Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Und, Herr Minister Holter, es ging einmal um die Forderung der Union – und das ist eine legitime Forderung –, dass nicht ein zusätzliches Konstrukt, ein neues Behördenkonstrukt von 42.000 Mitarbeitern bei der Bundesagentur entsteht, davon 24.000 Neueinstellungen, denn das sind Personalkosten von etwa 1,5 Milliarden Euro oder als Alternative, das haben wir immer gesagt, dass auch Landkreise und kreisfreie Städte die Möglichkeit bekommen, wir waren dafür, dass sie überhaupt der Träger sind, und dann hat man sich in einem langen und schwierigen Verfahren auf diese so genannte Experimentierklausel geeinigt, um keine Grundgesetzänderung vornehmen zu müssen. Das ist die Tatsache!

Zweitens. Denken Sie bitte einmal darüber nach, wie die Refinanzierungsangebote der Bundesregierung im November/Dezember 2003 ausgesehen haben! Damals war noch von Refinanzierung über Umsatzsteueranteile die Rede. Wenn das alles bei der Bundesagentur gelandet wäre, hätte man dort nicht – und das war das hessische Modell nach dem EEG – Fallquotenzahlen und so weiter als Basis genommen. Das, was wir heute haben, das sind die Tatsachen und keine anderen! Und, Herr Holter, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, wir hätten dafür gesorgt, dass das Ganze ein halbes Jahr verzögert wird, damit die Leute – und das ist doch hier ein Vorwurf, den Sie uns jetzt gemacht haben –

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS – Rainer Prachtl, CDU: Das ist nur eine Unterstellung! Genau so ist es.)

am 1. Januar ihr Geld nicht bekommen. Die Schlussfolgerung ist, dass die Menschen jetzt auf die Straße gehen, dass Zukunftsängste und so weiter da sind. Herr Minister Holter, das wäre ganz simpel gewesen. Die Bundesregierung hätte mit dem finanziellen Poker im Herbst 2003 gar nicht erst anfangen müssen.

(Klaus Mohr, SPD: Hören Sie doch mal auf, Herr Rehberg! Diskutieren Sie doch nach vorne!)

Nein, Herr Kollege Mohr, ich lasse mir von einem Minister dieser Landesregierung nicht vorwerfen, dass die CDU Deutschlands bewusst im Bundesrat dafür gesorgt hätte, dass dieses Gesetz um ein halbes Jahr verzögert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das haben Sie aber! Das haben Sie aber! – Zurufe von Regine Lück, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Das lasse ich uns nicht vorwerfen!

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Er hat gesagt, die CDU hat bewusst dafür gesorgt, dass die Beratungen bis zum Juli 2004 gedauert haben. Nicht mehr und auch nicht weniger.

(Angelika Gramkow, PDS: Ja, das hat sie.)

Und, Herr Minister Holter,...

(Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Peter Ritter, PDS)

Das ist eine haltlose Unterstellung, Herr Kollege Dankert! Gucken Sie sich noch einmal an, was letztendlich dabei rumgekommen ist! Denken Sie bitte daran, was die Bundesregierung vor einem dreiviertel Jahr an Refinanzierung angeboten hat. Das ist bedeutend weniger als das, was heute auf dem Tisch liegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich sage ja an dieser Stelle nicht, Herr Kollege Dankert, dass sich Frau Keler im Vermittlungsausschuss nicht möglicherweise oder ganz bestimmt genauso für diese Summen eingesetzt hat, wie es CDU-geführte Bundesländer getan haben. Das behaupte ich doch überhaupt nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Letztes. Herr Minister Holter, wenn Sie hier sagen, ich bin für einen Regelsatz von 400 Euro,

(Torsten Koplin, PDS: Das hat er doch gar nicht gesagt.)

die Armutsgrenze in Europa beträgt 800 Euro, dann müssen Sie aber der Solidargemeinschaft der Steuerzahler sagen, wo das Geld dafür herkommen soll, denn das ist ein Mehr, gegenüber den heutigen Regelsätzen – ich nehme nur die Regelsätze, nicht mehr – von rund 20 Prozent, von fast 20 Prozent. Diese Summe muss aufgebracht werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir sollten uns auch noch einmal vor Augen führen, dass wir bei diesem ganzen Thema natürlich die Solidargemeinschaft der Steuerzahler in Anspruch nehmen. Jetzt muss man auch einmal wissen, warum denn überhaupt die Dramatik in Deutschland zustande gekommen ist. Wenn Sie allein die Zahlen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse von August 2002 nehmen und mit dem Mai 2004 vergleichen, dann ist eine Abnahme um 1,2 Millionen Beschäftigte zu verzeichnen. Das ist ein Minus bei der Lohnsteuer von 6 Milliarden Euro, das ist ein Minus bei den Sozialbeiträgen von 7 Milliarden Euro und das ist eine zusätzliche Belastung der Bundesagentur, der Sozialhilfeträger, von 17 Milliarden Euro. Das sind die nackten Tatsachen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind in diesem Zeitraum mit etwa fast 40.000 Beschäftigten dabei. Ich habe auch die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern dabei. Und deswegen hätte ich mir heute gewünscht, Sie stehen noch hier als Arbeitsminister, dass ich von Ihnen durchaus einmal gehört hätte, wie denn das Fördern auch ganz konkret vor Ort aussieht.

(Beifall Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Es reicht nicht aus, dass Sie sich hier hinstellen und ganz einfach sagen: Na ja, wir sind ja dabei, wir sind der Koordinator.

(Wolfgang Riemann, CDU: Videofilme.)

Und noch ein Satz, Herr Minister Holter, denn es war ja ein vergebliches Unterfangen, im Sozialausschuss am 18. August dieses Jahres von Herrn Koplin, so zu tun, als ob mit dem Ausführungsgesetz zu Hartz IV alles in Butter

ist. Zum damaligen Zeitpunkt war das Gesetz doch noch gar nicht fertig

(Torsten Koplin, PDS: Doch.)

und der Sozialausschuss ist übrigens auch gar nicht zuständig. Und noch einmal eins nebenbei, wenn komplett, dann SGB II und SGB XII zusammen, beides bitte.

(Torsten Koplin, PDS: Doch wieder?)

Frau Linke, Sie werden nicht umhinkommen, auch das SGB XII anzufassen. Das wird nicht ohne einfache gesetzliche Regelung gehen. Die Hessen haben beides zusammengepackt.

(Beifall Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Angelika Gramkow, PDS: Herr Rehberg, warten Sie es doch ab!)

Und, Herr Kollege Holter, ich will Ihnen ja nicht unterstellen, dass Sie nicht auch zielstrebig gearbeitet haben. Nur ein bisschen politische Cleverness wäre besser gewesen, denn es deutete sich die Lösung doch schon im Juni an. Und wenn ich den hessischen Entwurf sehe, der bildet auch adäquat letztendlich das Optionsmodell ab, der unterscheidet sich doch nicht großartig von unserem.

(Minister Helmut Holter: So ist es.)

So ist es. Die hatten ihren Entwurf am 2. Juni fertig und Sie haben erst Ende Juli die Ministerien angeschrieben und sie aufgefordert zuzuarbeiten und so weiter und so fort. Herr Minister Holter, ich werfe Ihnen eines vor: Sie sind politisch nicht clever gewesen,

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist wirklich das Letzte, Herr Rehberg!)

hätten Sie im Juni angefangen, hätten wir heute das Gesetz verabschiedet! – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Es hat noch einmal ums Wort gebeten der Minister für Arbeit, Bau und Landesentwicklung Herr Holter. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Ich möchte auf drei Dinge ganz kurz eingehen:

Erstens. Im Sozialausschuss hätte im August die Chance bestanden, ausführlich über Inhalt und erste Gedanken zum Landesausführungsgesetz mit betreffenden Politikerinnen und Politikern zu sprechen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU – Harry Glawe, CDU: Das ist ja wohl unglaublich! Das ist ja unglaublich!)

Herr Glawe, es sollte dort nicht stattfinden. Es ist auch nicht mein Problem, dass es dort nicht stattgefunden hat.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist nicht mehr zum Lachen! Oh nein!)

Dann reden Sie doch nicht darüber, dass Sie keine Information erhalten haben!

(Beifall Torsten Koplin, PDS, und Gerd Walther, PDS – Torsten Koplin, PDS: Das ist der Punkt! Das ist der Punkt!)

Es bestand einfach die Chance und das muss ich jetzt auch einmal als Minister hier sagen. Gegenüber dem Parlament entschuldige ich mich gleichermaßen dafür.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Zweitens, Vermittlungsverfahren von Dezember 2003 bis 2004. In dem Vermittlungsverfahren ist sehr wohl darüber gesprochen worden, ob jede Arbeit für die Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und Arbeitslosengeld-IIEmpfänger zumutbar sein soll. Es war die CDU, die darauf bestanden hat,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

dass die Zumutbarkeitsregel dort so enthalten ist, wie sie jetzt formuliert ist.