Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Im Straßenbau wird bereits Recyclingmaterial angewendet, und zwar da, wo es möglich ist. Eines der wichtigsten Voraussetzungen, Recyclingmaterial anzuwenden, ist die so genannte Frostverträglichkeit, die Umwandlung des Materials, die Frostbeständigkeit. Das ist bei Schotter oder bei Straßenmaterial, Baumaterial, was wir besonders aus Betonrecycling gewinnen können, nicht der Fall.

Und es muss weiterhin festgestellt werden, dass der Baustoff, der in Zessin gewonnen und mit Lkw über die Insel gefahren wird, mit denen wir zum Beispiel im Herbst die Rübentransporte in sehr konzentrierter Form auf einige wenige Straßen und auch Alleen laufen lassen, von seiner Menge her wesentlich gefährlicher ist, weil wir dann auch noch in eine Jahreszeit hineinkommen, wo die Feuchtigkeitsverhältnisse im Unterbau einer Straße das weniger zulassen.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Herr Timm, nun spielen Sie mal nicht die Rüben gegen den Kies aus!)

Sehr geehrter Herr Minister, ich will das nicht tun und ich werde das auch nicht tun. Ich wollte den Vergleich bringen.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Birgit Schwebs, PDS)

Das machen Vergleiche manchmal. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich sehr froh bin, dass auf Rügen noch Zuckerrüben angebaut werden, und ich habe nichts dagegen einzuwenden,

(Dr. Till Backhaus, SPD: Das finde ich in Ordnung von Ihnen!)

dass aus Ihrer Branche die Leute diese Rüben auf der Insel dahin karren, wo sie hingehören. Also nicht, dass da irgendwelche Irritationen auftreten, Herr Minister. Das liegt mir völlig fern.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Nicht, dass ich Ihnen wieder einen Brief schreiben muss.)

Ich bin aber gerne bereit, weitere Zwischenrufe entgegenzunehmen.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Der ist äußerst geheim, der Fall.)

Was mich auch umtreibt bei der Überlegung, soll es geschehen oder soll es nicht geschehen in Trent-Zessin, ist: Wie gehen wir mit Schadenersatzansprüchen um? Und, meine Damen und Herren, ich persönlich gehe davon aus, dass dem Land sehr erhebliche Schadenersatzansprüche aufgemacht werden, denn ich weiß, dass a) für die Planung und im Besonderen für die Umweltverträglichkeitsprüfung, die über einen Zeitraum von zwei Jahren gelaufen ist und wo nicht irgendwelche Leute, sondern hochdotierte und hochrangige Institute und Wissenschaftler sich mit dem Thema auseinander gesetzt haben, viel Geld an die Hand genommen worden ist, um all die Bedenken, die es gibt, auszuräumen.

Dass es einem Bürger oder einem Bewohner der Insel Rügen, der relativ dicht an einer Straße wohnt, wo zeitlich schwerer Verkehr drüber weggeht, nicht gefällt, das ist das Normalste auf der Welt. Dafür habe ich ein hochrangiges menschliches Verständnis. Ich kann Ihnen sagen, ich wohne an einer Bundesstraße und mein Schlafzimmer ist 40 Meter von der Straßenmitte entfernt. Ich kann das recht gut beurteilen. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass die Gewohnheit viele dieser Dinge für die Zeit erträglich macht, so dass man das nicht mehr hört. Und ich kann Ihnen allen die gute Empfehlung geben: Fahren Sie mal nach Zirkow, fahren Sie im Besonderen dann dahin, wenn die Brutvögel ihre Jungen mit auf das Gewässer nehmen. Dann werden Sie feststellen, dass die sich überhaupt nicht – zumindest die nicht, die ich gesehen habe –

(Heinz Müller, SPD: Die, die sich haben vertreiben lassen, die können Sie ja auch nicht sehen. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

davon beeindrucken lassen, dass da jemand mit dem Schleppseil des Schürfkübels durch den Bach fährt. Nein, sie sind frohen Mutes und gehen damit um.

Wenn wir den Kies auf Rügen nicht abbauen, bauen wir ihn in der gleichen Menge irgendwo anders im nahe gelegenen Raum ab.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Frau Schwebs?

Gerne.

Bitte schön, Frau Schwebs.

Herr Timm, Sie haben vorhin darauf verwiesen, dass die Heidelberger Baustoffwerke GmbH sozusagen im guten Glauben darauf, dass die Landesregierung hinter der Firma steht, diesen Prozess vorantreibt, so sinngemäß haben Sie es gesagt, und dass sich ein Unternehmen darauf verlassen können muss.

Richtig.

Nun frage ich Sie: Gilt das eigentlich auch für die touristischen Unternehmen, die mit Millionen Fördermitteln sozusagen von der Landesregierung gepuscht wurden?

Das gilt auch für die touristischen Unternehmen, wobei in dieser Region – und das will ich ausdrücklich nicht abwertend sagen – sich ausschließlich touristische Unternehmen in Familienbetriebsgröße befinden.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Aber der Kiesabbau Trent-Zessin ist keine Novität, die in ein oder zwei Jahren oder vielleicht gar nicht losgehen soll. In Trent-Zessin – deswegen heißt es Trent-Zessin – auf der Insel Rügen wurde bis vor kurzem 50 Jahre lang Kies und Sand gewonnen, der für die Bauindustrie auf der Insel Rügen verwendet wurde.

Lassen Sie mich noch einen Satz dazu anmerken: Nachdem das abbaufähige Material nicht mehr die genügende Körnung gehabt hat, wurde Kies aus der Ostsee dazugewonnen, und zwar von dem uns allen bekannten Adlergrund. Der fällt aber für zukünftige Kiesgewinnung aus, wenn nach dem Willen der Landesregierung dort ein Windpark entsteht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Jarchow. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es kurz. Lassen Sie uns das vollenden, was das CDU-regierte Umweltministerium bereits 1992 wollte, nämlich die Unterschutzstellung der Neuendorfer Wiek mit der Insel Beuchel als Naturschutzgebiet.

(Angelika Peters, SPD: Hört, hört!)

Es sei daran erinnert, dass die Insel Beuchel bereits 1940 – das sagte der Minister schon – als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Und, Herr Kollege Timm – ich bitte vielleicht mal zuzuhören –, ich denke, Sie sollten auch richtig darstellen, dass alle naturschutzfachlichen Prüfungen, die bisher gelaufen sind, sich eindeutig gegen diesen Kiesabbau ausgesprochen haben.

Der Bereich ist heute ein national bedeutsames Küstenvogelschutzgebiet. Das Gebiet mit der Insel Beuchel ist Lebensraum und Brutgebiet für über 20 Wasservogelarten mit über 1.000 Vögeln. Nun kann ich diese Vögel leider nicht alle so aufzählen wie meine Kollegin vorhin. Im Osten des Gebietes gibt es diesen Sandmagerrasen mit bedrohten Pflanzenarten, wie zum Beispiel dem Ackerfilzkraut. Ich möchte noch betonen, dass die Ausweisung der Neuendorfer Wiek mit der Insel Beuchel als Naturschutzgebiet auch im Interesse der angrenzenden Kommunen liegt, was hier bisher nicht gesagt worden ist.

Im Übrigen, meine Damen und Herren von der CDU – und jetzt hören Sie mal gut zu –,

(Egbert Liskow, CDU: Das machen wir gerne.)

das Deutsche Filzkraut gehört ebenfalls zu den bedrohten Pflanzenarten im geplanten NSG.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heinz Müller, SPD: Ich sehe viel deutsches Filzkraut.)

Und in Anbetracht der von Ihrer Parteivorsitzenden inszenierten Patriotismusdebatte

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

sollte dieser Umstand für Sie Anlass genug sein, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Jarchow.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS noch einmal die Abgeordnete Frau Schwebs. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt: „Unsere Nachfahren werden nicht fragen, welche Zukunftsvisionen wir für sie bereithielten. Sie werden wissen wollen, nach welchen Maßstäben wir unsere eigene Welt eingerichtet haben, die wir ihnen hinterlassen.“

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Mit der endgültigen Ausweisung des Naturschutzgebietes ist der Kiesabbau in Trent-Zessin noch nicht vom Tisch. Der Umweltminister hat es gesagt. Das ist wohl so. Dennoch: Ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet hätte bei der Durchführung eines Verfahrens vor der EU andere Chancen als ein Gebiet, das einfach nur Trent-Zessin heißt und ein Kiesabbaugebiet sein soll. Und, meine Damen und Herren, in einem Naturschutzgebiet als Teil eines FFH-Gebietes gilt das Verschlechterungsverbot. Eine FFH-Prüfung und eine Abwägung der Folgen des Abbaus auf Fauna und Flora ist das Mindeste, was hier passieren muss. Das wird auch passieren, da bin ich mir ganz sicher, und es wird passieren, bevor eine Entscheidung über den Kiesabbau gefällt wird. Aber ich habe Ihnen vorhin gesagt, dort brüten inzwischen sechs See

adlerpärchen. Für mich ist es undenkbar, dass in ihrer Nähe ein Kiesabbau stattfinden wird.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich denke, wenn man die Lebensweise der Seeadler berücksichtigen würde, müsste man lautlos und nachts im Dunkeln den Kies abbaggern und ihn dann irgendwie auch lautlos aus der Gegend schaffen.

Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren, hat sich eine nachhaltige Entwicklung auf die Fahnen geschrieben. „Global denken, lokal handeln“, dieses Motto verpflichtet uns, nachfolgenden Generationen ein Gemeinwesen zu hinterlassen, das sozial, wirtschaftlich und nachhaltig mit allen Ressourcen, auch mit der Umwelt, umgeht. Der Streit um die Festsetzung des Naturschutzgebietes Neuendorfer Wiek und Insel Beuchel ist meiner Meinung nach in erster Linie ein Streit um wirtschaftliche Interessen.