Protokoll der Sitzung vom 24.06.2004

Und noch einmal etwas zur Sonderwirtschaftszone. Wir haben doch in den 90er Jahren besondere Förderkonditionen und besondere steuerrechtliche Maßnahmen bekommen. Das Ergebnis im Baubereich, das sehen Sie doch heute. Das heißt, wir haben hier in den letzten Jahren schon ganz bestimmte Mechanismen eingeführt, die zu einer Situation geführt haben, dass wir 15 Jahre danach sagen: Leute, so kann es eigentlich nicht weitergehen!

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Ich unterstütze ausdrücklich – und ich bin richtig begeistert vom Bekenntnis des Ministerpräsidenten zur Frage der Treue zu Tarifen –, dass wir natürlich in Ostdeutschland ein Niedriglohngebiet haben. Wir haben die geringsten Löhne und die längsten Arbeitszeiten. Aber das ist doch der praktische Beweis dafür, dass dies nicht dafür Sorge trägt, dass sich die Entwicklung von Regionen und Wachstumskernen letztendlich stabil abzeichnen konnte. Es ist auch kein Renommee dafür, das den Abwanderungstendenzen entgegengehalten werden kann.

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Ich füge noch eins hinzu: Ich weiß ja, dass das auf beiden Seiten Unruhe auslöst, wenn ich so etwas sage, was wir mit den Hartz-Gesetzen bezüglich der Arbeitsmarktpolitik und der wirtschaftlichen Situation in MecklenburgVorpommern bekommen, das muss sich doch bekanntlich auch herausstellen. Ich glaube, wir brauchen eine aktive politische Gestaltung von Wirtschaftsförderung in ganz Deutschland –

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Sie verwiesen darauf, Herr Born – und deshalb auch für strukturschwache Regionen Ost wie West. Dieser Neuanfang, für den wir uns stark machen, sollte auf drei Säulen stehen. Er sollte eine Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in Ostdeutschland ermöglichen. Wir halten hier eine neue Gestaltung von Fördermechanismen in dem vereinbarten Finanzvolumen für notwendig.

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Ich möchte ganz kurz einmal sagen, was wir damit meinen, weil ich vorhin gefragt habe: Was heißt denn Bündelung von Förderprogrammen in Ihrem letzten Punkt? Was heißt das konkret? Wir könnten uns vorstellen, dass Länder mit besonderen Struktur- und Haushaltsproblemen bei der Frage der Förderung, ob nun in Form der GA oder der Verwendung der notwendigen Finanzierungsgrößen, nicht mehr die Hälfte, sondern nur noch ein Viertel der Fördermittel kofinanzieren müssten. Die Mittel sollten gezielter zur Förderung von wissenschaftsbasierter Produktion eingesetzt werden, also auch für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie für so genannte Humankapitalinvestitionen. Damit haben wir ein Problem, weil sie nicht investiv im Haushalt gebunden werden können.

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Die Solidarpaktmittel II würden wir stärker für die Förderung industrienaher Infrastrukturen und auch für die

Förderung von Kooperationen zwischen den innovativen Unternehmen einsetzen. Der Ministerpräsident hat bestimmte Clusterbildungen im Land hervorgehoben, da diese Förderung darauf ausgerichtet wird, Wachstumskerne zu stärken. Es geht uns nicht um Nichtaufstocken, sondern um Umverteilen für mehr Wachstum, Ansiedlung und Beschäftigung.

(Andreas Petters, CDU: Sie wollten doch was Neues verteilen!)

Und in diesem Punkt würden wir den Vorschlag der Dohnanyi-Most-Gruppe unterstützen. In einem anderen Punkt würden wir das allerdings nicht tun. Ich finde es schade, Herr Dr. Born, weil Sie in Ihren Ausführungen auch so ein bisschen das Bild aufgemacht haben: Lasst uns mal bestimmte Fördermittel zentralisieren! Die Dohnanyi-Most-Gruppe hat dies ja vorgeschlagen. Ich warne einfach davor, denn zu unserem Angebot gehört neben Innovation und Bildung stärken auch Öffnung und Reorganisation von Politik. Das heißt, Entscheidungskompetenzen in die Ebenen geben, nicht zentralisieren, sondern auch Entscheidungskompetenzen in den ostdeutschen Ländern.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Insofern gibt es ein interessantes Papier der PDS zu der Frage: Ein Neuanfang für Ostdeutschland? Diese Lektüre würde ich Ihnen gerne empfehlen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Andreas Petters, CDU: Danke!)

Danke schön, Frau Gramkow.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Schildt. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Meine Damen und Herren von der CDU, ich habe mich lange gefragt,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nein!)

was Sie mit diesem Antrag in der Form, wie er formuliert ist, nun wirklich auf den Weg bringen wollen. Wollten Sie wirklich zum Nachdenken und zum Mitmachen anregen? Wollten Sie Impulse setzen?

(Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Wollten Sie den Eindruck vermitteln, dass Sie Impulssetzer auf dieser Strecke sind? Zu einer richtigen Antwort bin ich nicht gekommen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Da hätten Sie nur dem Ministerpräsident zuhören müssen!)

Ich bin sehr froh – viele Teile meiner Rede sind gesagt –

über die Ausführungen des Ministerpräsidenten. Wir müssen nicht verschweigen, dass es immer noch nach all den Jahren Sorgen im Land gibt, aber es gibt Erfolge. Es gibt sehr viele Erfolge und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Wir sind immer geneigt, den Schwachstellen nachzugeben und uns in der Emotion auch dem hinzugeben. Aber wir müssen uns auch wirklich den Schwerpunkten, die wir entwickelt haben und die die Menschen in unserem Land entwickelt haben, stellen. Wir müssen damit auch gegenüber den Menschen arbeiten, die brauchen das, man zieht sich nämlich viel schneller herunter.

Und deshalb weiß ich immer noch nicht, was Sie wirklich wollten. Wollten Sie mit diesem Antrag darstellen, die Macher im Osten, das sind wir? Ich glaube, das ist Ihnen mit diesem Antrag nicht gelungen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

In den Ausführungen, die wir bisher gehört haben, ist das sehr deutlich gemacht worden. Vieles ist von verschiedenen Seiten geschehen und es gab Instrumente, die funktioniert haben, Instrumente, für die die Regierung im Moment immer wieder Verhandlungen führt, ob auf der Wirtschaftsministerkonferenz Ost am 19. Mai, ob im Zusammenhang mit dem Solidarpakt II oder im Zusammenhang mit dem Korb II. Es werden Verhandlungen geführt und wir werden informiert darüber – auch Sie als CDU-Fraktion –, welche Ergebnisse erzielt wurden. Es wird ein Dohnanyi-Bericht im „Spiegel“ veröffentlicht, der ist ein Zwischenergebnis von Beratungen mit Experten. Das ist hochwohllöblich, dass Experten sich mit diesem Thema befassen, wo man anfassen kann, und dabei beraten, politisch beraten, wo wir ansetzen können, Sachen noch besser als bisher zu machen. Aber wir sollten nicht auf dieses Pferd springen, Schnellurteile zu fällen, schnell so etwas, was Sie heute auf den Weg gebracht haben, sehr geehrte Kollegen von der CDU, auch so in die Beratung zu nehmen. Ich denke, dass viel weiter gearbeitet worden ist, das ist gezeigt worden, und ich denke, dass wir an vielen Stellen auch gemeinsam an Einzelpunkten schon viel weiter waren, als das heute von Ihrer Seite besprochen wurde. Und deshalb, meine Damen und Herren, werden wir den Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, in der Form ablehnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke Schön, Frau Abgeordnete Schildt.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Caffier. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kollegen!

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Liebe Kollegin Schildt, ich habe den Eindruck, im Vergleich zum Ministerpräsidenten, der den Antrag sehr wohl verstanden hat, haben Sie ihn noch nicht verstanden.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Es geht hier weniger darum, welche Fraktion oder welche Partei ausschließlich Recht hat. Es geht darum, dass wir nicht nur von unserem Informationsrecht Gebrauch machen sollten, sondern dass wir auch unseren Forderungskatalog aufmachen sollten.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Gleichermaßen bekannt ist, dass im Bund die Diskussion über eine Umverteilung der Finanzmittel sehr doll in den letzten Wochen entbrannt ist. Und da, glaube ich, ist es richtig, wenn wir uns als Parlament eindeutig positionieren und die Verhandlungsposition vom Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister in der Form sogar noch stärken.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Insofern ist es nicht nur eine Informationspflicht …

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Natürlich! Lesen Sie doch einmal im Antrag die beiden Punkte. Da steht drin, dass wir die Mittelkürzung nicht nachvollziehen und dass wir die Sonderregelungsgebiete …

(Ute Schildt, SPD: Das machen Sie doch nicht mit Ihrem Antrag!)

Dann müssen Sie ihn auch einmal bis zum Ende lesen!

Meine Damen und Herren, 14 Jahre Aufbau Ost – das hörten wir jetzt schon mehrmals, aber es ist ja auch richtig – sollten gewürdigt werden. In dieser Zeit wurde viel erreicht. Die Instrumente, die in der Anfangszeit geeignet waren, gehen heute allerdings teilweise an den Bedingungen, an den Bedürfnissen und auch an den finanziellen Möglichkeiten vorbei. Davor sollte keiner die Augen verschließen. So lässt sich aus meiner und aus unserer Sicht der Kern der aktuellen Diskussion auf folgenden Punkt bringen:

Ich halte, meine Damen und Herren, die Diskussion um den Aufbau Ost grundsätzlich für richtig. Das bedeutet aber nicht, dass heute alles in Abrede gestellt wird, was in den Jahren seit der Wiedervereinigung geleistet worden ist, auch wenn nicht nur in Einzelfällen, sondern manchmal häufiger Fehler gemacht wurden. Aber, auch das wurde schon eingangs gesagt, Fehler macht nur der keine, der gar nichts tut. Und da in allen Ländern vieles in den vergangenen Jahren getan worden ist, hat es auch sicherlich nicht nur ganz wenige Fehler gegeben. In den Anfangsjahren flächendeckend zu fördern und erst einmal Grundstrukturen zu schaffen war nach Auffassung mein e r Fraktion, ich glaube, auch das ist unstrittig, richtig, damit wir erst einmal auf ein gewisses gleiches Niveau kommen.

Inzwischen hat der Osten diese Grundstrukturen und nun sind andere Ansätze gefragt. Ich glaube, auch dieses ist unstrittig. Diese müssen auf geschaffene Grundstrukturen aufsetzen. Es gilt jetzt, den Mitteleinsatz sowie die anzuwendenden Instrumente zukunftsweisend und effizient auszurichten. Angesichts der prekären Situation der Lage der öffentlichen Haushalte, der leider auch absehbaren demographischen Entwicklung sowie des zunehmenden internationalen Wettbewerbs wird die Aufgabe Ost daher keinesfalls leichter, im Gegenteil, wahrscheinlich eher noch schwieriger.

Es sollte für uns alle gelten, Kritik ernst zu nehmen. Wo Solidarpaktmittel zur Deckung laufender Ausgaben anstatt für wachstumsfördernde Investitionen verwendet werden, muss, ich glaube, das ist auch richtig, schleunigst ein Riegel vorgeschoben werden. Auch haben – auch das gilt es zu konstatieren – Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen zwar unendlich viel Geld gekostet, aber leider zu selten das Ziel, das eigentlich ganz vorne ansteht, und zwar auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeitsplätze zu schaffen, erreicht.