Protokoll der Sitzung vom 13.10.2010

Wir haben mit dem Gesetz zur Kreisgebiets- und Kreisstrukturreform Veränderungen auch in diesem Bereich zu erkennen und wir Liberalen meinen, dass wir in diesem Bereich Nachjustierungsbedarf haben und aus diesem Grund Ihnen heute der Gesetzentwurf vorgelegt wird.

Es ist geregelt, dass – und das ist unser erster Änderungsantrag – es eine sogenannte Sperrfrist der Rückübertragung der Trägerschaft des ÖPNV bis zum 01.07.2012 gibt. Das heißt, vom Inkrafttreten bis zum Datum der Rückübertragung sind gerade mal neun Monate Zeit, um Abstimmung für einheitliche Tarife, Abstimmung für Fahrpläne, Abstimmung für den Verkehr von Bussen, einheitlichen Auftritt, einheitliche Standards organisieren zu können. Wir meinen sehr klar und sehr deutlich, neun Monate sind dafür zu wenig Zeit.

Deshalb sehen Sie in unserem Antrag unseren ersten Akzent, dass wir sagen, diese Rückübertragungsfrist, diese sogenannte Sperrfrist muss verlängert werden bis zum 31.12.2014, denn nur damit ermöglichen wir allen Beteiligten in dem Verfahren des ÖPNV, auch wirklich nach der besten Lösung suchen zu können. Nur damit ermöglichen wir auch wirklich die Bildung von Nahverkehrsräumen, nur damit ermöglichen wir auch wirklich die Suche nach effizienten Strukturen. Und – es sei denn, der Verkehrsminister belehrt uns eines Besseren – es ist für uns auch nicht nachzuvollziehen, warum wir uns nur so wenig Zeit bis zu einer möglichen Rückübertragung geben und warum wir nicht die Zeit bis zum 31.12.2014 haben. Dazu wird er vielleicht nachher noch Ausführungen machen.

Die Verwaltungsreform und die Kreisgebietsreform und all das, was im öffentlichen Auftrag – denn ÖPNV ist auch öffentliche Daseinsvorsorge – auf uns zukommt, muss das, was wir im Augenblick an Verwerfungen haben, alle Male neu regeln. Wir reden ja immer bei dem, was wir als Gesetze einbringen, davon, dass wir auch eine Fusionsrendite haben wollen von dem, was wir hier erreichen wollen. Ich gebe es ja ein Stück weit zu, ich bin durch mein Leben in der Hansestadt Wismar und in Nordwestmecklenburg ein Stückchen ÖPNV-geschädigt.

(Zuruf von Dr. Harald Ringstorff, SPD)

Es tut weh, dass wir die Situation in der Region haben, dass wir in den letzten 20 Jahren circa 1,5 Millionen Euro Verlust im ÖPNV pro Jahr in der Hansestadt Wismar produziert haben, das heißt 30 Millionen Euro Verlust in den ÖPNV reingeführt haben.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und da will ich jetzt gar nicht auf die Suche nach dem Schuldigen gehen, sondern ich will einfach sagen, wir

haben nicht das Geld für solche Verluste, wir haben die zwingende Aufgabe, mit den Steuergeldern vernünftig umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und das bringt uns genau zu unserem ersten Ansatz, dass wir sagen, wir wollen die Frist gerade in der Beziehung ehemalige kreisfreie Stadt, die zukünftig große kreisangehörige Stadt ist, diese Frist wollen wir verlängern bis zum 31.12.2014, damit wir nicht weiterhin in diesen Strukturen das Nebeneinanderherfahren, das Aneinandervorbeifahren und das Verbrennen von Steuerngeldern miterleben müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ein zweiter Akzent, den wir setzen wollen, ist dann wirklich die Bildung der Nahverkehrsräume, wo wir sagen, in den neuen Gebilden, in den neuen Kreisen, so sie denn so kommen, wie es im Augenblick im Gesetz vorliegt, wollen wir auch Nahverkehrsräume bilden. Und wir sagen auch ganz klar und ganz deutlich, für die Durchführung des ÖPNV muss sich dann auch die Betriebsgröße für die Betriebe, die zukünftig ÖPNV auch leisten werden, an den Kreisgrenzen orientieren.

Es stellt sich eine weitere spannende Frage, zu der ich heute, das gebe ich offen zu, auch gar keine Antwort habe: Ist die Trägerschaft bei den Landkreisen eigentlich die richtige Trägerschaft?

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wer denn?)

Sollte nicht, wenn wir Mecklenburg-Vorpommern als einen Raum ansehen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, das Land!)

die Trägerschaft des ÖPNV beim Land womöglich oder bei einer übergeordneten Struktur angesetzt werden? Denn wenn wir uns die Argumentationslinie des Städte- und Gemeindetages anschauen, dann werfen sich genau diese Fragen auf. Der Städte- und Gemeindetag sagt sehr klar und sehr deutlich: Nein, nein, wir wollen nicht, dass das auf die Landkreise übergeht. Wir wollen das schon in unseren Kommunen haben, weil wir diese Quersubventionierung – linke Tasche, rechte Tasche, am Parlament vorbei – so lieb gewonnen haben. Das würden wir ganz gerne weiter behalten. Also dass der Städte…

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

An den Parlamenten vorbei, ja.

(Egbert Liskow, CDU: An welchem denn?)

In Wismar ist das schon. Das ist GmbH HARIG. Das wissen Sie ganz genau. GmbH HARIG geht an den Städten vorbei. Das ist überall genau das Gleiche.

(Egbert Liskow, CDU: Aber das haben sie doch bewusst gemacht, die Entscheidung der Parlamente.)

Da ist es so, dass wir genau dort auch eine andere Position haben. Wir sagen, wir brauchen in der Trägerschaft eine größere Struktur.

Und, Herr Professor Methling, wir werden nicht immer linker. Ich habe es vorhin versucht zu erklären.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, haben Sie das gehört? Das freut mich.)

Ja, klar. Gegen solche Vorwürfe bin ich allergisch.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Oh!)

Wir werden nicht immer linker, weil wir unterscheiden zwischen Trägerschaft und Ausführung des ÖPNV.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, das Land soll es bezahlen und Sie wollen es machen, ja?)

Ein Träger ist nicht derjenige, der den ÖPNV ausführt,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das Land soll zahlen uns Sie wollen es machen.)

sondern er bedient sich hervorragend aufgestellter Unternehmen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Privater, natürlich.)

Er bedient sich hervorragend aufgestellter Unternehmen. Und da gibt es am Beispiel des ÖPNV gute Beispiele, dass wir diese Unternehmen sowohl in privater Trägerschaft in Mecklenburg-Vorpommern haben, aber auch in öffentlicher Trägerschaft.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Geht auch mit öffentlicher, ja?)

Und auch das geht. Es geht sowohl die Ausführung in öffentlicher als auch privater. Da sind wir überhaupt nicht auseinander.

Aber das jetzt gleich als einen Sinneswandel in Richtung linke Politik – gestatten Sie mir, dass ich das dann doch nicht annehmen möchte.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja. Doch, doch. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir haben mit der Entwicklung der Nahverkehrsräume dann einen entscheidenden Schritt in den jetzigen kreisfreien Städten, die dann kreisangehörige Städte sind, getan, um in den Nahverkehrsräumen unser großes Ziel zu erreichen: eine Region, eine Qualität an Leistung, ein Preis, ein Fahrplan, eine gute Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger, die dort leben.

Und wir haben in unserem dritten Ansatz das Thema Finanzierung angesprochen. Wir haben das FAG vom 09.11.2009 – und auch da wissen wir alle, dieses FAG ist bis zum 4. September 2011 gültig, dann, wenn wir in eine neue Struktur kommen, müssen wir ein neues FAG machen –, dort haben wir die Finanzierung geregelt. Und die Zuweisungen in Paragraf 10c über 11 Millionen Euro und in Paragraf 10d über 18 Millionen Euro sind eine planungssichere Komponente für den ÖPNV bis zum 4. September 2011.

Wir sagen, wenn wir jetzt in der Planung ein Stückchen weiter gehen, das Jahr 2014 und die Entwicklung von Nahverkehrsplänen im Auge haben, dann müssen wir auch eine Finanzierungssicherheit genau für diese Entwicklung mit aufbauen, dass diejenigen, die sich heute in diesen Prozess mit einbringen, sowohl Träger als auch die, die ausführen, wissen, dass diese finanziellen Mittel im FAG – so kritisch man das FAG auch sehen mag, wie es seinerzeit beschlossen worden ist – festgelegt oder zumindest diese finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Und noch ein Stückchen mehr: Wir wollen eine zweiprozentige Klausel mit einführen, dass sich die Kostensteigerungen jährlich um zwei Prozent erhöhen.

Entscheidend ist für uns – unabhängig davon, ob unsere Ansätze jetzt hier alle richtig sind, die wir Ihnen im Gesetzentwurf darlegen –, entscheidend ist doch eines: Wir werden zukünftig für den ÖPNV in Mecklenburg-Vorpommern mehr finanzielle Mittel benötigen. Wir können aber dieses Mehr an finanziellen Mitteln auch ein Stück weit einschränken, indem wir Nahverkehrsräume und kluge Fahrpläne bilden, die im Land das Vorbei-, das Aneinandervorbeifahren und das Nebeneinanderherfahren verhindern. Wir können damit auch einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern, so es dann unser Wunsch ist, dauerhaft erhalten bleibt.

Seit 2008 womöglich nerven wir Sie ein Stückchen mit dem Thema ÖPNV.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee!)

Wir haben über die Kreisgebietsreform, so sie denn kommt, Fakten geschaffen und wir würden gerne mit Ihnen anhand unseres Gesetzentwurfes diese Thematik diskutieren. Ich beantrage namens unserer Fraktion die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss, federführend, und in den Innenausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Verkehrsausschuss nicht? – Michael Roolf, FDP: Verkehrsausschuss, Entschuldigung. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die Opposition hilft sich ja.)

Herr Fraktionsvorsitzender, Sie haben ja auch noch Redezeit in der Aussprache.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Herr Schlotmann.