Protokoll der Sitzung vom 15.09.2004

(Angelika Gramkow, PDS: Die müssen auch kommen, Herr Rehberg, weil das untauglich ist für die Menschen hier im Land.)

noch bis zum 31. Dezember dieses Jahres kommen, dass viele meinen, sie müssten ihre Anträge nicht abgeben, und dass so die Auszahlungen für die betreffenden Personen dann in Frage gestellt sind.

(Peter Ritter, PDS: Die Beratungen zu unseren Anträgen finden in unseren Büros statt, Herr Rehberg. Erzählen Sie nicht solchen Unsinn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der PDS, es ist so augenscheinlich, denn wenn Sie wirklich in der Sache dagegen demonstriert hätten, dann hätten Sie es ab Januar tun können, als die Fakten bekannt waren,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Haben wir doch gemacht! – Regine Lück, PDS: Was denken Sie, was wir gemacht haben?! Zweimal haben wir das gemacht! – Peter Ritter, PDS: Das haben wir doch gemacht!)

und sich nicht nach der Sommerpause als Trittbrettfahrer hier bewegen müssen. Sie sollten sich wirklich nach Ihrer politischen Verantwortung fragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: 500.000 Menschen waren in Berlin! – Torsten Koplin, PDS: Seit August machen wir das! – Zuruf von Regine Lück, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist Hartz IV ein Paradigmenwechsel

(Angelika Gramkow, PDS: Sie hätten auch mal die Gewerkschaften nennen können! – Rainer Prachtl, CDU: Jaja, den FDGB.)

und mir ist auch sehr verständlich, dass gerade viele in der SPD Probleme damit haben. Aber, Herr Mohr und Herr Ministerpräsident Ringstorff, wir sollten mit Worten etwas vorsichtiger sein, denn Sie, Herr Mohr, haben wieder gesagt, wir haben Schlimmeres verhindert. Schlimm, schlimmer, am schlimmsten – wenn Sie Schlimmeres verhindert haben, betreiben Sie heute eine schlimme Politik! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Danke schön, Herr Rehberg.

Das Wort hat jetzt der Arbeitsminister Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ja, die Diskussion macht sehr deutlich, wo sich das Spannungsfeld zwischen den Parteien bei diesem Gesetz, bei diesem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch befindet. Ich meine auch, dass jede Partei in Deutschland und auch Bündnis 90/Grüne eine Verantwortung tragen für das, was zurzeit in Deutschland passiert.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Dieses Zweite Buch Sozialgesetzbuch ist Teil des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Das ist der offizielle Name, die Kurzform ist Hartz IV. Zuletzt geändert wurde es, das ist von den Vorrednern dargestellt worden, durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen, Anfang Julei – Herr Rehberg hat es eben noch einmal sehr deutlich gemacht – im Vermittlungsausschuss und in Bundesrat und Bundestag mit den Mehrheiten verabschiedet.

Vorausgegangen ist ein aufwändiger Gesetzgebungsprozess. Er führte erst zur Jahresmitte, nämlich Anfang Julei 2004, zu der nächtlichen Einigung, über die wir heute

hier ganz konkret sprechen. Trotzdem bleiben Ungereimtheiten, Unklarheiten und schlichtweg Fehler, mit denen wir uns heute auseinander setzen, die auch dazu beitragen, dass nach wie vor über Sinn und Unsinn von Hartz IV gesprochen wird. Und das hat auch dazu geführt, dass viele Menschen, zehntausende, in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen sind, um gegen Sozialabbau zu demonstrieren.

Unabhängig von der politischen Einschätzung einzelner Bestimmungen dieses Gesetzes und des Reformansatzes ist Hartz IV nun geltendes Gesetz und geltendes Recht. Das gilt für die Demonstranten, das gilt auch für meine Partei, die PDS, die auch eine Volkspartei ist. Auch für mich als der von der Landesregierung mit der Koordinierung beauftragte Minister gilt dieses Gesetz. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sowie das kommunale Optionsgesetz sind auf grundgesetzlichem Wege zustande gekommen und treten Anfang 2005 in Kraft und damit haben die Länder die Verpflichtung, auch diese Gesetze wie alle anderen Bundesgesetze auszuführen und für die ordnungsgemäße Umsetzung zu sorgen. Das steht sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung.

Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung unverzüglich nach der Berliner Entscheidung begonnen, die Regelung zur Umsetzung zu erarbeiten, und zwar von Anfang an mit den kommunalen Spitzenverbänden, also dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindetag. Und ich will hier anmerken, mir ging es gar nicht darum, in einen Wettbewerb zu treten mit anderen Bundesländern, wer nun der Erste sei. Es ging hier einfach darum, zum 1. Oktober – und das war die Bitte, das war die Forderung der kommunalen Spitzenverbände – die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern alles unternehmen können, damit die Auszahlung dieser Leistungen, nämlich das Arbeitslosengeld II und die Kosten und Unterkunft, zum 01.01.2005 tatsächlich erfolgen kann. Das hat gar nichts mit Freude zu tun, sondern es hat einfach damit zu tun, welche Verantwortung die Landesregierung und das Land insgesamt gegenüber den Kommunen haben und wie sie diese Verantwortung wahrnehmen.

Die Veränderungen, die im Zuge der gesamten Debatte zu Hartz IV stattgefunden haben, sind so groß und das Zeitfenster für diese Arbeit ist so klein wie bei keinem vergleichbaren Gesetz.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Hier muss ich, Herr Rehberg und Frau Strenz, etwas zu Ihrer Verantwortung sagen. Klar ist – Sie haben es deutlich gemacht –, dass zwischen dem 19. Dezember und dem 9. Julei wenig Zeit lag und dass Veränderungen beschlossen wurden. Aber ich bin der Überzeugung, die CDU hat ganz bewusst – ganz bewusst – das Vermittlungsverfahren bis zum Beginn der Sommerpause 2004 hinausgezögert,

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

um das Zeitfenster für die Umsetzung zum 01.01.2005 so klein wie möglich zu gestalten,

(Torsten Koplin, PDS: So ist es.)

damit die vielen Probleme und Fragen, die auf der Tagesordnung stehen, nur schwerlich gelöst werden kön

nen. Diese Verantwortung kann ich Ihnen nicht absprechen. Und deswegen ist es meines Erachtens unredlich und unfair, uns vorzuwerfen, dass wir nicht vor Verabschiedung dieses Gesetzes im Bundestag, im Bundesrat mit dem Gesetzgebungsprozess in Mecklenburg-Vorpommern begonnen haben. Sie wissen sehr wohl, dass wir unmittelbar nach der Entscheidung des Bundestages und des Bundesrates mit dieser Arbeit begonnen haben, und das Ergebnis liegt heute dank der Arbeit der Koalitionsfraktionen auf dem Tisch und hier zur ersten Beratung vor. Deswegen kann ich mich ausdrücklich bei den Koalitionsfraktionen bedanken, dass sie die Einbringung übernommen haben.

Ich möchte mich auch bei Ihnen bedanken, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, bereit sind, eine zügige parlamentarische Beratung des Gesetzes mitzumachen, damit wir auch sehr schnell zur Verabschiedung des Landesausführungsgesetzes kommen können.

Nun sagten einige Redner, auch Herr Mohr und Vertreter der CDU haben es gesagt, dieses Landesausführungsgesetz sei nun wahrlich kein rein technisches Gesetz. Hierzu kann man sehr unterschiedlicher Auffassung sein.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich beziehe mich hier auf Artikel 74 Nummer 7 des Grundgesetzes, denn nach der konkurrierenden Gesetzgebung in der Bundesrepublik kann dieses Landesausführungsgesetz nur organisatorische und verfahrensrechtliche Bestimmungen enthalten. Es ist schon gesagt worden, dass wir mit diesem Landesgesetz überhaupt keine Möglichkeit, null Chancen, haben, eine materiell-rechtliche Veränderung an Hartz IV – also an diesem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt – vorzunehmen. Jegliche Debatten, die dahin gehen, entweder die Bedingungen, die mit Hartz IV entstanden sind, zu verschlechtern oder zu verbessern, sind Illusionen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern wie auch alle anderen 15 Bundesländer in Deutschland haben null Chancen, etwas daran zu ändern.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Deswegen können wir nur dafür sorgen, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben wahrzunehmen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Angelika Gramkow, PDS, und Regine Lück, PDS)

damit die zukünftigen Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und Arbeitslosengeld-II-Empfänger rechtzeitig die ihnen rechtmäßig zustehende Leistung auch erhalten. Wenn wir diese Arbeit leisten und an der Erarbeitung des Ausführungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern mitwirken, dann heißt das noch lange nicht, dass man den Inhalten von Hartz IV zustimmen muss.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Deswegen ist es weder ein politischer noch ein rechtlicher Widerspruch, die Regelungen des Bundesgesetzgebers für fachlich falsch und ungeeignet zu halten und gleichwohl zügig die Voraussetzungen für einen reibungslosen Gesetzesvollzug zu schaffen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Das ist einfach der Zwiespalt im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland.

Es wird keine Landesregierung der CDU gegenwärtig gefragt, wie sie vor dem Vermittlungsverfahren zu diesem Bundesgesetz gestanden hat. Es wurde nie eine SPD-Fraktion zu Zeiten Kohls gefragt, wie sie zu einem Gesetz stand, welches verabschiedet war und welches sie im Gesetzgebungsprozess scharf kritisiert haben. Eine Partei wird heute gefragt, und zwar ist das die PDS, warum sie so kritisch zu diesem Gesetz steht und trotzdem in Mecklenburg-Vorpommern dafür sorgt, dass hier zügig die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und Arbeitslosengeld-II-Empfänger rechtzeitig und pünktlich ihre Leistungen bekommen. Deswegen ist es nicht eine Frage an mich oder an meine Partei, sondern es ist letztendlich eine Frage an das föderale System und an das rechtsstaatliche Verständnis aller Beteiligten,

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Richtig.)

die hier in der Bundesrepublik Deutschland Politik machen.

Zu dem Gesetzentwurf im Einzelnen. Ich werde jetzt nicht die Paragraphen hier durchdeklinieren, keine Sorge, ich möchte nur auf ein paar Dinge hinweisen:

Erstens geht es darum, den Landkreisen und den kreisfreien Städten Spielraum einzuräumen, damit sie bei der Wahrnehmung der ihnen zufallenden Aufgaben auch diesen Spielraum nutzen können. Deswegen haben wir uns entschieden, diese Aufgaben, die im Zusammenhang mit Hartz IV stehen, dem eigenen Wirkungskreis zuzuordnen. Damit ist dann auch die Aufsichtsfrage geklärt, das Innenministerium hat hier die Rechtsaufsicht.

Wir wollen auch – und darüber haben wir mit allen Beteiligten, die schon erwähnt wurden, allen Fraktionen beziehungsweise auch den kommunalen Spitzenverbänden gesprochen – den Landkreisen die Möglichkeit und das Recht einräumen, unter bestimmten Bedingungen die kreisangehörigen Ämter, auch die kreisangehörigen Städte und die amtsfreien Gemeinden für diese Aufgaben heranzuziehen, und zwar sowohl im Falle der Kooperation als auch im Falle der Arbeitsgemeinschaft, denn dazu gibt es entsprechende Regelungen im Gesetz.

Natürlich ist hier das Geld einer der Hauptposten. Sie wissen, dass der Bund die Gelder, die er bereitstellt, nicht direkt an die Kommunen durchreichen kann, sondern das muss über den Landeshaushalt erfolgen. Deshalb sind in dem schon mehrfach erwähnten Paragraphen 6 entsprechende Regelungen aufgenommen worden, wie das Geld, welches der Bund bereitstellt, und der Landesanteil am Wohngeld, der jetzt nicht mehr für diesen Personenkreis notwendig ist, tatsächlich an die Kommunen weitergereicht wird. Dazu ist ein Schlüssel erarbeitet worden und diese Fragen werden im Detail auch noch einmal im Anhörungsverfahren diskutiert.

In bin mir sicher, dass wir hier zu einer Regelung kommen, die sowohl die kreisfreien Städte als auch die Landkreise finanziell so ausstattet, dass sie nicht schlechter gestellt werden, sondern tatsächlich mit Finanzen so ausgestattet werden, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können. Letztendlich kommt es noch zu einer Nettoentlastung der Kommunen von circa 43 Millionen, die über diesen Weg letztendlich auch den Gemeinden und Städten in Mecklenburg-Vorpommern zugute kommen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Das ist wichtig und richtig und deswegen stehen die Landesregierung – ich darf das auch mit Ihrer Erlaubnis für die Koalitionsfraktionen sagen – und wir zu unserem Wort, dass keine Kommune in Mecklenburg-Vorpommern im Ergebnis der Umsetzung von Hartz IV schlechter gestellt werden kann.

(Beifall Ute Schildt, SPD, Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)