Protokoll der Sitzung vom 09.07.2010

Hier im Land wurde diese Woche aus Kostengründen die Kreisstrukturreform beschlossen. Dies soll gerade in den Verwaltungen zu Einsparungen führen. Durch ein einheitliches Bildungswesen in Deutschland könnten in den Ländern ganze Heerscharen von Beamten und Angestellten in den Ministerialbürokratien eingespart werden. Dem würde aber das Grundgesetz entgegenstehen, so argumentieren Sie, wenn Sie den Fortbestand der Kultusministerien in den Ländern rechtfertigen. Auf der anderen Seite peitschen Sie ein EU-Harmonisierungsgesetz nach dem anderen durch die Landtage der BRD. Ihnen fehlt der politische Wille für ein einheitliches Bildungswesen in Deutschland. In Zeiten der reinen Schuldenpolitik können wir uns aber solche Wasserköpfe wie die Landeskultusministerien nicht mehr leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Der Antrag der LINKEN ist ebenfalls nur als ein Herumdoktern an den Symptomen einer verfehlten Bildungspolitik zu betrachten und wird deshalb von der NPD abgelehnt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Da haben wir aber Glück.)

Danke, Herr Lüssow.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Bluhm von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte hat deutlich gemacht, die vier demokratischen Fraktionen ziehen hier an einem Strang. Wir wollen das Bildungsministerium nicht abschaffen, es hat hier seine Berechtigung und Aufgabe und Verantwortung. Wir haben eine föderale Struktur in der Bundespolitik. Es zeigt sich, dass das Kooperationsverbot auf dem Gebiet der Entwicklung von Schul- und Hochschulpolitik ein Hemmnis darstellt. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. Ich danke Ihnen für die Diskussion in diesem Zusammenhang und freue mich auf eine gemeinsame Entscheidung hier in diesem Parlament.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Danke schön, Herr Bluhm.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So eine Einigkeit zum Schuljahresende.)

Ich schließe die Aussprache.

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3638 ist zwischenzeitlich von dem Antragsteller zurückgezogen worden.

(Zuruf von Minister Henry Tesch)

Ich lasse daher über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/3640 abstimmen. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/3640 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion der FDP und Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3572 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3572 mit den beschlossenen Änderungen mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion der FDP und Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Meine Damen und Herren, von der Fraktion der FDP liegt Ihnen auf Drucksache 5/3659 ein Antrag zum Thema „Erklärung zu der neuen Bäderverkaufsverordnung“ vor. Auf Wunsch der Antragsteller soll die Tagesordnung um diesen Antrag erweitert werden. Gemäß Paragraf 74 Ziffer 1 unserer Geschäftsordnung kann diese Vorlage beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss die Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden.

Wird das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gewünscht? – Bitte, Herr Fraktionsvorsitzender, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Zum gleichen Zeitpunkt, als wir gestern hier gemeinsam die Landtagssitzung abgehalten haben, hat der Minister für Wirtschaft, Herr Jürgen Seidel, die Öffentlichkeit informiert über die neue Bäderregelung. Das war Ansatz und Anlass für uns, für heute einen Dringlichkeitsantrag vorzubereiten, weil wir in unserer Auffassung fest davon ausgehen, dass es Aufgabe des Ministers ist, ad 1: dem Plenum zur Verfügung zu stehen, und ad 2: den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern über diese maßgeblichen Veränderungen auch zu informieren.

Im Nachgang unseres Antrages zur Dringlichkeit habe ich gestern persönlich mit dem Minister gesprochen, der mir sein außerordentliches Bedauern, dass er heute nicht anwesend sein kann, weil er zur Bundesratssitzung anwesend ist, ausgesprochen hat.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Er hat uns doch eingeladen, Herr Roolf.)

Wir haben vereinbart, dass der Minister auf der Grundlage eines FDP-Antrages, den wir für die nächste ordentliche Sitzung des Landtages einbringen werden, hier im September den Landtag über die neue Bäderregelung informiert. Aus diesem Grunde ziehen wir unseren Dringlichkeitsantrag zurück.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Toll! – Rudolf Borchert, SPD: Schaulaufen. – Zuruf von Dr. Fritz Tack, DIE LINKE)

So, dann fahren wir weiter fort in der Tagesordnung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Sicherung von Kulturschätzen, Drucksache 5/3559.

Antrag der Fraktion der NPD: Sicherung von Kulturschätzen – Drucksache 5/3559 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Verbliebene Abgeordnete des Landtags! Bürger des Landes! Vor einem Jahr schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: Drei einzigartige in der Ostsee geborgene Boote aus der Steinzeit waren durch jahrelange unsachgemäße Lagerung ausgetrocknet und verrottet. Kein Mensch hatte sich wirksam für deren Erhalt eingesetzt. Es hatte nach Berichten von Zeitungsmedien einen Briefwechsel zwischen Landesbehörden gegeben, prophetisch war sogar die Zerstörung der betagten Einbäume vom verantwortlichen Professor Friedrich Lüth vorhergesagt worden. Immerhin hatte Professor Lüth noch seine an der Wismarer Hochschule dozierende Kollegin Professor

Claudia von Laar ersucht, Zitat, zu „retten, was noch zu retten ist“. Zitatende. Aber leider scheiterte auch dieser Versuch – die angeblich fehlenden Finanzen. Nun ja.

Ein einfaches Hauswasserwerk, ein paar stabile Gartenteichfolien und ein paar Sprinkler, alles zusammen für ein paar hundert Euro im nächsten Baumarkt zu haben, hätten ausgereicht. Doch die verantwortlichen Behördenchefs waren mehr um ihre Eitelkeit bemüht als befähigt – wie ein geflügeltes Wort aus der DDR-Zeit sagt –, aus dem letzten Scheiß einen Bonbon zu machen. Und welcher hochdekorierte und hochdotierte Behördenchef greift für eine solche Aktion schon in die eigene Geldbörse oder zum Telefonhörer, um die Öffentlichkeit über die Missstände zu informieren?

Am Ende stand ein Desaster. Wie aber konnte es dazu kommen? Die NPD-Fraktion forderte am 2. April letzten Jahres mit einem Antrag die lückenlose Aufklärung der Missstände. Dem schloss sich der einzige Co-Redner, Bürger Vierkant, stellvertretend für alle selbsternannten Demokraten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern an. Er zitierte eine große Anzahl von Tageszeitungen und sagte dann, ich zitiere:

„Meine Damen und Herren, diese Überschriften aus regionalen Tageszeitungen und entsprechende Textpassagen muss ich nicht weiter kommentieren. Eines möchte ich jedoch ergänzen. Ich habe den Eindruck, dass – obwohl alle Experten wussten, welch einen historisch wertvollen Schatz sie da vor sich hatten – der Verfall der Stralsunder Einbäume durch Vernachlässigung verursacht wurde. Sanierung und Konservierung der Bootsteile sind nicht wegen mangelnden Geldes gescheitert, so meine Informationen. Wer wann und warum geschlampt hat, muss ermittelt werden. Ebenso muss ermittelt werden, wer mit welcher Aufgabe überfordert oder vielleicht auch allein gelassen wurde. Wir wissen auch nicht, wer möglicherweise half, das Versagen anderer möglichst lange unter dem Deckel zu halten. Und eben, weil wir dies nicht wissen, ist es wichtig und war es richtig, dass die Landesregierung die Einsetzung einer unabhängigen Expertengruppe zur Untersuchung der Vorgänge um die Stralsunder Einbäume und die Landesregierung so schnell realisiert hat. … Einzelprüfungen, Gesamtschau und Schlussfolgerungen überlasse ich selbstverständlich der unabhängigen Expertengruppe. Dazu ist sie schließlich eingerichtet worden.“ Zitatende.

15 Monate sind seitdem vergangen. Wann hat die Landesregierung das Parlament über ihre Erkenntnisse zu den Vorgängen informiert? Wann wurde hier in diesem Hohen Haus darüber debattiert? In welchem ach so arbeitsamen Ausschuss hat man über den Bericht der Expertengruppe nachgesonnen und Konsequenzen gezogen? Zu welchen Handlungen wurde die Landesregierung aufgefordert? Vielleicht haben ja die selbsternannten Demokraten in geheimen Ausschusssitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – wie das so üblich ist in einem System, in dem angeblich das Volk herrscht, ohne etwas über seine Herrschaft wissen zu dürfen –, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit getagt und Ergebnisse erzielt.

Bürger Vierkant sagte doch seinerzeit, Zitat: „Ihr Antrag ist überflüssig. Wir lehnen ihn ab.“ Zitatende. Seitdem ward Bürger Vierkant in dieser Sache hier nicht mehr gehört. Wenn es also jemanden gibt, der in der Frage der Bewahrung der kulturhistorischen Kostbarkeiten flüssiger als flüssig ist, dann ist es Bürger Vierkant. Seine

überflüssige Blauäugigkeit in allen Ehren, aber wenn es etwas abzulehnen gilt, dann ist es der Opportunismus und das Dunkelmännertum, die in diesem Parlament vorzuherrschen scheinen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die Sonne scheint ins Kellerloch.)

In einem Bericht des NDR vom 8. April 2010, gerade vor drei Monaten, hört und liest man von gegenseitigen Vorwürfen der Verantwortlichen. Unter der Überschrift „Hat Ministerium Mitschuld an Verrottung der Einbäume?“ kommen verschiedene Darstellungen des Sachverhalts zur Sprache, Zitat: „Eine von der Landesregierung eingesetzte Expertenkommission hatte im Mai 2009 nach Untersuchungen festgestellt, dass die Einbäume einem Versagen der Leitung des Landesamtes für Bodendenkmalpflege“ – Professor Dr. Friedrich Lüth – „zum Opfer gefallen waren. Zudem sei das Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern seiner Fachaufsicht nicht nachgekommen.“ Zitatende. Das sind schwere Vorwürfe.

Der NDR fährt weiter schweres Geschütz auf, Zitat: „Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Landesarchäologen, Jürgen Kunow, gibt dem Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern eine Mitschuld an der Zerstörung der drei 6.000 bis 7.000 Jahre alten Boote, die im Jahr 2002 bei Bauarbeiten in Stralsund gefunden worden waren.“ Zitatende.

Und weiter heißt es, Zitat: „Kunow kritisierte, dass in dem Bericht der Expertenkommission nicht auf die schlechten Arbeitsbedingungen der Archäologen eingegangen worden sei. Eine Arbeitsgruppe seines Verbandes habe sich deshalb im Sommer 2009 noch einmal mit den Hintergründen befasst. Dabei seien auch zahlreiche Unterlagen ausgewertet worden, welche die Expertengruppe nicht berücksichtigt habe.“ Zitatende.

Das lässt Zweifel an der vom Ministerium eingesetzten Expertenkommission aufkommen. Ihre Arbeit musste offenbar in aller Eile zum Abschluss gebracht werden. Jedenfalls stehen Expertengruppe und Arbeitsgruppe des Archäologenverbandes widersprüchlich zu den Ereignissen. Ich möchte dies an Einzelheiten nachweisen.

(Beate Schlupp, CDU: Was wollen Sie jetzt damit erreichen?)

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Landesarchäologen Jürgen Kunow, Zitat, „teilte am Donnerstag“, also einem Tag im April 2010, „mit, das Ministerium habe unmittelbar nach dem Fund schriftlich zugesagt, Räume für die Konservierung bereitzustellen. Daraufhin hätten sich die zuständigen Archäologen entschieden, die Einbäume in Schwerin zu konservieren. Die Räume seien aber nie bereitgestellt worden. Ohne die Zusage hätte die Konservierung der Einbäume extern vergeben werden können.“ Es ging hier um das Finanzministerium. Aber es kommt noch dicker: „Nach zwei Jahren habe die damalige Finanzministerin Sigrid Keler … die Zusage für die Räume dann zurückgezogen.“ Zitatende.

Wenn dies stimmen sollte, ist das eine Ungeheuerlichkeit ohnegleichen. Vielleicht kann sich ja der ehemalige Ministerpräsident Herr Ringstorff mal dazu äußern.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Zitat NDR: „Die Einbäume waren inzwischen weitgehend zerfallen. Die Fachleute im Landesamt für Bodendenkmalpflege seien darüber aber nicht informiert wor

den. ‚Wäre dies erfolgt, hätte man sich dort umgehend um eine externe Konservierung bemühen können. Dann wären die Einbaumreste von Stralsund heute mit Sicherheit konserviert‘, sagte der Verbandschef.“ Zitatende.

Wieder drängen sich Fragen auf: Warum gab es keine Gespräche und Weisungen? Warum waren die Probleme und katastrophalen Zustände offenbar gänzlich unbekannt? Auch hierzu gibt der NDR einen Standpunkt wieder, Zitat: „Die Landesregierung wies die Vorwürfe am Donnerstag zurück. Der Pressesprecher des Finanzministeriums, Stephan Bliemel, bezeichnete die Äußerungen Kunows als einseitig. Der Bundesverband der Landesarchäologen blende aus, dass dem Landesamt für Boden- und Denkmalpflege ‚sehr schnell und mehrfach‘ Angebote gemacht worden seien, um die Funde provisorisch unterzubringen, so in Neubrandenburg und Bad Kleinen. ‚All diese Angebote wurden jedoch vom damaligen Leiter des Landesamts ausgeschlagen‘, sagte Bliemel.“ Zitatende.

Doch diese eigentlich die Landesregierung entlastenden Vorwürfe werfen neue bedrohliche Fragen auf.

Die Landesregierung hatte erstens die Fachaufsicht. Wenn der Leiter des damaligen Landesamtes Professor Dr. Friedrich Lüth diese Angebote ausschlug, dann hätte das zuständige Ministerium kraft seiner Fachaufsicht prüfen müssen, ob dies selbstherrlich geschah oder anderweitige bessere Lösungen von Herrn Lüth umgesetzt würden. Die immer wieder auftauchenden Vorwürfe zum eigentlichen Führungsstil hätten jedenfalls nur einmal mit einer Nachfrage des Ministers oder Staatssekretärs an untergebene Mitarbeiter hinterfragt werden müssen. Hat diese Fachaufsicht versagt?