Es gibt eine weitere Frage des Abgeordneten Herrn Brodkorb von der SPD-Fraktion. Möchten Sie die Frage beantworten?
Herr Dr. Backhaus, im Anschluss an die Frage von Herrn Heydorn, ist Ihnen bekannt, dass es in der Gemeinde Demen – Bürgermeister dieser Gemeinde Demen ist der Landtagsabgeordnete Thomas Schwarz –
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Es gibt eine Gemeinde, wo das nicht so ist. – Peter Ritter, PDS: Es gibt mehrere! – Zurufe von Gabriele Meˇsˇt’an, PDS, und Karin Schmidt, PDS)
weil die Kommune diese Verantwortung für die Kinderund Familienpolitik wahrgenommen und die etwaigen Steigerungen übernommen hat? Und würden Sie mir zustimmen, dass es vielleicht auch einen sachlichen Zusammenhang gibt zwischen der Tatsache, dass dort ein Sozialdemokrat regiert und die Elternbeiträge stabil sind?
(Unruhe und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordne- ten der CDU – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Och nee! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)
(Dr. Ulrich Born, CDU: Da können Sie doch den Gemeindepfarrer fragen. – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)
Ich finde es ausgezeichnet, dass der „Oberbürgermeister“ Herr Schwarz in Demen das hat so regeln können. Das finde ich hervorragend.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Harry Glawe, CDU)
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Jaja! – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)
Ich möchte Sie zu Beginn kurz darüber informieren, was ich im Ältestenrat angesprochen habe. Ich möchte darum bitten, und das gilt nicht nur für die jetzige Debatte, sondern auch für zukünftige Tagesordnungspunkte und für zukünftige Sitzungen, dass die Abgeordneten aller Fraktionen auf die Einhaltung der Geschäftsordnung achten mögen, dass wir uns bemühen, die Argumente hier in sachlicher und konstruktiver Art und Weise auszutragen, dass wir die jeweiligen Redner, die hier vorne das Wort erhalten, ihren Wortbeitrag auch vortragen lassen und dass die Redner, die ja von den Fraktionen bestimmt sind, um hier vorne zu sprechen, die Gelegenheit nutzen sollten, um ihre Sicht auf die Dinge vorzutragen. Ich bitte nachdrücklich darum, dass wir uns alle darum bemühen sollten, weniger polemisch und an der Sache orientiert hier miteinander die Debatte zu führen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ganz kann ich die Aufgeregtheit von Seiten der CDU-Fraktion nicht verstehen. Wenn ich den Antrag, den Sie gestellt haben, richtig lese, lautet der Eingangssatz: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, in einem Familienprogramm“ und so weiter Positionen zu beziehen. Wenn Sie diese, Ihre Aufforderung bezüglich der Landesregierung ernst meinen, dann sollte man vielleicht davon ausgehen, dass hier, egal ob Abgeordneter oder Minister, dargestellt worden ist, was diesbezüglich Anhaltspunkte für ein Familienprogramm sein könnten. Die familienpolitischen Leitlinien der PDS sind in einer Sitzung im April dargestellt worden, welche wir seit 2002 haben. Ich möchte sie heute allerdings nicht zum Gegenstand der Ausführungen machen, sondern mich explizit
auf diesen vorliegenden Antrag beziehen, den wir hier – und das möchte ich an dieser Stelle vorwegsagen – ablehnen werden. Ablehnen werden wir ihn aus dem Grunde, weil Sie, Herr Renz, in der letzten Sitzung angekündigt haben, dass Sie nun immer wieder dieses Thema in Anträgen ansprechen werden.
Wenn ich mir diesen Antrag dann genau anschaue, passiert das, was ich vermutet habe, dass es eine Androhung dahin gehend war, das Thema zu thematisieren, ohne selber inhaltlich dabei aktiv zu werden. Nun spreche ich leider vor Ihnen und kann Ihre Ausführungen hier noch nicht einschätzen, was Sie als Familienprogramm anbieten werden, was Sie vorhin als Zwischenruf bemerkten.
Eigentlich hätte ich auch erwartet, dass es Gegenstand der Einbringung sein wird. Nichtsdestotrotz betrachten wir das Thema als genauso wichtig und hochgradig für das Land und für die Bundesrepublik insgesamt als sehr wichtig.
Ich möchte die Beschreibung der Situation eingangs mit einem Zitat beginnen, welches ich einer Ausführung von Professor Dr. Paul Nolte, Professor an der Universität Bremen, der im Zusammenhang mit einer Veranstaltung des NDR am 10. Januar, „Gedanken zur Zeit“, Ausführungen zur Familienpolitik der Bundesrepublik Deutschland machte, entnehme. Die Notwendigkeit, dieses Thema zu bearbeiten, erklärt sich auch aus den nachfolgenden Ausführungen, die ich hier zitiere: „Irgendetwas ist“ in Deutschland „schiefgelaufen. Aber wo steuern wir hin? Es scheint, als sei der Klassenkampf der älteren, der klassischen Industriegesellschaft – der Konflikt zwischen Unternehmern und Arbeitern, zwischen Reich und Arm – von neuen tiefen Konfliktlinien abgelöst worden, die vielleicht das 21. Jahrhundert prägen werden wie der Klassenkampf die Zeit davor. Statt Klassen stehen sich dann Alterskohorten und Generationen gegenüber.“ Die Jungen kämpfen gegen die Alten, die sie für faul halten und deren Rente sie bezahlen. „Und ein mindestens ebenso tiefer Graben tut sich in diesem Szenario zwischen Gleichaltrigen auf: nämlich zwischen Eltern und Kinderlosen, deren Lebensformen und Alltagsprobleme sich immer weiter voneinander entfernt haben und die beide überzeugt sind, das Leben der jeweils anderen Gruppe zu finanzieren und zu subventionieren“, sei es durch höhere Steuersätze, sei es durch die Sicherung der Rentenzukunft. „Steuern wir unvermeidlich auf ein solches Szenario des Konfliktes, des nackten Interessenkampfes nicht der ökonomischen Klassen, sondern der unterschiedlichen privaten Lebenslagen zu? Auf unvermutete Weise ist jedenfalls das Private wieder politisch geworden. … Die kollektiven, die Gemeinschaft betreffenden Folgen privater Entscheidungen, lange Zeit übersehen“, nicht erst seit acht Jahren, „… treten jetzt in den Vordergrund. Verabschiedet sich die ältere Generation zu früh in einen wohlgenährten Ruhestand, der für die heute Jüngeren unerreichbar bleiben wird? Und müssten Kinderlose nicht einen größeren Beitrag in der Gesellschaft leisten …? Offenbar sind wir mit einem tiefen und grundsätzlichen Dilemma konfrontiert: Einerseits soll die individuelle Freiheit der Lebensführung, der Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmodell unantastbar sein … Andererseits können wir in reiner Individualität, ohne Solidarität, als Vielheit von Singles, nicht leben, und schon gar nicht dauerhaft, nachhaltig leben ohne Kinder und Familie, und vom
Staat wird erwartet, dass er hier regulierend … eingreift. Wer hat recht, und wie lassen sich Vielfalt und Solidarität … in Zukunft noch vereinbaren?“
Und an dieser Stelle kommt dann Ihr Antrag, der genau verlangt, dass wir diese Fragen klären sollen, wobei hier implizit von Familie gesprochen wird. Wir haben in einer der letzten Sitzungen auseinander genommen, dass das Familienbild schon ein sehr unterschiedliches ist und sich nicht nur auf Eltern mit Kindern reduzieren lässt, sondern dass es schon ganz unterschiedliche Lebensformen gibt. Die Ursache für diese Situation, wie sie hier beschrieben ist, gilt es unserer Meinung nach genauer zu untersuchen. Es kann ja nicht sein, und ein bisschen mutet Ihr Antrag schon so an, dass das Hauptziel nun darin besteht, mit all diesen Maßnahmen Kinder zu bekommen
und demzufolge vielleicht Lebensgemeinschaften, die eine andere Entscheidung, eine bewusst andere Entscheidung treffen, ohne Kinder dementsprechend hier nicht beachtet werden sollen. Das darf unserer Meinung nach in einer staatlichen Familienpolitik auch nicht der Fall sein.
In einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, jetzt erst erschienen, gibt es auf wissenschaftlicher Basis – und von der haben hier schon viele geredet – sehr interessante Ursachenforschungen, woran es nun eigentlich liegt, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland diese demographische Entwicklung haben, die ja nicht, und der Vorwurf stand vorhin auch wieder im Raum, erst seit 1998 ein solches Problem geworden ist, sondern die demographische Entwicklung hat nun schon mindestens 30 Jahre lang Ursachen. Vorher haben auch andere Regierungen mitgewirkt, die demzufolge falsche Familienpolitik betrieben haben. Ich denke, es hilft uns nicht weiter, uns dieses hier laufend gegenseitig vorzuhalten, sondern daraus entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um für die Zukunft – und es wird auch wieder mindestens 30 Jahre dauern – Veränderungen bewirken zu können.
Was sind nun laut der Studie Ursachen, die man benennen muss, mit denen man sich auseinander setzen muss, um Familienpolitik betreiben zu können? Zum einen wird festgestellt, dass in Deutschland – im Unterschied zu anderen Ländern – die so genannten Mehrkinderfamilien fehlen. Das heißt, auch in anderen Ländern, in der Studie werden vor allen Dingen Skandinavien, die USA und die Bundesrepublik Deutschland untersucht, auch in den USA und in Finnland haben 20 Prozent der Ehepaare keine Kinder. Aber dort sind wiederum 20 Prozent mit drei und mehr Kindern als Familien an einer demographischen Entwicklung beteiligt im Unterschied zu Deutschland, wo das nur zehn Prozent der Bevölkerung betrifft.
Das zweite Problem, auf das in der Studie hingewiesen wird – das ist nachweislich auch schon in der letzten Sitzung hier thematisiert worden –, ist, dass in Deutschland und in der Bundesrepublik insgesamt der Sachverhalt vorliegt, dass Höherqualifizierte gerade in Fragen Kinder, ja, ich möchte es einmal so bezeichnen, Rückstände gegenüber anderen aufweisen, denn die Einkindfamilie ist
gerade dort, wenn überhaupt Kinder vorhanden sind. Und da bin ich bei der Frage, dass man sich an der Stelle ganz bewusst gegen Kinder entscheidet, weil der berufliche Werdegang aus verschiedenen Gründen heraus, die man, denke ich, nicht immer als egoistisch bezeichnen kann, schon in den Mittelpunkt gerückt wird. Insbesondere bei Frauen stellt sich explizit die Frage, wenn ich zum Beispiel im wissenschaftlichen Bereich tätig bin, wofür entscheide ich mich, um einen entsprechenden Entwicklungsweg gehen zu können.