In der Ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes habe ich für meine Fraktion deutlich gemacht, welche Gründe aus unserer Sicht für eine Novellierung des Landesgesetzes sprechen. In sehr vielen Gesprächen vor Ort danach, nicht zuletzt auch durch die Anhörung vor dem Bildungsausschuss, mussten sich diese vorgesehenen Regelungen einer kritischen Wertung unterziehen. Und ich möchte mich ebenso wie meine Vorredner an dieser Stelle ausdrücklich für die kritisch konstruktiven und offenen Gespräche bedanken, die ich mit vielen Vertretern von Hochschulen, von Gremien, von Kommunen, von Wirtschaftsverbänden geführt habe.
Ich habe viele gute Argumente gehört und vor allem ein großes Engagement aller Beteiligten empfunden, die Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern weiterzuentwickeln und sie zu stärken, sie als öffentlich verantwortete Studieneinrichtungen zu gestalten und weiterzuentwickeln.
Das Ergebnis, das uns heute vorliegt, ist eine Überarbeitung des Gesetzentwurfes, die viele Anregungen aus der Anhörung und aus den Diskussionen berücksichtigt. Und, Frau Lochner-Borst, es ist mehr als nur die eine Änderung in Bezug auf die Fachbereiche, denn wenn erstens die Rechte und die Verantwortung des Parlaments erheblich gestärkt wurden, dann ist das – und zu allen wesentlichen Entscheidungen in der Entwicklung von Hochschulen existiert ein Zustimmungsvorbehalt des Landtages –, glaube ich, so weit reichend wie in keinem anderen Landeshochschulgesetz der Bundesrepublik. Damit werden der Prozessverlauf und gegebenenfalls notwendige Entscheidungen in dem existierenden Spannungsfeld von Staat und Hochschule bei der Entwicklung
von Hochschulautonomie deutlich. Und es waren Vertreter von Hochschulen, von Gremien, von Studenten, die genau dieses angemahnt haben, dass sich doch der Landtag nicht aus der Verantwortung entlassen und der Regierung dieses allein überantworten sollte.
Zweitens. Sowohl für das künftig planmäßige Verfahren nach Paragraf 15 LHG, von dessen Grundstruktur der Gesetzentwurf nichts ändert, als auch für die Übergangsphase nach Paragraf 114 gibt es auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem LHG von 2002 jetzt verbindliche zeitliche Regelungen. Damit soll zukünftig gewährleistet werden, dass die Planungsabläufe und die zu erarbeitenden Dokumente mit konkreten Fristen für alle auf der jeweiligen Ebene des Gesetzes vorzulegen sind. Alle, die Hochschulen und ihre Gremien, die Exekutive wie auch wir als Landtag, werden gleichermaßen in die Pflicht genommen.
Nach Paragraf 92 a des Gesetzentwurfes sind die Hochschulen allerdings frei, dieses künftig selbst zu entscheiden, wenn sie es für richtig und für ihre Entwicklung und die Entwicklung von Hochschule und Forschung bei uns im Lande für notwendig halten. Es bedarf, so ist es im Gesetz verankert, der Zustimmung der Senate dieser beteiligten Hochschulen.
Viertens. Es wird möglich, dass die Hochschulen schon jetzt mit dem Bildungsministerium Zielvereinbarungen abschließen. Auch das, wer sich erinnert, waren klare, deutliche Forderungen, welche im Rahmen der Anhörungen von Hochschulen vorgetragen wurden. Dass die Laufzeit befristet bis zum 31.12.2010 ist, impliziert dann eine planmäßige Umsetzung der Regelungen nach Paragraf 15 LHG mit entsprechenden Fristen und der Beteiligung des Parlamentes an zwei Stellen, erstens bei der Entscheidung über die Eckwerte, das heißt über die Entwicklungslinien der Hochschulen, der Lehre und Forschung in den darauf folgenden fünf Jahren, und dann zweitens zu einem späteren Zeitpunkt bei der Befassung des Parlamentes mit den sich daraus ableitenden Zielvereinbarungen beziehungsweise im Notfall Zielvorgaben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Möglichkeit, Zielvorgaben zu erlassen, ist nicht gestrichen worden. Dieses war und ist nach wie vor ein Hauptkritikpunkt. Es ist geregelt, dass das Parlament diesen Zielvorgaben ebenso zustimmen muss wie Eckwerten und Zielvereinbarungen. Aber an diesem Punkt werden auch unterschiedliche Argumente zur Autonomie von Hochschulen besonders deutlich. Sie umfassen nämlich das Spannungsfeld zwischen einer generellen, praktisch uneingeschränkten Autonomie gegenüber einer Autonomie mit staatlichen Verantwortungswahrnahmemöglichkeiten.
Ich bin überzeugt, dass sich nach den vielen Diskussionen der letzten Tage – Herr Riemann, ich komme gleich zu Ihnen – diese gegensätzlichen Vorstellungen auch nach den gegenwärtigen Debatten nicht vereinen lassen. Allerdings werden durch die Zustimmungsvorbehalte des Parlaments zu allen Entscheidungen die Kontrolle, die öffentliche Debatte über eine solche Entwicklung und die
öffentliche Meinungsbildung sowie die öffentliche Entscheidung in diesem Prozess gesichert. Damit ist dieser Planungsprozess aus unserer Sicht weitaus demokratischer und transparenter gestaltet, als er es bisher war. Die Hochschulen legen somit ihre Hochschulentwicklungspläne ein Jahr vor Ablauf der Planungsperiode dem Bildungsministerium vor. Die Landesregierung bewertet die Vorstellung unter Berücksichtigung der ohne Frage existierenden Landesinteressen und erstellt daraus die Eckwerte der Hochschulentwicklung für unser Land. Sie werden dem Landtag zur Beschlussfassung zugeleitet und soweit wir zustimmen, können daraufhin Zielvereinbarungen erarbeitet werden. Diese wiederum sind dann vom Parlament zu bestätigen und werden dann erst rechtskräftig.
Die Eckwerte der Hochschulentwicklung sind als Planungsgrundlage zwar kein Gesetz im juristischen Sinne, aber sie sollen die Vorstellungen über die Entwicklungstendenzen der Hochschulentwicklung des Landes für den festgelegten Zeitraum dokumentieren und dass dieses Spannungsfeld zwischen öffentlich verantworteter autonomer Hochschule und staatlicher Sicherung, öffentlich verantworteter Hochschulen, ein Spannungsbogen ist.
Auch ich habe ein Zitat beizutragen in der hier heute schon angeführten Sammlung. Die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst Barbara Ludwig erklärte am 18. November 2005: „Unsere Hochschulen sind keine Unternehmen... Hochschulen haben einen wichtigen staatlichen Bildungsauftrag und deshalb wird sich der Staat auch nicht aus seiner Gesamtverantwortung für Lehre und Forschung zurückziehen.“
Ein Schmäckerchen dazu: Nebenbei hat sie dann der Einführung von Studiengebühren insbesondere in Ostdeutschland auch noch eine klare Absage erteilt. Sehr interessant die Äußerungen der sächsischen Staatsministerin!
Von daher bin ich schon etwas überrascht von der Heftigkeit, mit der vor allem die CDU Hochschulautonomie nach dem jetzt gültigen Gesetz geltend macht. Da gebe ich Ihnen einen Tipp: Sehen Sie sich die Redeprotokolle der Sitzung am 26. Juni 2002 an, als Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender Herr Rehberg und Frau Schnoor den diskutierten Gesetzentwurf bewertet haben! Das, was Sie heute konstatieren, dass das modernste Hochschulgesetz sozusagen ausgehöhlt und abgewickelt würde, haben Ihre Kollegen damals in der Bewertung des Gesetzes ganz anders gesehen.
Es ist schön, wenn alle lernfähig sind. Auch wir sind lernfähig. Es gibt da so einen schönen Spruch von Viktor und der hat mal gesagt: „Es gibt Menschen, die über die Interpretation der Schwierigkeiten nicht zu ihrer Veränderung kommen. Ja, es hat sich ein Typ entwickelt, der die Schwierigkeiten so plastisch darzustellen versteht, dass es schon geradezu meisterhaft ist.“ Genau in diesem Sinne, meine Damen und Herren von der Opposition, erlebe ich manchmal Ihre Diskussion, denn Sie reflektieren in keinster Art und Weise, in welchem Umfang, in welchen Regelungen sich hier Weiterentwicklungen auch im Gesetzgebungsprozess vollzogen haben. Und ich halte es für legitim, dass der Souverän mit Zielvorgaben – das Parlament im Endeffekt – die schon beschlossenen Vorstel
lungen, die auch das Parlament durch die Beschlussfassung der Eckwerte deutlich gemacht hat, entsprechend umsetzen kann. Dafür sind Zielvorgaben vorzusehen.
Ich habe an dieser Stelle bewusst den Begriff „Möglichkeit“ gewählt. Man hört oft diesen Begriff „Zwangsmaßnahme“, das ist es nicht.
(Beifall Rudolf Borchert, SPD, Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS)
Es ist eine Kannbestimmung und ich gehe nach wie vor davon aus, dass es mit den Regelungen des jetzt geänderten Paragrafen 114 möglich sein wird, mit allen Hochschulen in diesem Lande Zielvereinbarungen abzuschließen, die im Juni dieses Jahres dem Landtag zur Zustimmung vorzulegen sind.
Ich will an dieser Stelle nochmals auf meine Rede zur Ersten Lesung zurückkommen. Ich habe damals ausgeführt, dass ich davon ausgehe, dass die Zusammenführung der Hochschulentwicklungspläne nicht 1:1 umsetzbar ist. Das Land ist nicht nur Hauptsteuergeldgeber, sondern hat auch die Landesinteressen bei der Hochschulentwicklung zu berücksichtigen.
Und in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, verweise ich Sie ausdrücklich auf die Drucksache 4/1949, die von der Landesregierung die Unterrichtung über den Bericht zur langfristigen strukturellen Entwicklung der Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern enthält. Dass immer erklärt wird, es gebe nichts, wo man nachlesen könne, wie sich die Landesregierung dieses vorstelle, ist so nicht richtig.
Und auch darüber werden wir vor Verabschiedung der Hochschulentwicklungspläne, der Zielvereinbarung, hier im Parlament zu reden haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben mit der Änderung des Gesetzentwurfes eine Reihe wesentlicher Punkte aus der Anhörung aufgenommen und umgesetzt. Ich denke, damit ist nicht allen recht getan. Es sind aber mehr Rechte, mehr Einflussmöglichkeiten, mehr Transparenz und Planungssicherheit sowie mehr Prozesskontinuität im Gesetzentwurf enthalten. Und ich hoffe, dass jetzt der Prozess der Hochschulplanung und Hochschulentwicklung natürlich unter verlässlichen Bedingungen zustande kommt und, worüber noch keiner geredet hat, wir hier zu einem übergreifenden Hochschulpakt zwischen dem Land und allen beteiligten Hochschulen in Ergänzung der Zielvereinbarung kommen können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Brodkorb, habe ich Sie richtig verstanden, dass Politik und Wahrheit nichts miteinander zu tun haben, weil sie verschiedenen Logiken gehorchen?
Zweites Stichwort: Zielvorgaben. Es wird in der Öffentlichkeit – und auch der Minister hat es heute versucht – immer suggeriert, die Möglichkeit von Zielvorgaben sei bis zum 31. Mai 2006 befristet. Der neue Paragraf 15 Absatz 4 i s t ausdrücklich nicht befristet. Das heißt, die Verordnungsermächtigung wird unbefristet und für immer aufgenommen. Und, Herr Bluhm, ich kenne ein Gesetz, das die Verantwortlichkeit des Landtages ganz klar, eindeutig und fest fixiert hat. Es wird bloß leider heute in seinem Kernbestand der Autonomie zu Grabe getragen.
Drittes Stichwort: Planungssicherheit. Der Minister hat gesagt, durch die Befristung, durch die Einführung von Fristen würde Planungssicherheit entstehen. Ich gebe zu, ich habe das im Bildungsausschuss auch schon gesagt: Wenn ich geahnt hätte, dass vier Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes die Regierung immer noch keine Eckwerte vorgelegt haben wird, hätte ich damals auch für Fristen gestritten. Aber Planungssicherheit ist durch das alte Gesetz gegeben. Da steht eine ganz klare Aufgabe für die Regierung drin. Die Regierung hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht und das ist unser Problem.
Eine vierte Vorbemerkung zu der Wahrnahme der Realität: Herr Brodkorb sagt, es sei eigentlich nur Paragraf 15 Absatz 4 strittig. Aus meiner Sicht ist auch Paragraf 15 Absatz 6 strittig. Auf die Interpretierbarkeit, auch in der jetzt geänderten Fassung, habe ich im Bildungsausschuss hingewiesen. Der Paragraf 92 a, die gemeinsamen Fachbereiche, macht überhaupt keinen Sinn mehr, wenn es nicht verordnet werden darf. Er ist völlig überflüssig. Und die Übergangsbestimmung 114 ist auch mehr als strittig, weil nämlich der Regierung hier erlaubt wird, auf die Erarbeitung einer Gesamtvorstellung für die Entwicklung der Hochschulen im Land zu verzichten. Das kann nicht Sinn sein und auch nicht unstrittig.
Meine Damen und Herren, zu meinen eigentlichen drei Bemerkungen, die ich mir für heute vorgenommen hatte:
Erste Bemerkung: Beerdigung der Hochschulautonomie. Eine Gesetz gewordene Hoffnung wird heute zu Grabe getragen, und zwar die Chance auf wirkliche Hochschulautonomie, wie sie bislang im Gesetz steht und wie sie für die Entwicklung des Landes und des notwendigen Beitrages der Hochschulen unabdingbar wäre. Und ich empfinde es als peinlich, wenn die unter Zwang erreichte angebliche Einigung mit den Hochschulleitungen als Erfolg gefeiert wird. Tut mir Leid, das kann ich nur als Verhöhnung verstehen.