Protokoll der Sitzung vom 14.10.2004

Antrag der Fraktion der CDU: Wahrung des Artikels 29, Abs. 6 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern – Haushaltsautonomie des Landtages – Drucksache 4/1339 –

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Kölner Verfassungsrechtler Gerhard Lange sagte einmal: Verfassungsgebung ist nicht Stückwerk des Alltags, sie gleicht eher einem säkularen Schöpfungsakt. Und wenn das Werk unbeschädigt in die Jahre kommt, dann gewinnt es an Aura.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen kurz vor dem zehnten Jahrestag des In-Kraft-Tretens der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Gleichwohl dürfen wir auf unsere Verfassung stolz sein und sie als Pfeiler und Kompass der ebenfalls jungen Demokratie in unserem Land begreifen. Nun ist es in einer Demokratie immer so, dass bestimmte Rand- und Splittergruppen sich neben oder gegen die Verfassung stellen, sie nicht anerkennen und leben wollen. Wenn aber – und das ist das Thema unseres Antrages – eine führende Vertreterin der Exekutive des Landes und eine der dienstältesten Parlamentarierinnen dieses Landes eklatant wider die Verfassung handelt, so muss das, meine Damen und Herren, nicht nur Sorgen machen, sondern ist das schlichtweg nicht hinnehmbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, der Landtag – wir sind die gewählte Vertretung des Volkes –, er ist die Stätte der politischen Willensbildung, er übt die gesetzgebende Gewalt aus, kontrolliert die Tätigkeit der Landesregierung und der Landesverwaltung. Genau so steht es im Artikel 20 unserer Landesverfassung. Meine Damen und Herren, nach unseren Recherchen ist es ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Rechtsstaates seit 1949, dass sich die Exekutive an eine andere Exekutive wendet, und zwar mit einem Informationsersuchen an die Landtage von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zur Struktur von Landtagen. Wenn so etwas veranstaltet wird, meine Damen und Herren, wie das im Finanzministerium geschehen ist, dann ist das ein vollständiges Ignorieren von Verfassung, Landtag und Parlament.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich nehme den Brief des Finanzministeriums vom 27. Juni dieses Jahres und möchte daraus zitieren. Und zwar ist er gerichtet an das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein und des Landes Rheinland-Pfalz, es sind gleich lautende Schreiben: „Wir bitten Sie, dazu den Kontakt mit der Landtagsverwaltung herzustellen. Um den Einstieg in einen Stellenvergleich zu ermöglichen, wäre uns zunächst an einer Übersendung der Geschäftsverteilungspläne für die Landtagsverwaltung und für den Bürgerbeauftragten“

(Rainer Prachtl, CDU: O Gott, o Gott!)

„sowie den Landesbeauftragten für den Datenschutz Schleswig-Holstein beziehungsweise Rheinland-Pfalz gelegen.“

(Lorenz Caffier, CDU: Unerhört! – Rainer Prachtl, CDU: Das gibt’s doch nicht!)

Und weiter: „Ferner bitten wir darum, uns einen Ansprechpartner für weitergehende Nachfragen zu benen

nen. Zu Ihrer Information habe ich ein Organigramm der Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommerns beigefügt. So weit Ihnen aus einem Vergleich der Aufbauorganisation Unvergleichbarkeiten auffallen, wären wir für Hinweise dazu dankbar, wie, von welcher Behörde beziehungsweise auf welchem Weg die Aufgaben in ihrem Bereich wahrgenommen werden.“

(Lorenz Caffier, CDU: Unerhört! – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und dann noch zum Schluss: „Wegen der engen Terminlage wäre es wünschenswert, wenn die vorgenannten Angaben bis zum 15. Juli an das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern, Abteilung Haushalts- und Finanzwirtschaft, Referat 230, übermittelt werden könnten.“

(Heiterkeit bei Rainer Prachtl, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, betrachten Sie den Duktus dieses Briefes! Frau Finanzministerin, wenn ich dann dazu Folgendes lese, das lassen Sie mich jetzt zitieren, ich hoffe, dass sowohl Sie, Ihr Staatssekretär, der Abteilungsleiter und auch die Verfasserin dieses Briefes lesen können, im Artikel 29 Absatz 6 der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern heißt es: „Der Präsident leitet die Verwaltung der gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten des Landtages nach Maßgabe des Landeshaushaltsgesetzes und stellt den Entwurf des Haushaltsplanes des Landtages fest.“ Die Präsidentin oder der Präsident des Landtages, und nicht die Frau Finanzministerin, die Landesregierung, ist dafür verantwortlich!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir thematisieren hier nicht irgendeinen verwaltungstechnischen Fauxpas des Finanzministeriums. Wir thematisieren nicht die Frage, dass es bei dem Bemühen um Konsolidierung des Landeshaushaltes keine Tabuzonen geben darf. Wir thematisieren hier sehr klar und deutlich die Frage des Verfassungs- und Demokratieverständnisses der Finanzministerin, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Frau Finanzministerin, Sie fragen bei anderen Landtagen über andere Finanzministerien der Republik dezidiert Strukturen und Informationen ab. Sie erfragen – ich könnte hier weiter zitieren – bis dahin, wie die Bibliothek aufgebaut ist, bis ins letzte Detail des Aufbaus der Landtage von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ihnen reicht ja nicht einmal aus, dass es offenen Zugang gibt zu den Haushalten der Landtage der genannten Länder, denn die können Sie problemlos abrufen. Nein, Sie wollten noch viel mehr wissen, einschließlich Bewertungen des Organigramms des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Frau Ministerin Keler, wo leben wir denn eigentlich?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie sind doch nicht das Aufsichtsorgan des Landtages! Wir haben Sie zu kontrollieren nach Artikel 20 der Landesverfassung.

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer so etwas macht, der muss sich wirklich die Frage stellen nach sei

nem verfassungsrechtlichen und demokratischen Grundverständnis. Ich muss Ihnen sagen, Frau Keler, ich habe das wirklich nicht vermutet, dass so ein Vorgang möglich ist. Ich kann nur sagen, Ihr Verständnis ist offenkundig schlecht,

(Michael Ankermann, CDU: Ja.)

nicht mehr und auch nicht weniger.

(Rainer Prachtl, CDU: Ja, das ist noch gelinde ausgedrückt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann doch nicht so sein, dass unter Missachtung des Landtages und damit des Parlaments, von uns 71 Abgeordneten, die Haushaltshoheit der Legislative zum Übungsplatz verwaltungs- und haushaltstechnischer Planungsspiele des Finanzministeriums verkommt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das kann doch nicht wahr sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mein Kollege Caffier wird nachher noch einige andere Beispiele aufzeigen. Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass bei der rot-roten Landesregierung in der Tat das Verhältnis von Legislative und Exekutive vertauscht wird. Aus der Verwaltung wird über die Regierungsfraktionen durchregiert und der Landtag wird zu einem eher ungeliebten, weil störenden Anhängsel eigener Machtspiele.

Meine Damen und Herren, noch einmal, die Landesverwaltung kontrolliert den Landtag! Das ist ein klarer Bruch von Artikel 20 der Landesverfassung und hier wedelt der Schwanz mit dem Hund, gelinde gesagt, meine Damen und Herren. Beispiele gibt es weiter ausreichend. Warum muss der Kollege Born unser Informationsrecht zu Kleinen Anfragen vor dem Landesverfassungsgericht erstreiten, obwohl es ähnliche Verfassungsgerichtsurteile wie in Brandenburg schon gab?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen von SPD und PDS, wie auch immer Sie das Ansinnen der Frau Finanzministerin nachher in Ihren Wortbeiträgen schönreden wollen, es gibt keine Begründung für das Ersuchen des Finanzministeriums um Informationen aus anderen Landtagen. Übrigens stehen wir mit unserer Auffassung nicht allein da. Es ist schon mehr als bedenklich, wenn beide Landtage – ich zitiere jetzt nicht den Wortlaut, aber das könnte ich – antworten, dass sich das Finanzministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern bitte, wenn es etwas wissen will über den Landtag Mecklenburg-Vorpommern, nicht an die Landtage in RheinlandPfalz und Schleswig-Holstein wenden sollte. Frau Finanzministerin Keler, diese Landtage handelten korrekt mit dem entsprechendem Demokratie- und Verfassungsverständnis!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Rainer Prachtl, CDU: Ja.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, Frau Ministerin Keler, welche Auswirkungen Ihr Handeln auf das Ansehen des Landes Mecklenburg-Vorpommern und dieses Parlamentes hat?

(Rainer Prachtl, CDU: Das wird immer schlechter.)

Meinen Sie wirklich, dass dieses mit dazu beiträgt, dass man mit Respekt und Achtung auf die Landesregierung und auf dieses Parlament schaut?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und das sage ich besonders an die Kollegen der Regierungsfraktionen: Mir ist überhaupt nicht fremd, wer acht Jahre Fraktionsvorsitzender in Regierungsverantwortung war, der weiß, dass man sich zwangsläufig vor und hinter die Landesregierung stellen muss, dass man auch manches bei Haushaltsberatungen ertragen muss, Kürze, Eile, dass manches politische Katz-und-Maus-Spiel läuft zwischen Regierung und Parlament, aber hier sind die Grenzen weit überschritten worden, meine Damen und Herren, die sind weit überschritten worden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Rainer Prachtl, CDU: Weit überschritten.)

Ich habe den dringlichen Appell an uns alle, das ist ein Stück Selbstbewusstsein von Abgeordneten, und zwar, dass wir heute ein klares Votum und ein deutliches Signal geben, hier sitzen die gewählten Vertreter des Volkes, hier erfolgen Gesetzgebung und Verwaltungskontrolle, hier hat die Regierung Rechenschaft über ihre Arbeit abzulegen und hier werden die Leitlinien für die Gestaltung des Landes festgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Artikel 29 Absatz 6 ist eindeutig. Die Entscheidungsgewalt über den eigenen und alle anderen Haushalte der Landesverwaltung obliegt allein dem Landtag. Meine Damen und Herren, wer anderes denkt und handelt, stellt sich neben die Verfassung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender.

Um das Wort hat jetzt gebeten die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Keler.

(Rainer Prachtl, CDU: Auf die Entschuldigung bin ich gespannt. Jetzt bin ich mal auf die Entschuldigung gespannt. – Zuruf von Michael Ankermann, CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Rehberg, was das Verfassungsverständnis angeht, lasse ich mich von Ihnen nicht übertreffen.

(Beifall Dr. Harald Ringstorff, SPD)

Ich denke, das habe ich in 14-jähriger parlamentarischer Arbeit hier bewiesen.