Protokoll der Sitzung vom 13.10.2004

Diese Anhörungen machten Fortschritte deutlich. Sie machten aber auch deutlich, dass Mecklenburg-Vorpommern dem Gesetz nach, weil es hier und dort erwähnt wird, Hochschulautonomie hat, dass aber das Verwaltungshandeln von Finanz- und Bildungsministerium eine ganz andere Sprache spricht.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Bildungsausschuss, ich weiß nicht, ob Sie sich an die Diskussionen hinsichtlich der Rücklagenbildung für die Hochschulen erinnern. Der Landtag hat Formulierungen in den Haushalt geschrieben, die auch für die Landesregierung verbindlich sind. Süffisant wurden diese umgangen, ohne dass die Abgeordneten auf die süffisanten Interpretationsmöglichkeiten aufmerksam gemacht wurden. Süffisant wurden den Hochschulen die Rücklagen vorenthalten und in das reguläre Resteverfahren integriert, obwohl im Haushalt des Einzelplanes 07 etwas ganz anderes stand.

Gehen wir in die Vergangenheit zurück. Dr. Bartels kennt die ganzen Abläufe genauer. Ich kann nur von den Erinnerungen Dritter zehren. Es gab ein Treffen aller Rektoren und Kanzler mit dem Bildungs- und Finanzministerium zu Fragen des Hochschulgesetzes und der Hochschulfinanzierung vor vier Jahren mit dem damaligen Bildungsminister Professor Dr. Kauffold. Fast alle dort getroffenen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten wurden seitens der Landesregierung wieder gebrochen.

Erinnern wir uns an die Diskussion zum Haushalt 2004/2005.

Der berühmt-berüchtigte Haushaltsvermerk im Kapitel 0771 verpflichtet alle Hochschulen zum Stellenabbau angesichts der steigenden Studentenzahlen und der Überlast, die mittlerweile dem Wissenschaftsrat zufolge die höchste bundesweit ist – eine fatale Entscheidung. Im Zuge der Haushaltsberatungen und der unbestrittenen Notwendigkeit des Stellenabbaus haben Sie in erster Instanz die Hochschulen undifferenziert einmal mehr in diesen Stellenabbau mit hineingezogen, einmal mehr Verunsicherung, fehlende Planungssicherheit.

Der gefundene Kompromiss machte die Lage nicht einfacher. Der Tarifvertrag, der auf Druck der Landesregierung geschlossen wurde, macht Forschung und Lehre nahezu unmöglich. Ich dramatisiere: Das Einkommen der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Universitäten liegt bei 83,5 Prozent, gemessen an dem der Kollegen an den Hochschulen in den alten Bundesländern. Entweder die Mitarbeiter nehmen den reellen Einkommensverlust hin oder sie bummeln den Einkommensverlust ab. Das heißt, dass in manchen Bereichen die Mitarbeiter nahezu drei Monate im Jahr nicht an ihrer Einrichtung forschen und lehren können. Für den Wissenschaftsbetrieb ist das eine katastrophale Situation. In dieser Situation kommen Sie nun, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, mit diesem Antrag und wollen den Hochschulen Effizienzsteigerung verordnen.

Herr Brodkorb, ich komme auch nicht umhin, an dieser Stelle auf Ihr Hochschulpapier einzugehen. Ihr hochpolitisches Leitbild ist bis auf zwei oder drei marginale Zielstel

lungen ausschließlich destruktiver Natur und für mich kein Leitbild.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Renz, CDU: Jawohl.)

Ihre Analyse und Ihre Schlussfolgerungen leiden darunter, dass Sie die Bildung dem Finanzdiktat unterwerfen, dass Sie und die Landesregierung den Verlust von 2 Milliarden Euro bis 2020 auf der Einnahmenseite als gottgegeben ansehen und dabei Bildung nicht als Wachstumsmarkt sehen. Sie haben insofern Recht, dass angesichts des Strukturkonservatismus der Haushaltspolitik Ihrer Landesregierung sich die Einnahmeseite des Haushaltes nicht verbessern wird. Mit den Strukturen und Argumenten von heute werden Sie Recht behalten. Das zeigt aber auch, dass Sie politisch scheinbar nicht mehr weiterwissen und dabei die Hochschulen, also die Zukunft unseres Landes, die Suppe auslöffeln müssen.

Sie argumentieren, dass Bildung ihren Beitrag leisten muss, um diese Einnahmeverluste abzufedern. Für mich ist das volkswirtschaftlich ein völlig falscher Ansatz und zeigt einmal mehr, dass Finanzpolitik in Mecklenburg-Vorpommern als Buchhaltung, aber nicht als Gestaltungspolitik verstanden wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und warum, meine Damen und Herren, verschweigen Sie, dass im Bereich der Medizin bereits evaluiert wird? Warum verschweigen Sie, dass es aus dem Finanzministerium bereits verschiedene Szenarien gibt, wie die Zukunft der medizinischen Fakultäten aussehen wird?

(Wolfgang Riemann, CDU: Aus dem Finanz- ministerium! – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Warum verschweigen Sie in Ihrem Antrag, dass die medizinischen Fakultäten 20 Millionen einsparen müssen und damit langsam, aber sicher unter die kritische Grenze bei der Finanzierung fallen? Und warum kommen die Szenarien für die Zukunft der medizinischen Fakultäten aus dem Finanzministerium und nicht aus dem Bildungsministerium?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig!)

Eine letzte Feststellung: Es gab in Niedersachsen einmal einen Ministerpräsidenten, der jetzt Bundeskanzler ist. Als Ministerpräsident schloss er, so glaube ich zumindest, in Lüneburg die Informatikerausbildung. Als Bundeskanzler rief er dann mit die D-21-Initiative ins Leben. Als die Computerbranche mit all ihren Verästelungen die Börsenkurse in traumhafte Regionen katapultierte, erfand der Bundeskanzler, der als Ministerpräsident die Nachwuchsprobleme bei Informatikern mit verursachte, die Greencard,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Jaja.)

um Informatiker aus Bulgarien, Indien und Russland nach Deutschland zu holen, um die Personalprobleme in einer boomenden Industrie zu lösen. Meine Damen und Herren von der SPD, seien Sie aus vermeintlichen Effizienzgründen nicht so kurzsichtig wie Ihr Bundeskanzler!

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut.)

Eine Effizienzdiskussion in der Wissenschaft kann gefährlich sein. Ein Naturwissenschaftler, der jahrelang an

einem neuen Werkstoff forscht, der dann erst nach Jahren in der Industrie zur Anwendung kommt oder auch nicht, den wollen Sie doch nicht ernsthaft einer bürokratischen Effizienzanalyse nach den von Ihnen aufgestellten technokratischen Kennziffern unterziehen? Das ist sehr kurzsichtig! Nach dieser Philosophie schließen wir die teuren Studiengänge Medizin und Ingenieurwissenschaften und erhalten die Lehramtstudiengänge in Sektion 2, weil die Studiengänge zu 100 Prozent ausgelastet sind und wenig kosten. Meine Damen und Herren, Sie befinden sich damit wissenschaftspolitisch auf dem Holzweg.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr richtig.)

Sehen Sie die Hochschulen als Chance für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Sie sind letztlich in der Regierungsverantwortung!

(Wolfgang Riemann, CDU: Gesehen als Kostenfaktor!)

Die hochschulpolitischen Uhren sind in vielen anderen Bundesländern längst auf Zukunft gestellt, bei uns leider noch immer nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie denn das Bildungs- und Finanzministerium einer Effizienzanalyse unterziehen wollen – und ich denke, nach meinen Ausführungen gibt es dazu mehr als einen Anlass –,

(Beifall und Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

dann sind wir sehr gerne bei Ihnen. Aber bevor Ihre Landesregierung nicht in der Lage ist, Eckwerte und Zielvereinbarungen – das diskutieren wir dann morgen – vorzulegen, sollten wir die Hochschulen auf der Grundlage von Planungssicherheit nicht mit einer Effizienzdiskussion überfordern. Die Bringschuld liegt zurzeit bei der Landesregierung, sowohl im Bereich des Haushalts, aber vor allem bei der Durchsetzung von Hochschulautonomie. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gut.)

Vielen Dank, Frau Lochner-Borst.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schmidt von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich voranstellen: Die Universitäten und Fachhochschulen unseres Landes haben national und international einen hervorragenden Ruf. Sie steigern seit Jahren kontinuierlich ihre Studentenzahlen und haben zum diesjährigen Wintersemester wieder Rekordeinschreibungen erreicht. Ihre Leistungen in Lehre und Forschung sind anerkannt. Für ihre Region sind sie ein bedeutender Wirtschafts- und Identitätsfaktor. Sie haben folglich allen Grund, stolz zu sein, und wir haben allen Grund, ihre Leistungen anzuerkennen.

Die Hochschullandschaft ist im Umbruch. Die mit dem Bologna-Prozess verbundenen Entwicklungen der Internationalisierung des Wettbewerbs, neuer Studienformen, des Verhältnisses der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung sind nur einige Richtungen, die auch an unsere Hochschulen neue Anforderungen stellen. Sie setzen zunehmend die Rahmenbedingungen für deren

weitere Entwicklung. Diese Entwicklungsrichtungen müssen im Land unter den gegebenen materiellen und finanziellen Rahmenbedingungen bewältigt werden. Mehr Autonomie, Selbständigkeit und Eigenverantwortung sollen helfen, die Prozesse effektiv und mit den gewünschten Qualitätseffekten zu gestalten. Das Land als Träger der Hochschulen hat die Pflicht, für die notwendigen Gestaltungsspielräume, einschließlich einer dafür angemessenen und aufgabengerechten Finanzierung, zu sorgen. Es hat aber auch die Pflicht, die Effizienz und Effektivität dieser Faktoren und ihrer Ergebnisse zu überprüfen.

Letztere Aufgabe ist meist nicht so angenehm, weil sie mitunter als Eingriff in die Autonomie und Wissenschaftsfreiheit angesehen wird. Zudem ist gerade im Bildungsbereich eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung von Kosten und Nutzen sehr problematisch, denn die Effekte von finanziellen Vorleistungen treten meist erst zeitversetzt Jahre später ein. Sie haben eben den Charakter einer Zukunftsrendite. Trotzdem ist eine vorausschauende Betrachtung von Leistungen und Ergebnissen auch bei den dynamischen und komplexen Entwicklungsprozessen an Hochschulen notwendig, soll die Zukunftsrendite den Erwartungen bestmöglich entsprechen. Das erfordert eine gerechte und objektive Bewertung der Leistungen der Hochschulen auf der Basis gesicherter Daten. Auf der Grundlage dieses Antrages sollen diese Daten ermittelt werden, die anschließend zu bewerten sind, um notwendige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Ich meine, dass diese Studie dazu beitragen kann, Klarheit und Transparenz in die komplizierten Prozesse von Bildungsund Forschungseinrichtungen zu bringen, denn der Ersatz von Vermutungen durch Tatsachen ist für alle Beteiligten eine fundierte Diskussionsgrundlage, welche den spekulativen Raum einengt.

Gerade im gegenwärtigen Prozess der Schaffung von Eckwerten der Hochschulentwicklung und den daraus abzuleitenden Zielvereinbarungen wird deutlich, dass gesicherte Daten eine wesentliche Basis für die Weiterentwicklung unserer Hochschullandschaft auf ein höheres Niveau, als ohnehin schon vorhanden ist, sein werden. Der notwendige Zeitrahmen für die Erstellung der hier eingeforderten Studie wird sich wahrscheinlich umfangreicher gestalten, als es das Zeitfenster für die anberaumten Zielvereinbarungen gestattet. Da aber auch diese einem beständigen Evaluierungsprozess unterliegen sollten, ist die Nutzung der Studie für die weitere Zeit gegeben. Ich bin davon überzeugt, die Ergebnisse dieser Studie werden dazu beitragen, die Effektivität, Effizienz und damit auch die Qualität und Ausstrahlung unserer Hochschulen weiter zu befördern. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Schmidt.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Bordkorb von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Lochner Borst, Sie haben in Ihrer Rede unmissverständlich klargestellt, dass Sie sich einer Effizienzdebatte im Hochschulwesen grundsätzlich verweigern.

(Zuruf aus dem Plenum)

Wir verlangen im Moment von den Schulen in diesem Land,...

Na gut, es sei denn, das Finanzministerium und das Bildungsministerium sind betroffen, aber die Hochschulen bitte nicht.

In diesem Land wird derzeit über effektive Schulstrukturen diskutiert. Wir wollen unseren Kindern gute Schulen bieten. Wir wollen das Geld, das wir haben, so effizient wie möglich einsetzen. Jetzt frage ich mich: Warum soll denn da eine Zweiklassengesellschaft herrschen? Warum fragen wir in unseren Schulen – das tut der Minister ja selbst auch – immer wieder, wie man die Effizienz an unseren Schulen erhöhen kann oder im Schulnetz? Warum soll dieselbe Frage nicht auch für die Hochschulen gelten? Ich kann hier kein gutes Argument erkennen. Stattdessen haben Sie sich wieder auf das alte Märchen eingelassen, die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern würde die Hochschulen zugrunde richten, finanziell zu schlecht ausstatten und so weiter.

Gucken wir uns bloß einmal die Realitäten an. Ich mache halt immer so lustige Vergleiche. Im Jahr 2002 – das sind die aktuellen Daten – gab das Land Mecklenburg-Vorpommern für seine Hochschulen je Einwohner 180,63 Euro aus. Jetzt vergleiche ich immer gerne mit den Bildungswunderländern Bayern und Sachsen: Bayern 178,50 Euro, also weniger als wir, und Sachsen 180,90 Euro,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

also ein paar Cent mehr als wir. Der Ostdurchschnitt kam auf 166,45. Das heißt, wenn wir den Maßstab des Ostdurchschnitts zugrunde legen, dann müssten wir so locker einmal 25 Millionen Euro aus dem Hochschuletat herauskürzen.