Protokoll der Sitzung vom 18.11.2004

Erstens. Nicht alles rechtlich Mögliche muss politisch opportun, also in der gegenwärtigen Situation von Vorteil sein. Das Ziel der Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden ist es, Unsicherheiten bei der Kostenfolgeabschätzung sowie Rechtsunsicherheiten bei der Rechtssetzung der Landesregierung zu beseitigen und den Rechtsfrieden mit den kommunalen Verbänden herzustellen.

Der „Nordkurier“ titelte im März 2002 mit einer sehr treffenden Überschrift „Ende eines langes Streites macht Kopf frei für andere Probleme.“ Unsere Finanzministerin sprach in diesem Zusammenhang von den schwierigsten Verhandlungen, die es je mit den Kommunen gab, und betonte, der Verhandlungserfolg habe aber das Klima deutlich verbessert. Der Städte- und Gemeindtag würdigte es als Vertrauensbasis und vor allem als Instrument zur Konfliktbeilegung.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und, Herr Innenminister, wenn Sie dieses Instrument der Konfliktbeilegung nun gerade bei einem zweifelsfrei aus verschiedensten Gründen konfliktträchtigen Gesetz einseitig ad acta legen, dann besteht die reale Gefahr, dass sich die oben zitierte Klimaverbesserung in ihr Gegenteil verkehren könnte.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Dafür erwarten wir eine für den Gesetzgeber besser nachvollziehbare Begründung im Gesetzestext, als sie jetzt vorliegt. Bisher ist stattdessen von einmaligen Besonderheiten und dem Umfang dieses Gesetzes die Rede. Das ist eher Lyrik und keine Begründung!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Und wenn dann noch von einer Berücksichtigung des Übertragungszeitraumes im Jahre 2009 die Rede ist, dann ist das doch wohl eher ein Gegenargument.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Meine Damen und Herren, es gibt ja in der Tat Besonderheiten bei dieser Reform. Bei der Einsetzung des Sonderausschusses beschloss der Landtag auch, dass an allen Beratungen Vertreter des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages teilnehmen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

In seiner Grundkonzeption vom 12. Mai 2004, die wir hier beschlossen haben, haben wir erneut die besondere Beteiligung der kommunalen Verbände hervorgehoben und hier beschlossen. Das alles verdeutlicht, dass sich der Landesgesetzgeber für ein konsensuales Vorgehen entschieden hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Es ist daher nicht selbstverständlich davon auszugehen, dass der Landtag konfrontativ geprägte Maßnahmen

und Ziele gewillt ist mitzutragen. Die Absicht jedenfalls, die gemeinsame Erklärung lediglich „soweit möglich“ zu berücksichtigen, mag rechtlich tragbar sein, rechtspolitisch halte ich sie für ein fatales Signal.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Zweitens, und das übersieht wohl auch der vorliegende CDU-Antrag, fordert der Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes in seiner Begründung zum Paragraphen 101 Absatz 1 explizit dazu auf, bei Konnexitätsregelungen die Kommunalverfassung nur „soweit möglich“ zu berücksichtigen, und zwar die Paragraphen 4 und 91.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Auch hier wird mit Besonderheiten und Umfang des Gesetzes argumentiert. Eine Rechtfertigung dafür, nun vorsätzlich und bewusst gegen die Kommunalverfassung zu verstoßen, kann ich für mich nicht erkennen. Hier bitte ich ausdrücklich um rechtliche Klarstellung beziehungsweise Aufklärung.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Eine Gelegenheit dazu, denke ich, bietet schon die nächste Tagung des Sonderausschusses.

Drittens. Und damit befinden wir uns dann alle im Auge des Taifuns, und zwar Landesregierung, Landtag und Kommunen. Es geht einerseits um das in unserer Landesverfassung fixierte strikte Konnexitätsprinzip und andererseits darum, die im Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes postulierte Effizienzrendite von letztlich 20 Prozent, ebenfalls im Paragraphen 101 zu finden.

Herr Innenminister, das „kommunalpolitische forum – Mecklenburg-Vorpommern“ e.V. hat vor wenigen Tagen, und zwar am 6. November 2004, mit großem Interesse Ihre Vorstellungen des Gesetzentwurfes zur Kenntnis genommen, insbesondere auch Ihre Ausführungen zum Personal. Sie führten aus, dass ausschließlich das zur Aufgabenerfüllung notwendige Personal und ausdrücklich nicht das so genannte Intendanzpersonal übertragen wird. Hält man sich vor Augen, dass ein möglicher Großkreis bereits fünf Personalabteilungen, fünf Haushaltsabteilungen et cetera zusammenführen, das heißt, abschmelzen muss, dann ist es einsichtig, dass hierbei zusätzlich übertragenes Landespersonal Öl ins Feuer gießen bedeuten würde, also nur aufgabennotwendiges Personal.

Das Problem ist aber nun, dass der vorliegende Entwurf des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes genau das Gegenteil aussagt. Und da verweise ich auf die Begründung auf Seite 207. Und mehr noch, die Übertragung von Personal aus dem Querschnitts- beziehungsweise Intendanzbereichen der heutigen Landesbehörden auf die kommunalen Ebenen wird zur tragenden Säule für das Ansetzen einer so genannten Effizienzrendite, um es dem Land zu möglichen, an Einspareffekten teilzuhaben. Da bleibt nur, als Landesgesetzgeber hier deutlich zu sagen, dass strikte Konnexitätsprinzip, wie es unsere Landesverfassung vorschreibt, ist kein Bierfass, an dem die Landesregierung den feierlichen Anstich vornehmen könnte.

Ich darf Sie bereits heute und an dieser Stelle konstruktiv ermuntern, in die entsprechende Gesetzesbegründung zur Effizienzrendite eine fachlich argumentative Auseinandersetzung mit dem Gutachten von Professor März von der Universität Rostock für den Städte- und Gemeindetag einfließen zu lassen, denn dieses Gutachten be

scheinigt dem Gesetzentwurf diesbezüglich Verfassungswidrigkeit. Auch der Landesrechnungshof weist in diesem Zusammenhang sehr höflich auf einen Widerspruch im Gesetzentwurf hin.

Meine Damen und Herren, wenn die Landesregierung von Baden-Württemberg eine 20-prozentige Effizienzrendite anpeilt, ist es verständlich, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern so manchem das Wasser im Mund zusammenläuft. Die Landesregierung von Baden-Württemberg begreift allerdings die dortigen Landräte als Stützen des Reformvorhabens und die Effizienzrendite als Ergebnis einer gemeinsamen Vereinbarung partnerschaftlicher Kostenfolgeabschätzungen. Das heißt auch, wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.

Diese Chance hat der vorliegende Gesetzentwurf mit seiner eigenwilligen Interpretation des Konnexitätsprinzips bisher nicht erfüllt. Wir sollten uns deshalb, meine Damen und Herren, nicht so sehr darauf verlassen, dass neben dem höchst riskanten Kreisstrukturmodell auch in der Konnexitätsfrage die verfassungsgerichtlichen Uhren in Mecklenburg-Vorpommern anders ticken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt also viel zu tun zur weiteren Veränderung des Verwaltungsmodernisierungsgesetzes durch Regierung, Landtag, Koalitionsfraktionen, Opposition und durch Anzuhörende, bevor es im Frühjahr 2005 das Parlament erreicht. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Schulz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Müller, selektive Wahrnehmungsfähigkeit hatte ich nun gerade bei Ihnen nicht vermutet.

(Wolfgang Riemann, CDU: Doch, doch, doch!)

Nein! Die Diskussionen, die ich bisher mit Ihnen geführt habe, zeichneten sich dadurch aus, dass wir sehr schnell auf den Punkt und auch miteinander ins Gespräch kamen. Was Sie hier vorgetragen haben, ist deutlich. Ihnen ist das richtig peinlich, was hier abläuft, Herr Müller, dafür habe ich auch Verständnis. Wenn sich ein Innenminister hier hinstellt und uns ganz knapp erklärt, das Konnexitätsprinzip in der Verfassung ist hier nicht anwendbar, und dann kommen die Begründungen, dann sträuben sich bei jemandem, der lesen kann, die Haare. Frau Kollegin Schulz, hat auf ein paar dieser Schwachpunkte hingewiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Innenminister, wenn das so ist, wechseln Sie dann wieder den Verfassungslotsen, wenn’s nicht klappt? Ihnen muss endlich jemand klar machen, Konnexitätsprinzip steht in der Landesverfassung und nicht in Ihrem Belieben!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das müssen Sie endlich einmal lernen! Das macht mich wirklich ärgerlich. Wir preisen alle, was wir gemeinsam gemacht haben, aber beim ersten wirklich wichtigen Schritt in diesem Lande, wo es darum geht, wie werden die Kosten sinnvoll verteilt, da berufen Sie sich – das

haben Sie ellenlang vorgelesen – auf den Text der Begründung zum Paragraphen 101. Sie sollten einmal genau den Absatz 7 lesen, dann stimmt das alles nicht mehr, was Sie uns vorgetragen haben. Ich kann nur entnehmen, dass Sie überhaupt keine Kostenfolgeabschätzung vorgenommen haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Sie haben nichts anderes getan, als die Kosten des Landespersonals, das jetzt Aufgaben erfüllt, zusammenzurechnen, die Sie übertragen möchten. Sie haben genau diese Kosten zusammengerechnet, von hoher Hand einen leichten Abschlag gemacht und noch Sachkosten draufgelegt. Das ist...

(Angelika Gramkow, PDS: Und die Effizienzrendite nicht vergessen!)

Und die Effizienzrendite, die Sie unterstellen, das ist genauso unsolide wie das Papier über die 180 Millionen, die angeblich gespart werden.

(Hannelore Monegel, SPD: Genau.)

Interessant ist Folgendes: Sie sagen, Sie würden noch Personal abbauen und im Jahr 2009 solle das Ganze in Kraft treten. Haben Sie eigentlich den Tarifvertrag vergessen, den Sie zwischenzeitlich geschlossen haben?

(Beifall und Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Das ist nicht mehr Vergesslichkeit, das ist absolute Unkenntnis! Und die ist fast so schlimm, dass sie strafbar sein müsste.

Aber, meine Damen und Herren, ich würde ja gerne glauben, dass wir uns konstruktiv auseinander setzen. Ich würde sogar glauben, dass Sie das den Kommunen einräumen. Aber, meine Damen und Herren, es liegen uns Schreiben des Herrn Staatssekretärs aus dem Innenministerium vor, die dramatisch und richtig schlimm sind. Es zeigt sich, dass dort jemand überhaupt keine Ahnung hat, was auf der kommunalen Ebene zu beachten ist. Nicht einmal Ladungsfristen für Kreistagssitzungen kriegen sie hin.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)