Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf dem weltweiten Schiffbaumarkt herrscht kein fairer Wettbewerb und deshalb brauchen unsere Werften Unterstützung. Das ist ein wichtiges Thema für uns alle, denn es betrifft viele Arbeitsplätze im Land. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen. Auf den Werften und in den Zulieferbetrieben sind etwa 10.000 Menschen beschäftigt, deren Arbeitsplätze davon abhängen, dass Schiffe in Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Auch Brüssel hat – auch auf Betreiben der Bundesregierung – festgestellt, dass die Wettbewerbsverzerrung durch Südkorea zu Lasten unserer Unternehmen andauert. Deshalb hat die EU-Kommission Ende 2002 befristete Schutzmaßnahmen für den europäischen Schiffbau in bestimmten, von den Wettbewerbsverzerrungen besonders betroffenen Marktsegmenten zugelassen. Das betrifft Containerschiffe, Produkttanker, Chemikalien- und Flüssigkeitstanker. Demnach können Aufträge der Werften mit bis zu sechs Prozent des Vertragspreises gefördert werden. Diese Schutzmaßnahmen waren ursprünglich bis zum 31. März 2004 befristet. Man rechnete damit, dass bis dahin das WTO-Verfahren gegen Südkorea abgeschlossen sein würde. Bund und Land hatten daraufhin im letzten Jahr die veranschlagten Mittel erhöht, so dass den Werften in Mecklenburg-Vorpommern Gesamtmittel in Höhe von 67,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Damit konnten 36 Neubauaufträge mit einem Gesamtwert von mehr als 1 Milliarde Euro unterstützt werden. Damit gelang es, die Auslastung unserer Werften und damit auch die Beschäftigung auf unseren Werften bis Anfang 2006 zu sichern.

Anfang 2004 zeichnete sich ab, dass das WTO-Verfahren gegen Südkorea voraussichtlich bis Ende 2004 dauern wird. Deshalb hat die EU-Kommission die befristeten Schutzmaßnahmen um ein Jahr bis zum 31. März 2005 verlängert. Der Bund hat aus diesem Grund seine Mittel für 2004 am 30. Juni von 6 Millionen Euro auf 45 Millionen Euro aufgestockt. Gleichzeitig hat er im Haushaltsplanentwurf 2005 Mittel in Höhe von knapp 10 Millionen Euro vorgesehen. Das ist erfreulich. Finanziell aber stehen wir als Land nun vor einem Riesenproblem. Wir sollen das Doppelte der Summe, die wir vom Bund erhalten, als Kofinanzierung drauflegen. Das Land müsste also noch einmal 49 Millionen Euro aufbringen und keiner kann uns heute sagen, dass es nicht noch mehr werden kann.

(Wolfgang Riemann, CDU: In mehreren Jahresscheiben!)

Zudem heißt das, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern damit ungefähr 50 Prozent der gesamten Länderanteile an den Beihilfen zur Unterstützung der deutschen Werften finanzieren müsste.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Wir alle kennen unsere Haushaltssituation, auch Herr Riemann, hoffe ich. Und wir reden hier nicht von wenigen Euros. Es stellt sich uns also nicht die Frage, ob wir den Werften helfen wollen, es stellt sich die Frage, wie viel Hilfe wir leisten können.

Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht missverstehen: Ich sehe das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Verantwortung, alle Anstrengungen zu unternehmen,

eine möglichst große Kofinanzierungssumme für die Werftenhilfe aufzubringen. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern müssen alle Möglichkeiten prüfen, da etwas zu tun. Es ist aber nicht mehr zu leisten, dass wir als Land zwei Drittel der Last schultern. Das ist auch eine Frage der gerechten Lastenverteilung. Man muss schließlich sehen, dass nicht einmal ein Drittel der Wertschöpfung auf den Werften des Landes entsteht. Durchschnittlich 70 Prozent der Wertschöpfung im Schiffbau entfällt auf die Zulieferer.

(Dr. Martina Bunge, PDS: Ja, unter anderem deswegen machen wir das.)

Und der größte Teil der deutschen Zulieferer sitzt nicht in den Küstenländern, sondern vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Damit zeigt sich die industriepolitische Bedeutung, die der Schiffbau für Gesamtdeutschland hat. Damit wird auch klar, dass es beim Thema Wettbewerbshilfen nicht um etwas geht, was die Küstenländer allein angeht. Hier gibt es eine gesamtstaatliche Verantwortung und das muss sich auch in der Finanzierung widerspiegeln.

Es war nicht immer so, dass der Bund nur ein Drittel, die Küstenländer aber zwei Drittel der Finanzierung aufbringen mussten. Noch bis 1993 waren die Anteile genau umgekehrt. Der Bund übernahm zwei Drittel, die Länder ein Drittel. 1994 wurde dann halbe-halbe finanziert. 1995 übernahm der Bund nur noch 40 Prozent, während 60 Prozent bei den Ländern blieben, und erst seit 1996 haben wir die jetzige Verteilung: ein Drittel Bund, zwei Drittel Länder.

Meine Damen und Herren, der Schiffbau ist eine gesamtdeutsche Aufgabe und damit muss sich das gesamte Land an den sich daraus ergebenden Lasten beteiligen. Es ist einfach nicht gerecht, wenn wir zwar mit dem Schiffbau auch für den Wohlstand in anderen Gegenden Deutschlands sorgen, mit den Problemen, mit der Finanzierung aber alleine fertig werden sollen. Deshalb arbeiten wir daran, dass der Bund sich stärker an der Finanzierung der befristeten Schutzmaßnahmen für den Schiffbau beteiligt. Wir führen Gespräche mit den Werften, dem Bund und den Wirtschaftsministern der anderen Küstenländer, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, mit der alle leben können.

Ich habe mich im Namen der norddeutschen Küstenländer in dieser Sache mit einem gemeinsamen Vorschlag an Bundesminister Clement gewandt. Wir haben das Thema auf der Tagesordnung der Küstenwirtschaftsminister k o nferenz am nächsten Donnerstag in Bremen, an der auch der maritime Koordinator der Bundesregierung teilnehmen wird. Mein Ziel ist es, das Finanzierungsverhältnis zwischen Bund und Land umzudrehen, so dass der Bund zwei Drittel übernimmt und die Länder ein Drittel.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Lösung mit einer Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern, die der gesamtdeutschen Bedeutung des Schiffbaus gerecht wird und die die stärkeren Schultern auch stärker belastet.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Eine solche Lastenverteilung haben wir momentan nicht. Die Landesregierung wird weiter daran arbeiten, dass sich das ändert. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ankermann. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden bei dem vorliegenden Antrag von dem wichtigsten Wirtschaftsfaktor in Mecklenburg-Vorpommern. Nicht umsonst schlägt sich jedes ausgelieferte Schiff, von denen wir glücklicherweise mehrere jährlich haben, in Größenordnungen auf unsere Export- und Wirtschaftswachstumszahlen nieder. Mein Kollege Dr. Born hat es eben ausgeführt und die anderen Vorredner auch: Bei den Werften handelt es sich um das industrielle Rückgrat von Mecklenburg-Vorpommern.

Der vorliegende Antrag, meine Damen und Herren von der Koalition, der von Ihnen vorgelegte Antrag lässt allerdings nicht unbedingt erkennen, dass Sie diese Wichtigkeit auch hier in dem Maße erkannt haben, wie es vielleicht erforderlich gewesen wäre.

(Reinhard Dankert, SPD: Das ist Ihre Interpretation! – Karsten Neumann, PDS: Wir geloben es! – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Das ist meine Interpretation. Jawohl, Herr Kollege, das ist ganz richtig. Ich nehme Ihnen das auch gar nicht übel, denn wenn ich daran zurückdenke, dass beispielsweise der Bundesverteidigungsminister

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist ja unser wichtigster Minister.)

in diesem Sommer unser Land besucht hat und er hier auch Kontakt hatte zu unserem Ministerpräsidenten

(Wolfgang Riemann, CDU: Ist heute nicht mehr da.)

und man über dieses und jenes im Bereich der Bundeswehr gesprochen hat, dann habe ich eines vermisst: Ich habe vermisst, dass der Ministerpräsident ganz wesentlich in diesem Lande für Schiffbau- und Werftenindustrie eintritt. Ich erinnere Sie daran, dass die Bundesrepublik fünf Korvetten bestellt hat zum Ersatz der Schnellbootflottille in Rostock zu einem Gesamtauftragswert von 1,3 Milliarden DM.

(Peter Ritter, PDS: Da können Sie mal sehen, was da für Geld drinsteckt, was da für Geld drinsteckt!)

Der Kollege Schulte hat eben gesagt, wir hier im Lande haben etwa ein Viertel des gesamtdeutschen Schiffbaus.

(Peter Ritter, PDS: So viel zu Armut und Reichtum in der Bundesrepublik!)

Ich selbst gehe nur von einem Fünftel in meinen Berechnungen aus und sage, wenn das so ist, dass hier 1,3 Millionen ausgegeben werden,

(Minister Dr. Till Backhaus: Milliarden!)

dann müssten wir doch in unserem Lande etwa ein Fünftel davon haben, also round about 250 Millionen Euro. Was tatsächlich aus diesem Bereich in unser Land fließt, Herr Kollege Schulte,

(Jochen Schulte, SPD: Die Militärwerf- ten sind doch alle in den westdeutschen Ländern, das wissen Sie doch!)

sind aber nur 25 bis 30 Millionen Euro, also ein Zehntel von dem, was uns zusteht. Hier, meine ich, hätte wirklich die Landesregierung in erheblichem Maße nachlegen müssen und den Parteifreund Bundesverteidigungsminister in erheblichem Maße unter Druck setzen müssen.

(Karsten Neumann, PDS: Mit ‘nem Panzerkreuzer?! – Jochen Schulte, SPD: Sie wissen doch, dass bis auf die Peenewerft die anderen Werften keinen Militärschiffbau betreiben, also brauchen wir uns hier nicht an den Bundesverteidigungsminister zu wenden.)

Sie haben das auch gestern der Zeitung entnommen. Das ist richtig, aber hier geht es nicht nur um den Kernbereich der Werften,

(Jochen Schulte, SPD: Das ist richtig. Dann muss man das auch so sagen! – Peter Ritter, PDS: Dann muss man darauf hinweisen, wenn das so richtig ist.)

hier geht es auch um den Bereich der Zulieferindustrie und das, Herr Kollege Schulte, dürfte ja wohl deutlich mehr sein als ein Zehntel von dem, was man hier bei der Berechnung, die ich gerade vorgenommen habe, uns zubilligen könnte.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Peenewerft hat einen seit Jahren zurückgehenden Schiff- bau. Das kann ich Ihnen gerne zeigen! – Karsten Neumann, PDS: Was ist mit dem Steinkohlebergbau?)

Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, der hier vor uns liegt, ist ein Prüfantrag. Die Landesregierung soll hier also etwas tun, meine Damen und Herren, was sie – und das haben Sie uns oft genug vorgehalten – ohnehin schon immer tut. Ich habe das von dem Kollegen Müller mehr als einmal gehört, dass er zu Anträgen der Opposition gesagt hat, meine Damen und Herren von der CDU, es ist doch so, dass Sie hier etwas wollen, was unsere Landesregierung schon lange tut. Bei dem Prüfauftrag, den Sie uns heute hier vorlegen, ist es doch genauso. Sie wollen hier dem Parlament und der Bevölkerung vorgaukeln, dass hier etwas getan werden müsse, was – der Wirtschaftsminister hat es eben getan – schon lange in Angriff genommen worden ist. Im Grunde bringt uns doch dieser Antrag dann auch nicht weiter.

Sie haben zweitens eine weitere Einschränkung eingebaut. Sie haben nämlich gesagt, nur die haushalts- und wirtschaftspolitisch vertretbaren Möglichkeiten sollen geprüft werden. Meine Damen und Herren von der Koalition, geht es denn nicht etwas konkreter? Können Sie denn demjenigen, den Sie hier beauftragen, also der Landesregierung, nicht sagen, was Sie für vertretbar halten? Das tun Sie nicht, Sie lassen alles offen. Im Grunde kann die Regierung tun und lassen, was sie möchte. Dadurch, dass Sie hier der Regierung nicht die linke und die rechte Grenze Ihres Auftrages aufgezeigt haben, drängt sich der Eindruck auf, Sie wollten hier lediglich eine Nebelkerze werfen. So weit will ich gar nicht gehen. Aber es fällt natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Werften und in den Zulieferbetrieben auf, was Sie hier für einen Antrag gestellt haben.

(Reinhard Dankert, SPD: Es fällt doch auf, dass Sie mit einer Maximalforderung etwas Negatives erreichen können.)

Warum ist denn hier die Notwendigkeit zum Handeln gegeben? Meine Vorredner haben bereits die Praktiken der südostasiatischen Staaten dargestellt. Die EU-Gremien, auch das ist bereits gesagt worden, und nicht etwa die Werften hier im Lande, nein, die EU-Gremien haben nachgewiesen, dass die Werften in Korea ihre Schiffe unter den Bestellungskosten anbieten, und zwar bezogen auf die hier maßgeblichen – über die reden wir ja – kleineren und mittleren Containerschiffe von etwa bis 5.000 TEU. Sie kennen das möglicherweise. Das ist die Einheit, in der Containerschiffe der Größe nach bemessen werden. 1 TEU ist ein Container von 20 Fuß Länge, die wir alle kennen. Diese Schiffe werden aus Südkorea etwa 15 Prozent günstiger angeboten, als es hier der Fall sein kann.

Der zeitweilige Schutzmechanismus, der aufgebaut worden ist, sieht hier einen Ausgleich, der Wirtschaftsminister hat es eben gesagt, von sechs Prozent des Auftragswertes vor, so dass die Werften selbst noch weitere neun Prozent zu schultern haben, um zunächst einmal auf das Kostenniveau zu kommen, das anderwärts angeboten wird, und das allerdings ohne Berücksichtigung der im letzten halben Jahr exorbitant gestiegenen Stahlpreise, die natürlich insgesamt den Schiffbau hier in unserem Land verteuern.

Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht. So hat beispielsweise Aker Ostsee ein Restrukturierungskonzept in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium erstellt, das die Erlangung einer angemessenen Rentabilität ohne den Erhalt der Wettbewerbshilfen ab 2008 vorsieht. Bedingung war und ist aber die Gewährung dieser Wettbewerbshilfen in Höhe von sechs Prozent. Ebenso war dieses Konzept Grundlage für die Verhandlungen mit der IG Metall und den Betriebsräten zum Abschluss eines Änderungstarifvertrages im Herbst des vergangenen Jahres. In diesem Tarifvertrag haben die Belegschaften in Wismar und Warnemünde beispielsweise auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet, sie haben einem Arbeitsplatzabbau um 247 Arbeitsplätze darüber hinaus zugestimmt. Weiter wurden weitreichende Maßnahmen ergriffen, um das Kostenniveau zu senken. Über Sonderabschreibungen auf das Anlagevermögen wurde das zukünftige Abschreibungsniveau gesenkt. Das ist faktisch die Akzeptanz der Gesellschafter einer entsprechenden Unternehmenswertminderung.

All diese Anstrengungen, meine Damen und Herren, wurden in dem Glauben und in dem Vertrauen unternommen, dass die Wettbewerbshilfe in voller Höhe gezahlt werden würde.

(Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Ein Abrücken von dieser Zusage würde alle bisher vorgenommenen Anstrengungen in Frage stellen und auch gefährden. Der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Mecklenburg-Vorpommern stünde vor dem Aus. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, übernehmen mit der Mehrheit in diesem Hohen Hause die persönliche Verantwortung für etwa 5.000 Beschäftigte und deren Familien, nicht nur bei Aker und der Volkswerft.