Protokoll der Sitzung vom 30.06.2006

Danke schön, Herr Koplin.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Glawe von der Fraktion der CDU.

Ich dachte, Frau Ministerin redet.

Herr Glawe, Sie haben das Wort.

Ich bin etwas irritiert. Das letzte Mal war es so, dass die Ministerin vor mir geredet hat. Diesmal wieder nicht oder nach mir?

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Vielleicht muss sie ja gar nicht mehr reden.)

Nach mir, gut, okay.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das trägerübergreifende persönliche Budget steht auf der Tagesordnung. Und wie Herr Koplin richtig ausgeführt hat, hat der Bundesgesetzgeber den 01.01.2008 als Marschroute festgelegt. Die Eckdaten sind bekannt. Leider ist in unserem Land kein Modellprojekt in dieser Angelegenheit angelaufen. Nichtsdestotrotz müssen wir uns darauf vorbereiten, insbesondere im Interesse der behinderten Menschen und der chronisch Kranken.

Die entscheidende Frage, die zu den Ausführungen von Herrn Koplin zu nennen ist, ist doch, wir müssen Betreuer darauf vorbereiten. Die Landkreise, Städte- und Gemeindetage, Behinderte, Kassen, Reha, alle müssen in ein Boot, um die Debatte zu führen. Auch viele Einrichtungen haben in dieser Frage noch erheblichen Beratungsbedarf, um die Dinge vorzubereiten.

Was mich heute ein bisschen überrascht, Frau Ministerin, ist, dass Sie nicht zur Gesundheitsministerkonferenz gefahren sind, sondern dass Sie hier sind. Eigentlich hätte ich gedacht, dass Sie die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern gestern und heute in Dessau vertreten, da Sie ja in besonderer Weise immer angekündigt haben, dass Sie sehr aktiv sind und sich immer wieder für dieses Land einbringen wollen.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das macht sie auch.)

Aber dieses Mal scheint das Thema für Sie nicht so spannend zu sein.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Da ist der Staatssekretär gefahren, weil es notwendig ist, dass die Ministerin zu ihren Themen im Landtag anwesend ist. Sonst hätten Sie sie zitiert.)

Meine Damen und Herren, zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse muss auch in unserem Land für Behinderte eine Verantwortung wahrgenommen werden und die Vorbereitungen müssen intensiviert werden. Das ist auch der Antrag, den Sie hier gestellt haben. Allerdings ist dieser Antrag wenig wert, da die Wahlperiode ausläuft und unsere Nachfolger das alles erneut aufrollen müssen. Deswegen ist es ganz gut, dass Sie zu Ihrer eigenen Beruhigung solche Anträge stellen und die Ministerin und alle anderen zum Handeln aufrufen wollen, denn am Ende geht es ja um die Rahmenbedingungen, die durch das Land festzulegen sind. Und da muss man natürlich noch einige Hausaufgaben leisten. Wir stehen dieser Geschichte nicht ablehnend gegenüber. Ich hoffe, dass wir in einer relativ schnellen Debatte zu einem guten Ergebnis kommen, und zwar noch vor dem Jahre 2008. Andererseits wissen wir aber auch, dass viele Ängste und

Unsicherheiten im Land bei den Behinderten vorhanden sind. – Vielen Dank.

(Beifall Dr.Ulrich Born, CDU, und Karin Strenz, CDU)

Danke schön, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist tatsächlich mit der Einführung des IX. Buches Sozial gesetzbuch im Jahr 2001 in Deutschland die rechtliche Grundlage dafür geschaffen worden, dass Menschen mit Behinderungen anstelle von Sachleistungen ein persönliches Budget in Anspruch nehmen können und damit ein bedeutsamer Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik erfolgt. Menschen mit Behinderungen erhalten auf diese Weise zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem Steuerungschancen in Bezug auf ihre Lebensgestaltung. Die Leistungserbringer können wirtschaftlicher und effektiver arbeiten. Ihre Leistung wird aus einer Hand erbracht. Budgetnehmern bleibt, Herr Koplin hat es geschildert, der nicht unerhebliche Aufwand erspart, jeden der verschiedenen Leistungsträger einzeln in Anspruch nehmen zu müssen.

Schon heute informieren Servicestellen im Rahmen ihrer Aufgaben über die Leistungsvoraussetzungen. Leistungen der Rehabilitationsträger klären den persönlichen Bedarf ab und helfen so bei der Inanspruchnahme des persönlichen Budgets. Ob tatsächlich ein persönliches Budget gewährt wird, entscheiden die Leistungsträger derzeit nach Ermessen im Einzelfall. Erst ab 2008 besteht ein Rechtsanspruch, Leistungen verschiedener Träger auch in der Leistungsform des persönlichen Budgets zu erhalten. Und da es gegenwärtig in Deutschland noch keine fl ächendeckenden Erfahrungen mit der Ausgestaltung persönlicher Budgets gibt, besteht also im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 die sogenannte Modellerprobungsphase zum trägerübergreifenden persönlichen Budget.

Es wurde schon gesagt, dass Mecklenburg-Vorpommern in dieses Modellprojekt nicht eingebunden ist, aber es ist selbstverständlich, dass hier im Land Leistungsträger erste Erfahrungen sammeln. Wir haben gute Erfahrungen in der Hansestadt Rostock. Dort wird in der Selbstverwaltung mit dem persönlichen Budget bereits gearbeitet. Die Landesregierung wird die entsprechenden Ergebnisse auswerten. Sie wissen, sie werden ja wissenschaftlich begleitet, so, wie es sich auch gehört, um entsprechende Erfahrungen verallgemeinert im Lande umzusetzen. Der Antrag legt hier für dieses Handeln die Grundlage. Ich plädiere für die Annahme. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Rudolf Borchert, SPD, und Detlef Müller, SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Frau Ministerin, ich muss Sie korrigieren, denn der Antrag legt hier keine Grundlage. Die Grundlage für das, was kommt, steht im Gesetz.

(Ministerin Dr. Marianne Linke: Ja, okay, gut.)

Und ich sage an dieser Stelle ganz ehrlich, als uns der Antrag vorgelegt wurde, haben wir uns schon ein bisschen gefragt,

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Nun hau uns nicht in die Pfanne, du! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

was damit beabsichtigt wird.

(Torsten Renz, CDU: Nicht, dass Sie am Ende den Antrag ablehnen wollen, Herr Heydorn?)

Die gesetzliche Grundlage ist geschaffen worden und zum 01.01.2008 ist das persönliche Budget umzusetzen, das besagt Paragraf 17 Absatz 2 SGB XI. Wir haben uns mit dem Antrag etwas näher beschäftigt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man dem zustimmen sollte.

An dieser Stelle möchte ich einfach noch einmal darauf eingehen, welche fortschrittliche Sozialpolitik mit dem SGB IX durch Rot-Grün auf der Bundesebene umgesetzt worden ist. Also hier ist nur ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik vorgenommen worden, der, denke ich, in der Öffentlichkeit noch gar nicht so richtig wahrgenommen worden ist.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Der ist noch gar nicht so richtig wahrgenommen worden und der hat im Grunde für die betroffenen Menschen in erheblichem Umfang mit Verbesserungen zu tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Ich denke, man kann das an dieser Stelle tun, man muss das würdigen, man muss darauf aufmerksam machen.

Ab dem 01.01.2008 kommen auch in MecklenburgVorpommern Veränderungen in der Behindertenhilfe auf uns zu, die, denke ich, das System ziemlich umkrempeln werden. Und Herr Koplin hat gerade schon darauf hingewiesen, dass der Sozialausschuss eine Fahrt nach Rheinland-Pfalz gemacht hat, um in Rheinland-Pfalz auch mal über das Thema „Persönliches Budget“ zu reden. In Rheinland-Pfalz ist bekanntermaßen die SPD in Regierungsverantwortung. Die Sozialministerin heißt Malu Dreyer und die macht das ganz hervorragend. „Persönliches Budget“ läuft modellhaft in Rheinland-Pfalz seit 1998. Seit Mitte 2004 ist das persönliche Budget in Rheinland-Pfalz fl ächendeckend eingeführt worden. Anfang 2004 nahmen in Rheinland-Pfalz 771 Bezieher am persönlichen Budget teil. Davon waren 52,5 Prozent psychisch, 27,6 Prozent geistig und 17,9 Prozent körperlich behindert. Rheinland-Pfalz hat die fl ächendeckende Umsetzung bereits heute.

Es ist hier von dem Kollegen Koplin schon sehr gut dargelegt worden, worum es eigentlich geht bei dem persönlichen Budget. Das persönliche Budget verfolgt mehrere Ziele. Es geht auf der einen Seite darum, die Autonomie und Selbstbestimmung der Betroffenen zu verbessern. Der von Ihnen erwähnte Matthias Vernaldi, den habe ich mal persönlich in einem Vortrag erlebt, sagte, dass er selbst entscheiden möchte, wen er an seinen Körper heranlässt, dass es für ihn eine Vertrauensgeschichte ist und er beispielsweise auch selbst darüber entscheiden möchte, ob er morgens um halb vier sich auf den Weg macht irgendwo ins Grüne, um großen Brachvögeln zuzuhören. Ich denke, die Dinge werden dadurch

zum Ausdruck gebracht. Der nimmt heute schon an einem derartigen Modellprojekt teil. Das sind immer so Dinge, die hier auf breiter Basis kommen werden.

Aber Autonomie und Selbstbestimmung sind nur ein Bereich. Es geht bei der Einführung des persönlichen Budgets auch um eine höhere Effi zienz in der Leistungserbringung, dass man den Menschen die Verantwortung für das Geld gibt, die dann ihren Hilfebedarf selbst bestimmen und selbst realisieren können, selbst aushandeln können mit Leistungsanbietern. Deswegen sind nicht alle Leistungsanbieter begeistert bei dem Thema „Persönliches Budget“. Und man verbindet damit auch die Hoffnung von Kosteneinsparungen.

(Harry Glawe, CDU: Wettbewerb! Wettbewerb!)

Das sind die Dinge, die der Gesetzgeber damit im Auge gehabt hat. Insgesamt, sage ich mal, dient der Antrag dazu, auf das Thema aufmerksam zu machen.

(Harry Glawe, CDU: Mehr auch nicht. – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Er geht also immer in die richtige Richtung und ich bitte darum, dass wir ihm heute hier unsere Zustimmung erteilen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Danke schön, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gestehen, Herr Heydorn, dass ich Sie recht gut leiden kann,