Protokoll der Sitzung vom 24.06.2004

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

und dass Sie dann innerhalb der Diskussion noch ein gewisses Aber hineinlegen oder kleine Kommaregeln viel

leicht in Frage stellen, dafür habe ich Verständnis. Das ist ja auch okay so.

Mit dem Lob für den Bildungsminister habe ich beim letzten Mal, als wir das schon thematisiert haben, denke ich mal, ausreichend Stellung bezogen. Man muss natürlich auch sagen, Herr Dr. Nieszery, wenn die Vorgänger sechs bis sieben Jahre an diesem Thema gearbeitet haben, ist eine gewisse Vorarbeit geleistet, und es wäre wahrscheinlich theoretisch ein Unding gewesen, wenn der jetzige Bildungsminister noch einmal eine Zeitschiene von zwei, drei Jahren hätte verstreichen lassen. Von der Warte aus wurde es höchste Zeit, dass nach einem Jahr die Entscheidung getroffen wurde. Ich persönlich stelle auch nicht das Wort des Ministers in Frage. Auch ich bin in dem Sinne wie Sie, Herr Dr. Nieszery, ein junger Abgeordneter hier, aber ich habe auf Seiten der Opposition jetzt schon erfahren müssen, dass es so eine Sache ist mit den Worten, und deswegen sind mir Entscheidungen, Beschlüsse lieber. Da habe ich nämlich etwas schwarz auf weiß

(Jörg Heydorn, SPD: Das müssen ja Zustände sein in der CDU-Fraktion. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

und deswegen werden wir heute auch diesen Antrag hier zur Abstimmung stellen.

Obwohl ich den Minister vorhin aufgefordert habe, auch im Namen der Landesregierung zu sprechen, ist er dem nicht ganz nachgekommen. Auch dafür muss ich dann Verständnis haben. Aber ich gehe einfach davon aus, dass er für die Landesregierung gesprochen hat.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Einen Punkt sollte ich an dieser Stelle dann doch noch sagen, wenn Sie auf die Begründung verweisen. Dieser Antrag hat nämlich eine neue Qualität,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

das ist einfach so, weil nämlich erstmalig der Landtag hier per Beschluss das Ganze manifestiert. Und ich freue mich, dass Sie dort mit im Boot sind. – Danke schön.

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Renz.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1198. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1198 mit den Stimmen der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und einer Gegenstimme der Fraktion der PDS und einer Stimmenthaltung angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Stärkung von Disease-Management-Programmen in MecklenburgVorpommern, Drucksache 4/1238.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Stärkung von Disease-ManagementProgrammen in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1238 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns jetzt in dem vorliegenden Antrag mit Disease-Management. Das hört sich kompliziert an, ist es aber im Grunde genommen gar nicht. Ich werde Ihnen einmal kurz ein paar Daten dazu bereitstellen.

Disease-Management ist übersetzt Krankheitsmanagement. Das sind strukturierte Behandlungsprogramme auf der Grundlage der evidenzbasierten Medizin. Bis zum Jahresbeginn haben sich knapp 400.000 Patienten allein bei der AOK eingeschrieben für das Behandlungsprogramm für Zuckerkranke – Alterszucker, Diabetes mellitus II. 32.000 Ärzte nehmen bundesweit an diesem Programm teil, sind Verhandlungspartner und Vertragspartner der Krankenkassen. Disease-Management-Programme gibt es für Alterszucker, für Brustkrebspatientinnen – leider noch nicht in allen Bundesländern –, Diabetes I und koronare Herzerkrankungen. Geplant sind weitere solche strukturierten Behandlungsprogramme für Asthma und chronische Erkrankungen der Atemwege.

Strukturierte Behandlungsprogramme für die oben genannten Krankheiten sind nicht etwa Einheitsbehandlungen im negativen Sinne, sondern sichern einen hochwertigen Behandlungsstandard für alle Patienten. Ein gut eingestellter Diabetiker beispielsweise muss nicht seine Therapie ändern, auch das ist ja immer ein Vorurteil gegen diese Programme, sondern er erhält vielmehr das zusätzliche Angebot, an weiteren Programmen, an Schulungen und weiteren Untersuchungen teilzunehmen.

Auch die immer wieder ins Feld geführte Kritik an dem zu hohen Verwaltungsaufwand ist vor kurzer Zeit durch die Änderung der Risikostrukturausgleichsverordnung weitgehend behoben worden. Die Konfliktlinien zu diesen Disease-Management-Programmen, die ja auch in der Presse kürzlich erst dargestellt worden sind, sind nicht mehr der Verwaltungsaufwand oder das Märchen von der Einheitsbehandlung. Vielmehr geht es hier um Vergütungs- und Abrechnungssystematik. Bislang spielte der Faktor Krankheit im Risikostrukturausgleich keine Rolle. Für die Ermittlung der Normkosten werden lediglich die Parameter Alter, Geschlecht, Erwerbsminderung und so weiter zugrunde gelegt. Das heißt, dass bei der Mittelzuweisung der konkrete Gesundheitszustand keine Rolle spielt. Demzufolge waren spezielle Angebote für chronisch Kranke für die entsprechenden Kassen mit einem erheblichen finanziellen Risiko verbunden.

Seit 2003 gilt für die DMPs eine besondere Finanzierungsform innerhalb des Risikostrukturausgleichs. Für einen an diesem Programm teilnehmenden Patienten, beispielsweise im Bereich Diabetes mellitus II, also Alterszucker, erhält die Kasse eine jährliche Abschlagszahlung von 5.200 Euro statt bisher 3.000 Euro. Durch die Absenkung der Normausgaben für nicht eingeschriebene Patienten wird das zusätzliche Geld aus dem System heraus erwirtschaftet – es werden also keine neuen Töpfe aufgemacht – und demzufolge für eine qualitätssichernde Behandlung eingesetzt.

Dies ist verständlicherweise vor allem nicht im Sinne der Kassen, die vorwiegend junge und gesunde Menschen versichern. Allerdings ist der Wettbewerb unter den Krankenkassen nicht so zu definieren, dass man sich ausschließlich um die guten Risiken müht. Wichtiger ist bei

spielsweise, dass alle Kassen vergleichbare Behandlungsprogramme für chronisch Kranke anbieten können. Dies wird auf Dauer nur möglich sein, wenn der Gesundheitszustand ein wichtiger Parameter bei der Mittelverteilung im Risikostrukturausgleich wird. Disease-Management-Programme verbessern nicht nur die Qualität der Behandlung für die Patienten, sie sorgen auch für eine gerechtere Verteilung der Mittel und bilden einen Meilenstein auf dem Weg zur Einführung eines Risikostrukturausgleichs, in dessen Mittelpunkt der Gesundheitszustand eines Menschen steht, dem so genannten MorbiESR.

Durch die Nichteinschreibung im Disease-ManagementProgramm sind beispielsweise der AOK in MecklenburgVorpommern bislang Verluste von circa 5 Millionen Euro entstanden, die nicht in erster Linie den Kassen, sondern den Patienten fehlen. Dieser Antrag soll als Appell verstanden werden, die Akzeptanz der DMPs zu steigern, die Versorgungsqualität für die Kranken zu verbessern und für eine gerechtere Mittelverteilung unter den Kassen zu sorgen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu diesem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Dr. Nieszery.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Deutschland gibt es mehr als 10 Millionen chronisch kranke Bürger. Die Zahl der Zuckerkranken wird auf etwa 5 Millionen geschätzt und rund 95 Prozent von Ihnen leiden unter Diabetes mellitus Typ II, also dem so genannten Alterszucker. Diabetes ist eine Volkskrankheit in Deutschland mit erheblichen Folgewirkungen. Rund 30.000 Fußamputationen jährlich gehen auf das Konto dieser Krankheit. 5.000 Menschen etwa erblinden im Jahr an den Folgen einer Diabeteserkrankung.

Ähnlich schwerwiegend sind die Folgen bei Brustkrebserkrankungen. 46.000 Frauen erkranken jedes Jahr an Brustkrebs in der Bundesrepublik und rund 18.000 Frauen sterben leider an dieser Krankheit jährlich.

(Ute Schildt, SPD: O Gott!)

An koronaren Herzerkrankungen leiden in Deutschland etwa 2,4 Millionen Menschen und etwa 3 Millionen sind an chronischer Bronchitis erkrankt.

All das ist wichtig zu wissen, wenn man über die Bedeutung der von der Bundesregierung eingeführten so genannten Disease-Management-Programme spricht. Mit diesen Programmen, das sagte der Abgeordnete Nieszery schon hier sehr deutlich in seinem Beitrag, sollen chronisch kranke Menschen besser versorgt werden.

Diese Disease-Management-Programme, so genannt also für Krankheitsmanagement, wurden zu Beginn der 90er Jahre aus Amerika bei uns eingeführt. Patienten, die in diese Programme eingeschrieben sind und die an diesen Programmen teilnehmen, sollen nach einheitlichen

Leitlinien behandelt werden. Insofern verbinden diese Programme Schulungen, aber auch Kriterien zur Überwachung der Methoden und Qualität auf der einen Seite, andererseits wird der Patient aktiv in die Betreuung einbezogen. Alle an der Betreuung Beteiligten, wie der Hausund Facharzt, Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, Therapeuten oder andere Leistungserbringer, sollen innerhalb dieser Programme möglichst koordiniert und erfolgreich zusammenarbeiten.

Die medizinischen Inhalte zu den Disease-Management-Programmen sind einvernehmlich durch den Koordinierungsausschuss auf Bundesebene beschlossen worden. In diesem Koordinierungsausschuss sitzt die Ärzteschaft, sitzen die Krankenhäuser und die Krankenkassen mit ihren Vertretern sind dort präsent. Ziel war es hier in diesem Ausschuss, eine hohe Therapiequalität bei gleichzeitiger Wahrung – das ist wichtig – der Therapiefreiheit für den einzelnen Arzt zu erreichen.

Trotz einer gebührenden Portion Skepsis zunächst auf allen Seiten wurden doch diese Disease-ManagementProgramme sehr zügig erarbeitet und sie liegen inzwischen für diese vier Krankheitsgruppen vor – seit 2002 anerkannt. Damit konnte in relativ kurzer Zeit ein Paradigmenwechsel bei der Versorgung chronisch kranker Bürgerinnen und Bürger in Deutschland eingeleitet werden.

Übrigens gehen nicht zuletzt gerade über die Verknüpfung von Risikostrukturausgleich und strukturierten Behandlungsprogrammen erhebliche finanzielle Anreize für die Krankenkassen, die eben diese Programme anwenden, von diesen Disease-Management-Programmen aus. Sie werden bei Einschreibung in diese Programme finanziell besser gestellt. Es ist einfach deutlich noch einmal zu wiederholen: Es wird dieser Wettbewerb, den wir bei den Kassen bisher immer hatten, um den jungen, gesunden, gut verdienenden Versicherten ergänzt. Es gibt jetzt also einen – im positiven Sinne – Wettbewerb um den chronisch erkrankten Bürger, der in einem Disease-Management-Programm in sehr wirtschaftlicher, aber, was ja viel wichtiger ist, qualitativ hochwertiger Weise betreut wird.

Ausdrücklich betone ich also deshalb noch einmal, dass ich das Konzept der DMPs und auch ihre Verknüpfung mit finanziellen Anreizen für die Krankenkassen für äußerst wichtig und sehr richtig halte. Die ersten praktischen Erfahrungen – das haben unsere Beratungen mit den Kassen gezeigt – weisen jedoch eine Reihe von Problemen auf. Es gab Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Programme bezüglich ihrer Praktikabilität, Praxistauglichkeit und dadurch wurden zum Teil die Akzeptanz und die Unterstützung durch Patientinnen und auch durch Ärzte beeinträchtigt. Das gilt aber nicht nur bei uns im Lande, das gilt insgesamt bundesweit. Das muss so festgestellt werden.

Die Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltungen von Ärzten und Krankenkassen haben inzwischen diese Erfahrungen ausgewertet. Sie sind in die neue Rechtsverordnung zum Risikostrukturausgleich eingeflossen, die zum 1. März dieses Jahres in Kraft getreten ist. Mit dieser neuen Rechtsverordnung ist eine wesentlich vereinfachte Dokumentation eingeführt worden, die künftig den Arbeitsaufwand für den DMP-Arzt reduziert und damit natürlich auch die Programme in Gänze praxistauglicher werden lässt.

In Mecklenburg-Vorpommern haben wir erste Erfahrungen mit dem DMP-Programm Diabetes mellitus Typ II,

also dem Bereich des Alterszuckers. Nach Schätzungen von Fachleuten könnten in einem derartigen Programm in unserem Land etwa 90.000 bis 95.000 Patientinnen und Patienten aufgenommen werden. Allein im Bereich der AOK Mecklenburg-Vorpommerns wären hier nach Schätzungen, wie gesagt, 60.000 bis 65.000 Patientinnen und Patienten erreichbar. Eingeschrieben sind bislang 15.000 und das zeigt das eigentliche Problem. Ich bin deshalb also sehr froh, dass inzwischen die Kassenärztliche Vereinigung des Landes mit der AOK, dem IKK-Landesverband Nord sowie dem BKK-Landesverband ein Disease-Management-Programm für an Diabetes mellitus Typ II erkrankte Patientinnen und Patienten vereinbart hat.

Die AOK Mecklenburg-Vorpommern ist vom Erfolg des strukturierten Behandlungsprogrammes überzeugt, denn inzwischen sind hier Erfahrungen gesammelt worden mit einem Modellprojekt und es sind alle erforderlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung geschaffen worden, vor allem die Voraussetzungen auch dafür, dass ein möglichst großer Kreis an Patientinnen und Patienten erfasst wird.

Ich erkläre noch einmal für die Landesregierung, dass wir dringend die Umsetzung der Programme brauchen, natürlich im Interesse der Patientinnen und Patienten, aber natürlich auch aufgrund der engen Verknüpfung dieser Anwendungen der DMPs mit dem Risikostrukturausgleich. Die Refinanzierung für DM-Programme setzt eben voraus, dass sich möglichst viele Patientinnen und Patienten hier einschreiben und möglichst viele Ärztinnen und Ärzte nach diesen Leitlinien arbeiten. Ich bin deshalb auch sehr froh, dass die Barmer Ersatzkasse für den Bereich des Diabetes mellitus zum 1. Juli 2004 ebenfalls einen DMP-Vertrag abgeschlossen hat.

Verehrte Abgeordnete, während es bei den Strukturprogrammen für Diabetespatienten in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu anderen Ländern zeitliche Verzögerungen gab, sieht es bei den Programmen für koronare Herzerkrankungen, aber auch für diejenigen Patientinnen und Patienten, die Brustkrebserkrankungen erleiden, besser aus. In beiden Bereichen liegen unterschriftsreife Verträge für die AOK des Landes, die IKK und den BKK-Landesverband vor. Das ist der gegenwärtige Stand nach den Gesprächen, die mein Haus in den letzten Tagen mit den Beteiligten geführt hat.

Ich hoffe sehr, so, wie auch der Abgeordnete Herr Nieszery sagte, dass diese Gespräche und diese Beratung heute hier im Landtag einen ergänzenden Impuls für die weitere Anwendung der DM-Programme in unserem Land bringen. Ich werde den Antrag zum Anlass nehmen, mich mit allen Beteiligten über weitere Möglichkeiten der Unterstützung ihrer Arbeit zu unterrichten, mich mit ihnen darüber zu beraten. Ich fühle mich durch das Votum des Landtages hierbei bestärkt und plädiere für Zustimmung zu Ihrem Antrag. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.