Protokoll der Sitzung vom 08.03.2006

(Zuruf von Holger Friedrich, SPD)

Personalentwicklungskonzept des Landes, 10.000 Leute zu viel. Wir können uns diese Ressourcen eigentlich nicht mehr leisten.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Die machen doch aber immer ordentliche Arbeit.)

Genau das ist doch …

Frau Borchardt, ja, die machen schon ordentliche Arbeit.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Genau.)

Das sollten wir denen auch nicht unterstellen, dass sie das nicht tun.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Sage ich doch!)

Das sollten wir ihnen nicht unterstellen.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Deswe- gen brauchen wir kein Beschaffungsprogramm.)

Aber genau das ist doch landauf und landab Ihre Hauptbegründung für die ansonsten völlig verkorkste Verwaltungsmodernisierung: Wir haben kein Geld!

Meine Damen und Herren, in der Zweiten Lesung zum zweiten Deregulierungsgesetz habe ich über die Notwendigkeit des völligen Umdenkens, ja, sozusagen des Neudenkens gesprochen, wenn wir es ernst meinen mit der Entbürokratisierung und der Deregulierung in diesem Land. Völlig neue Denkansätze brauchen wir dafür. Und jetzt wirklich ohne jede ideologisierende Betrachtung zu dieser Informationsfreiheit und dem Informationsfreiheitsgesetz:

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Mal sehen, ob Sie das hinkriegen. – Zuruf von Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)

In der öffentlichen Verwaltung bleibt doch eines ganz nüchtern festzustellen – das ist einfach so –, mit Deregulierung oder Verfahrensbeschleunigung hat dieser Gesetzentwurf aber auch rein gar nichts zu tun. Das ist erst mal eine nüchterne Feststellung.

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Stärkung des Bürgerrechts.)

Und, Frau Borchardt, in der Abwägung zwischen notwendiger Verfahrensbeschleunigung, die wir doch in diesem Land so dringend brauchen, und der Deregulierung, der Effizienz von Verwaltung ganz allgemein, gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in unserem Land, gerade wegen des Ausblutens der öffentlichen Haushalte, gerade wegen der Situation auf dem Arbeitsmarkt, gerade in der Wirtschaft und eben auf der

anderen Seite der so wichtigen erweiterten Zugänglichmachung von Informationen der öffentlichen Verwaltung – und da gebe ich ja zu, dass das ein Grundbedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern sein kann – wird man zwangsläufig zu unterschiedlichen Bewertungen geradezu kommen müssen. Dennoch, meine Damen und Herren, werden wir einer Überweisung in die Ausschüsse zustimmen

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Oh!)

und konstruktiv und kritisch – und jetzt kommt’s, Frau Borchardt –,

(Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: War das ein Geschenk zum Frauentag?! – Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Damit haben wir ja jetzt gar nicht mehr gerechnet.)

konstruktiv und kritisch, Frau Borchardt, wie es eben unsere Art ist, arbeiten.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Volker Schlotmann, SPD: Hört, hört!)

Da der Gesetzentwurf von der Linkspartei.PDS und der SPD eingebracht worden ist und eine Verbandsanhörung wegen der Paketlösungsquerelen, um das mal vorsichtig auszudrücken, offensichtlich nicht stattgefunden hat, sind wir insbesondere auf die Stellungnahmen der beiden kommunalen Spitzenverbände heute schon sehr gespannt.

(Heinz Müller, SPD: Ich auch.)

Und in den Ausschussberatungen wird auch zu klären sein, ob Informationen aus dem eigenen Wirkungskreis von Kommunen in diesem Gesetzentwurf betroffen sein könnten und ob die Konnexität ausreichend beachtet ist. Gut ist ja, dass der Minister vorhin von kostendeckenden Gebühren gesprochen hat. Aber das allein ist es nicht. Hier wird die Frage der Konnexität zu klären sein.

Bleibt zum Schluss festzustellen, dass die Geschichte dieses Gesetzentwurfes bis zum heutigen Tage sicherlich nicht nur bei uns einen faden Beigeschmack hinterlassen wird. Und wir teilen ganz ausdrücklich die Hoffnung des Ministers, dass dieses Gesetz, und Evaluation ist ja immerhin drin, nicht missbräuchlich genutzt wird. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ringguth.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Friese von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Ringguth, so richtig weiß ich immer noch nicht, wo die CDU nun eigentlich steht.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD: Das weiß sie wahrscheinlich selber nicht. – Heiterkeit bei Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Aber ich habe erste Anzeichen wahrgenommen, dass Sie sich dem Gesetz mehr zuwenden, als es in der Vergangenheit der Fall war. Das ist ja kein schlechter Weg. Schauen Sie, unser Innenminister hat auch einen Weg zurücklegen müssen und die Fraktionen von SPD und

PDS waren stark genug, um hier einen Gesetzentwurf vorzulegen, der wirklich qualitativ gut ist.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wir brauchen das SOG!)

Meine Damen und Herren, dieses ist ein neues Gesetz, ein neues Gesetz für unser Land. Und wenn man den Spruch von Albert Einstein wahr machen will, der Staat ist für die Bürger da und nicht umgekehrt – Sie erinnern sich, das war das große Plakat, das am Bundeskanzleramt h i n g –, dann muss man sich die Frage stellen, ist denn unsere Verwaltungspraxis heute wirklich so, dass der Staat für die Bürger da ist.

Ich konnte mit dem CDU-Abgeordneten aus meinem Wahlkreis über lange Jahre in einer Auseinandersetzung eines Investors mit der Verwaltung Erfahrungen sammeln, die mir die Augen geöffnet haben. Der Kollege ist nicht da, aber nach dieser Erfahrung sage ich, Herr Ringguth, es genügt nicht, wenn wir einen Rechtsstaat haben, der rechtsstaatlich verfasst ist und über Gesetze verfügt, denn die, die diese Gesetze ausführen, sind Menschen und wir wissen, wie anfällig der Mensch ist und wie leicht Fehler unterlaufen können. Dieses Gesetz nimmt für sich in Anspruch, hier eingreifen zu können und Kontrolle zu bringen, die über andere staatliche Kontrolle nicht gegeben ist.

Meine Damen und Herren, wenn man mit dem Grundsatz „Mehr Demokratie wagen“ Ernst machen will – und wir Sozialdemokraten wollen dieses und der Koalitionspartner will dieses auch –, so ist dieses eine beständige Aufgabe, die sich durch alles politische Handeln hindurch ziehen muss. Wir wollen mehr Demokratie wagen und stehen deshalb zu diesem Gesetz.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Der durch die Bundesrepublik Deutschland verabschiedete EU-Verfassungsvertragsentwurf enthält ein Grundrecht auf Informationszugang sowie ein Recht der Bürger auf eine gute Verwaltung. Wir bewegen uns hier also in einem guten Rahmen.

Meine Damen und Herren, die Befürchtung, das Gesetz schaffe mehr Bürokratie, wie ja vorgetragen wird und, wenn ich mich recht entsinne, auch von der CDU-Fraktion vorgetragen wurde, ist genauso unbegründet wie der Vorwurf, viele Kleine Anfragen im Parlament seien ein Mehr an Bürokratie, weil die gesamte Ministerialbürokratie damit mehr belastet wird. Ich teile diese Antwort nicht, aber das könnte man natürlich sehr locker auf Ihren Vorwurf, wir schaffen mehr Bürokratie, antworten.

Den Vorwurf, das Gesetz sei überflüssig, weil es bereits genügend Auskunftsrechte der Bürger gibt, teile ich nicht. Lassen Sie mich dazu zwei Gründe anführen:

In Deutschland und damit auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es für den Einzelnen keinen umfangreichen Auskunftsanspruch gegenüber öffentlichen Stellen, ohne dass der Bürger ein rechtliches Interesse nachweisen muss. Dieses Gesetz beseitigt dieses Defizit, denn der Bürger muss nicht begründen und dann wird entschieden, ob er darf, sondern hat einen Anspruch auf Informationen.

Ein zweiter Grund: Das den Journalisten durch das Landespressegesetz gegebene Informationsrecht reiche aus, so die kritischen Stimmen, denn die Journalisten hätten ja Akteneinsichtsrecht und können in den Amtsstuben nach

fragen. Am Zustandekommen unseres Landespressegesetzes habe ich mitgewirkt. Welche Wirkungen dieses Gesetz hinsichtlich der Auskunftsrechte von Journalisten entfaltet hat, will ich jedoch dem „Netzwerk Recherche“ und einem Journalisten überlassen, der dort geschrieben hat. Der Journalist Rettloff schreibt: „Das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen ist für Journalisten interessant,“ – er meint damit unser Gesetz – „weil der Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen es der Behörde überlässt, wie sie die Pflicht erfüllt. Als Journalist muss man sich häufig und in der Regel mit der Auskunft der Pressestelle zufrieden geben.“ So weit dieses Zitat. Und ein anderes Zitat aus dem „Rheinischen Merkur“:

(Heiterkeit bei Rainer Prachtl, CDU)

Eine geschätzte Zeitung von uns beiden, Rainer, nicht wahr?

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Mal mehr, mal weniger.

Ich zitiere den „Rheinischen Merkur“: „Sobald Privatsphäre, Persönlichkeitsschutz und Geheimhaltung berührt sein könnten, tut sich ein Amt leicht, Auskunftsanträge von Journalisten abzulehnen. Mit beiden Fürsorgepflichten ,von Beamten über ihre Akten macht dieser Gesetzentwurf Schluss‘.“

Dieser Gesetzentwurf wurde von den Fraktionen der PDS und SPD mit fachlicher Beratung durch das Innenministerium erarbeitet. Aber wir konnten uns auf gute Vorarbeiten aus dem In- und aus dem Ausland stützen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um dafür insbesondere dem Deutschen Journalistenverband, gemeinsam mit ver.di, Transparency International, der Humanistischen Union und dem „Netzwerk Recherche“ herzlichen Dank zu sagen. Ohne ihre Vorarbeit wären wir vielleicht nicht so weit zur Qualifikation dieses Gesetzes gekommen.