Protokoll der Sitzung vom 15.09.2010

Allerdings verbirgt sich auf diesem Gebiet auch eine Falle. Wenn die Polizei Gegenstand weitgehender und immer neuer Einsparungen wird, dann benötigt sie zum Ausgleich auch immer neue Befugnisse. Eine personell und materiell gut ausgestattete Polizei kann sich mit einer Mindestausstattung von Kompetenzen, auf die man selbst bei optimalen Verhältnissen nicht verzichten kann, begnügen und funktioniert dennoch gut.

Wenn man die Polizei ausdünnt und je älter und mangelhafter die Ausrüstung ist, je weniger Polizeibeamte zur Verfügung stehen, desto mehr müssen sie dürfen, desto mehr Befugnisse brauchen sie, damit sie überhaupt noch irgendetwas erreichen können: flächendeckend Daten sammeln, exzessiv abhören, auch präventiv – diese Forderungen sind manchmal nichts anderes als Lärm, mit dem das systematische Kaputtsparen der Polizei übertönt werden soll. Dieser Verdacht drängt sich hier auf. Es nennt sich Polizeistrukturreform und läuft darauf hinaus, dass die Polizei weitgehend aus der Fläche abgezogen wird. Automatisierung, etwa in Gestalt des Kennzeichenlesesystems, ist da auch keine Lösung. Man kann vielleicht Autofabriken auf Roboter umstellen, aber RoboCop ist noch eine Hollywoodfantasie und wohl auch zu teuer.

Sehen wir uns die einzelnen Maßnahmen einmal an: Spezialeinheiten – nicht alle Polizisten sind Spezialeinheiten – sollen Distanz-Elektroimpulsgeräte erhalten, sogenannte Taser. Das klingt erst mal nach Modernisierung. Aber vielleicht ist es auch ein Ausgleich für die Überalterung der Polizei. Je höher das Durchschnittsalter der Polizisten, je geringer auch die körperliche Fitness. 50 und 25 ist nun mal ein Unterschied, so viel man auch trainieren mag.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Es geht doch nur um die Sondereinheiten.)

Das Durchschnittsalter der Polizeibeamten, die während der gelungenen NPD-Demonstration in Ferdinandshof am 11. September zum Einsatz gekommen sind, schätze ich mal auf 50 plus – vorsichtig und freundlich geschätzt. Das sah schon fast nach Volkssturm aus, das letzte Aufgebot.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Pfui! – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Und solche Verhältnisse sind katastrophal. Je älter und körperlich weniger leistungsfähig ein Polizist ist, je mehr Hilfsmittel braucht er und desto öfter muss er auch zu diesen greifen. Junge, fitte Beamte haben das nur selten nötig.

Als Rechtsreferendar habe ich in Stendal mal eine Polizeinachtschicht mitgemacht und konnte beobachten, wie schnell und lässig diese Beamten selbst mit gefährlichen Randalierern fertigwurden. Die brauchten keinen Taser, die hatten es nicht mal nötig zuzuschlagen. Die Krawallmacher waren blitzschnell am Boden und verschnürt. Mit 50 plus ist das schon etwas mühsam. Und man fragt sich, ob die Taser nicht der Billigeinsatz und -ersatz für Neueinstellungen junger Beamter sein sollen.

Die Automatische Kennzeichenerfassung für Kraftfahrzeuge wäre auch nicht nötig, wenn die Polizei die Mittel hätte, anständig und mit dem gebotenen Aufwand zu

ermitteln. Es ist völlig unverhältnismäßig, verdachtsunabhängig viele Tausend harmlose Autofahrer zu erfassen, nur weil man die Polizei nicht ordentlich ausstatten will. Die richtigen Kriminellen würde man schon kriegen, wenn man gezielt nach ihnen suchen würde, aber man will kein Geld dafür ausgeben. Weil es billiger ist, sammelt man lieber massenhaft automatisiert Daten und schüttet sie wie Erde beim Goldsuchen in ein Sieb, in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt, das man als Erfolg verkaufen kann. Ob die einmal gespeicherten Daten dann auch wirklich wie versprochen gelöscht werden, ist nicht nachvollziehbar.

Zwar gibt es in dem Gesetzvorhaben auch vernünftige Elemente, die Verarbeitung der „rassische(n) und ethnische(n) Herkunft“ bei der Datenerfassung sollte erlaubt sein, und so heißt es wörtlich in dem Gesetzesentwurf, ich kann ja nichts dafür, weil sonst über Migrantenkriminalität und damit den wahren Stand der Integrationsbemühungen keine Aussagen möglich wären. Es spricht auch nichts dagegen, dass bei unbekannten Toten molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt werden, aber generell vertritt die NPDFraktion die Meinung, dass eine anständige personelle und materielle Ausstattung der Polizei Vorrang haben muss und das SOG nicht dafür da sein kann, die Missstände, die hier bestehen und die sich immer wieder vergrößern, zu überkleistern. Und natürlich haben ausländische Polizisten in Deutschland genauso wenig zu suchen wie Deutsche im Ausland, auch wenn der Komikerverein in Brüssel das verlangt. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke.

Herr Abgeordneter, Ihren Vergleich weise ich als unparlamentarisch zurück.

Das Wort hat jetzt der Innenminister Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Andrejewski, als oberster Dienstherr der Polizei weise ich Ihre Ausführungen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei – die Sie mehrmals geäußert haben –, die älter als 50 sind, ausdrücklich zurück. Das ist eine Diffamierung der Mitarbeiter der Landespolizei,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

ob 20 plus x oder 50 plus x, die tun seit vielen Jahren hier ihren Dienst und ich wollte das noch einmal ganz klar gesagt haben im Interesse der Kollegen.

(Michael Andrejewski, NPD: Mit 20 ist man fi tter, das ist nun mal so. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Danke, Herr Innenminister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Renz von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch kurz auf einige gesagte Dinge hier noch mal eingehen, insbesondere auf das, was vonseiten der LINKEN gesagt wurde. Ich will da versuchen, mich auch sehr zurückhaltend hier zu äußern,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das ist gut, dass Sie das so beachten.)

Frau Měšťan, weil Sie doch schon den Eindruck bei mir hinterlassen haben, dass Sie im Prinzip nur über die Täter sprechen. Man kann auch sagen, Ihr Hauptthema waren hier die Kriminellen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und insofern will ich ganz deutlich noch mal sagen, was ich auch schon bei der Einbringung gesagt habe: Für uns geht es in erster Linie um den Schutz, um die Sicherheit unserer Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawoll. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Uns auch.)

Und dazu haben wir eine Polizei in diesem Lande.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Richtig.)

Wir sind der Auffassung, auch das will ich noch mal wiederholen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Deswegen gibt’s das Gewaltmonopol.)

dass die Polizei ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, um erfolgreich ihre Aufgabe, sprich die Sicherheit unserer Bevölkerung, wahrzunehmen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Bei weniger Beamten.)

Insofern, das sage ich dann ganz persönlich, ist der Schutz der Kriminellen für mich auch erst eine Stufe tiefer anzusiedeln. Und ich will Ihnen das auch nicht unterstellen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben Sie jetzt aber getan.)

aber Sie müssen schon aufpassen bei der Schwerpunktsetzung Ihrer Rede, inwieweit Sie dann auch diese Wertschätzung, die wir als CDU der Polizei entgegenbringen, hier zum Ausdruck bringen. Das will ich an dieser Stelle noch mal deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich glaube, Sie verheddern sich da ganz schön.)

Und wenn Sie hier ein Thema aufgemacht haben wie zum Beispiel Einsatz des Tasers in Justizvollzugsanstalten, ich glaube, so ähnlich haben Sie das angesprochen, auch da will ich versuchen, anhand eines Beispiels, auch wenn es jetzt nicht Gegenstand des Gesetzentwurfes ist, aber hier mal ein Beispiel zu konstruieren, was tatsächlich gegeben sein kann: Wenn Sie einen Straffälligen in einer Zelle haben und ihn zum Beispiel zu einer bestimmten Maßnahme benötigen und Sie dann, auch das ist Realität, mit fünf Mann, mit Justizvollzugsbeamten nicht in der Lage sind, diesen Kriminellen zuzuführen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Den Strafgefangenen, meinen Sie.)

den Strafgefangenen zuzuführen, das tut inhaltlich jetzt zwar nicht so viel zur Sache, aber es geht um den Fakt,

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

und Sie sind nicht in der Lage,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Mit fünf! Mit fünf!)

diesen Straftäter mit fünf Leuten in Gewahrsam zu nehmen, und solche Fälle gibt es,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Jetzt stellen Sie aber den Justizvollzugs- anstalten ein Armutszeugnis aus. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

dann stelle ich ganz persönlich die Frage: Macht es da nicht sogar Sinn, auch hier den Einsatz eines Tasers mal zu diskutieren? Und ich will Ihnen nur sagen, es gibt Fälle,

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

es gibt Statistiken, wo dann diese Leute, über die ich eben gesprochen habe, sehr wohl sofort bereit sind, sich die Handschellen anlegen zu lassen, denn wir müssen auch die Gesundheit unserer Polizisten und der Justizvollzugsbeamten im Blick haben. Insofern sollten wir solche Themen, solche praktischen Beispiele, die Herr Timm hier schon gebracht hat, auch diskutieren, wenn es um die Anwendung dieser Waffe geht.

Und ich möchte auch noch mal klarstellen, weil es ein bisschen verschwommen rüberkam, dass die CDU-Fraktion der vierten Änderung des entsprechenden Gesetzes zugestimmt hat. Sie haben das immer in diesen Kontext gebracht, die CDU hat dagegengestimmt. Sie haben wahrscheinlich das Informationsfreiheitsgesetz gemeint.

(Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)