Protokoll der Sitzung vom 16.09.2010

Sie wissen natürlich, dass unsere Positionen, es kam schon zum Ausdruck, zum Mindestlohn wie auch zu einem Landestariffreiheitsgesetz weit auseinandergehen, weit auseinanderliegen. Unsere Position ist jedoch aus meiner persönlichen Sicht mit rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen untersetzt, Ihre hingegen ideologisch und parteipolitisch motiviert.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sind Sie etwa nicht parteipolitisch motiviert?)

Darüber hinaus bin ich aber auch überzeugt, dass die im Übrigen schon vor langer Zeit beschlossene Arbeitnehmerfreizügigkeit im europäischen Rahmen viele Chancen auch für unser Bundesland bietet und deshalb eindeutig die richtige Entscheidung ist.

Herr Abgeordneter Waldmüller, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Borchardt?

Herr Waldmüller, Sie beziehen sich jetzt immer nur auf den Teil Tariftreuegesetz und so weiter und so fort. Ich habe in meiner Rede darauf aufmerksam gemacht …

Frau Abgeordnete Borchardt, bitte stellen Sie Ihre Frage!

Können Sie mir bitte anhand eines Beispiels sagen, inwieweit wir vorbereitet sind, Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Beispiel im Bereich der Berufsausbildung und im Bereich Hochschule? Ein Beispiel.

Frau Borchardt, ich gehe in meinen Ausführungen darauf ein.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich bin darüber hinaus überzeugt, dass die im Übrigen schon lange Zeit beschlossene Arbeitnehmerfreizügigkeit im europäischen Rahmen viele Chancen auch für unser Bundesland bietet und deshalb eindeutig die richtige Entscheidung ist.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das sind alles Floskeln, was er da erzählt.)

Den Eintritt der Arbeitnehmerfreizügigkeit nun hier dazu zu missbrauchen, Ihre alten Forderungen mit Angstszenarien vor einer angeblichen Unterwanderung durch europäische Billigarbeitskräfte zu rechtfertigen,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das hat keiner gesagt.)

erscheint mir zumindest, das hat auch Herr Roolf gesagt, unredlich.

(Michael Andrejewski, NPD: Ach so? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

In der Bewertung der Forderung, das ist meine Wertung,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

nach einem gesetzlichen Mindestlohn schließe ich mich den Ausführungen unseres Wirtschaftsministers vollumfänglich an. Die CDU-Fraktion bleibt dabei: Die Lohnfindung ist Aufgabe der Tarifparteien, ein Eingriff in dieses Prinzip durch einen Mindestlohn ist mit uns nicht

zu machen. Ebenso ist ein Landestariftreuegesetz aus rechtlichen wie wirtschaftlichen Gründen aus dem Bereich des ÖPNV – wir haben dazu die Ausführungen des Ministers gehört – nicht möglich.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Wie ebenfalls bereits ausgeführt, ist eine Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auf weitere Branchen durchaus möglich, aber eben nicht Aufgabe des Gesetzgebers, sondern der Tarifparteien.

Sie sehen also, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, dass Ihren immer und immer wieder aufgestellten Forderungen nicht zugestimmt werden kann. Darüber hinaus möchte ich hier noch einmal zum Ausdruck bringen, dass die Art und Weise, wie der lange bekannte Termin des Eintritts der Arbeitnehmerfreizügigkeit hier sozusagen als Droh- oder Druckkulisse aufgebaut wird, absolut fehl am Platze ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist im europäischen Rahmen als eines der Grundprinzipien des freien Marktes unter großer Zustimmung beschlossen worden. Und auch ich habe herausgehört, Frau Borchardt, da gebe ich Ihnen recht, dass Sie das durchaus als Chance gesehen haben.

Wettbewerb, meine Damen und Herren der Linksfraktion, bietet eben für alle Chancen. Das gilt gerade auch für unser Land Mecklenburg-Vorpommern. Einerseits zeichnet sich mehr und mehr ab, welche dramatischen Ausmaße der Fachkräftemangel auch in unserem Bundesland annimmt. Hier besteht in einem vollständig geöffneten europäischen Arbeitsmarkt für Mecklenburg-Vorpommern eine große Chance, der Entwicklung gegenzusteuern.

Besonders bedenklich finde ich aber, dass durch diesen Eintrag der Eindruck entsteht, als sei MecklenburgVorpommern ausschließlich einem größeren Konkurrenzdruck auf dem eigenen Arbeitsmarkt ausgesetzt. Dabei übersehen Sie völlig, welche Chancen sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus unserem Bundesland durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben. Längst ist die Entwicklung zu beobachten, dass auf der anderen Seite der polnischen Grenze mehr und mehr große Bauvorhaben gerade von den Arbeitnehmern aus unserem Bundesland umgesetzt werden.

Die Verfasser des hier vorgelegten Antrages scheinen aber nach wie vor zu denken, Arbeitnehmerfreizügigkeit sei eine Einbahnstraße. Das, meine Damen und Herren, entspricht lange nicht mehr der Realität.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Arbeitnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern sind erfolgreich in ganz Europa tätig.

(Hans Kreher, FDP: Genau. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich rate Ihnen daher, den Eintritt der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht weiter als Schreckensbild an die Wand zu malen, um Ihren altbekannten Forderungen nach einem Mindestlohn und einem Landestariftreuegesetz Nachdruck zu verleihen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Manche Anträge lassen wir erst, wenn das Problem gelöst ist.)

Und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab, weil es Ihnen heute ausschließlich bei diesem Antrag darum ging.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und wo sind denn nun jetzt Ihre ganz konkreten Beispiele? Das waren nur allgemeine Floskeln.)

Danke schön, Herr Abgeordneter Waldmüller.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine 70-Stunden- Arbeitswoche bei maximal 800 Euro Bruttolohn ist in Mecklenburg-Vorpommern keine Seltenheit. Ob Verkäufer, Kellner oder Angestellter im sogenannten Callcenter, bundesweit ist nirgendwo sonst der durchschnittliche Verdienst so knapp bemessen, dass trotz Arbeit die Mehrheit der fest Beschäftigten auf staatliche Stütze angewiesen sind. Das verfügbare Einkommen je Einwohner erreichte nach Auskünften des Statistischen Landesamtes Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal drei Viertel des Bundesdurchschnitts. Jeder vierte Beschäftigte im Land hat darüber hinaus einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag. Über zwölf Prozent der Erwerbstätigen sind armutsgefährdet.

Dies sind die Fakten, die den angeblichen Originalsozialen aus der Linksfraktion augenscheinlich egal zu sein scheinen. Unbeeindruckt dessen begrüßen die Verräter des deutschen Arbeiters die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in vollem Umfang. Die gänzliche Aufhebung der Sperrfrist ab dem 1. Mai 2011 verschärft nämlich eine unverhältnismäßige Konkurrenzsituation zwischen deutschen Firmen

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

und osteuropäischen einerseits, die Lohndrückerei in der BRD-Arbeitswelt andererseits, und das in ganz Europa. In der BRD arbeiten bereits jetzt offiziell 490.000 Polen, die zwischen Arbeitsplatz und Herkunftsland pendeln,

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist eine Bereicherung.)

und das trotz noch nicht vorhandener Arbeitnehmerfreizügigkeit. Demnächst können EU-Ausländer aus ganz Osteuropa in einigen Wirtschaftszweigen flächendeckend und nicht nur im grenznahen Raum zur Lohndrückerei in einheimischen Unternehmen herangezogen werden.

(Irene Müller, DIE LINKE: Na, dann fangen Sie mal langsam an, Fremdsprachen zu lernen!)

Ohne einen Austritt aus dem EU-Gefängnis sind die Unternehmen samt ihren Angestellten einem vernichtenden Unterbietungswettbewerb ausgeliefert. Außerdem erzeugt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit im Vielvölkergefängnis EU

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

zweifellos ein entwurzeltes Humankapital ohne Herkunft und Identität.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Die letzte Weisheit der Genossen, mit Mindestlohn und einem Landestariftreuegesetz Sklaverei und Lohndumping begegnen zu können, belegt deren eigene Ideen- und Konzeptlosigkeit. Zumindest teilweise gibt DIE LINKE zu, dass sie den gesetzlichen Mindestlohn als letzten Ausweg aus der Billiglohnspirale ansieht.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Damit sind Sie auch schon mit Ihrem Latein am Ende.

(Regine Lück, DIE LINKE: Und was haben Sie für Vorschläge?)

Dies bedeutet für die Zukunft aber, dass MecklenburgVorpommern auch weiterhin ein Land bleibt, in dem die Massenarbeitslosigkeit im Volk vorherrscht.