Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Organisationsgesetzes für das Land MecklenburgVorpommern (Landesorganisationsgesetz), auf Drucksache 4/1306.
Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Organisationsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landesorganisationsgesetz – LOG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 4/1306 –
(Eckhardt Rehberg, CDU: Der ist nicht da. – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Ministerin Sigrid Keler)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bekomme eben den Antrag signalisiert auf Unterbrechung der Sitzung,
Das Wort zur Einbringung der Drucksache 4/1306 hat der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Timm.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Entwurf eines Landesorganisationsgesetzes gehen wir einen weiteren Schritt auf dem Wege unseres Verwaltungsreformprojektes. Das Gesetz, das auf Artikel 70 Absatz 2 der Landesverfassung aufbaut, legt die rechtlichen Fundamente, auf denen die Verwaltung in den kommenden Jahren neu geordnet wird.
Bevor ich auf das Gesetz im Einzelnen eingehe, gestatten Sie mir vorweg ein paar allgemeine Ausführungen zu den Hintergründen des Gesetzentwurfes. Die Frage ist: Warum benötigen wir überhaupt ein solches Fundament in Form eines Gesetzes? Die Antwort ergibt sich schnell, wenn man einen genaueren Blick auf die Behördenlandschaft wirft, wie sie in den Jahren nach 1990 entstanden ist und zum größten Teil heute noch besteht. Diese Behördenlandschaft war das Ergebnis eines Aufbauprozesses, der ohne einheitliche, für alle verbindliche Grundsätze und Kriterien erfolgte, sondern der in jedem Ressort mehr oder weniger nach freiem Belieben der Behörden selbst die räumlichen Zuschnitte einrichtete und die entsprechenden nachgeordneten Einrichtungen schuf, die jeweils in dem Ressort für richtig gehalten wurden. Die Folgen dieser fehlenden Koordinierung bei der Aufbauarbeit bestehen darin, dass zu viele staatliche Sonderbehörden entstanden sind, dass das Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung, also der deckungsgleichen Zuständigkeitsbezirke von unteren staatlichen und kommunalen Behörden und auch der staatlichen Behörden miteinander, nicht verwirklicht wurde und dass das Prinzip der Einheit der Verwaltung missachtet blieb.
Heute, meine Damen und Herren, haben wir in unserem Bundesland über 360 Verwaltungsbehörden, die uns zukünftig 1,5 Millionen Menschen mehr oder weniger gut verwalten. Meine Damen und Herren, damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Aufbauarbeit der damaligen Zeit war zweifellos auch erfolgreich, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich nach Kräften bemüht, insbesondere in der Zeit nach 1990. Aber der damals entstandene Verwaltungsaufbau entspricht heute nicht mehr den Maßstäben, die an eine moderne, sparsame und effiziente Verwaltungslandschaft anzulegen sind. Aus diesem Grund ist es geboten, mit dem Landesorganisationsgesetz eine allgemeine Grundlage für die weitere Verwaltungsstruktur in diesem Land zu legen.
Ich komme zu den einzelnen Vorschriften. Im ersten und zweiten Teil des Gesetzes sind insbesondere die Paragraphen 3 und 4 hervorzuheben. Mit den Regelungen im Paragraphen 3 wird der Rahmen für die jetzige und mögliche weitere Funktionalreform abstrakt nach den Grundsätzen festgelegt. Damit wird nun ausdrücklich klargestellt, dass Verwaltungsaufgaben des Landes vorrangig durch kommunale Träger vollzogen werden sollen und Landesbehörden nur dann mit der Aufgabenwahrnehmung betraut werden sollen, wenn dies aus rechtlichen Gründen oder aus Gründen der Effektivität oder der Effizienz zwingend geboten ist. Ebenfalls im Paragraphen 3 wird festgelegt, dass bei einer Übertragung von Landesaufgaben auf die kommunalen Träger nicht nur eine Wahrnehmung im übertragenen Wirkungskreis in Betracht gezogen werden soll, sondern regelmäßig zu prüfen ist, ob eine Aufgabe nicht auch in den eigenen Wirkungskreis übertragen, also als eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe gestaltet werden kann.
Ein weiterer Punkt dieses Paragraphen 3 ist ebenfalls hervorzuheben. Erstmals wird mit diesem Gesetz verbindlich vorgegeben, dass elementare Prinzipien der Verwaltungsorganisation für die Einheit und die Einräumigkeit der Verwaltung einzuhalten, mindestens aber anzustreben sind. Ich hatte eingangs darauf hingewiesen. Diese Vorschrift enthält schließlich auch Vorgaben für die Deregulierung, denn sie stellt ausdrücklich klar, dass die Übertragung von Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung durch die neuen Aufgabenträger führen soll, und zwar unter weitestgehendem Verzicht auf Genehmigungsvorbehalte und Einvernehmensregelungen.
Mit der Regelung des Paragraphen 4 stellt das Gesetz bislang fehlende Maßgaben für die Privatisierung und die Übertragung öffentlicher Aufgaben auf natürliche und juristische Personen auf und schließt damit eine bislang bestehende Gesetzeslücke. Bei dieser Regelung will ich hervorheben, dass sie nicht, wie von verschiedenen Seiten gelegentlich behauptet wird, einer Privatisierung öffentlicher Aufgaben Tür und Tor öffnet, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen eingrenzt und damit auch definiert, unter denen eine Privatisierung in MecklenburgVorpommern in Betracht gezogen werden soll.
Im dritten und vierten Teil werden die verschiedenen Träger der unmittelbaren und der mittelbaren Landesverwaltung definiert und Regelungen zum Behördenaufbau – oberste, obere und untere Landesbehörde – und zur Zuständigkeit getroffen. Somit werden erstmals eindeutige und verbindliche Festlegungen für Tatbestände geschaffen, die man sich ansonsten aus Lehrbüchern des allgemeinen Verwaltungsrechts ohne Anspruch auf Verbindlichkeit zusammensuchen müsste. Wir definieren diese per Gesetz.
Im fünften Teil werden schließlich die Bestimmungen zur Aufsicht über Behörden in das Landesorganisationsgesetz aufgenommen. Diese Vorschriften befanden sich bislang im Verwaltungsverfahrensgesetz und werden nunmehr an die systematisch richtige Stelle plaziert. Das Landesorganisationsgesetz wird damit zu einem in sich geschlossenen Regelwerk für die Ausgestaltung des künftigen Verwaltungsaufbaus und für das Zusammenwirken der einzelnen Verwaltungsbereiche im Inneren sein.
Erlauben Sie mir abschließend noch ein paar allgemeine Ausführungen zu unserem Konzept der Verwaltungsreform. Das Konzept der Landesregierung hat die Reformierung der gesamten Verwaltung im Auge und beschränkt sich nicht auf punktuelle Einzelmaßnahmen. Wir haben beispielsweise gestern im Kabinett die Grundsätze für die Zusammenführung der beim Land verbleibenden Aufgaben beschlossen und werden demnächst ein Konzept für eine deutlich reduzierte Verwaltung auf Landesebene vorlegen. Bekannt ist Ihnen, dass wir ansonsten die Funktionalreform und die Kreisgebietsreform miteinander verbinden. Wir alle sind uns dessen bewusst, dass dies auch heißt, die Verwaltung drastisch zu verschlanken, wenn wir einen wirklich zukunftsfähigen öffentlichen Sektor in Mecklenburg-Vorpommern vorhalten wollen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund einer zahlenmäßig weiter empfindlich zurückgehenden Bevölkerung und bei einem Rückgang der Solidarpaktmittel bis auf null in den nächsten 15 Jahren.
Gelingen kann eine solche Verschlankung jedoch nur, wenn leistungsfähige und damit auch größere Strukturen geschaffen werden. Unser Ansatz zum Umbau der Verwaltungsstrukturen ist damit ein Beispiel für eine Politik, die vorausschauend und langfristig plant und sich heute auf Bedingungen einstellt, mit denen das Land und die hier lebenden Menschen morgen und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten konfrontiert sein werden, ob das nun jedem Einzelnen von uns passt oder nicht. Und deshalb sage ich in aller Klarheit: Der jetzige Reformansatz ist auch ein entscheidender Schritt, um die Politikfähigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Politikergenerationen, die nach uns kommen, zu sichern. Und auf diesem Wege ist das Landesorganisationsgesetz, das Ihnen hiermit vorgelegt wird, ein wesentlicher Markstein. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten je Fraktion sowie fünf Minuten für den fraktionslosen Abgeordneten Herrn Dr. Bartels vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Anfang war das Chaos. Jetzt haben wir ein organisiertes Chaos. Das ist zugegeben etwas überspitzt, soll aber deutlich machen, dass der Gesetzentwurf eben nicht das enthält, was die Landesregierung und auch der Innenminister uns glauben machen wollen, dass eine Verwaltungsreform nämlich ohne diesen Gesetzentwurf nicht möglich sei. Dem ist nicht so. Dies be
weist die Tatsache, dass auch ohne ein derartiges Organisationsgesetz die Behörden und Verwaltungsorganisationen der Landesverwaltung in den vergangenen 14 Jahren eingerichtet, zusammengelegt und aufgelöst werden konnten und wurden. Aber ein Landesorganisationsgesetz schadet grundsätzlich auch nicht. Man darf nur nicht die Erwartungen so hoch ansetzen, wie es die Landesregierung versucht darzustellen.
Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren, stammt der Entwurf für ein Landesorganisationsgesetz noch aus der ersten Hälfte der 2. Legislaturperiode, also aus Zeiten einer CDU-SPD-Regierung. Er wurde damals allerdings nicht umgesetzt. Also so neu ist das alles nicht, was die Landesregierung uns hier und heute vorlegt.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, ich zitiere: „in organisationsrechtlicher Hinsicht die gesetzliche Grundlage für die von der Landesregierung beabsichtigte Verwaltungsreform“ zu schaffen. Nun schauen wir uns das einmal genauer an:
Und zweitens. Durch dieses Gesetz wird keine einzige Aufgabe von einer Landesbehörde auf die Kommunalverwaltung übertragen.
Dass es auch anders geht, zeigt das Verwaltungsstrukturreformgesetz aus Baden-Württemberg. Hier wurden ganz konkret Zuständigkeiten neu geregelt. Oder das Verwaltungsmodernisierungsgesetz in Sachsen-Anhalt, durch dieses Gesetz wurden zum Beispiel die Regierungspräsidien aufgelöst und ein Landesverwaltungsamt eingerichtet.
Meine Damen und Herren, durch den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung wird in organisationsrechtlicher Hinsicht die Landesverwaltung nicht neu gegliedert, sondern der Ist-Zustand wird anhand allgemeiner Rechtsvorschriften dokumentiert. Dabei werden im Grunde genommen derartige Selbstverständlichkeiten zusammengefasst, dass man eher an eine Überregulierung als an Deregulierung denkt:
Zum Beispiel Paragraph 5 Absatz 1, Zitat: „Oberste Landesbehörden... sind die Landesregierung, der Ministerpräsident und die Ministerien.“ Meine Damen und Herren, das steht auch in Artikel 41 der Landesverfassung.
Oder Paragraph 9: „Gemeinden und Landkreise sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Gebietshoheit“. Meine Damen und Herren, das ergibt sich aus der Kommunalverfassung.
Oder weiter, Paragraph 15 „Dienst- und Fachaufsicht“ über die Behörden des Landes. Die Regelungen zur Dienst- und Fachaufsicht sind in jedem speziellen Landesgesetz geregelt, wie zum Beispiel im Landesfischereigesetz Paragraph 28 Absatz 4. Zitat: „Die Dienstund Fachaufsicht über die obere und die untere Fischereibehörde obliegt dem Landwirtschaftsminister.“ Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, da wurde auch bisher nicht im Trüben gefischt, sondern es ist alles fein geregelt.
Meine Damen und Herren, deswegen muss die Frage erlaubt sein: Bringt dieses Gesetz unser Land voran, wenn die Dinge im Einzelnen schon geregelt sind und nun auch noch mal ganz allgemein geregelt und beschrieben werden sollen? Völlig überflüssig erscheint mir da die Regelung des Paragraphen 18, die dankenswerterweise darauf hinweist, dass die Fachaufsicht über die Behörden der Gemeinden, Landkreise und Ämter nach Maßgabe der Kommunalverfassung erfolgt. Sieh an, wer hätte das gedacht?!
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ganz deutlich: Was passiert, wenn nichts passiert? Das ist eine der Prüffragen, die sich eine Landesregierung stellen sollte, die die Deregulierung von Rechtsvorschriften anstrebt und hierfür extra eine so genannte Deregulierungskommission einsetzt. Ich verweise nur auf die umfangreichen Ausführungen der Deregulierungskommission zur Notwendigkeit einer kritischen Normprüfung im Vorfeld neuer Regelungen. Die Alternative wäre, auf das Gesetz zu verzichten. Warum tun Sie das nicht? Damit wären Sie glaubwürdig. Ihre Ankündigung zur Deregulierung würden Sie untermauern.
Dass Sie selbst wissen, dass dieses Gesetz nicht zwingend erforderlich ist, ergibt sich aus den wachsweichen Formulierungen zur Alternative einer Regelung im Vorblatt des Gesetzentwurfes. Zitat: „Hierbei“, also bei Verzicht auf die Regelung, „wäre allerdings zu bedenken, dass dies die Umsetzung der vom Landtag verfolgten Zielsetzungen erheblich erschweren würde und dass wichtige organisationsrechtliche Fragen nicht gesetzlich festgelegt wären.“ Meine Damen und Herren, da frage ich mich doch, mit welchem Ergebnis ist hier gedacht worden.
Meine Damen und Herren, was neu ist, ist allerdings die Regelung, dass Errichtung, Auflösung und Verlegung von Landesbehörden durch Rechtsverordnungen der Landesregierung erfolgen können. Bisher musste hierüber gemäß Artikel 70 Absatz 2 der Landesverfassung ein Gesetz erlassen werden und das Parlament musste sich mit dieser Frage befassen.
Ich erinnere mich noch gut, dass beim Thema Funktionalreform II, bei der Gerichtsstruktur, es hier im Hohen Hause in den Ausschüssen hoch herging, weil eben die Interessen der Fachpolitiker denen der eher lokal orientierten gegenüberstanden.