Renz!)

Nach meinem Kenntnisstand sind gewisse SPD-Politiker nicht in die Kreistage eingezogen und damit scheint ja die Taktik hier voll aufzugehen.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

Und unter uns gesagt, es ist einfach so. Sie mussten lange herhalten für die Sozialministerin und die SPD hat das mitgetragen, und zwar ohne groß zu murren. Das muss man einfach sagen.

(Heike Polzin, SPD: Tja, fairer Partner!)

Aber hier sehe ich ganz klar den Ansatz, einfach mal einen gewissen Hieb zurückzugeben und, Herr Bluhm, sich langsam einzuläuten auf einen Wahlkampf 2006,

(Andreas Bluhm, PDS: Ach, ach, ach!)

um hier ein neues Thema aufzumachen, nämlich die Einheitsschule.

(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Ach!)

Und ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Versuchen Sie lieber das bisherige System vernünftig auszufinanzieren und pädagogisch verantwortungsvoll zu gestalten und machen Sie keine Strukturdebatte zum jetzigen Zeitpunkt!

(Angelika Gramkow, PDS: Das nützt nichts in puncto Chancengleichheit und Schulen. Das ist ein System, das nicht funktioniert.)

Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Strukturdebatte nicht angebracht,

(Angelika Gramkow, PDS: Wann denn? – Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

auch wenn Sie die Unruhe hier nicht

(Reinhard Dankert, SPD: Was wollen Sie denn als CDU? Erzählen Sie doch mal!)

als existent ansehen.

(Glocke der Vizepräsidentin)

Das freut mich, dass Sie gespannt sind, wenn ich rede.

(Andreas Bluhm, PDS: Kommen Sie endlich zum Thema, Herr Renz! – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Ich werde versuchen, Ihren Erwartungen gerecht zu werden, Herr Schlotmann.

Wenn Sie die Situation vor Ort betrachten, dann möchte ich ganz einfach mal reflektieren, was ich persönlich in den letzten Tagen erlebt habe. Es ging also los mit dem Artikel im „Nordkurier“, da sind ja – das werden Sie sicherlich alle verfolgt haben – neue Zahlen an die Öffentlichkeit gekommen,

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

ob sie stimmen, das mag ich nicht beurteilen. Wir wissen, Sie haben einen gewissen Informationsvorsprung. Ich gehe deshalb einfach davon aus, dass an diesen Zahlen, dass eventuell 2006 300 Lehrerstellen, 2008 470 Lehrerstellen und steigend und in Berufsschulen ein Bedarf und 1.000 Lehrerstellen bestehen soll, etwas dran ist. Wenn das tatsächlich so ist, dann wissen wir alle, was solche Artikel und solche Äußerungen wieder vom Zaune reißen. Sie bringen nämlich neue Unruhe.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, und zwar ein einfaches praktisches Beispiel: Am letzten Freitag war ich als Elternteil zum Abschlussfest meiner Tochter an der Grundschule. Dort sah ich, dass die Eltern in Aufruhr sind, weil der Klassenlehrer der 1. Klasse – mit dem schon ein Standortwechsel innerhalb Güstrows vorgenommen werden sollte, es aber zugesichert war, dass wenigstens der Klassenleiter bleibt – plötzlich am Freitag Bescheid bekommt, dass er aufgrund von Fachlichkeit jetzt nach Rostock versetzt wird. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass die Fachlichkeit vorliegt. Das ist eine Anweisung des Bildungsministeriums und das muss man auch in diesem Sinne akzeptieren, denn die Fachlichkeit ist höher einzuschätzen als Klassenleitertätigkeit. Er wird also jetzt nach Rostock versetzt, um dort an zwei verschiedenen Schulen zu arbeiten. Ich möchte Ihnen damit nur verdeutlichen, was das für Unruhe bei den kleinen Kindern und bei den Eltern hervorbringt. Sie können mir glauben, ich bin keiner, der vor Ort dasteht und noch draufschlägt.

Ich sage Ihnen ein weiteres Beispiel: Am Montag …

(Andreas Bluhm, PDS: Lösungsvorschläge der CDU, Herr Renz! Perspektiven!)

Sie haben das Thema Situationsbeschreibung gesetzt und bei dem Punkt bin ich, Herr Bluhm. Ich lasse mich auch von Ihnen davon nicht abbringen.

(Andreas Bluhm, PDS: Perspektiven! – Volker Schlotmann, SPD: Sie können sagen, was Sie wollen.)

Am Montag habe ich eine Kollegin getroffen, die sagte mir, dass sie sich durch ein Selbststudium, das drei, vier Jahre dauerte, in Geographie eingearbeitet hat. Sie hat eine Weiterbildung gemacht und ist in der Geographie voll eingeschlagen. Sie ist dort tätig. Was ist das eventuelle Resultat dieser schulischen Entwicklung des Lehrerpersonalkonzeptes? Das Resultat ist, dass sie höchstwahrscheinlich in Zukunft in Geographie nicht mehr unterrichten wird. Ich sage Ihnen, das sind Mosaiksteinchen, die die Unruhe weiterschüren.

Als ich gestern nach Hause kam, saß mein Sohn da und er sagte mir, wir sind im Moment vier Klassen am Gymnasium in Güstrow mit je 88 Schülern.

(Angelika Gramkow, PDS: Ach, je 22 im Schnitt.)

Entschuldigung, es sind 88 Schüler in der Gesamtheit.

Er sagte weiter, dass sie zum neuen Schuljahr in drei Klassen aufgeteilt werden. Ich brauche Ihnen das mathematisch nicht vorzurechnen, denn Sie wissen, dass einem die Zahl 30 bis hier steht. Wenn den Schülern mitgeteilt wird, aus eurer Klasse werden vier umgesetzt, dann sind das die täglichen Probleme vor Ort.

Und dazu sage ich Ihnen – aufgrund der Zeit kann ich das jetzt nicht weiter ausführen –,

(Andreas Bluhm, PDS: Sehen Sie, ausführen! Sehen Sie?!)

versuchen Sie erst einmal, Ruhe in den Laden zu bringen. Kommen Sie mir nicht mit Strukturdebatten!

(Gabriele Schulz, PDS: Einmal wollen Sie Veränderungen und dann wollen Sie Ruhe.)

Herr Bluhm, wenn Sie mich in der Zukunft richtig zitieren wollen, ich sage es noch einmal an dieser Stelle: Zur heutigen Zeit ist die Strukturdebatte nicht angebracht, zur heutigen Zeit nicht.

(Andreas Bluhm, PDS: Wann denn? Wann denn dann? – Zuruf von Gabriele Schulz, PDS)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Renz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, die Probleme im Schulsystem, jedenfalls die großen, lassen sich durchaus einigermaßen präzise beschreiben. Ich möchte das mal versuchen, indem ich Bezug auf Statistiken aus dem Schuljahr 2000 und 2001 nehme. Und wenn man sich einmal ansieht, wie viele Schüler wir hier in Mecklenburg-Vorpommern je Klasse aufweisen und wie das im Bundesdurchschnitt ist, dann ist das schon bemerkenswert. Ich möchte ein paar Beispiele vorlesen:

Wir hatten in der Grundschule 18,8 Schüler, in den neuen Bundesländern 20,1 und in den alten 22,8. Wir hatten in der Realschule Klasse 5 bis 10 21,8 Schüler, wir hatten in den neuen Bundesländern 23 und in den alten Bun

desländern 26,6. Wir hatten im Gymnasium Klasse 5 bis 10 24,9 Schüler im Durchschnitt, in den neuen Bundesländern 25,8, in den alten Bundesländern 26,9. Wir haben also über die Schulsysteme hinweg mit die besten Betreuungsverhältnisse an den Schulen. Und gleichzeitig wissen wir nach PISA aber, dass unsere Schüler bestenfalls durchschnittliche Leistungen erreichen. Das heißt, wir haben ein Gefälle zwischen dem, was wir als Land bereitstellen, und dem, was bildungspolitisch herauskommt. Und dann stellt sich die spannende Frage: Woran liegt das? Es ist hier schon mehrfach ausgeführt worden und ich muss es wirklich wiederholen, weil man es nicht oft genug wiederholen kann, es gibt zwei wesentliche Gründe:

Der eine Grund, Herr Renz, auch wenn Sie das Problem offenbar für geringer halten als wir, ist die Demographie. Sie wissen, dass mit der Wende die Anzahl der Geburten …

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Moment, lassen Sie mich einfach ausreden! Wir können ja nachher ein interessantes Gespräch führen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie haben gerade für Abwanderung gesorgt. – Glocke der Vizepräsidentin)