Ich will auf ein aktuelles Volksbegehren gar nicht eingehen, aber uns alle gemeinsam auffordern, dass wir sagen, wenn Menschen sich im Rahmen unserer Verfassung und im Rahmen dessen, was wir als Landtag wollen, äußern, wenn ein Volksbegehren ergriffen wird, gestartet wird, vorangebracht wird, dann ist das – und das ist für uns Parlamentsabgeordnete vielleicht eine nicht immer allgemein so getragene Sicht – etwas Gutes, weil nur Menschen, die sich mit dieser Verfassung identifizieren, die sich mit dem Gemeinwesen identifizieren, derartige Initiativen ergreifen, und die verdienen Lob. Es ist sicher eine von Politologen sehr gern betrachtete Frage, wie stark die direkten und wie stark die indirekten Einwirkungsmöglichkeiten in einer Demokratie sein sollen. Aber hier ist es gelebte und praktische Wirklichkeit und ich denke, wir haben hier auch eine gemeinsame Sicht der Dinge gefunden.
Wir glauben, dass es – und da stimme ich vollkommen zu, Herr Schlotmann – ein Wert an sich ist, wenn man an einer Verfassung nicht herumdreht und herumrepariert, sondern wenn man sich darüber Gedanken macht, wie wir Dinge, die damals so nicht erkannt werden konnten, weil sie sich jetzt zwischenzeitlich erst ergeben haben, verändern können. Wir nehmen nichts zurück von der damaligen grundlegenden Entscheidung. Ganz im Gegenteil, diese Verfassungsänderung bestätigt eigentlich die Wertentscheidung, die zu dieser Verfassung geführt hat. Und wenn wir das so sehen, dann, glaube ich, können wir auch sagen, die Verfassung hat sich bewährt. Sie hat sich bewährt und sie hat dazu geführt, dass wir als die – jetzt sage ich mal – Nachfahren derer, die damals diese Verfassung zusammengetragen haben, sagen können: Es gibt nichts Grundlegendes an dieser Verfassung, was zu
ändern ist. Das, was wir heute tun, ist ein Anpassen, und es macht diese Verfassung nur noch ein kleines Stückchen besser.
Lassen Sie mich einen Gedanken, der mir in diesen Tagen doch angebracht erscheint, und den ich bitte, mir nicht übel zu nehmen, noch vortragen: Dieses Modell, von uns über ein Jahr lang hinweg in sehr kollegialer Art und Weise behandelt, in sehr verständnisvoller Art und Weise, ohne einen einzigen Vorschlag von anderen vom Tisch zu wischen und ohne diese manchmal doch von Politikern sehr bevorzugte Haltung „Da haben wir aber wieder Recht behalten“, ist uns kein einziges Mal untergelaufen. Ich würde mich – und das werden Sie von mir erwarten, dass ich das sage – sehr freuen, wenn wir das für ein wichtiges Gesetzesvorhaben in diesem Lande, nämlich die Verwaltungsreform, genauso hätten machen können.
Ich finde das schade. Ich weiß, dass Sie das von mir erwarten, weil ich das jetzt seit eineinhalb Jahren so sage, und das ist nichts Neues. Aber es ist an dieser Stelle auch noch einmal eine Möglichkeit, an staatspolitische Vernunft zu appellieren. Man kann nicht grundlegende Entscheidungen in einem Bundesland, grundlegende Entscheidungen, die das Arbeiten und Wirken von gewählten Vertretern, in diesem Fall der kommunalen Vertreter, im Durchzugsverfahren verändern, ohne deren Mitwirkung treffen.
Das ist nicht gut, meine Damen und Herren. Und wenn das heute ein Signal ins Land ist, dass es gut ist, wenn man lange genug miteinander berät, um dann einvernehmlich hier reden zu können und auch einvernehmlich zu handeln, dann ist mein Appell: Lassen Sie es uns bitte versuchen! Egal, wie dieses Wochenende mit irgendwelchen möglicherweise stattfindenden Parteitagen ausgeht, lassen Sie es uns versuchen! Unsere Verfassung hat auch das verdient, dass wir das den Bürgerinnen und Bürgern draußen zeigen. In den großen Fragen – und da greife ich das auf, was Herr Schlotmann gesagt hat – sollten wir Extremisten zeigen, dass dieses System sehr elegant, sehr effizient und sehr überzeugend als demokratisches System allen anderen Systemen überlegen ist und Macht nur auf Zeit da ist und auch gezügelt werden muss durch die Einsicht, dass man alle bei großen Entscheidungsprozessen mitnehmen muss.
Ich wünsche den weiteren Beratungen dieser Verfassungsänderung das Klima, das bis zum heutigen Tage geherrscht hat. Und ich wünsche, dass uns das niemand wegnehmen kann. – Ich bedanke mich bei Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 14. Mai dieses Jahres jährt sich zum 13. Mal der Tag, an dem die Verfassung des Landes mit Zweidrittelmehrheit im Landtag verabschiedet worden ist. Ich kann von mir sagen – wie Herr
Prachtl, wie Andreas Bluhm –, wir sind damals dabei gewesen. Sie ist dann am 12. Juni 1994 per Volksentscheid, also Volksabstimmung, in Kraft gesetzt worden. Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern, wie wir gemeinsam parlamentarisch und, Herr Prachtl, besonders außerparlamentarisch über das Ergebnis der Arbeit miteinander diskutiert und gestritten haben.
Für die PDS damals war das ein intensiver demokratischer Lernprozess und wir haben kräftig mitgemischt. Das Ergebnis ist eine moderne Verfassung. Es ist nicht nur ein Organisationsstatut geworden, sondern eine Vollverfassung mit eigenen spezifischen Grundrechten und umfangreichen Staatszielbestimmungen. Und ich sage heute, diese Verfassung hat sich bewährt. Wir wissen heute wie damals um ihren Wert als Verfassung, als Rechtsgrundlage für unser Gemeinwesen, um ihren friedensstiftenden Charakter und ihre Grenzen für staatliche Macht.
Für die PDS und heute Linkspartei.PDS galt es damals wie heute, sich insbesondere dafür einzusetzen, dass es um die Ausgestaltung der demokratischen Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern geht, über Volksinitiativen und Volksentscheide. Wir haben uns immer eingesetzt und werden uns immer für die Ausgestaltung sozialer Staatsziele und einklagbarer Grundrechte einsetzen sowie für das Recht auf Arbeit, Wohnen und Bildung streiten. Es ging um weit reichende Grundrechtsbestimmungen, aber wenigstens zwingende Ausgestaltung von Staatszielen.
Ich sage hier auch: Leider haben wir nach wie vor keine Diskriminierungsverbote in unserer Verfassung und auch keine klare antifaschistische Grundregel. Dazu kamen damals unzureichende Festschreibungen zum Schutz und zu den Rechten von Kindern und Jugendlichen entsprechend der UNO-Kinderrechtskonvention, die wir heute verändern. Und weil dies damals unzureichend war, haben wir 1994 diese Verfassung abgelehnt und wir sind trotzdem seitdem zum Streiter für die Einhaltung der Verfassung und manchmal zur konsequenten Verteidigerin geworden. Trotzdem legt auch meine Fraktion Ihnen heute diesen Kompromiss zur Veränderung der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern vor und die Werthaltigkeit der einzelnen Regelungen wird natürlich unterschiedlich eingeschätzt. Für uns steht an erster Stelle die Verbesserung der demokratischen Teilhabe unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung, aber einer klaren Option, Bürgerinnen und Bürger sollen es leichter haben, über Volksbegehren auch entsprechende Veränderungen vorzunehmen. Das gilt auch, wenn die Mehrheiten zusammenkommen für das gegenwärtig laufende Volksbegehren, das legitim ist und Rechte nutzt, die wir gemeinsam in diese Verfassung geschrieben haben.
Ich hatte darauf verwiesen, wir verbessern die Rechte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, wir nehmen den Tierschutz in der Form der Grundgesetzänderung auf und wir betonen das eigenständige Recht und den Schutz für ältere Menschen und für Menschen mit Behinderungen. Wir verlängern auch die zukünftige Wahlperiode des Landtages und die Periode der Regierungszeit einer zukünftigen Regierung. Dies war für meine Fraktion nicht die vordringlichste Aufgabe, aber wer das eine will, der darf auch das andere mögen.
Ich bitte Sie deshalb, in dem Wissen um eine sehr heftige Kritik aus meinen eigenen Reihen, diesen Gesetzentwurf in die Ausschüsse zu überweisen.
Ums Wort gebeten hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verfassung unseres Landes gehört zu den wichtigsten Rechtsgrundlagen. Ihre Wirkung reicht in fast alle Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger hinein. Sie sichert die Regeln für ein freiheitliches, friedliches und soziales Zusammenleben, für den demokratischen Ausgleich der Interessen und die Weiterentwicklung des Landes. Sie gibt unserem Gemeinwesen nicht nur seine rechtliche Grundordnung, sie stellt auch einen Grundkonsens aller politischen Kräfte dar.
Ich glaube, man kann sagen, unsere Landesverfassung hat sich seit ihrem In-Kraft-Treten 1994 in der Praxis von Staat und Gesellschaft bewährt. Sie wirkt effizient und zukunftsorientiert, sie ist geachtet und anerkannt, und darauf können die Väter und Mütter dieser Verfassung – ich schaue auch mal zu Herrn Prachtl hinüber – zu Recht stolz sein.
Erst zum zweiten Male steht heute eine Verfassungsänderung auf der Tagesordnung des Parlaments. Wir alle sind uns einig, dass wir Verfassungsänderungen nur sehr vorsichtig und sehr sparsam vornehmen dürfen. Eine Verfassung soll sowohl Verlässlichkeit wahren als auch gesellschaftlichem Wandel Rechnung tragen. Und das wollen wir, meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf leisten. Die Bedeutung einer Verfassung für die Gesellschaft und ihre Akzeptanz durch die Gesellschaft hängen maßgeblich davon ab, dass sie auf einem möglichst breiten Konsens beruhen. Deshalb ist sowohl für die Verabschiedung als auch für die Änderung einer Verfassung ein breiter Konsens in Gesellschaft und Politik erforderlich und – ich schließe mich den Vorrednern an – ich freue mich daher, dass dieser Gesetzentwurf von allen drei im Landtag vertretenen Fraktionen gemeinsam getragen wird. Er zeigt die Kompromissbereitschaft der im Haus vertretenen politischen Kräfte und macht zugleich die Handlungsfähigkeit dieses Parlaments deutlich.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass es uns gelingt, bei gemeinsamen Anliegen über parteipolitische Auseinandersetzungen hinweg an einem Strang zu ziehen – zum Wohle des Landes. Die beabsichtigten Verfassungsänderungen sind das Ergebnis einer offenen, sachorientierten und von allen Seiten verantwortungsvoll geführten Diskussion. Und dafür danke ich allen Beteiligten, insbesondere den Fraktionschefs, ausdrücklich.
Ich begrüße es sehr, Herr Kollege Jäger, dass sich die CDU-Fraktion in der vergangenen Woche doch noch entschieden hat, als Antragsteller mit zu unterzeichnen. Ich
kann allerdings Ihre Kritik an der Verwaltungsreform, die Sie heute hier mit einfließen ließen, nicht teilen. Kein anderes Gesetz haben wir so ausführlich und lange beraten. Zu keinem anderen Gesetz hat es so viele Anhörungen gegeben wie zu der Verwaltungsreform.
Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, wenn Sie dort von Anfang an – inzwischen sind Sie auch auf dem Weg, dass eine Verwaltungsreform notwendig ist – konstruktiv mitgearbeitet hätten.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Egbert Liskow, CDU)
Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass wir miteinander diskutieren und, wenn es sein muss, auch streiten. Sie erwarten, dass wir miteinander um den besten Weg ringen, aber sie erwarten auch, dass wir miteinander handeln und mit gemeinsamer Anstrengung das tun, was für die Zukunft unseres Landes wichtig und notwendig ist. Das ist unsere Aufgabe. Und dass wir das können, haben wir, glaube ich, alle mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bewiesen.
Zu den wichtigsten Inhalten der heute zu beratenden Verfassungsnovelle gehören die Verlängerung der Legislatur auf fünf Jahre sowie die Absenkung des Quorums bei Volksbegehren. Eine Wahlperiode von fünf Jahren verbessert meiner Meinung nach die Möglichkeit, politisches Geschehen längerfristig zu planen und damit wirksamer und kontinuierlicher zu arbeiten. Eine verlängerte Legislatur vergrößert außerdem die Chance, umfangreiche Reformvorhaben zu realisieren. Und ich halte finanzielle und politische Planungssicherheit für eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Politikverdrossenheit und Staatsferne abzubauen und auch das Ansehen der Politiker in der Öffentlichkeit zu verbessern. Unser Ziel ist darüber hinaus die weitere Stärkung der direkten Demokratie. Die geplante Absenkung der Quoren für einen Volksentscheid erleichtert die unmittelbare Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in der Gesetzgebung auch zwischen den Wahlterminen und das ist gut und richtig. Außerdem wird mit der Absenkung auch der demografischen Entwicklung im Land Rechnung getragen.
Meine Damen und Herren, eine Verfassung ist Richtschnur für demokratisches und staatliches Handeln und zugleich politischer Handlungsauftrag, denn sie vermittelt Ziele und Leitbilder, auf die sich der Staat verpflichtet und auf die sich die Gesellschaft hinbewegen soll. Ein zentrales Leitbild unserer Landesverfassung ist der Schutz der Schwächeren. Das gilt ausdrücklich für den Schutz der Kinder. Aber auch Jugendliche sind heute mit immer mehr Anforderungen konfrontiert, denen sie oft nicht gewachsen sind. Sie brauchen Anleitung, Begleitung, Werte- und Wissensvermittlung, aber auch den Schutz durch Erwachsene, um sich zu eigenverantwortlichen und selbstbewussten Persönlichkeiten zu entwickeln. Der Jugendschutz soll daher in der Landesverfassung gestärkt werden, ebenso wie die Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft. Die Jugend baut unsere Zukunft und wir wollen sie dabei unterstützen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Linkspartei.PDS, Renate Holznagel, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)
Meine Damen und Herren, die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen, heißt es, und das gilt auch für den besonderen Schutz alter Menschen und Menschen mit Behinderungen. Natürlich gilt das Grundgesetz auch in Mecklenburg-Vorpommern, dennoch ist es vor dem Hintergrund der nach wie vor großen Schwierigkeiten alter und behinderter Menschen und der demografischen Entwicklung wichtig, ihren Schutz noch einmal ausdrücklich als Verfassungsrecht deutlich zu machen und von hier aus ein Signal für ein solidarisches Miteinander zu setzen.
Ein weiteres Anliegen ist die Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung, um den tatsächlichen Schutz des Einzeltieres zu realisieren.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass wir uns alle während der letzten Monate in großer Verantwortung mit den Wünschen zur Änderung der Verfassung auseinander gesetzt haben. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben alle Beteiligten einvernehmlich, denke ich, eine gute Lösung gefunden. Dies, meine Damen und Herren, ist ein wichtiges Zeichen für die politische Kultur unseres Landes und es zeigt, nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander liegt die Kraft. – Herzlichen Dank.
Barbara Borchardt, D i e Linkspartei.PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig, die Verfasstheit von Mecklenburg-Vorpommern wird durch die Veränderungen, die wir heute auf den Weg bringen wollen, verbessert. Es wurde gemeinsam gestritten, um spezielle Rechte für Kinder, Jugendliche, für sozial Benachteiligte, für Ältere und Behinderte in die Verfassung neu hineinzubringen beziehungsweise ihre Rechte zu verstärken. Und dennoch sage ich, ich hätte mir gewünscht, dass wir gemeinsam den Mut gehabt hätten, nicht nur die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verändern, sondern gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern ein direktes Mitspracherecht zu übergeben, indem wir ihnen über einen Volksentscheid das Recht in die Hand gegeben hätten, zu entscheiden, ob denn die Legislaturperiode vorher beendet werden könnte oder nicht.