Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

(Torsten Renz, CDU: Sozialausschuss!)

Insofern möchte ich mich korrigieren, auch im Sozialausschuss.

Der Antrag sieht vor, dass die investive Bindung aufgehoben wird. Er ist also insofern sehr weitgehend.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen sieht vor, dass im Grundsatz an 40 Prozent investiver Bindung festgehalten wird, aber – und das ist ganz entscheidend – ein Halbsatz angefügt wird: „soweit der Verwaltungshaushalt dadurch keinen Fehlbedarf ausweist“. Mit diesem Halbsatz greifen wir ganz klar die Position des Städte- und Gemeindetages auf, der richtigerweise festgestellt hat, die finanzpolitische Grundsatzentscheidung heißt, erst den Verwaltungshaushalt auszugleichen. Das wird mit diesem zweiten Halbsatz von uns abgesichert.

(Der Abgeordnete Torsten Renz bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Das heißt, erst wenn der Verwaltungshaushalt ausgeglichen ist, greift die investive Bindung bezüglich dieser im Gesetz festgeschriebenen 40 Prozent.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Ich halte dies für einen sehr guten Kompromiss, weil er im Gegensatz zum CDU-Antrag erstens zur Kenntnis nimmt, eine investive Bindung ist wichtig unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Investitionskraft. Das wird ja nicht durch die Beibehaltung der 40 Prozent außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig ist es aber gelungen, mit dieser Formulierung sicherzustellen, dass in jedem Fall erst einmal der Verwaltungshaushalt auszugleichen ist. Insofern sind wir, glaube ich, mit beiden Ansätzen hier am besten beieinander.

Herr Abgeordneter Borchert, gestatten Sie eine Anfrage?

Anschließend. Ich bin gleich fertig.

Abschließend möchte ich, das darf mir noch gestattet sein zu sagen, um Zustimmung zu unserem Antrag bitten, auch die Kollegen der CDU, auch wenn Sie Ihren eigenen Antrag haben, weil ich glaube, dazu sind wir alle viel zu

sehr Kommunalpolitiker hier in unserem Land. Wir kennen doch die Gefechtslage. In der Praxis wird es so sein, dass es, wenn überhaupt, nur eine teilweise investive Bindung gibt, aber in der Regel überhaupt keine investive Bindung, weil leider alle unsere kommunalen Gebietskörperschaften meist keinen ausgeglichenen Verwaltungshaushalt haben. Insofern werbe ich ausdrücklich noch mal für den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Herr Borchert, gestatten Sie jetzt eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Renz?

Ja, gerne, Herr Renz.

Bitte, Herr Renz, stellen Sie Ihre Frage.

Sehr geehrter Herr Borchert, ich habe zwei Anfragen.

Die erste: Ich würde Sie ganz gerne noch einmal bitten, aus Ihrer Sicht darzustellen, warum kein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland dieser investiven Bindung nachkommt, sondern nur Mecklenburg-Vorpommern das einzige Land ist, dass Sie das vielleicht noch mal untersetzen könnten.

Und eine …

Herr Renz, eine Frage und dann entscheidet Herr Borchert, ob er eine zweite beantworten möchte.

Das möchte ich gleich beantworten.

Also das ist ganz klar, weil es gibt vom Bund ja keine Festlegung, wie diese Mittel einzusetzen sind. Insofern sind die Länder in ihrer Entscheidung frei. MecklenburgVorpommern hatte wie gesagt bisher die investive Bindung. Die wird aber jetzt mit unserem Änderungsantrag sehr stark eingeschränkt, ist aber von der Tendenz her und von der praktischen Wirkung vergleichbar mit den Regelungen in den anderen Ländern, sicherlich nicht so weitgehend, das gebe ich zu. Aber es obliegt den Ländern in ihrer eigenen Entscheidungshoheit, die für sie günstigsten Entscheidungen zu treffen, und dieses ist nach meinem Dafürhalten mit unserem Änderungsantrag so gegeben.

Herr Borchert, gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Herrn Renz?

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich würde gerne eine Zusatzfrage zu meiner ersten Frage stellen und hätte dann noch eine weitere Frage.

Meine Zusatzfrage lautet: Herr Borchert, ist es dann nicht der einfachere Weg, die investive Bindung wie in allen anderen Bundesländern einfach auf null zu setzen?

Nein, Herr Renz. Das hatte ich bereits in meinem Redebeitrag versucht zu erklären. Ich möchte mich jetzt hier nicht wiederholen, sondern nur noch mit einem Satz sagen, wir wollen mit unserem Änderungsantrag auch deutlich signalisieren, dass wir die Zielsetzung, die Investitionskraft der Kommunen über diesen Weg zu verstärken, vom Grundsatz her richtig finden.

Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Herrn Renz? (Zustim- mung)

Bitte, Herr Renz.

Herr Borchert, Ihr Änderungsantrag ist der dann rein praktisch so zu verstehen, ich will das nur noch mal deutlich für das Protokoll haben, dass der Kreistag eigenständig entscheiden kann, dass er die Investitionssumme auf null setzt?

(Ministerin Sigrid Keler: Nein!)

Also auf keinen Fall, nein.

(Heinz Müller, SPD: Das Verfahren haben wir auch im Finanzausgleichsgesetz. – Ministerin Sigrid Keler: Das ist doch auch im Finanzausgleichsgesetz.)

Herr Renz ist somit zufrieden mit den Antworten, habe ich Ihrer Gehrichtung entnommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS, und Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Timm von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das stimmt.)

Wer hat es noch im Ohr? Dieses Sprichwort trifft den Nagel auf den Kopf, wenn wir heute die Beratung zum Änderungsgesetz des SGB-II-Ausführungsgesetzes abschließen wollen.

Die Finanzministerin hatte in der letzten Landtagsdebatte in ihrer – ich will es mal so nennen – der Art und Weise angemessenen Einbringungsrede versucht, diese Schwierigkeiten zu schildern. Von der Landesregierung wurde ein einfaches und vor allem transparentes Verfahren zur Verteilung der Ausgleichsmittel angestrebt. Daher sollte nur auf das belastbare Zahlenmaterial abgestellt werden.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis des SGB-IIGesetzesvollzuges im Jahre 2005 hatte sich gezeigt, dass die bisherige vorläufige Mittelverteilung nicht der tatsächlichen Be- und Entlastungssituation der Kommunen im Land gerecht wird. Auch der Bund geht davon aus, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht die tatsächlich eingetretenen finanziellen Auswirkungen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt widerspiegeln. Die regionalisierte kommunale Datenbasis in Mecklenburg-Vorpommern stellt eine sachgerechte Mittelverteilung nicht hinreichend sicher. Es sollen und werden keine Änderungen an den bisherigen Ausgleichszahlungen der Ausgleichsmittel erfolgen. Gleichwohl soll ein neuer Schlüssel gefunden werden, der transparent ist und Kriterien folgt, die die aktuellen Kostenfaktoren und ihre Entwicklung beinhalten. Ausgangspunkt war also die Feststellung, dass die Verteilung nicht den tatsächlichen Sachverhalten entspricht.

Wenn diese Annahme des Gesetzentwurfes richtig ist, so führt ein neuer Schlüssel zwangsläufig zu drei möglichen Szenarien: Die Kommune bekommt a) mehr, b) weniger oder c) zufällig genauso viel Ausgleichsmittel. Es darf nun also von der Ausgangslage des Gesetzentwurfes her nicht verwundern, wenn diese Effekte eintreten. Eine ausschließliche Belastungsorientierung führt natürlicherweise zu einer Verschiebung innerhalb der Kommunen.

Meine Damen und Herren, wir hätten uns zu Beginn der Beratungen und vor allem anhand der Begründung des Gesetzentwurfes vorstellen können, die Regelkreise in der Form des Gesetzentwurfes infrage zu stellen. Transparenz und Klarheit waren die Stichwörter. Die Beratungen haben ein anderes Bild gezeigt: Die Regelkreise machen die Verteilung nicht einfacher. Das 70:30-Verhältnis wird aber eine sachgerechtere Verteilung erzielen als die zwei Stufen von 85,7 Prozent und 14,3 Prozent im bestehenden Ausführungsgesetz.

Grundsätzlich sind die Kriterien sachgerecht, die belastungsorientiert sind, und außerdem soll der Schlüssel transparent und einfach sein. Der Stein der Weisen aber wurde während der abschließenden Beratungen nicht gefunden. Nach kontroverser Debatte im Sozialausschuss wurde diverses Zahlenmaterial ausgetauscht. Der Ausschussvorsitzende stellte seine eigenen Berechnungen zur Verfügung und die Frau Kollegin Schlupp erhielt fünf Minuten vor der Sitzung die Antwort auf eine Kleine Anfrage.

Nun sind die Ausschussberatungen dafür da, damit alle Beteiligten hinterher etwas schlauer sind. Die Frage aber nach den tatsächlichen Be- und Entlastungen der Landkreise und kreisfreien Städte konnte zu keinem Zeitpunkt streitfrei geklärt werden. Eine Ausschussdrucksache dazu gibt es bis heute nicht. Nach Aussage des Sozialministeriums existiert auch kein streitfreies Zahlenmaterial, wogegen der Abgeordnete Heydorn im Bauausschuss aus einem Papier des Finanzministeriums eine Entlastung von 35 bis 44 Millionen Euro der kommunalen Ebene zitierte. Das Sozialministerium bot lediglich eine Grobbilanz des Szenarios außerhalb des Protokolls an.

Streitfreies Datenmaterial, meine Damen und Herren, ist aber die Basis für eine sachgerechte Verteilung der Ausgleichsmittel, nicht nur zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten, sondern den Kommunen insgesamt. Beispielsweise weisen Ludwigslust eine Belastung von 0,9 Millionen Euro und Güstrow eine Entlastung von 28.000 Euro während der Anhörung aus. Die getroffene Verteilung im Gesetzentwurf stellt lediglich einen Kompromiss zur Ausgleichsverteilung dar. Schon im Vorfeld konnten sich die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände nicht auf eine einheitliche Datenbasis festlegen. Auch die Anhörung und die Beratungen in den Ausschüssen erhellten das Bild nicht. Der Kompromiss vollzieht nun einen Spagat anhand von Grobkonzepten und prognostischen Annahmen.

Meine Damen und Herren, bis zum Schluss blieb bei den Beratungen zur Änderung des Ausführungsgesetzes im Sozialausschuss des Landtages die investive Mittelbindung der weiterzuleitenden Wohngeldeinsparungen des Landes strittig. Und in diesem Punkt, so kann man den schriftlichen Stellungnahmen entnehmen, waren sich alle Anzuhörenden einig. Wegen der unterschiedlichen Entlastungsszenarien blieb offen, ob überhaupt eine konkrete Höhe der investiven Mittelbindung vorgenommen werden kann.

Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sollen die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Diese Entlastung hat das Ziel, die kommunale Investitionskraft zu stärken und Freiräume zum Ausbau der Kinderbetreuung zu eröffnen. Schon im Verfahren zur Aufstellung des Landesausführungsgesetzes im September 2004 wurde die Vorgehensweise der Landesregierung kritisiert, die Mittel investiv zu binden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in diesem Punkt stets auf Gesetzentwürfe der abgewählten rot-grünen Bundesregierung verweisen. Entscheidend ist nicht, was in Entwürfen stand, sondern das, was am Ende im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde.

Erhärtet wird die Position der CDU-Landtagsfraktion und der kommunalen Spitzenverbände durch den Fakt, dass Mecklenburg-Vorpommern das einzige Bundesland ist, welches die Weiterleitung der Ausgleichsmittel, hier insbesondere die Einsparung des Landes im Bereich Wohngeld, in Verbindung mit Zweckbeständenauflagen vornimmt. Diese Landesregierung hat unser Land damit wieder einmal in eine Außenseiterposition gebracht und belastet zudem unsere Kommunen. Die Landesregierung will die Kommunen zu Investitionen zwingen, obwohl dieses dann nur über zusätzliche Kassenkredite möglich ist, deren Rahmen weitestgehend ausgeschöpft ist. Außerdem widerspricht die investive Mittelbindung der finanzpolitischen Entscheidung, zunächst die Verwaltungshaushalte auszugleichen, bevor Investitionen getätigt werden. In diesem Zusammenhang muss auch auf den Haushaltserlass des Innenministeriums an die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern für das Haushaltsjahr 2006 vom 10. Oktober 2005 hingewiesen werden.

Und, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, auch der Landkreis Rügen besitzt momentan keinen ausgeglichenen Haushalt