Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Das Land wird durch die Bundesagentur bei der Finanzierung von Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik immer weniger in Anspruch genommen. Nun könnte man ja eigentlich darüber froh sein. Das Ganze hat nur einen Haken:

(Harry Glawe, CDU: Sie meinen bei der Kofinanzierung, ja?)

Der Bund zieht sich selbst immer mehr aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurück. Strukturanpassungsmaßnah

men sieht der Bundesgesetzgeber ab 01.01.2005 nicht mehr vor.

(Reinhard Dankert, SPD: Das heißt nur anders.)

Diese Maßnahmen, im Dezember 2004 noch 6.191 an der Zahl, werden beendet. Das heißt, 6.191 sozialversicherungspflichtige, auskömmliche und sinnvolle Beschäftigungsverhältnisse im Bereich Umwelt, im Sozialbereich, im Bereich Jugendarbeit, in der Kultur, der Denkmalpflege und der wirtschaftsnahen Infrastruktur, einschließlich des Tourismus, werden mit einem Federstrich beendet. Die sehr vernünftige Landesinitiative „55 plus – aktiv in die Rente“ kommt damit auch unter den Hammer. Stattdessen werden über 55-Jährige in der Arbeitslosigkeit verbleiben und diejenigen, die die 58er-Regelung nach Paragraph 428 unterschrieben haben, fallen in das Arbeitslosengeld II und werden um ihre Ersparnisse betrogen.

Und, Herr Mohr, da muss ich einmal auf Ihre gestrigen heftigen Anwürfe zurückkommen: Was ist das denn anderes als Vertrauensbruch? Worauf sollen sich die Menschen in dieser Bundesrepublik denn überhaupt noch verlassen können?

(Rainer Prachtl, CDU: Auf die PDS, natürlich! Auf die PDS! Ihr seid die beste Partei, die es gibt, eine bessere gibt es gar nicht! – Karin Strenz, CDU: Auf die PDS!)

Auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden Jahr um Jahr zurückgefahren...

Zumindest haben wir ein sehr gut durchfinanziertes Alternativprogramm angeboten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

... und seit Beginn diesen Jahres in eine inakzeptable Form der Durchführung und Finanzierung gepresst. Im Verlauf des Jahres gab es mal wieder ein paar mehr Maßnahmen, damit die Arbeitslosenzahl nicht ins Uferlose wuchs. Die Bildungsmaßnahmen – eigentlich hatte der Bundeskanzler mal eine Bildungsoffensive angekündigt – ereilte das gleiche Schicksal: Reduzierung. Insgesamt wurde die Arbeitsmarktförderung durch die Bundesagentur in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten sechs Jahren um mehrere 100 Millionen Euro gekürzt und der Verteilungsschlüssel Ost-West wurde zuungunsten der neuen Bundesländer verändert.

(Harry Glawe, CDU: Das hat Schröder alles ge- macht?! Das hat Schröder alles gemacht?! Das ist ja unglaublich! – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Das Ergebnis ist:...

Und Ihr Herr Koch hat in den Verhandlungen ja auch dafür gesorgt, das müssen Sie zugeben.

Das Ergebnis ist: Wir haben im Jahr 2004 Rekordarbeitslosenzahlen in den Sommermonaten, und das nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern in der gesamten Bundesrepublik.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie regieren doch mit, Frau Kollegin! – Harry Glawe, CDU: Wer hat denn das Arbeitsministerium im Land?! – Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Nun kommen also die neuen Arbeitsmarktinstrumente aus dem SGB II, als da wären das Einstiegsgeld für 24 Monate als Zuschuss zum Arbeitslosengeld II

(Harry Glawe, CDU: Stellen Sie nicht den Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern?!)

bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit. Auf diese Förderung gibt es natürlich keinen Rechtsanspruch und die Höhe wird individuell von der Agentur festgelegt beziehungsweise vom Fallmanager. Alles Nähere regelt eine Rechtsverordnung.

Dann gibt es die Hinzuverdienstregeln oder, wie es im Gesetz heißt, „Freibeträge bei Erwerbstätigkeit“. Klartext: Eine Arbeitslose, die sich als Putzfrau etwas hinzuverdienen will, darf nur einen kleinen Teil des erarbeiteten Geldes behalten.

(Harry Glawe, CDU: Ist das eine Hartz-II-Rede oder was ist das? – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Die Hinzuverdienstmöglichkeiten haben sich durch den Wegfall des Freibetrages von 165 Euro für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger und durch die restlichen Freibetragsregelungen eindeutig verschlechtert.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und dann wären da noch die Arbeitsgelegenheiten, die so genannten 1-Euro-Jobs.

(Karin Strenz, CDU: Sie sprechen nicht zum Thema!)

Sie begründen kein Arbeitsverhältnis und der Mehraufwand,

(Harry Glawe, CDU: Im Aufsatz wäre das eine Fünf, Thema verfehlt.)

der einer oder einem Beschäftigten in solchen Arbeitsgelegenheiten entsteht, soll angemessen entschädigt werden.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Wohlfahrtsverbände haben sich zwar bereit erklärt, solche Stellen zu schaffen, knüpfen verantwortungsvollerweise aber auch bestimmte Bedingungen daran,

(Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born bittet um das Wort für eine Anfrage.)

zum Beispiel das Prinzip der Freiwilligkeit und der Qualifizierung der Beschäftigten.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Born?

Ich gestatte eine Zwischenfrage, wenn ich meine Ausführungen beendet habe.

Eine Verdrängung bestehender Arbeitsverhältnisse wollen sie nicht. Ein gewollter Nebeneffekt der Bundesregierung ist es, dass die in solchen Gelegenheiten Beschäftigten bei mehr als 15 Wochenstunden aus der Berechnung der monatlichen Arbeitslosenzahlen herausfallen. Der Ehrlichkeit halber sollten diese Arbeitsgelegenheiten künftig in der Statistik extra ausgewiesen werden, damit wir wissen, wie viele Menschen tatsächlich arbeitslos sind.

Fazit: Gerade in Ostdeutschland, wo wir flächendeckend 20 Prozent und mehr Arbeitslosigkeit haben, ist die Situation besonders problematisch. Nachdem ABM und SAM de facto abgeschafft sind, flieht die Bundesre

gierung nun in Nebenerwerbsjobs und Arbeitsgelegenheiten. Das mag zwar die Statistik schönen, was wir jedoch brauchen, sind existenzsichernde und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Kollege Mohr hat das richtig erkannt und dargestellt: Die Bundesagentur wird es auch in den nächsten Jahren natürlich nicht schaffen – die optierenden Kommunen übrigens auch nicht –,

(Zuruf von Karin Strenz, CDU)

eine ausreichende Zahl von Angeboten für die Betroffenen zu unterbreiten. Die Bundesagentur selbst operiert mit so genannten Aktivierungszahlen für die kommenden Jahre von 23 Prozent für über 25-jährige Langzeitarbeitslose und genau das ist das Thema des Antrages. Deshalb ist es folgerichtig, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern, dass die rot-rote Landesregierung eigene Akzente setzt und nach besten Kräften im Sinne der Betroffenen agiert.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Rainer Prachtl, CDU: Das hätten Sie jahrelang machen können! – Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Das hat das Land bereits getan,

(Rainer Prachtl, CDU: Ja, aber wie!)

indem das Arbeitsministerium mit dem Wegfall der SAM-Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit die Förderrichtlinie für die gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekte auf Landes- und ESF-Finanzierung mit einem Eigenanteil der Träger umgestellt hat.

Und nun brauchen Sie auch nicht zu stöhnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Fragen Sie mal die Beschäftigten in den Projekten, fragen Sie mal den Unternehmerverband oder Firmen, bei denen solche Projekte angesiedelt sind, unter anderem auch wirtschaftsnah. Die sind alle sehr zufrieden mit der Arbeit, die sie da leisten. Aus dem Grunde will ich abschließend nur noch eine dringende Bitte an die Bundesagentur für Arbeit richten, und zwar die Bitte, dass unverzüglich bei den Wohlfahrtsverbänden zusätzliche Beratungsstellen gefördert werden sollten, um den akuten Informations- und Beratungsbedarf der Betroffenen abzudecken. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Karin Strenz, CDU – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie jetzt die Anfrage des Abgeordneten Dr. Born? (Zustimmung)

Frau Kollegin, abgesehen davon, dass ich Sie frage, ob Sie sicher sind, dass Sie die Rede zum richtigen Tagesordnungspunkt heute gehalten haben und das nicht die Rede zu Hartz II, Hartz IV gewesen ist, wüsste ich gerne von Ihnen, ob Sie, wenn Sie Ihrem Koalitionspartner SPD in so massiver Weise Wortbruch vorwerfen, es als Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Politik ansehen, wenn Sie mit einem solchen Partner zusammen das Land regieren?

(Beifall Rainer Prachtl, CDU: Ja.)

Wir haben eine Koalitionsvereinbarung und in dieser Koalitionsvereinbarung steht, dass wir für eine Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sind, aber nicht auf Sozialhilfeniveau.