Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

Herr Renz, momentan belästigen Sie mich, indem Sie mich in meiner Rede unterbrechen.

(Torsten Renz, CDU: Zwischenrufe sind erlaubt. – Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Ja, aber wir sollten so viel Kultur haben, die Kraft zur Wortmeldung aufzubringen.

(Torsten Renz, CDU: Aber trotzdem werden wir hier mit der Freiwilligkeit nicht zum Ziel kommen, Herr Walther.)

Herr Abgeordneter, das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther.

Danke, Frau Präsidentin.

(Angelika Gramkow, PDS: Ich muss auch langsam auf den Staatshaushalt aufpassen. – Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Wer sich diesen Fakt bewusst macht, kommt automatisch zu einem anderen Umgang mit dem Thema. Der

oder diejenigen kommen zur Frage der Fürsorge und Vorbildwirkung. Bei der Fürsorge ist es wichtig, auf den anderen zuzugehen. Um an ein bekanntes Bild anzuknüpfen, es hat sicher etwas mit Fürsorge zu tun, wenn wir der Oma über die Straße helfen. Genauso hat es sicher auch mit Fürsorge zu tun, wenn ich als Nichtraucher auf Raucher zugehe und ihnen Unterstützung beim Nichtrauchen anbiete. Persönlich will ich das gerne tun. Ich würde auch gerne die Patenschaft für einen Raucher hier im Landtag übernehmen.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Wenn ich nicht rauche, können Sie mich unterstützen. Das fände ich in Ordnung. – Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU und Andreas Bluhm, PDS)

Gut. Lassen Sie mich mit der Vorbildwirkung fortsetzen. Sie knüpft unmittelbar an das eben Gesagte an. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie negativ im Sinne der Vorbildwirkung wir Erwachsenen auf Kinder und Jugendliche wirken? Ich will Ihnen ein paar Vorbilder benennen, die im Sinne eines gesunden, suchtfreien Lebens alles andere als Vorbilder sind.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Alles andere als Vorbilder sind.)

Da ist der Cohiba rauchende Kanzler Schröder oder schauen Sie sich bitte mal ein Interview mit Helmut Schmidt an. Da kann einem – natürlich nur was das Rauchen angeht – übel werden.

(Torsten Renz, CDU: Herbert Wehner war auch so ein Vertreter. – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Im Bereich von Rock und Pop, im Bereich von Schauspielern, bei denen schon einige wenige mehr Vorbildwirkung haben als alle Berufspolitiker zusammen, können Sie meist vergebens nach Vorbildern suchen, die ganz bewusst ein suchtfreies Leben wählen.

(Karin Strenz, CDU: Rauchen in Schulen ist auch nicht in Ordnung.)

Spätestens hier gehört aber auch ein weiteres Thema in Sachen falscher Umgang hinzu, und zwar die Anerkennung der Sucht als Krankheitsbild. Wenn aus Konsum Sucht wird, ist der Betreffende krank. Dann benötigt er Unterstützung, ja Fürsorge.

(Torsten Renz, CDU: Die SPD scheint dieses Thema ja wohl gar nicht zu interessieren, was?! Zwei Leute und die Minister!)

Und denjenigen, denen in jungen Jahren Fürsorge zuteil wird, ersparen wir, ihr eigenes Wollen vorausgesetzt, einen langen Weg der Sucht, der mit jedem weiteren Schritt, der gegangen wird, immer schwieriger zu verlassen ist. Deshalb ist es ganz wichtig, junge Menschen beim Starkmachen zu unterstützen.

(Torsten Renz, CDU: Harry, guck dir mal den Stellenwert der SPD an zu diesem Thema!)

Verantwortung im öffentlichen Raum durch uns ernst zu nehmen, das betrifft auch den Teil der öffentlichen Schulen. Hier sollten gemeinsames Agieren der Lehrerinnen und Lehrer, der Schüler und anderer Pädagogen in den Einrichtungen selbst als Maß der Dinge angesetzt werden, wenn es Effekte bringen soll.

(Torsten Renz, CDU: Ich habe ihn mir angeguckt. Er ist fast leer, der Saal.)

Ein Verbot an den Schulen kann immer nur der letzte Schritt sein, wenn Anstrengungen auf der Basis der Freiwilligkeit nichts gebracht haben. Ich will ein Verbot nicht generell ausschließen, aber das sollte immer nur die Notbremse sein, die wir irgendwann ziehen sollten, aber nicht auf der Mitte des Weges, sondern erst zum Schluss. Ernsthafte Analysen sind nötig, warum Kampagnen bisher nicht die Effekte gebracht haben, die sie erzeugen sollten

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Gucken Sie mal genauer!)

und die wir uns von ihnen versprochen haben.

(Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)

Wir sollten uns auch um Kampagnen bemühen, die effektiver sind, als die, die beispielsweise ausgelaufen sind oder nicht die Wirkung entfaltet haben. Die Freiwilligkeitsverpflichtungen sind in der jetzigen Phase der günstigste Weg.

(Torsten Renz, CDU: Das heißt, Sie wollen weiter Kampagnen fahren, ja?)

Wir haben bereits hier im Landtag die Situation im Land Berlin diskutiert, welche negativen Erfahrungen dort mit einem strikten und vor allem einem verfrühten Verbot erzielt wurden.

Gerade in den Freizeiteinrichtungen ergibt sich die Möglichkeit, mit einer lockeren Methodik und modernen Mitteln dem Thema Sucht und Drogen zu begegnen. Aber all diese Schritte können nur dann fruchten, wenn die Familie als Hort der Kindererziehung auch in diesem Sinne wirkt. Solange Drogenkonsum jeglicher Art zur Normalität im Elternhaus gehört, werden wir in Schulen nicht den Erfolg haben, wie er möglich wäre. Deswegen müssen wir sicherlich auch in diesem Bereich neue Schritte gehen, beispielsweise aus den Schulen, aus den Freizeiteinrichtungen heraus ebenso inhaltliche Angebote an die Eltern machen, damit sie in dieser Thematik besser Bescheid wissen. Nur wenn wir mit Vorbildwirkung, Aufklärung und der Stärkung der Jugendlichen und aller anderen Verantwortlichen einen breit getragenen Ansatz erzeugen, haben wir Aussicht auf Erfolg.

Wir haben auch die Erwartung und die Hoffnung, dass ein Bundespräventionsgesetz, welches momentan erarbeitet wird, hier an diesem Punkt ansetzen wird. Wenn wir auf diesem Weg einen besseren gesetzlichen Rahmen bekommen, als es bisher der Fall war oder ist, sollten wir darauf aufbauend die Möglichkeit eines Landesaktionsplanes durchaus in Betracht ziehen. Aber heute einen Plan auf den Weg zu bringen, der im Herbst diesen Jahres schon nicht mehr ins Leben passt, halten wir für verfehlt und lehnen daher den Antrag der CDU in dieser Form und zur heutigen Zeit ab. Gleichwohl bitten wir um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS, Rudolf Borchert, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)

Danke schön, Herr Walther.

Ich rufe jetzt auf den Abgeordneten Herrn Schubert zur Einbringung des Antrages der Fraktion der CDU „Landes

aktionsplan gegen Sucht und Drogen bei Kindern und Jugendlichen“.

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich begrüße auch recht herzlich Frau Doese aus dem Sozialministerium, denn damit haben wir hier auch die Fachkompetenz.

(Beifall Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Dr. Martina Bunge, PDS: Dr. Doese! Wenn schon, denn schon!)

Meine Damen und Herren, eigentlich haben wir heute den ganzen Tag über Hochschulpolitik und in den letzten Tagen auch über Schulpolitik gesprochen. Deswegen war mein Ansatz zu sagen, wir sollten uns einmal vorstellen, wir befinden uns in einer Aula in der Schule, Sie wären die Schüler und ich wäre ausnahmsweise der Lehrer. Wenn wir jetzt in die Reihen gucken – das passt nicht mehr ganz so –, dann müsste ich sagen, nach einer europäischen Schülerstudie zu Alkohol und Drogen müsste jeder Dritte von Ihnen schon einmal in Kontakt mit illegalen Drogen gekommen sein. Bei 71 Schülern, also dementsprechend 71 Abgeordneten, hätten dann mindestens 23 schon einmal Kontakt zu diesen Drogen gehabt. 5 Prozent von Ihnen hätten in den letzten 30 Tagen mehr als einmal pro Woche Cannabis konsumiert, 78 Prozent von Ihnen hätten mindestens einmal geraucht und wiederum jeder Dritte hätte schon einmal ein Trunkenheitserlebnis in den vergangenen 30 Tagen gelebt.

(Gerd Walther, PDS: Die Quote ist höher, glaube ich.)

Dabei ist schon verwunderlich, dass die Anzahl der Raucher bei weiblichen Schülern höher ist als bei männlichen.

Meine Damen und Herren, Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen aus den Bundesländern Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen beantworteten einen einheitlichen Fragebogen. Deutschland hat sich 2003 erstmals an dieser europaweiten Studie beteiligt. Ich bin davon überzeugt, dass diese Daten realistisch sind, da sie sich auch mit anderen Erhebungen von Wissenschaftlern aus Mecklenburg-Vorpommern decken und weil die Kosten für diese Studie auch von unserem Bundesland getragen worden sind. Jedes Bundesland hat diese Kosten allein getragen.

Meine Damen und Herren, die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen geht uns alle an, denn sie stellen die Zukunft unseres Landes dar. Auch das sagte ich bereits im November 2004. Ganz besonders illegale Drogen, aber auch legale, wie Alkohol und Nikotin, gefährden die Gesundheit der heranwachsenden Generation. Deshalb muss endlich wirksam gegengesteuert werden, den vielen Worten müssen nun Taten folgen, die eine Trendwende beim Drogenkonsum bei den Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern bewirken. Und an dieser Stelle unterscheidet sich natürlich unser Antrag. Die CDUFraktion fordert eine konzertierte Aktion in Form eines Landesaktionsplanes gegen Sucht und Drogen bei Kindern und Jugendlichen.

Heutzutage greifen bereits Zwölfjährige zu illegalen Drogen wie Cannabis, Ecstasy, Speed und so weiter, zu Zigaretten und anderen Suchtmitteln. Die Drogenkonsumenten werden immer jünger. Der Wissenschaftliche Informationsdienst (WID) schreibt in seinem Artikel: „Der

Konsum von legalen und illegalen psychoaktiven Substanzen setzt immer früher ein. Schon im Grundschulalter haben Medikamente mit schmerzstillender und leistungssteigernder Wirkung große Verbreitung. Im Alter von sieben Jahren gibt es die ersten Probierer von Zigaretten, im Alter von neun die ersten Probierer von Alkohol. Im Alter von zwölf Jahren muss bereits mit fünf Prozent regelmäßigen Alkoholkonsumenten und sieben Prozent regelmäßigen Zigarettenrauchern gerechnet werden. Bei den illegalen Substanzen liegt Cannabis an der Spitze der Entwicklung; der Einstieg erfolgt meist im Alter um die 15 Jahre mit etwa vier Prozent regelmäßigen Nutzern pro Jahrgang. In den letzten Jahren haben auch Designerdrogen mit aufputschender und anregender Wirkung stark an Verbreitung gewonnen; sie erreichen im Alter von 15 Jahren eine Verbreitung von etwa vier Prozent regelmäßiger Nutzung.“

Gerade der frühe Einstieg in die Sucht gefährdet die Entwicklung der Heranwachsenden und führt nicht selten zu lebenslanger Abhängigkeit.

(Rudolf Borchert, SPD: Ja.)

Negative Folgen der chronischen Suchterkrankung betreffen nicht nur das Individuum selbst, sondern auch seine Familie und aufgrund der volkswirtschaftlichen Kosten die gesamte Gesellschaft. Als Folgen alkoholinduzierter Störungen geht man in Deutschland von 40.000 Todesfällen und 40 Milliarden Mark, damals noch, Folgekosten pro Jahr aus. Bei Tabak liegen die Zahlen bei 110.000 Todesfällen und 80 Milliarden als Folgekosten. 1.712 Todesfälle gehen pro Jahr in Deutschland auf das Konto von illegalen Drogen. Hinzu kommen 25.000 Drogenkonsumenten, die sich jährlich mit dem Aids erzeugenden HIV-Virus infizieren.

(Gesine Skrzepski, CDU: Das ist ja Wahnsinn!)

Daraus ergeben sich 13 Milliarden Mark an Folgekosten.

Fast alle Konsumenten von illegalen Drogen haben ihre Drogenkarriere mit dem Konsum von Tabak oder Alkohol begonnen, so die jahrelange Praxiserfahrung in unseren psychiatrischen Kliniken im Land, insbesondere im Behandlungszentrum für suchtkranke Jugendliche des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Sucht für legale und illegale Drogen aller Art hat ihren Ursprung beim Tabakrauchen. Nikotin ist die Einstiegsdroge. Nur ein Raucher entwickelt Süchte, die irgendwann durch andere Substanzen befriedigt werden müssen. Ein Nichtraucher wird sich erst nach der Erfahrung mit Nikotin illegalen Drogen zuwenden. Ecstasy, Haschisch, Speed nehmen daher nur Kinder und Jugendliche, die bereits ausreichend Erfahrungen mit Zigaretten gemacht haben und nun auf der Suche nach neuen Rauschmitteln sind. Diese Einschätzung wurde mir im Behandlungszentrum für suchtkranke Jugendliche des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom dortigen Leiter bestätigt. Der Hochschullehrer und Chef der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Professor Freyberger stellt unmissverständlich klar, dass er im Rahmen seiner umfangreichen Praxiserfahrung keinen Fall hatte, in dem ein drogenkranker Jugendlicher nicht vorher bereits geraucht hatte, kurz gesagt: ohne Nikotin keine Sucht und keine weiteren chemischen Drogen.

Ferner wurde deutlich, dass in den letzten Jahren die Anzahl rauchender Kinder und Jugendlicher drastisch