Protokoll der Sitzung vom 27.06.2006

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem der Präsident diesen Beratungsgegenstand in der geänderten Tagesordnung aufgerufen hat, beginnt ein Abschnitt des heutigen Tages, der eine ganze Reihe von gesundheitspolitischen, sozialpolitischen und kinder- und jugendpolitischen Themen betrifft.

Ich darf Ihnen hiermit die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zum Änderungsgesetzentwurf für den Öffentlichen Gesundheitsdienst nahebringen. Es geht bei

diesem Gesetzentwurf darum, dass bei Arzneimitteln, die am Menschen zur Anwendung kommen sollen, klinische Prüfungen notwendig sind. In diesem Zusammenhang ist es ebenso notwendig und richtig, dass Ethikkommissionen tätig werden, um hier Prüfungen vorzunehmen. Insofern haben wir landesrechtlich Bundesrecht nachzuvollziehen.

Der Sozialausschuss hat diesen Gesetzentwurf am 6. April 2006 überwiesen bekommen, hat eine öffentliche Anhörung durchgeführt und hat sich im Ergebnis der öffentlichen Anhörung dafür ausgesprochen, den Abschluss von Haftpflichtversicherungen, die die Ethikkommissionen abzuschließen haben, nicht wie vorgesehen im Gesetzentwurf auf 10 Millionen Euro festzuschreiben, sondern abzusenken und die Höhe von jeweils 5 Millionen Euro zu versichern. Diese Position des Sozialausschusses kam nicht einstimmig zustande. Die Koalitionäre haben sich für diesen Weg entschieden und mehrheitlich ein solches Votum erzeugt. Die Opposition sprach sich dafür aus, dass nicht die Ethikkommissionen die Haftpflichtsumme vertraglich absichern sollten, sondern das Land hier in der Pflicht sei.

Gleichwohl, die Mehrheitsentscheidung gilt. Ich möchte Ihnen deshalb nahelegen, dem Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 4/2168 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2284 zuzustimmen, und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Koplin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat um das Wort gebeten die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ob Sie sich damit einen Gefallen tun? – Harry Glawe, CDU: Okay.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mecklenburg-Vorpommern ist ein anerkanntes Gesundheitsland. Dazu tragen ein sehr gut entwickeltes Gesundheitswesen und dessen vielfältige Verknüpfungen mit wirtschaftlichen Unternehmen bei. Gesundheitswesen und Gesundheitswirtschaft bilden die Säulen unseres Gesundheitslandes. Etwa 80.000 der 86.000 Beschäftigten in der sogenannten weißen Industrie des Landes sind in den Krankenhäusern, in den Arztpraxen, in den Reha-Kliniken, in den Pflegeheimen oder anderen von den Sozialversicherungen finanzierten Bereichen, aber auch im Rahmen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes tätig.

Für das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern und die gesundheitliche Situation unserer Bevölkerung ist ein leistungsfähiger Öffentlicher Gesundheitsdienst geradezu unabdingbar. Seine Aufgaben sind in den letzten Jahren zunehmend durch die weitere Entwicklung von Wissenschaft und Technik, Medizinwissenschaft, die wachsende Einbindung des Umwelt- und Verbraucherschutzes sowie entsprechend angepasste Bestimmungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialgesetzgebung

geprägt. Auch bei uns im Land hat der Öffentliche Gesundheitsdienst eine inhaltliche Neuorientierung erfahren. Er ist in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem aufsuchenden Gesundheitsservice geworden, der alle Zielgruppen umfasst, ob nun im Kindergarten, bei den Einschulungsuntersuchungen, beim Impfen, bei der Überprüfung der Badewasserqualität oder beim Aufbau einer effizienten Gesundheitsberichterstattung.

Im Gesundheitsland gilt es, diesen Öffentlichen Gesundheitsdienst leistungsfähig zu erhalten und den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Deshalb wurde dieser Ihnen vorliegende Gesetzentwurf erarbeitet. Er bildet zugleich die Grundlage dafür, dass wissenschaftliche Forschungen sowie die Entwicklung und Anwendung therapeutischer Methoden in Mecklenburg-Vorpommern rechtss i c her, zügig und anwenderfreundlich forciert werden können. Jährlich werden in Mecklenburg-Vorpommern etwa 300 klinische Prüfungen für neu entwickelte Arzneimittel und medizinische Therapien durchgeführt. Bei diesen klinischen Prüfungen am Menschen ist besondere Sorgfalt geboten. Mittels klinischer Prüfungen sollen die Wirkungen von Arzneimitteln am menschlichen Körper erforscht oder nachgewiesen werden. Klinische Prüfungen dienen damit aber auch zur Feststellung von Nebenwirkungen. Letztlich ist es das Ziel der klinischen Prüfungen, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels zu überzeugen.

Völlig zu Recht müssen klinische Prüfungen deshalb durch die zuständigen Ethikkommissionen vor ihrer Durchführung bewertet werden. Mit dem Inkrafttreten der 12. Arzneimittelgesetznovelle am 14. August 2004 hat der Bundesgesetzgeber das zustimmende Votum der Ethikkommission des Landes als zwingende Voraussetzung für den Beginn einer klinischen Prüfung beschlossen. Dieses Votum muss künftig innerhalb fest vorgegebener Fristen abgeben und begründet werden. Zukünftig wird im Land je eine eigenständige Ethikkommission an den medizinischen Fakultäten der Universitäten Rostock und Greifswald gebildet. Die Zuständigkeit der Ärztekammer in diesem Bereich entfällt fortan.

Das Verfahren und der bisherige verwaltungsverfahrensrechtliche Status der ursprünglich bei der Ärztekammer angesiedelten Ethikkommissionen haben sich damit entscheidend geändert. Die Ethikkommissionen nehmen zukünftig den Charakter einer staatlichen Patientenschutzorganisation mit Behördenstatus ein. Ihre Entscheidungen sind künftig justiziable Verwaltungsakte, können also mit allen Rechtsmitteln angegriffen werden. Sie sind mit einem Haftungsrisiko beispielsweise bei der Nichteinhaltung von Fristen oder bei einer unkorrekten Begründung der Bewertung behaftet.

Die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern befürchtete durch die neue Rechtslage, für Verfahrensfehler in Haftung genommen werden zu können, und forderte deshalb eine gesetzliche Neuregelung. Mit der Anbindung an öffentlich-rechtliche Körperschaften trägt das Land der Neuordnung des Arzneimittelrechtes Rechnung. Das Land trägt für die Ethikkommissionen und ihre staatlichen Aufgaben die Haftung. Die Universitäten Rostock und Greifswald ihrerseits sichern sich für das Haftungsrisiko der bei ihnen eingerichteten Ethikkommissionen ab. Dazu haben sie den Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen.

Über die Höhe des Sicherungsbetrages gab es während der Landtagsberatungen unterschiedliche Auffas

sungen. Während der Regierungsentwurf für beide Universitäten insgesamt einen Betrag von 10 Millionen Euro als angemessene Haftpflichtsumme ansah, argumentierten die Universitäten selbst mit einem geringeren Risiko und verlangten die Festsetzung eines Betrages von 3 Millionen Euro für die abzuschließenden Haftpflichtversicherungen. Der Sozialausschuss hat den Betrag von 5 Millionen Euro festgesetzt und damit, wie ich meine, eine praktikable Entscheidung getroffen.

Es freut mich, dass sowohl in die Ethikkommission der Universität Greifswald wie auch in die Ethikkommission der Universität Rostock jeweils Mitglieder der Ärztekammer einbezogen werden. Damit sind Praktiker in diesen Kommissionen vertreten. Sie können ihren Kenntnisstand dort einbringen und auf diese Weise auch die berufsrechtliche Beratung der Ärzte befördern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit der Ihnen vorliegenden Novelle setzt das Land die veränderten Vorgaben des Bundesgesetzgebers um, erkennt den neuen Rechtscharakter der Ethikkommissionen als staatliche Organisationen an. Sie sind damit Teil eines modernen und leistungsfähigen öffentlichen Gesundheitswesens, das auch in diesem Bereich Service zum Schutz der Patientinnen und Patienten und zur Beförderung des medizinisch-technischen Fortschritts leistet. Ich bitte Sie, dem Entwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zuzustimmen. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Glawe. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zweite Lesung zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst steht heute zur Beratung an. Die wesentlichen Dinge sind durch die Sozialministerin vorgetragen worden.

Das, was in besonderer Weise strittig war, war die Frage: Wie wird es mit den versicherungsrechtlichen Haftungsfragen aussehen, welche Mittel werden bereitgestellt? Wie die Sozialministerin richtig dargestellt hat, gab es dort unterschiedliche Auffassungen, auch bei der Anhörung war das so. Die CDU-Fraktion wollte, dass das Haftungsrisiko durch das Land übernommen wird und das Risiko der Finanzierung nicht bei den Universitäten liegt. Deswegen haben wir in besonderer Weise darauf gedrungen, dass zu diesem Thema eine Anhörung durchgeführt wird. Diese hat unseren Eindruck von der Sachlage bestätigt.

Auch die Frage, dass die Ärztekammer ein gewisses Risiko gesehen hat für zukünftige Haftungsrisiken, ist richtig durch die Sozialministerin dargestellt worden. Insgesamt ist es so, dass an den Universitäten in Greifswald und in Rostock diese Ethikkommissionen ihre Arbeit aufnehmen müssen. Das ist der 12. Novelle des Arzneimittelgesetzes geschuldet.

Meine Damen und Herren! Dem ist nicht viel hinzufügen. Allerdings werden wir dem Gesetzentwurf, so, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen, wir werden uns enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Glawe.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe

die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst auf Drucksache 4/2168. Der Sozialausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung entsprechend seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 4/2284 anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit sind die Artikel 1 und 2 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS sowie Stimmenthaltung der Fraktion der CDU angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2284 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auf Drucksache 4/2284 bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und Linkspartei.PDS sowie Enthaltung der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Infektionsschutzgesetzes (Infektionsschutz- ausführungsgesetz), Drucksache 4/2048, hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses auf der Drucksache 4/2281.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Infektionsschutzgesetzes (Infektions- schutzausführungsgesetz – IfSAG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/2048 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 4/2281 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Sozialausschusses, der Abgeordnete Herr Koplin. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Infektionsschutzausführungsgesetz ist in seinem Entwurf in einer Ersten Lesung im Januar in diesem Hohen Hause beraten und federführend an den Sozialausschuss sowie mitberatend an den Innen- und den Finanzausschuss überwiesen worden. Hintergrund ist zum einen, dass das Bundesseuchengesetz abgelöst wurde durch das Infektionsschutzgesetz des Bundes, und zum anderen ist der Hintergrund die Erweiterung der Meldepflicht für einzelne

Infektionskrankheiten, die landesrechtlicher Regelung bedurften. Wir haben eine öffentliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Hinsichtlich der Anhörungsergebnisse verweise ich auf die Beschlussempfehlung.

Die mitberatenden Ausschüsse haben, soweit ihre Zuständigkeit betroffen ist, unveränderte Annahme empfohlen. Der Sozialausschuss hat in seinen vorgeschlagenen Korrekturen keine inhaltlichen substanziellen Fragen behandelt, sondern lediglich redaktionelle Veränderungen vorgenommen. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf der Landesregierung auf der besagten Drucksache in der Fassung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Danke schön, Herr Vorsitzender.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Herr Glawe für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Infektionsschutzausführungsgesetz liegt jetzt zur Beschlussfassung vor. Die einzige Kritik, die wir als CDU-Fraktion zu diesem Gesetz haben, ist, dass das Infektionsschutzgesetz des Bundes am 1. Januar 2001 das Bundesseuchengesetz abgelöst hat. Für uns schließt sich sozusagen an dieser Stelle der Kreis, dass man fast fünf Jahre gebraucht hat, um hier eine Änderung voranzubringen. Das ist unsere Kritik. Da kann man auch wieder einmal sehen, am Ende werden die Faulen fleißig. In der Frage werden wir dieses Mal sogar zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)