Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nahtlos anschließen. Ein Armuts- und Reichtumsbericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern ist ein unabdingbares Instrument für eine solide Sozialpolitik. Das fordert auch der außerparlamentarische Raum. Hier hat zum Beispiel eine Armutskonferenz noch einmal deutlich gemacht, dass es notwendig ist, entsprechend aktiv zu werden. Auch die Medien interessieren sich dafür, wie zum Beispiel vorgestern die „Bild“-Zeitung, die von der PDS wissen wollte, was wir nun unter Reichtum verstehen. Ich sage Ihnen gerne, das ist nicht eine ureigene Definition der PDS, sondern wir orientieren uns an dem DIW. Das DIW sagt, als einkommensreich gilt, wer mehr als das Doppelte des monatlichen durchschnittlichen Nettoverdienstes hat. Das wären im Bundesdurchschnitt mehr als 3.855 Euro monatlich netto für einen Haushaltsvorstand. Demnach, und das DIW hat dazu auch absolute Zahlen, wenn man das ein
mal runterbricht, hätten wir etwa 50.000 bis 60.000 einkommensreiche Bürgerinnen und Bürger in MecklenburgVorpommern.
Das Interessante ist ja eher der meist den Fußballern, Rennfahrern oder Volksmusikanten zugesprochene exorbitante Reichtum. Da gibt es auch Zahlen, die möchte ich hier nicht verhehlen. Wir haben nach bundesweiten Angaben mehr als 27.000 Einkommensmillionäre und mehr als 775.000 Vermögensmillionäre.
Nicht darin eingeschlossen ist das Vermögen in Form von Immobilien. Ich nenne diese Zahlen noch einmal besonders, weil sie in eine Relation gestellt werden können, und zwar 775.000 Vermögensmillionäre auf der einen Seite und weit mehr als 4 Millionen Arbeitslose auf der anderen Seite. Da steht die Frage, ich glaube, Herr Schubert hat davon gesprochen, Solidarität in der Gesellschaft, das ist eine sehr übersichtliche Größenordnung, ob dieses 1:6-Verhältnis nicht förmlich Solidarität heraufbeschwören müsste, dass das machbar wäre, dass sich die Reichen und Superreichen dieser Gesellschaft mehr noch als bislang solidarisch mit denen verhalten, die es nicht so haben.
Reichtumsforscher sprechen mittlerweile in der Bundesrepublik von dem so genannten Meudalismus. Ich habe noch einmal bei Meudalismus nachgeschaut. Sie verbinden zwei Worte, und zwar moderner Feudalismus und feudaler Reichtum. Und ich habe einmal nachgeschaut, ob so etwas eigentlich zutreffend ist, und bin auf das Phänomen gestoßen, dass die 87 reichsten Steuerzahler in diesem Land mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro ohne Immobilien einen kalendertäglichen, auch am Wochenende, Vermögenszuwachs von 23.000 Euro täglich haben. Das ist so viel Geld, wie ein ALG-II- Empfänger in Mecklenburg-Vorpommern fünf und ein drei viertel Jahr zum Leben hat. Da frage ich mich, ist es unredlich, das erstens festzustellen, und ist es unredlich, das gegebenenfalls zu skandalieren.
Herr Brodkorb hat die Fragen angesprochen: Was taugen die staatlichen Instrumente? Was leisten wir mit unseren Einrichtungen? Aber man muss an der Stelle die Frage stellen: Welche Webfehler gibt es gegebenenfalls im Steuersystem?
Es ist festzustellen, dass die Einkommensmillionäre, ich sprach von über 27.000, im nächsten Jahr durch die Steuerreform einen Steuernachlass von 105.000 Euro haben. Das ist eine steuerliche Vergünstigung von 3,1 Prozent, während eine Person, und das ist landesweit nicht unmöglich, mit einem Jahreseinkommen von 14.000 Euro lediglich eine steuerliche Vergünstigung von 1,4 Prozent hat. Das festzustellen und zu skandalieren ist kein Populismus. Ich halte es deshalb für notwendig, das festzustellen, Herr Brodkorb hat es gesagt und ich möchte mich gerne darauf berufen, weil es eine Frage ist, ob das Gemeinwesen lebensfähig ist oder ob es zerstört wird.
In diesem Zusammenhang ist es schon erstaunlich, wenn Herr Minister Dr. Backhaus – er ist leider nicht da – in seiner Eigenschaft als SPD-Vorsitzender feststellt, es werde Gewinner und Verlierer geben, es werden wohl 20 Prozent Verlierer sein, und dass ihm von den PDSParolen übel werde, wo doch viele für 600 Euro schuften, während beim ALG-II-Empfänger mit Kinder- und Unterkunftsgeld durchaus mehr in die Haushaltskasse kommt.
Nun haben Herr Mohr und ich gestern schon festgestellt, dass beim besten Willen unsere Taschenrechner zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Deswegen habe ich meinen Taschenrechner einmal beiseite gelegt und möchte über Fakten reden, die nicht aus der Feder der PDS kommen und auch nicht aus dem Taschenrechner der PDS sind, zum Beispiel eine Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialhilfeinitiativen, die ermittelt hat, dass in den neuen Bundesländern etwa 36 Prozent der gegenwärtigen Arbeitslosehilfeempfängerinnen und -empfänger, die zukünftig einen ALG-II-Anspruch haben, also 348.000 Personen, keine Leistungen, gar keine Leistungen mehr bekommen. 425.000 Personen werden geringere Leistungen erhalten und 6 Prozent des betroffenen Personenkreises, das sind etwa 60.000 Menschen, werden gleich große Leistungen erhalten, und 135.000 Personen, also 14 Prozent, werden mit höheren Leistungen rechnen können. Das gehört auch dazu, das zu erwähnen.
Ich möchte Sie für einen Artikel aus der „Frankfurter Rundschau“ interessieren, der uns heute allen auf den Tisch gelegt wurde, „Hartz macht arm!“ von Peter Wal. Er hat mit Zahlen und Fakten operiert, die ich hier nicht im Einzelnen zitieren möchte, denn sie sind nachlesbar. Interessant ist zumindest, darauf möchte ich Sie aufmerksam machen, welche Dynamik er bei der Armutsentwicklung in den neuen Bundesländern voraussieht, unterlegt mit Rechenbeispielen.
Ein drittes Beispiel. „Tacheles e.V.“ hat Folgendes berechnet: Ein Bedarfshaushalt in Mecklenburg-Vorpommern, vier Personen, ein Kind 12 Jahre und ein Kind 15 Jahre, hat nach jetzigem Bundessozialhilferecht einen Anspruch ohne Mietkosten – ich sage noch einmal, Mietkosten mit raufrechnen, das kann man machen, ist aber insofern unzulässig, weil es sich um zweckgebundenes Geld handelt, es geht wirklich darum, einmal zu analysieren, wie viel ist zum Leben vorhanden –
von 1.114,16 Euro und nach dem Arbeitslosengeld II hat eine gleiche familiäre Konstellation in der gleichen Situation 1.060 Euro.
Viertes und letztes Beispiel. Eine Studie des Kölner Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e. V. belegt, die Kürzung der Leistungen für Kinder und Jugendliche wird etwa fünf Prozent weniger Regelleistung bedeuten für die 7- bis 13-Jährigen, das macht 44,25 Euro aus, und die älteren, also 13 Jahre und älter, werden mit einer Kürzung von zehn Prozent der Regelleistung auskommen müssen, das macht 49,25 Euro. Lediglich die Kinder bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres stehen besser da.
Abgesehen davon geht es nicht alleine um eine quantitative Darstellung, sondern wir müssen gleichrangig die Aspekte der Lebenschancen betrachten. Insofern, sehr geehrte Damen und Herren, ist natürlich auch die Frage zu
beantworten, was kostet so ein Armuts- und Reichtumsbericht? Er kostet ja auch Geld. Wir haben uns sehr wohl darüber Gedanken gemacht, weil zum Beispiel zu lesen war, die PDS macht sich zu wenig Gedanken. Wir machen uns Gedanken über die Finanzierung und die Erstellung dieses Berichtes.
Es gibt etwas im Landesrechnungshofbericht, ich komme dann zum Schluss, Frau Präsidentin, das ich ganz kurz hier erwähnen möchte, und zwar Drucksache 4/1068, Ziffer 113: „Nach § 57 Abs. 4 Landeshochschulgesetz sind Professorinnen und Professoren auf Aufforderung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur verpflichtet, Gutachten einschließlich der erforderlichen Untersuchungen in ihrem Fach ohne besondere Vergütung zu erstellen.“ Und im Weiteren wird sehr beachtlich kritisiert, dass wir davon zu wenig Gebrauch machen.
Ich denke, was uns hier als kritischer Hinweis an die Hand gegeben wurde, das sollten wir aufgreifen und uns an die Arbeit machen. – Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Harry Glawe, CDU: Das kontrollieren wir, Herr Koplin! – Gabriele Schulz, PDS: Na, dann tun Sie das!)
Im Verlauf der Einbringung des Antrages ist beantragt worden, den Antrag zur Beratung an den Sozialausschuss zu überweisen. Ich gehe davon aus, dass dieser Überweisungsvorschlag auch auf den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1332 übertragen wird.
Gut, dann können wir darüber gemeinsam abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, dass der Antrag auf Drucksache 4/1317 und der Änderungsantrag auf Drucksache 4/1332 an den Sozialausschuss überwiesen werden, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diesem Überweisungsvorschlag einstimmig gefolgt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16 und hier unter a) die Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Wettbewerbshilfen für den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 4/1318, in Verbindung mit b) Antrag der Fraktion der CDU – Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern sichern, auf Drucksache 4/1312.
Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Wettbewerbshilfen für den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1318 –
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS hat der Abgeordnete Herr Schulte von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Werften unseres Landes sind industrielle Wachstumskerne und Mecklenburg-Vorpommern ist das Zentrum des deutschen Handelsschiffbaus. Über 25 Prozent des gesamten Schiffbaus in Deutschland und knapp 10 Prozent des Schiffbaus in Europa werden in Mecklenburg-Vorpommern geleistet. Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern haben einen Anteil von rund 50 Prozent am gesamten deutschen Containerschiffbau. Die maritime Industrie ist aber nicht nur einer der dominierenden Industriezweige unseres Landes, sie spiegelt gemeinsam mit der Landwirtschaft auch ein Stück des Selbstverständnisses der Menschen in unserem Land wider.
Trotz aller Widrigkeiten, trotz des immensen Personalabbaus zu Beginn der 90er Jahre in den Werften, trotz aller Einschränkungen, die die Beschäftigten in den vergangenen Jahren immer wieder auf sich nehmen mussten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern, sind die Werften unseres Landes heute auch wieder der Ausdruck der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Menschen in unserem Land.
Auch wenn wir weit von den Beschäftigtenzahlen in der Werftindustrie entfernt sind, wie sie Ende der 80er Jahre in der Werftindustrie bestanden, so finden doch heute insgesamt wieder knapp 6.000 Arbeitnehmer und Auszubildende unmittelbar in den Werften ihre Arbeit beziehungsweise ihren Ausbildungsplatz, Arbeits- und Ausbildungsplätze, die hochmodern sind und deren Produktivität deutschland- und weltweit die Konkurrenz, sofern sie sich denn an die Spielregeln des Marktes hält, nicht zu scheuen braucht. Mit rund 13 Arbeitsstunden pro compensated gross tron, also auf gut Deutsch cgt, sind die heimischen Werften heute produktiver als der Durchschnitt der bundesdeutschen Werften mit 19 Stunden pro cgt. Andere Werften in europäischen Ländern liegen weit hinter diesem Schnitt. Und ein Mehrfaches der Zahl der unmittelbar in den Werften beschäftigten Arbeitnehmer findet darüber hinaus unmittelbar durch die Werftindustrie und deren Zulieferbetriebe in unserem Land Beschäftigung.
Welche Bedeutung die Werften für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes insgesamt haben, sieht man auch an dem Umstand, dass die Werftunternehmen unseres Landes im Jahr 2003 gemeinsam einen Umsatz von rund 1,18 Milliarden Euro erzielten. Die Werften bildeten damit insbesondere in der Region Vorpommern mit den Werftstandorten Stralsund und Wolgast einen wesentlichen Teil des gewerblichen Rückgrates unseres Landes. Am Beispiel der Stralsunder Volkswerft ist die Bedeutung der Werften insgesamt für unser Land und seine Region abzulesen. Gut 60 Prozent der Bruttowertschöpfung der Wirtschaft im Landkreis Nordvorpommern sowie der Wirtschaft in der Hansestadt Stralsund werden allein bei der Volkswerft Stralsund generiert.
Insgesamt, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kann man heutzutage durchaus von einer erfolgreichen Entwicklung der einheimischen Werften sprechen. Und trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Jahre wieder erscheint in schöner Regelmäßigkeit der Ruf nach Unterstützung für die Werften unseres Landes.
Die Fragen, die in diesem Zusammenhang immer wieder auch von dem einen oder anderen aus den Reihen des Landtages auftauchen, lauten: Ist es wirklich erforderlich, dass die öffentliche Hand, also Bund und Länder, die Werften im Rahmen der Werftenbeihilfen unterstützt? Kann sich unser Land als das am stärksten belastete diese Unterstützung finanziell überhaupt leisten?
Herr Petters, warten Sie doch erst einmal. Ich gehe doch davon aus, dass Sie und ich vielleicht die gleiche Auffassung haben.