Protokoll der Sitzung vom 13.10.2004

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Friese.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ringguth von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor langer Zeit, ungefähr um 200 vor Christus zur Zeit der Punischen Kriege, lebte ein Staatsmann und Schriftsteller in Rom, ein

Mann namens Cato. Und wann auch immer dieser Cato im Senat gesprochen hat, am Ende jeder Rede wiederholte er, egal, zu welchem Inhalt er in der Rede gesprochen hatte, stereotyp immer den gleichen Satz. Er sagte: „Im Übrigen meine ich, dass Karthago zerstört werden muss.“ Und diesen Satz wiederholte er über Jahre so lange, bis auch der letzte Senator überzeugt war, dass dieses Ziel richtig ist.

Warum sage ich Ihnen das, meine Damen und Herren? Weil es uns eines deutlich machen kann: Gewisse Grundüberzeugungen, die man in sich trägt, muss man immer wieder und immer wieder von neuem vortragen, damit sie Allgemeingut werden können. Und eine meiner Grundüberzeugungen ist: Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie sie das Grundgesetz und darauf basierend auch unsere Landesverfassung festschreibt, ist ein hohes Gut.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Und gerade, meine Damen und Herren, haben wir den zehnten Jahrestag unserer Landesverfassung begangen. In diesen Monaten, meine Damen und Herren, vor 15 Jahren, ist es dann einfach die Zeit gewesen, wo sich die Mauer geöffnet hat. Für die Abschaffung der SED-Diktatur und für die Einführung von Demokratie, meine Damen und Herren, sind wir damals 1989 auf die Straße gegangen, auch wenn wir damals nur sehr unklare Vorstellungen davon hatten, was denn Demokratie eigentlich ist und was Demokratie zu leisten vermag.

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, klingen bei mir alle Alarmglocken, wenn bei einem Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden. Wenn diese Bedenken mich überzeugen, und das ist in diesem Falle so, dann sage ich: Hände weg von dieser Regelung, Hände weg von dieser Neuregelung!

Und jetzt bin ich konkret beim Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes. Dieser Gesetzentwurf sieht ja vor, die Kontrolle über den Datenschutz im privaten Bereich auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz zu übertragen. Bisher hatte der Landesdatenschutzbeauftragte nur die Kontrolle über den Datenschutz im öffentlichen Bereich, das heißt über die Verwaltungsbehörden unseres Landes. Die Kontrolle über den Datenschutz im privaten Bereich war im Innenministerium bei Herrn Dr. Timm angesiedelt. Gegen den Gesetzentwurf wurden also in der Anhörung im Innenausschuss erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Sowohl die Stellungnahme des Vertreters des bayerischen Innenministeriums, Herrn Wilde, als auch die schriftliche Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Rheinland-Pfalz kamen übereinstimmend zu dem Schluss: Eine Übertragung der Zuständigkeit für den Datenschutz im privaten Bereich auf den Landesbeauftragten für den Datenschutz verstößt gegen die Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern.

Nach Artikel 37 der Landesverfassung ist der Landesbeauftragte in Mecklenburg-Vorpommern nämlich keine Verwaltungsbehörde, also nicht Exekutive, sondern unabhängiger Bestandteil des Landtages mit dem Auftrag, die öffentliche Verwaltung zu kontrollieren. Und nach dem Gewaltenteilungsprinzip, einem der Grundpfeiler der Demokratie, dürfen Eingriffe in die Rechte Privater, wie

zum Beispiel datenschutzrechtliche Anordnungen, nur durch die Regelungen einer Verwaltungsbehörde vorgenommen werden, denn nur dann kann sich der Private mit rechtsstaatlichen Mitteln, wie zum Beispiel Widerspruch oder Klage, auch dagegen wehren, nur dann.

Ebenso erfordert das Demokratieprinzip, dass die Verantwortung für die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde durch die Regierung und damit auch durch einen Minister, in diesem Fall durch Herrn Dr. Timm, wahrgenommen wird, die wiederum wir, das Parlament, zu kontrollieren haben. Meine Damen und Herren, dieser Kontrollmechanismus wäre dadurch unterbrochen, dass die hoheitliche Aufgabe der Datenschutzkontrolle im privaten Bereich ohne umfassende Weisungsrechte des Ministers – Fachaufsicht und Rechtsaufsicht – auf eine unabhängige Stelle wie den Landesbeauftragten für Datenschutz übertragen werden soll.

Meine Damen und Herren, das sind für meine Begriffe schon überzeugende Argumente, die gegen eine Übertragung der privaten Datenschutzkontrolle auf den Landesbeauftragten sprechen. Ich weiß, Herr Sellering, dass das Justizministerium diese Argumente nicht für stichhaltig hält. Eine Entscheidung über verfassungsgemäß oder nicht verfassungsgemäß könnte indes in diesem Falle aber auch nur das Landesverfassungsgericht treffen. Letztlich entscheidend für mich ist, dass es für die vorgesehene Regelung keine Gründe gibt, die es rechtfertigen, ein verfassungsrechtliches Risiko – und das ist ja offensichtlich da – überhaupt einzugehen, denn, meine Damen und Herren, das ist die Frage, die wir uns immer wieder stellen sollen: Was passiert, wenn nichts passiert,

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

also wenn diese Prüffrage, die sich ja eine Landesregierung, die Deregulierung von Rechtsvorschriften anstrebt, immer selbst stellen muss, beantwortet werden muss mit „eigentlich nichts“? Wir alle wissen ja, es geht ein Landesbeamter im höheren Dienst von Herrn Timm hinüber zum Landesbeauftragten für Verfassungsschutz.

(Gabriele Schulz, PDS: Datenschutz.)

Für Datenschutz. Entschuldigung. Danke schön.

Wenn es also so ist, dann weise ich hier nur auf die umfangreichen Ausführungen der Deregulierungskommission zur Notwendigkeit einer kritischen Normprüfung im Vorfeld neuer Regelungen hin. Das ist ja nicht unbedingt eine Erfindung, die ganz neu ist, aber auf Seite 16 des Deregulierungsberichtes ist offenbar ganz ausdrücklich darauf hingewiesen worden: Im Vorfeld neuer Regelungen soll das untersucht werden.

Meine Damen und Herren, die Alternative wäre anders, als es im Gesetzentwurf steht. Da steht nämlich bei Alternative „Keine“. Die Alternative wäre schlicht, auf diese Gesetzesänderung zu verzichten. Was spricht eigentlich dagegen, die Datenschutzkontrolle über den privaten Bereich weiter beim Innenministerium zu belassen, diesen einen Beamten, von dem hier schon die Rede war? Eigentlich nichts.

Der Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der IHK des Landes Mecklenburg-Vorpommern wies – übrigens unwidersprochen – in der Anhörung nämlich darauf hin, dass die Rechtsprobleme des Datenschutzes im öffentlichen Bereich, der bisher ja allein Aufgabe des Datenschutzbeauftragten war, sich wesentlich von den Rechts

problemen in der Privatwirtschaft unterscheiden. Banken, Privatversicherungen, Auskunfteien, Freiberufler sind eben anders organisiert als Behörden und der Umgang mit Kundendaten erfolgt aus ganz anderen Gründen und mit anderen Zielen als im öffentlichen Interesse. Von daher sind keinerlei Synergieeffekte oder Personaleinsparungen – eben auch nicht aufgrund der Aufgabenübertragung – zu erwarten.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion vertritt die Auffassung, eine Aufgabe soll nur dann übertragen werden, wenn nachweisbar ist, dass die Aufgabe von dem neuen Aufgabenträger erstens zweckmäßiger, zweitens wirtschaftlicher oder orts- und bürgernäher erledigt werden kann. Dies entspricht im Übrigen der Zielsetzung in Paragraph 3 des Gesetzentwurfes der Landesregierung zum Organisationsgesetz des Landes – also auch keine Erfindung, die unbedingt der CDU-Fraktion zuzurechnen wäre.

Meine Damen und Herren, ein Wort des Dankes an den Landesdatenschutzbeauftragten hat – und das sieht auch meine Fraktion so, Herr Friese – völlig zu Recht Herr Friese hier bereits gerichtet. Wir schließen uns als Fraktion ganz ausdrücklich an.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das bedeutet aber nicht, dass wir wegen der von mir vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken und der nicht nachgewiesenen unabdingbaren Effizienz, diese ist eben nicht nachgewiesen, dieser neuen Regelung zustimmen können, sondern wir sagen: Hände weg von einer Regelung, die eindeutig verfassungsrechtliche Bedenken impliziert! Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf daher ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Ringguth.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der PDS-Fraktion Frau Schulz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus unserer Sicht sind zu diesem Gesetzentwurf eigentlich weitere Erörterungen nicht nötig, denn die unterschiedlichen Positionen, so haben wir eben hier ja auch vernommen, waren und sind klar. Während die Koalitionsfraktionen für die Zusammenführung der Datenschutzkontrolle des öffentlichen und privaten Bereichs unter dem institutionellen Dach der Behörde des Landesdatenschutzbeauftragten sind, vertritt die Opposition als Gegenteil eine andere Auffassung, was im Übrigen ihr gutes Recht ist. Und wir haben es ja eben gehört, Herr Ringguth hat dazu mit uns noch mal eine Reise ins alte Rom gemacht.

Dennoch ein paar kurze Bemerkungen: Ob die CDU klug beraten war, sich in der Anhörung ihre Position noch einmal ausgerechnet durch einen Vertreter des bayerischen Staatsministeriums absegnen zu lassen, sei dahingestellt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wieso?)

In München sieht man nun mal vieles anders als in Mecklenburg-Vorpommern

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

oder, vielleicht auch anders gesagt, man sieht vieles päpstlicher als der Papst.

(Rainer Prachtl, CDU: Jaja. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Aus München wurden dann – wir haben es eben gehört und es war auch nicht anders zu erwarten – massive Bedenken vorgetragen. Nur, meine Damen und Herren, die Gewaltenteilung in Schwerin ist jedenfalls mit diesem Gesetzentwurf, wie man in München argwöhnt, durchaus nicht in Gefahr. Und mit dieser mehr als bescheidenen Gesetzesänderung bei uns steht auch keine gesetzgeberische Revolution vor der Tür. Natürlich vermag dieser Gesetzentwurf nicht das große Rätsel der Gewaltenteilung zu lösen und die immergrüne Frage zu beantworten, wer denn nun letztlich den Wachhund bewacht. Das ist aber auch gar nicht die Frage. Es funktioniert nicht, einer unabhängigen Behörde beziehungsweise Einrichtung – und das ist die Verfassungsinstitution des Landesdatenschutzbeauftragten unzweifelhaft – irgendwelche Zügel anlegen zu wollen. Wer das will, sollte ehrlicherweise gleich sagen, dass er eine entsprechende unabhängige Landesdatenschutzbehörde überhaupt nicht will. Entweder ist der Datenschutz unabhängig oder es gibt keinen.

(Unruhe bei Dr. Armin Jäger, CDU)

Das ist der eigentliche Punkt der Meinungsverschiedenheiten und dazu sollte die CDU klar Farbe bekennen. Und so gesehen, meine Damen und Herren, ist letztlich sogar die vorgesehene Rechtsaufsicht des Innenministeriums wenig originell, sondern eher kritikwürdig. Ich denke aber, dass es ein Kompromiss ist, mit dem man ganz gut leben kann.

Entscheidend für uns als PDS-Fraktion ist, dass der Landesdatenschutzbeauftragte künftig einschränkungslos auch die unabhängige Kontrolle über den privaten Bereich hat. Das bedeutet eine beachtliche Stärkung seiner Autorität als die vom Landtag ausschließlich legitimierte und ihm unterstehende Landesbehörde. Zugleich bedeutet die Kontrolle über den privaten Bereich selbstverständlich auch eine Stärkung des Rechts der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung. Das ist entscheidend. Und es ist in diesem Zusammenhang mehr als ein falscher Zungenschlag, wenn in der Anhörung im Innenausschuss verlangt wurde, der Landesdatenschutzbeauftragte möge sich als Dienstleister der Wirtschaft verstehen. Abgesehen davon, dass man sehr genau auseinander halten sollte, wer wem dient, ist der L a n d e s d a t e n s c h u t z b eauftragte nur in einer Hinsicht Dienstleister: Er ist Dienstleister des Bürgers und des Landtages.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Karsten Neumann, PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Dass freilich andererseits die Behörde des Landesdatenschutzbeauftragten der Wirtschaft in allen Datenschutzangelegenheiten vorbeugend mit Rat und Tat zur Seite steht und gewiss auch mit Schulungen und Weiterbildungen helfen wird, ist für uns außer Frage. Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt. Mir leuchten in diesem Zusammenhang vorgetragene Bedenken nicht ein, dass die Neuzuordnung schlechter sei als die bisherige Regelung. Und da sage ich nur: Doch mal Mut zu Veränderungen, nicht nur Gerede über Deregulierung! Ich glaube, auch hier kann man Mut zeigen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wo wird da was dereguliert?)

Es mag durchaus begründet sein, auf überschwängliche Weise die Datenschutzkontrolle des Innenministeriums zu loben, aber ich wage die Prognose, lieber Kollege Ringguth, dass mit dieser Neuordnung alles nur noch besser werden kann,

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

zieht man in Betracht, dass im Innenministerium lediglich eine einzige Personalstelle für die Kontrolle im privaten Bereich vorhanden war.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Denn immerhin wird nunmehr eine ganze Behörde zur Verfügung stehen. Natürlich bedeutet in diesem Zusammenhang die Übernahme der bisherigen ministeriellen Aufgabe und der Personalstelle einen gewissen Synergieeffekt neben weiteren. Die optimistische Feststellung der Begründung des Gesetzentwurfes, dass für die Kontrolle des privaten Bereichs kein weiterer Personalbedarf zu erwarten ist, mag aber erst einmal so stehen bleiben. Wir sollten uns nämlich keiner Illusion hingeben. Natürlich wird die Durchsetzung des Datenschutzes im privaten Bereich nicht einfacher und seine Bedeutung in der Wirtschaft nicht geringer. Es wird im Gegenteil immenser Anstrengungen bedürfen, dafür Sorge zu tragen, dass Otto Normalverbraucher datenschutzmäßig durch die informationelle Überrüstung des privaten Bereiches nicht noch mehr an die Wand gedrückt wird, als es bisher der Fall ist, denkt man nur an das Internet und die massenhafte Datenverarbeitung im Rahmen kommerzieller Werbung. Aber richtig ist, dass man nicht immer gleich nach mehr Personal rufen sollte.

Ich denke, meine Damen und Herren, dass die Erfahrungen von Schleswig-Holstein mit dem dortigen Landesdatenschutzzentrum, das durchaus als Dienstleister für Private unter anderem auf geschäftlicher Grundlage funktioniert, richtungsweisend sind. Mit dem Datenschutzaudit ist ebenfalls ein Weg aufgezeigt, wie Aufwand und Nutzen in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden können.

In diesem Sinne schließe ich mich dem Dank meiner Vorredner für die Arbeit unseres Landesdatenschutzbeauftragten an und signalisiere Zustimmung meiner Fraktion zu diesem Gesetz.