Der Qualitätsdiskussion kommen wir also mit dem Argument der Sonntagsöffnung oder Sonntagsnichtöffnung offenkundig nicht bei. Ernster zu nehmen sind von daher für mich die Argumente, die an dem Werteproblem ansetzen.
Wir kommen diesen Argumenten heute ein Stück weit entgegen. Sie haben, meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen einen Änderungsantrag vorgefunden, bei dem wir bestimmte kirchliche Feiertage von diesen Öffnungsmöglichkeiten ausnehmen. Wir möchten also hier ganz bewusst nicht den Konflikt mit denen, die unsere Werte in Gefahr sehen.
Ich möchte darum bitten, dass wir unseren Änderungsantrag noch um ein Wort erweitern. Dieses, Frau Präsidentin, beantrage ich hiermit offiziell. Bei der Liste, die wir dort gemacht haben, ist uns der Karfreitag durchgerutscht.
Liebe Kollegen, wer darüber lacht, wenn andere Fehler machen, der sollte mal gucken, was Sie beim Kommunalabgabengesetz machen. Da haben Sie vor der ersten Beratung Ihres Antrages zur Jagdsteuer den Text vollständig durch einen neuen ersetzt. Darüber lachen wir auch nicht. Also bleiben Sie mal ganz ruhig! Wir bitten also, vor dem Ostersonntag den Karfreitag hier in diesen Änderungstext noch einzufügen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle – und ich glaube, das ist die entscheidende Stelle für die Diskussion um dieses Gesetz – sagen: Wir wollen hier nicht die religiösen, die weltanschaulichen Gefühle von wem auch immer verletzen. Selbstverständlich kann jeder den Sonntag heiligen, wie ihm dies seine eigene Überzeugung vorschreibt. Wir wollen keine religiösen Gefühle verletzen.
Wir wollen aber auf der anderen Seite auch nicht dem, der sich diesen Wertvorstellungen, der sich dieser Heiligung des Sonntags nicht anschließen möchte, von Staats wegen vorschreiben, dass er dies zu tun hat.
Die Bevormundung des mündigen Bürgers ist unseres Erachtens nicht Aufgabe eines Staates, der sich ganz zu Recht auf ein gutes Stück liberale Traditionen gründet.
Wir glauben, Herr Kollege Riemann, vielleicht im Gegensatz zu Ihnen, an den mündigen Bürger, der diese Entscheidung selbst treffen kann
und selbst treffen muss. Und wir glauben daran, dass es Sinn macht, wenn wir hier zu einer Gleichbehandlung kommen. Denn es ist niemandem zu vermitteln, warum ich mir am Sonntag das Video nicht ausleihen kann, aber sehr wohl an die Tankstelle gehen und mir Zeitschriften – und auch da gibt es qualitativ ja nun einiges, was unterhalb der Gürtellinie angesiedelt ist – ausleihen kann.
Diese Ungleichbehandlung, meine Damen und Herren, ist niemandem zu vermitteln und es gehört unseres Erachtens zu einem liberalen Staatsverständnis, zu einem Verständnis von mündigen Bürgern, dass wir ihm Entscheidungsmöglichkeiten geben. Und das heißt auch, dass wir nicht vorschreiben, wann er ein Video ausleiht und wann nicht. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu diesem Antrag.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder sind es die auch manchmal überraschenden Verknüpfungen oder Ereignisse, die uns inne halten lassen und uns nachdenklich machen.
Der Innenausschuss, meine Damen und Herren, hatte es wahrlich nicht eilig, sich nach der öffentlichen Anhörung, die immerhin schon am 25. Februar 2004 stattgefunden hat, überhaupt mit dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Sonn- und Feiertage zu befassen. Als er es aber dann am 9. Juni 2004 endlich doch nach Monaten tat, fand am gleichen Tag und zur gleichen Stunde die Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichtes zu einer Klage der Metrotochter Galeria Kaufhof statt. Die Karlsruher Richter, die das Ladenschlussgesetz für verfassungsgemäß erklärten, waren sich eigentlich nur in einem einzigen Punkt wirklich alle einig. Ansonsten gab es da zum Teil erheblichen Dissens, nämlich als es um das generelle Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen ging. Hier hat man gesagt, dieses Verkaufsverbot müsse weiter Bestand haben.
Meine Damen und Herren, Szenenwechsel: Zur gleichen Stunde wie gesagt wird hier bei uns im Innenausschuss in Schwerin debattiert über die weitere Einschränkung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Und zum gleichen Zeitpunkt, meine Damen und Herren, wird auf Antrag der Koalitionäre noch etwas nachgeschoben. Wenn man schon den Sonn- und Feiertagsschutz anfasst, dann muss es sich ja auch irgendwie lohnen.
Und bei der Ankurbelung der heimischen Wirtschaft sind viele Ideen gefragt. Warum soll man nicht der mutigen Rettung des mecklenburg-vorpommerschen Videound Medienfachhandels nun auch die Rettung von vielleicht 15 oder 20 Münzwaschsalons folgen lassen?
Meine Damen und Herren von der Koalition, mit Ihren Stimmen werden aber eben nicht nur abstrakt irgendwelche Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsgesetz möglich. Und vielleicht ist es jetzt auch der Augenblick, über Ihren Änderungsantrag zu reden, meine Damen und Herren.
Wodurch dieser Änderungsantrag auch immer zustande gekommen sein mag, vielleicht unter Eindruck der Kritik der Landeskirchen, die Ihnen ja Politik der Wertedemontage vorgeworfen haben, vielleicht war es auch so, und das wünschte ich mir, Herr Friese, dass es diejenigen waren, die die Mindermeinung in der SPD relativ lange und relativ ordentlich vertreten haben, egal, wodurch es zu diesem heutigen Änderungsantrag kam, ich muss es Ihnen ganz deutlich sagen: Es ist eigentlich dieser Antrag selbst.
Wenn Sie einem Antrag sozusagen noch einen Änderungsantrag folgen lassen und den wichtigsten stillen christlichen Feiertag, den Karfreitag, mal eben noch so nachschieben, dann sagen Sie selbst, meine Damen und Herren, und zeigen selbst, wie weit eigentlich der Werteverfall in unserer Gesellschaft mittlerweile gereift ist.
Meine Damen und Herren, so geht das nicht. Es tut mir wirklich Leid. Ich muss Ihnen auch sagen, wenn Sie mit diesem Antrag, den Sie jetzt …
(Volker Schlotmann, SPD: Dass das vielleicht ein Zugehen auf Sie ist und andere, das kommt Ihnen wohl überhaupt nicht in den Sinn! Dass das ein Zugehen auf Sie und auf andere ist, auf die Idee kommen Sie gar nicht!)
Herr Schlotmann, ich hatte bereits in der Ersten Lesung genau dieses verlangt, geradezu darum gebeten. In der Ausschussarbeit fand das überhaupt nicht statt. Und ich sage Ihnen auch eins: Mit dem Aufeinanderzugehen hat es Grenzen. Diese Grenzen sind hier sehr grundsätzlicher Art und darauf komme ich noch im Weiteren.
Meine Damen und Herren, diesen Antrag werden wir, und das sage ich jetzt schon an dieser Stelle, ablehnen müssen, weil er uns nicht weit genug geht.
Es war meine Fraktion, Herr Schlotmann, ich habe es Ihnen gesagt, die die stillen Feiertage vor der erweiterten Videothekenöffnung bereits von Anfang an ausgenommen wissen wollte.
In Sachsen-Anhalt und auch in Rheinland-Pfalz hat man auch genau dieses getan. Was Sie allerdings getan haben ist, dass Sie stattdessen den Ausnahmekatalog mal eben so per Antrag auf Münzwaschsalons noch erweitert haben.
(Volker Schlotmann, SPD: Herr Ringguth, das ist unfair! Das ist nicht nur eben mal so passiert. Das ist in einer intensiven Diskussion in unserer Fraktion gelaufen. Sie unterstellen uns, dass wir nicht diskutieren! – Glocke der Vizepräsidentin)
Das ist nicht unfair. Das ist durch den Antrag von zwei Koalitionsfraktionen im laufenden Gesetzverfahren gelaufen. Und wissen Sie, ich will Ihnen sagen, Herr Schlotmann, für mich war das eine Sache, die mich sehr, sehr innerlich auch zum Umdenken bewegt hat. Und ich sage Ihnen auch genau, warum. Vertreter der Landeskirchen haben mir schon damals im Februar gesagt: Sie werden es sehen, wenn die Büchse der Pandora erst einmal geöffnet ist, dann werden neue Begehrlichkeiten wach. Und genau das, meine Damen und Herren, ist doch entstanden.
Ich habe damals im Februar den Vertretern der Landeskirchen, als sie mir das voraussagten, gar nicht glauben wollen, denn eine erneute Aufweichung des Sonntagsschutzes habe ich im laufenden Gesetzgebungsverfahren für gänzlich unmöglich gehalten. Sie haben mich eines Besseren belehrt.
Meine Damen und Herren, es ist doch so und es bleibt auch so. Man kann ganz unterschiedlicher Auffassung darüber sein, aber etwas im wahren Wortsinne Werktäglicheres als das Waschen von Wäsche ist für mich kaum vorstellbar. Und mit dem Wesen der Sonntagsruhe hat das beim besten Willen, meine Damen und Herren, nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun!
Vielmehr wird jetzt wirklich überdeutlich, dass tatsächlich jeder Eingriff in den verfassungsrechtlichen Schutz des Sonn- und Feiertagsgesetzes schleichend jeweils eine weitere Aushöhlung des Sonntagsschutzes nach sich zieht. Und wie groß die Begehrlichkeiten hier sein können, wurde doch bei der öffentlichen Anhörung deutlich, als der Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern des Landes sich eben nicht nur für die Waschsalons einsetzte, sondern gleich eine ganze Reihe weiterer Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz anregte, zumindest, was die Waschsalons betrifft, ja offensichtlich nicht ohne Erfolg.
Meine Damen und Herren, wer den durch Grundgesetz, Verfassung und Staatskirchenvertrag garantierten Schutz von Sonn- und Feiertagen einschränken will, muss ganz gewichtige Gründe haben, Gründe, die in der Abwägung den Eingriff in diesen Kernbereich des Sonnund Feiertagsschutzes auch rechtfertigen können. Diese Gründe sind nach der Anhörung sowohl für die Sonntagsöffnung von Videotheken als auch und besonders, meine Damen und Herren, für die Öffnung von Waschsalons an Sonntagen aus Sicht meiner Fraktion nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Die Sonntagsöffnung der Videotheken als Kompensationsmaßnahme zugunsten der Videothekenwirtschaft für das neue, ja im Grunde schon uralte, eben von 1998 stammende Filmförderungsgesetz zu verstehen, halten wir beispielsweise für völlig sachfremd. Dies würde doch in der Tat bedeuten, dass eine Filmförderungsabgabe eigentlich durch eine Einschränkung des Sonn- und Feiertagsschutzes auszugleichen wäre. Meine Damen und Herren, das ist ein absurder Gedanke. Und auf die Frage, ob denn die Öffnung von Videotheken im Lande geboten und erforder
lich sei, um den sonn- und feiertäglichen Freizeitbedarf zu decken, wird aus Sicht meiner Fraktion mit einem klaren Nein beantwortet.
Die überwiegend kommerziellen Erwägungen des Interessenverbandes des Videotheken- und Medienfachhandels sind aus Sicht der Videothekenbesitzer sicher nachvollziehbar, rechtfertigen aber die Erweiterung von Ausnahmen vom Arbeitsverbot nach Paragraph 4 nach meiner Auffassung in keinem Fall.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion teilt die Auffassung der Landeskirchen, dass dieser Gesetzentwurf Grenzen überschreitet. Selbst nach Ihrem heutigen Schnellantrag bleibt diese Auffassung insbesondere wegen der ständigen Aushöhlung des Sonntagsschutzes bestehen. Hier, meine Damen und Herren, werden Grenzen überschritten. Und die Frage stellt sich nach dem heutigen Tag doch umso bedrückender: Welche Argumente will man denn künftig finden, wenn andere Gewerbezweige jetzt Gleichbehandlung verlangen?
Meine Damen und Herren, der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage – und ich betone noch mal, eben auch der Sonntag – bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. So will es das Grundgesetz und so will es die Landesverfassung. Wir stehen eigentlich gemeinsam in besonderer Verantwortung,