Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Um, sehr geehrter Herr Brodkorb, den Unterschied einmal deutlich zu machen: Sie haben nach Ihrer Aussage zwar von dem niedersächsischen Hochschulgesetz abgeschrieben, Sie haben es aber im Unterschied zu Niedersachsen versäumt, die Hochschulabteilung im Ministerium in unserem Land personell zu reduzieren. Bei einem Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik, die Niedersachsen durchführte, wäre diese Reduzierung eine unausweichliche Folge. Hier passiert das Gegenteil. In Mecklenburg-Vorpommern erfolgt eine Stellensicherung per Gesetz für die Hochschulabteilung bei gleichzeitigem Abbau von Autonomie und Stellen an den Hochschulen selbst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist die gültige Formel, die Sie dem Land Mecklenburg-Vorpommern auferlegt haben.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Das steht alles in diesem Hochschulgesetz! – Zurufe von Wolfgang Riemann, CDU, und Minister Dr. Till Backhaus)

Trotzdem erwarten Sie mit Ihrer Hochschulpolitik von den Hochschulen des Landes die Quadratur des Kreises: effizienteres und effektiveres Lehren, Forschen und Wirtschaften, aber unter genauer Einhaltung detaillierter Vorgaben durch das Land.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das ist doch Unsinn.)

So kann aber eine Hochschule, so können Wissenschaft und Forschung nicht arbeiten. Die Diskussionen um Hochschulreformen und Autonomie, Eigenverantwortung und Freiheit werden nicht zum Spaß geführt und auch nicht zum Selbstzweck.

(Wolfgang Riemann, CDU: Humboldt dreht sich schon jetzt um! – Regine Lück, Die Linkspartei.PDS: Bleiben Sie mal sachlich!)

Wir führen diese Diskussionen, weil wir in den letzten Jahren feststellen mussten, dass wir im weltweiten Vergleich immer weiter zurückfallen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlassen mit ihren Ideen und Innovationen aufgrund der oftmals schlechten Forschungsund Arbeitsbedingungen unser Land. Das müssen wir ändern und deshalb reformieren wir unsere Hochschulen. Hochschulen, Wissenschaft und Forschung leiden unter staatlicher Detailsteuerung. Sie passen nicht in das Korsett von Bürokratie und Legislaturperioden. Wir dürfen ihnen nicht die Luft weiter abschnüren, weil wir Teil der globalen Wissensgesellschaft sein müssen, um bestehen zu können.

Mit dem Bologna-Prozess haben wir uns unwiederbringlich mit unseren europäischen Nachbarn darauf geeinigt, einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Auch dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der internationalen Konkurrenzfähigkeit geschehen. Es liegt nun an den Bundesländern, mutige Entscheidungen zu fällen. Ein wesentliches Element sind Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschule, die nun schon so lange oder, besser gesagt, zu lange die hochschulpolitische Debatte in unserem Land bestimmen. Wenn diese Landesregierung sich an das gültige Landeshochschulgesetz gehalten hätte, dann wäre dieser Prozess längst abgeschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegt nicht an den Hochschulen unseres Landes, dass dies bis heute nicht geschehen ist. Hier hat die Landesregierung in den letzten drei Jahren klar versagt. Es ist ihr nicht gelungen, Eckwerte vorzulegen, auf deren Grundlage man hätte Zielvereinbarungen abschließen können, und zwar aufgrund sich ständig ändernder finanzieller Rahmenbedingungen.

Die vorgesehene zweite Änderung des Landeshochschulgesetzes soll dieses Unvermögen nun heilen, indem sie auf das alte Instrument der detaillierten Maßnahmensteuerung durch das Land zurückgreift. Die inzwischen von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Änderungen sollen zwar dem Zweck dienen, von der ursprünglich vorgesehenen Schaffung einer Verordnungsermächtigung für die Landesregierung abzurücken und den Landtag mit der Entscheidung über Zielvorgaben zu betrauen, sofern keine Zielvereinbarungen zustande kommen sollten. Aber letztlich wird dies auf das Gleiche hinauslaufen. Die Zielvereinbarungen oder -vorgaben sollen auf jeden Fall in dieser Legislaturperiode beschlossen werden, denn die Hochschulen, die bis zum 30. April keine Zielvereinbarungen mit der Landesregierung abgeschlossen haben, erhalten bis zum 31. Mai eine Zielvorgabe. Dem Landtag bleibt dann einzig eine Sitzung im Juni, um dieser seine Zustimmung zu erteilen. Die Mehrheiten in diesem Haus sind klar und der Gesetzentwurf bleibt somit in seiner grundsätzlichen Intention bestehen. Die regierungstragenden Fraktionen haben ihm aber den Deckmantel der Parlamentsdemokratie umgelegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Weiße Salbe!)

Meine Damen und Herren, wer Zielvereinbarungen abschließen will, der muss zunächst einmal dafür sorgen, dass entsprechende Rahmen- und Ausgangsbedingungen vorhanden sind. Das ist in der Regel bei Verhandlungen zwischen gleichberechtigten Vertragspartnern so üblich. Verhandlungen scheitern allerdings immer dann,

wenn bestimmte Ausgangskriterien nicht erfüllt werden, besonders wenn es sich dabei um Kriterien wie Verlässlichkeit und Vertrauen handelt. Denn schließlich muss es bei Vertragsverhandlungen zum einen feste Spielregeln geben, die für beide Vertragspartner gleichermaßen gelten und sich nicht im Verlaufe der Verhandlungen ständig ändern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Zum anderen muss ein Vertrauen in die jeweils andere Seite bestehen, das nicht durch Verhaltensweisen einer Seite immer wieder erschüttert wird.

Diese beiden wesentlichen Ausgangsbedingungen wurden seit der Verabschiedung des Landeshochschulgesetzes 2002 bis zum heutigen Tag von einem der beiden Vertragspartner, nämlich von der Landesregierung, nicht eingehalten. Daraus entwickelt sich für die Hochschulen natürlich die Frage, warum sie besonders nach den ständigen Veränderungen des finanziellen Rahmens in den letzten drei Jahren ausgerechnet jetzt auf die Zusagen der Landesregierung vertrauen sollten, besonders wenn diese Landesregierung die dringend notwendige Autonomie der Hochschulen nicht aus-, sondern abbauen will.

Da die Mehrheit dieses Landtages heute sicher der Änderung des Landeshochschulgesetzes zustimmen wird, möchte ich Ihnen empfehlen, wenigstens vor dem dann einsetzenden Prozess einen Blick in das Gutachten des Zentrums für Hochschulentwicklung zu den Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und Staat in Nordrhein-Westfalen zu werfen. Hier finden Sie wichtige Ausführungen zu den Merkmalen und Zwecken von Zielvereinbarungen untergliedert in vier Teile:

1. Schaffung von Rahmen- und Ausgangsbedingungen, von denen ich zwei bereits angesprochen habe

2. adäquate Gestaltung von Zielvereinbarungstexten

3. adäquate Gestaltung der Zielvereinbarungsprozesse

4. Umsetzung der Zielvereinbarungen in die Praxis

Vielleicht können wenigstens weitere bisher noch nicht absehbare Komplikationen mit diesem Leitfaden vermieden werden.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die CDU-Fraktion den Änderungsvorschlag der Koalitionsfraktionen bezüglich der Schaffung gemeinsamer Fachbereiche durch das Bildungsministerium begrüßt. An dieser Stelle findet tatsächlich ein Kritikpunkt aus der Anhörung zur Zweiten Änderung des Landeshochschulgesetzes im Bildungsausschuss Gehör,

(Wolfgang Riemann, CDU: Einer!)

denn abgesehen von den vielfältigen organisatorischen Fragen, die eine solche Zusammenlegung aufgeworfen hätte, ist auch die Differenzierung von Fachhochschulen und Universitäten in diesem Zusammenhang nicht ganz unerheblich.

Trotz der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge bleiben die Aufträge von Fachhochschulen und Universitäten unterschiedlich. Wir sollten an ihrer Differenzierung festhalten und ihre unterschiedlichen Aufgabenprofile klar schärfen. Natürlich soll es zwischen den beiden Hochschulsystemen zu verbesserter Kooperation und Durchlässigkeit kommen, aber nicht, wie bereits

angedacht, in der Form des so genannten Ypsilon-Modells, das dann Bachelorstudiengänge nur noch an den Fachhochschulen und erst die Fortführung des Masterstudiengangs wieder an der Universität ansiedelt. Es gibt sowohl für das praxis- als auch für das forschungsorientierte Studium eine interessenspezifische Nachfrage der Studierenden und bestehende Anforderungen des Arbeitsmarktes. An dieser Stelle gilt es, alle Interessen zu bedienen und nicht auf der einen oder anderen Seite Möglichkeiten von vornherein auszuschließen.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat trotz der Änderung durch die Koalitionsfraktionen eine massive Einschränkung der Hochschulautonomie zur Folge. Es geht hier weder darum, die Hochschulen wettbewerbsfähig zu machen, noch darum, ihnen Profilbildung zu ermöglichen. In erster Linie stehen hinter diesem Gesetz finanzpolitische Überlegungen, die durch Stelleneinsparungen und Schließungen von Studiengängen umgesetzt werden sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Zielvereinbarungen beziehungsweise Vorgaben, die heute in dieser Form von Ihnen beschlossen werden, sind nichts weiter als eine Fortsetzung alter und unflexibler zentralstaatlicher Steuerungsmaßnahmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz begraben Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, mehrheitlich einen der wichtigsten Zukunfts- und Innovationsbereiche unseres Landes und gleich dazu ein Landeshochschulgesetz,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

das einmal eines der modernsten in ganz Deutschland war. In der CDU-Fraktion ist sich jeder über die tief greifenden Folgen dieses Gesetzentwurfs bewusst. Wir alle stehen für Hochschulautonomie und für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung in unserem Land, weil jeder Einzelne von uns weiß, dass die Zukunft unseres Landes nicht unwesentlich von den Hochschulen abhängt.

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Um dieser Haltung Ausdruck zu verleihen, beantrage ich im Namen der CDU-Fraktion eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe als Ausschussvorsitzende darauf verzichtet, einen Bericht zu halten. Ich möchte aber an dieser Stelle auf zwei Fehler, die sich in Beschlussempfehlung und Bericht eingeschlichen haben, hinweisen und danke dem Kollegen Bluhm, dass er mich darauf aufmerksam gemacht hat. Auf der Seite 12 finden Sie im unteren Abschnitt: „Im Rahmen der Anhörung erhielten 43 Sachverständige – darunter Direktoren...“ Es müsste an dieser Stelle heißen „die Rektoren“.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und auf der nächsten Seite, auf der Seite 13, finden Sie im untersten Abschnitt: „Der Bildungsausschuss hat mehrheitlich die Position vertreten...“ Hier muss es heißen: „Der Bildungsausschuss hat einstimmig die Position vertreten...“ Ich bitte, das in der Drucksache zu korrigieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Lochner-Borst.

Das Wort hat jetzt der Vizepräsident, der Abgeordnete Andreas Bluhm von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedem Menschen recht getan ist eine Kunst, die keiner kann.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)

Dieses Sprichwort hat wie die meisten Sprichwörter viel Wahres und es gilt besonders für viele Entscheidungen in der Politik, es ist praktisch die zentrale politisch-demokratische Abwägung zwischen unterschiedlichen Interessen und Auffassungen der Landesregierung und dem Parlament.

Die Interessenlage, die wir hier heute diskutieren, berührt nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Landesregierung, uns als Parlament, die Interessen der Wirtschaft und der Kommunen, um nur einige zu nennen, und jeder hat für sich genommen gute Argumente zu berücksichtigen. Abwägung heißt deshalb immer auch, sich für oder gegen ein gewisses Argument zu entscheiden. Aber am Ende ist zu entscheiden und in diesem Falle durch uns, den Landesgesetzgeber.

(Beifall Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)