Protokoll der Sitzung vom 30.01.2003

(Beifall Birgit Schwebs, PDS – Zuruf aus dem Plenum: Die war lehrreich.)

Ich will das einmal den Historikern überlassen, was die Vergangenheit betrifft. Die letzten Ausführungen waren äußerst amüsant, die gingen dann ja schon ins 19. Jahrhundert zurück. Aber, ich glaube, wir müssen vor allem einmal feststellen, wo sind wir heute. Und dann schauen wir in die Zukunft.

Da sieht es so aus, dass tatsächlich ein Eurorapid von Amsterdam über Hamburg, Schwerin nach Berlin und dann vielleicht weiter nach Prag, Wien, Budapest eine sehr attraktive verkehrspolitische Vision ist. Vor allem Mecklenburg-Vorpommern könnte etwas davon haben, denn unser Land ist keineswegs an Hochgeschwindigkeitsbahnen angebunden, so dass wir uns wunschlos glücklich zurücklehnen könnten. Schon allein aus diesem Grund wäre ein solches Vorhaben interessant, vor allem auch für den Raum Westmecklenburg.

Und dann ist die Magnetschwebebahntechnik auch noch unter technologischem Gesichtspunkt äußerst interessant. Ja, mich persönlich fasziniert sie, sie ist wirklich fortschrittlich, sie ist zukunftsweisend. Ich glaube, sie ist eine Technik, mit der man auch in Zukunft noch rechnen muss. Jetzt kommt aber das „Aber“. Doch ob der Eurorapid ein realisierbares Projekt ist oder nur eine schöne Idee, das ist gegenwärtig noch nicht klar. Gegenwärtig gibt es da – ich sage, leider – noch viel mehr Fragen als Antworten. Es geht um den Bau einer Magnetschwebebahn von Amsterdam nach Groningen, von dort dann vielleicht weiter nach Hamburg und von dort aus möglicherweise weiter nach Berlin.

Ende 2001 hat das Kabinett in Den Haag eine Grundsatzentscheidung für den Bau einer Hochgeschwindigkeitsverbindung auf der Strecke Amsterdam–Groningen getroffen, eine Grundsatzentscheidung. Die tatsächliche Entscheidung für die niederländische Strecke ist aber noch nicht gefallen.

Hamburg, Bremen und Niedersachsen haben sich dafür ausgesprochen, diese Strecke von Groningen nach Hamburg zu verlängern. Die drei Länder und der Bund wollen nach einer eventuellen positiven Entscheidung in den Niederlanden für die Strecke Groningen–Hamburg eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben. Voraussetzung ist, dass Amsterdam–Groningen auch wirklich gebaut wird. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist und sich auch die Streckenverlängerung von Groningen bis Hamburg wirtschaftlich betreiben lässt, dann, und nur unter diesen Voraussetzungen, ist auch eine Verlängerung der Strecke über Hamburg hinaus nach Berlin über Schwerin denkbar,

(Beifall Ute Schildt, SPD)

denn dass die Teilstrecke Hamburg–Schwerin–Berlin mit schwarzen Zahlen nicht zu betreiben ist, hat sich ja in der Vergangenheit leider zur Genüge gezeigt. Also momentan besteht hier kein Bedarf, Aktionismus zu entfalten. Wir können in aller Ruhe Überlegungen anstellen und daran arbeiten. Wir müssen erst einmal abwarten, ob das Thema wirklich für uns auf die Tagesordnung kommt.

Meine Damen und Herren, die Finanzierung der Strecke auf deutscher Seite ist, da sich auch kein Privater findet, Aufgabe des Bundes, denn eine solche Magnetschnellbahnverbindung müsste zweifellos als Bundesverkehrsweg eingestuft werden. Nicht hilfreich wäre es, wenn wir als Land ein solches Vorhaben …

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das haben wir ausdrücklich beantragt.)

Nicht hilfreich wäre es – auch wenn Sie es beantragen –, wenn wir als Land ein solches Vorhaben für den Bundesverkehrswegeplan jetzt anmelden würden. Die Finanzdecke im Bundesverkehrswegeplan ist knapp und die Anmeldung würde unweigerlich zu Lasten aller anderen Projekte im Land gehen, der A 241, der A 14, der Ortsumgehungen und auch der Anbindung Neubrandenburgs nach Süden. Diesen Weg, Herr Dr. Born, der Anmeldung für den Bundesverkehrswegeplan, gehen deshalb auch die anderen norddeutschen Länder nicht. Doch bei einem solchen Projekt wie dem Eurorapid ist nicht nur wichtig, dass die Investition finanziert werden kann. Es muss auch sichergestellt sein, dass die Magnetschnellbahnverbindung wirtschaftlich betrieben werden kann

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und nicht dauerhaft rote Zahlen schreibt, denn nur dann kann sich ein Betreiber finden. Ein privater Betreiber soll es ja sein. Auch die Deutsche Bahn AG ist ja eine Aktiengesellschaft und ein privater Betreiber und sie kann sich nicht auf finanzielle Abenteuer einlassen.

Meine Damen und Herren, für einen wirtschaftlichen Betrieb braucht man einen Betreiber, der das dann auch ohne Subventionen macht. Mit Subventionen kann jeder wirtschaftlich sein, das ist klar, es muss also ohne dauerhafte Subventionen abgehen. Und hierfür einen zu finden, ist sicher eine ganz schwierige Aufgabe. Gelöst ist sie bisher noch nicht.

Meine Damen und Herren, verkehrspolitische Visionen sind wichtig, doch wenn es an die Umsetzung geht, muss man die Dinge ganz nüchtern und mit wirklich unbestechlichem Blick ansehen. Beim Eurorapid gibt es eine Fülle von Voraussetzungen, die erst eintreffen müssen, bevor das Ganze ein Thema für Mecklenburg-Vorpommern wird. Und es macht, glaube ich, auch politisch wenig Sinn, wenn man Eier bebrütet, bevor sie gelegt sind.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Doch ich kann Ihnen heute sagen, wenn der Eurorapid kommt und wenn hier ein Ei gelegt ist, dann werden wir uns konstruktiv daran beteiligen und konstruktiv daran mitwirken. – Danke sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wird natürlich schwierig für den verkehrspolitischen Sprecher der SPDLandtagsfraktion, nach dem Wirtschaftsminister zu reden, aber das Problem werde ich wahrscheinlich die nächsten Jahre noch öfters haben. Somit bemühe ich mich auch heute, das so gut wie möglich zu lösen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Vielleicht, damit der Überraschungseffekt für die CDUFraktion nicht ins Unerträgliche steigt, gleich zu Beginn eine grundsätzliche Aussage: Die SPD-Fraktion steht weder der Magnetschwebebahntechnologie im Allgemeinen noch einer Magnetschwebebahn von Hamburg über Schwerin nach Berlin im Besonderen ablehnend gegenüber. Ich weiß zwar nicht, ob man eine Technologie, die immerhin schon so alt war oder ist, dass ich, glaube ich, noch nicht wahlberechtigt war, noch als modern bezeichnen kann …

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD – Heinz Müller, SPD: Als das Patent erteilt wurde, hast du noch nicht gelebt.)

So weit wollte ich jetzt nicht gehen, Heinz, aber die Frage ist nicht unbedingt, wie alt eine Technologie ist, sondern wie groß die Zukunft ist, die sie hat. Und da gebe ich Ihnen, Herr Kollege Born, sicherlich Recht.

Die Magnetschwebebahntechnologie, ob man das nun Transrapid oder jetzt Eurorapid nennt, stellt aus Sicht der SPD eine innovative, zukunftsorientierte Technologie dar, die, sinnvoll eingesetzt, eine Bereicherung der verkehrlichen Infrastruktur auch in unserem Land durchaus darstellen kann.

Ich will nicht alles das wiederholen, was Sie, Herr Kollege Born, und der Wirtschaftsminister selber auch gesagt haben. Daraus hat sich ja schon ergeben, dass sich die Landesregierung – und in dem Zusammenhang natürlich in Abstimmung mit der SPD-Fraktion – auch in der Vergangenheit durchaus positiv und offen zu den Plänen eines Eurorapids gezeigt hat. Auch die Tatsache, dass sich in der Vergangenheit wesentliche Teile – und das muss man auch offen zugeben – der Landes-SPD kritisch gegenüber einer Transrapidtrasse in diesem Land oder durch dieses Land gezeigt haben, ist nicht Ausdruck von

Technologiefeindlichkeit, sondern das Ergebnis einer kritischen Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen einer solchen Entscheidung für dieses Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und, meine Damen und Herren, diese Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen einer solchen Entscheidung für dieses Land in einer ganz konkreten Situation ist im Endeffekt das, was der Antrag der CDU vollständig vermissen lässt. Für die SPD-Fraktion stellt sich in diesem Zusammenhang da eine einfache Frage: Braucht man diesen Antrag zu diesem Zeitpunkt?

(Michael Ankermann, CDU: Ja.)

Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob wir ihn vielleicht in einem Jahr oder in zwei Jahren brauchen, sondern hier und heute gibt es diese einfache Frage, gibt es auch eine einfache Antwort: Heute zumindest brauchen wir ihn nicht.

Daraus ergibt sich die zweite Aussage: Wir werden heute als SPD-Fraktion den Antrag der CDU ablehnen. Die Strecke Hamburg–Berlin ist aus Sicht der SPD-Fraktion derzeit unreale Perspektive. Und das ist nicht, um eventuellen Einwendungen Ihrerseits vorzubeugen, einer tatsächlich nicht gegebenen Ablehnung seitens der SPDFraktion gegenüber der Technologie oder Trasse als solcher geschuldet, sondern vielmehr dem Umstand, dass nach der übereinstimmenden Auffassung aller beteiligten Bundesländer – und damit sind ja auch CDU-Bundesländer mit betroffen sowie der Bund – Voraussetzung für die Realisierung einer solchen Transrapid- oder Eurorapidstrecke zwischen Hamburg und Berlin eine abschließende positive Entscheidung der niederländischen Regierung zu einer Transrapidstrecke zwischen Groningen und Hamburg ist.

In diesem Zusammenhang muss man aber auch ganz deutlich sehen, dass die niederländische Regierung sich erst Ende des letzten Jahres erstmals grundsätzlich für den Bau einer Hochgeschwindigkeitsverbindung auf der Strecke zwischen Amsterdam und Groningen ausgesprochen hat, ohne sich dabei in diesem Zusammenhang schon festzulegen, ob es eine Magnetschwebebahntechnologie sein soll oder eine, wollen wir es mal so sagen, herkömmliche Technik, wobei ich der ICE-Technologie – oder was es in diesem Zusammenhang in Europa sonst noch alles gibt – nicht zu nahe treten möchte.

Eine endgültige Entscheidung darüber, ob und mit welcher Technologie diese Streckenführung tatsächlich realisiert wird, ist allerdings überhaupt noch nicht getroffen worden. Auch eine Entscheidung, ob und, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt eventuell eine solche Strecke von Groningen nach Hamburg fortgeführt werden soll, steht noch vollkommen aus.

Da lässt sich zu der von Ihnen geforderten höchsten Priorität nur Folgendes sagen: Diese höchste Priorität kann dem Thema tatsächlich nur dann eingeräumt werden, wenn die niederländische Regierung sich abschließend zu einer positiven Entscheidung für eine Transrapidstrecke durchgerungen hat, die von Amsterdam nach Groningen führt, und die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Bremen nach einem entsprechenden Markterkundungsverfahren, denn man muss auch dort erst einmal wissen, ob es sich überhaupt rentiert, die Entscheidung für eine Fortführung der Strecke nach Hamburg mit den entsprechenden Zwischenhalten getroffen haben. Und in diesem

Zusammenhang muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob die Ziffer 2 Ihres Antrages denn dann – das unterstelle ich Ihnen jetzt aber auch nicht – wirklich ernst gemeint sein sollte.

Wenn es tatsächlich zu einer entsprechenden Trassenführung kommen sollte, dann stellt sich auch im Zusammenhang mit der Finanzierung der ganzen Angelegenheit natürlich die Frage, woher die Finanzmittel kommen sollen. Und, Herr Minister Ebnet hat es eben schon angesprochen, die Finanzmittel können dann sicherlich nicht aus den allgemeinen Finanzmitteln der Bundesverkehrsplanung kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Angesichts des Umstandes, dass die nunmehr projektierte Strecke zwischen Düsseldorf und Dortmund mit nur 79 Kilometern Länge nach den derzeitigen Erkenntnissen circa 3,2 Milliarden Euro kosten soll und der Bund hiervon allein 1,75 Milliarden Euro übernehmen will, muss auch im Hinblick auf eine Eurorapidstrecke in unserem Land deutlich gesagt werden, dass nur eine Finanzierung außerhalb der im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung angedachten Mittel erfolgen kann. Anderenfalls ließe sich nicht ausschließen, dass andere für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes dringend notwendigen Infrastrukturmaßnahmen in den verschiedensten Regionen entweder ganz entfallen oder verschoben werden sollen. Meine Damen und Herren von der CDU, ich gehe auch nicht davon aus, dass Sie das tatsächlich beabsichtigen!

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage von Herrn Dr. Born? (Zustim- mung)

Herr Dr. Born.

Vielen Dank.

Herr Kollege, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie meine Auffassung teilen, dass das Projekt in NordrheinWestfalen sowohl unter ökonomischen als auch unter allen anderen denkbaren Gesichtspunkten bei weitem nicht so sinnvoll ist wie eine Mittelstrecken- oder Fernverbindung und man deshalb vielleicht darüber nachdenken sollte, ob man diese Mittel nicht sinnvollerweise für andere Streckenführungen einsetzt?

Sehr geehrter Herr Kollege Born, ich gehe davon aus, dass wir die Auffassung teilen, dass sowohl die Streckenführung von München zum Flughafen Franz Josef Strauß als auch die zwischen Düsseldorf und Dortmund wahrscheinlich weniger Sinn als eine tatsächlich internationale Verbindung hat, die große Städte wie Hamburg oder Berlin verbinden sollte. Da sind wir einer Meinung.

Vielen Dank.

Die Aufnahme der Strecke Hamburg–Berlin, meine Damen und Herren, in den vorrangigen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes auf Antrag oder mit entsprechender Unterstützung des Landes – und auch hierauf hat der Wirtschaftsminister schon hingewiesen – würde daher zwangsläufig dazu führen, dass bestimmte Projekte in diesem Land wegfallen würden. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sich tatsächlich hier in diesem Land hinstellen und sagen wollen, zum Beispiel, dass die A 241 gestrichen werden soll, Ortsumgehungen – vielleicht gerade in Ihren Wahlkreisen – oder aber die Ver

bindung der Stadt Neubrandenburg an das Bundesfernstraßennetz, die ja nun dringend erforderlich ist.

Aufgrund dieser Umstände muss man tatsächlich sagen, dass Ihr Antrag, so, wie er zum jetzigen Zeitpunkt gestellt worden ist, nicht realisiert und so auch nicht von der SPD-Fraktion unterstützt werden kann. Vielmehr muss sichergestellt werden, wenn es denn tatsächlich dazu kommen sollte, dass die anderen Voraussetzungen, die ich eben angesprochen habe, gegeben sind, dass dann ernsthaft geprüft wird, welche finanziellen Mittel insgesamt zur Verfügung stehen, welche finanziellen Mittel vonseiten des Bundes zur Verfügung gestellt werden können und ob eine wirtschaftliche Beteiligung und eine finanzielle Beteiligung des Landes, die auch dann sicherlich zwingend erforderlich ist, sich tatsächlich aus volkswirtschaftlichen Gründen für unser Land vertreten lässt.

Wenn man sieht, dass das Land Nordrhein-Westfalen – und da komme ich zu dem Beispiel jetzt wieder zurück, das Sie eben angesprochen haben – für das Projekt zwischen Düsseldorf und Dortmund Kredite in Höhe von 700 Millionen Euro zur Verfügung stellt und die betroffene Industrie, die das ganze Projekt dann umsetzen soll, sich letztendlich trotzdem weigert, selber mit einem Eigenanteil von 200 Millionen Euro sich an dem Projekt zu beteiligen, weil sie offenkundig Bedenken hat, dass die Strecke sich betriebswirtschaftlich rechnet, dann muss man wirklich fordern, dass in diesem Land bei den knappen Kassen, die wir haben, mit dem Geld nur das wirklich gemacht werden kann, was wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn es sich für dieses Land herausstellen sollte, wie Herr Minister Ebnet das angesprochen hat, dass eine Verbindung von Berlin nach Schwerin und weiter bis nach Hamburg wirtschaftlich positive Effekte aufgrund der damit verbundenen Infrastruktur für dieses Land mit sich bringt, dann bin ich sicherlich der Letzte, der sich dagegen aussprechen wird.

Ich habe allerdings grundsätzlich Bedenken gegen Prestigeobjekte. Ich habe, als ich jetzt die Tage bei der IHK in Schwerin war und auf dieses Thema angesprochen wurde, schon Einwände dagegen, dass wir eine Strecke hier bauen, wo dann auf der einen Seite Menschen mit vielleicht 500 Stundenkilometern durch dieses Land rasen und auf der anderen Seite die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes in der Nähe der Strecke stehen und gucken, was für ein Zug da durchführt, und das ist dann der ganze Effekt gewesen, den wir für dieses Land haben.