Der wurde mir zwar gemeldet, aber er ist krank. Die Rede hält somit der stellvertretende Vorsitzende Herr Professor Tack. Herr Professor Tack, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute trifft mich wieder das Los, eine Beschlussempfehlung des Agrarausschusses zu einer Vorlage vor dem Plenum vertreten zu dürfen, die nicht die Mehrheit im Ausschuss gefunden hat. Das war schon einmal der Fall, und zwar bei der Beschlussempfehlung auf Drucksache 5/2840 zu dem Antrag 5/2263 „Entwicklungschancen im ländlichen Raum erhalten – Bodenzugang für einheimische Landwirtschaftsbetriebe sichern“. Allerdings nehme ich diesmal nur die Vertretung für unseren Vorsitzenden Udo Timm wahr und nicht die Funktion des Berichterstatters an sich.
Beide Beratungsverfahren haben eines gemeinsam: Während der Beratungsverfahren sind sehr inhaltsreiche Anhörungen durchgeführt worden, das Ergebnis war aber recht unterschiedlich. Damals hatte der Ausschuss die Ablehnung des Antrages empfohlen. Heute ist dieser, auch wenn die beiden Ziele nicht erreicht worden sind, entscheidend qualifiziert worden in der parlamentarischen Arbeit.
Zur Erinnerung: Im Antrag 5/2788 ist von der Landesregierung gefordert worden, erstens über die Umsetzung der Empfehlungen und Erfahrungen aus Modell- und Demonstrationsvorhaben zu berichten und zweitens eine Entwicklungsstrategie für den ländlichen Raum zu erarbeiten. Zwar ist beides abgelehnt worden, doch haben wir auf der Grundlage der Anhörung eine Entschließung erarbeitet, in der Sie zahlreiche Aspekte finden, die bei der Tätigkeit der interministeriellen Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ berücksichtigt werden sollten. Das jedenfalls war die einvernehmliche Auffassung im Ausschuss und ich hoffe, dass Sie sich diesem Votum hier anschließen.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Aber es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen nahezubringen, dass die Ausschussberatungen für mich ein Stück gelebte Demokratie waren.
Zum Ersten, die Anhörung: Wir haben externen Sachverstand in das Verfahren einbezogen, der wesentliche Anregungen gegeben hat. Diese finden Sie in der Entschließung wieder.
Zum Zweiten, die Mitberatung: Ich möchte mich ausdrücklich für die freundliche Unterstützung des mitberatenden Verkehrsausschusses bei der Vorbereitung der Anhörung bedanken. Dadurch war es möglich, raumplanerische Aspekte besser einfließen zu lassen, als der Agrarausschuss dieses alleine hätte möglich machen können. Diese Mühen haben letztendlich Früchte getragen. Wir haben eine Stellungnahme bekommen, in der inhaltliche Empfehlungen gegeben werden. Diese finden Sie unter Ziffer 1 der Beschlussempfehlung bei den Buchstaben a bis d. Herzlichen Dank dem Verkehrsausschuss dafür.
Und zum Dritten: Auch Einsicht und Bescheidung gehören zur Demokratie, nämlich die Einsicht, von etwas Abstand zu nehmen, was nicht durchsetzbar ist, und Bescheidung, sich mit einer Lösung anfreunden zu können, die unter den Ausgangserwartungen zurückbleibt. Der Volksmund sagt: „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Oder wenn wir das plattdeutsch sagen würden: „Leefer de Sparling in’e Hand as de Duf up’n Dack.“
So ist es den Fraktionen DIE LINKE und der FDP auch ergangen. Wir mussten einsehen, dass der Antrag und der Änderungsantrag keine Mehrheit finden würden. Darum ist von beiden Oppositionsfraktionen der Erledigterklärung ausdrücklich zugestimmt worden. Die Koalitionsfraktionen haben uns in diesem Falle zwar keine goldene Brücke, aber einen soliden Steg gebaut, nämlich die erwähnte Entschließung. Die Idee dafür stammte übrigens von unserer Kollegin Ute Schildt. Auch dafür meinen herzlichen Dank.
Mir bleibt nun nichts weiter übrig, als hier um die Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung zu bitten. Abschließend verspreche ich, aber das wäre eigentlich schon Bestandteil meiner zweiten Rede, dass sich meine Fraktion mit diesem Beschluss in ihrem Bestreben bestätigt sieht, die Stärkung des ländlichen Raumes weiter voranzutreiben. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus. Herr Dr. Backhaus, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich akzeptiere ich die Beschlussfassung, die ja heute hier vorgestellt worden ist. Ich glaube, man kann unterm Strich auch feststellen, dass wir mit der Erörterung in den verschiedenen Ausschüssen sicherlich in weiten Teilen Übereinstimmung haben. Ich möchte aber an dieser Stelle auch deutlich machen, wenn man sich anschaut, dass wir uns in diesem Hohen Hause über die letzten 13 Monate mit dem Thema befasst haben, dann wird auch deutlich, welche Bedeutung die ländlichen Räume auf der einen Seite haben. Auf der anderen Seite haben wir aber auch die Probleme, die sich damit herausschälen, an denen deutlich wird, von welcher Bedeutung und von welcher Schwergewichtigkeit dieses Thema ist. Wenn Sie sich dann die letzten 20 Jahre anschauen, dann finde ich es schon bemerkenswert, was durch die Menschen in diesem Land insgesamt geleistet worden ist. Und wenn wir in die ländlichen Räume gehen und uns das offen anschauen …
dann wird deutlich, dass in den letzten 20 Jahren durch den Fleiß der Menschen in den ländlichen Räumen – angefangen mit der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, der Forst und der Fischerei, aber insbesondere auch in der Strukturentwicklung – insgesamt 15 Milliarden Euro an Investitionen getätigt worden sind. Ich glaube, darauf sind die Menschen zu Recht stolz, darauf können sie auch stolz sein.
Und wenn wir uns anschauen in dieser Förderperiode die Mittelvolumina, um tatsächlich Anreize für Investitionen zu tätigen, aber auch die soziale Daseinsvorsorge und -fürsorge umzusetzen, dann will ich nur noch mal in Erinnerung rufen, dass wir über den ELER, den Europäischen Fonds für die Entwicklung der ländlichen Räume, 1,27 Milliarden Euro zur Verfügung haben.
Wenn ich mir im Übrigen als eines der ganz wenigen Bundesländer anschaue, wie die Mittel aufgewandt werden, dann bitte ich Sie, das einfach auch einmal zu berücksichtigen, dass wir mittlerweile deutlich weggekommen sind von der reinen Ausrichtung einer Förderung für Landwirtschaft hin zur integrierten ländlichen Entwicklung. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass in Mecklenburg-Vorpommern, damit sind wir das einzige Bundesland, für die integrierte ländliche Entwicklung aus dem Gesamtfonds der 1,27 Milliarden Euro immerhin 40 Prozent – 40 Prozent! – in Richtung der Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum an Mitteln bereitgestellt werden. Das sind immerhin 511 Millionen Euro bis 2013, die für die Diversifizierung der Kleinstunternehmen, des Tourismus, der Dienstleistungen, der Kleinkläranlagen, Abwasseranlagen, der Schu
len, der Kindergärten, der Denkmalpflege oder auch des Sportes bereitgestellt werden. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern, andere Bundesländer geben in diesem Bereich 13 Prozent.
Da haben wir bewusst umgesteuert, um auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die ländlichen Räume zukunftsfester zu machen. An dem Thema der demografischen Entwicklung kommt niemand vorbei. Wer hier den Menschen vorgaukelt, das Problem wäre mit Patentrezepten zu überwinden, so möchte ich das auch nicht verstanden wissen, der muss scheitern.
Wir alle wissen, dass es kein anderes Bundesland in Deutschland gibt, das mit den ländlichen Räumen, der Land- und Ernährungswirtschaft, der Forstwirtschaft oder der Fischerei so eng in Verbindung gebracht wird wie Mecklenburg-Vorpommern. Auch das haben jüngste Umfragen ganz klar ergeben. Das betrifft im Übrigen 90 Prozent der Landesfläche und damit zwei Drittel der Einwohnerinnen und Einwohner, die im ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern leben. Wir wissen selbstverständlich, dass wir bis 2013, deswegen habe ich die Zahlen genannt, nach wie vor gute finanzielle Förderbedingungen haben. Wir wissen alle gemeinsam, dass nach 2014 diese Spielräume der öffentlichen Hände deutlich geringer werden. Wer den Menschen hier etwas anderes vorgaukelt, sagt ihnen nicht die Wahrheit. Und wir wissen drittens, dass es den ländlichen Raum als solches nicht mehr gibt.
Der Plural „ländliche Räume“ sollte auch in unserem Bundesland sehr bewusst gewählt werden. Es gibt natürlich auch bei uns ein Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung. Auch das nehmen wir zur Kenntnis. Und diese Disparitäten nehmen weiter zu. Ich nenne hier nur das Beispiel der Entwicklung von Landkreisen wie Bad Doberan oder Demmin und dergleichen, wenn man so will, die Rahmenbedingungen. Es gibt aus unserer Sicht insofern keine Patentlösung, sondern ob etwas funktioniert oder nicht, hängt entscheidend immer auch von der spezifischen Situation und den Menschen vor Ort ab.
Wir wissen überdies auch, dass es selbstverständlich einen ganz engen Zusammenhang von demografischen Wandlungsprozessen und der ländlichen Entwicklung gibt. Mit 71 Einwohnern je Quadratkilometer hat Mecklenburg-Vorpommern die geringste Bevölkerungsdichte aller Bundesländer.
Seit 1990 hat sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung bereits um mehr als 9 Jahre erhöht und liegt heute bei rund 45 Jahren. Bis 2030 wird das Durchschnittsalter auf knapp 52 Jahre ansteigen und gleichzeitig wird die Bevölkerung seit 1990 um circa ein Viertel geschrumpft sein. Die Bevölkerungsgruppe, die 65 und älter ist, wird dann auf 36 Prozent angestiegen sein.
Setzt man sich mit der Bevölkerungsentwicklung auseinander und geht sie so weiter, wie es im Übrigen die 4. Landesprognose der Bevölkerungsentwicklung darstellt, und die Realität, wenn die Demografen und die Landesplaner dann auch tatsächlich recht haben sollten, und davon müssen wir ausgehen, dass Mecklenburg-Vorpommern 2060 bei etwa einer Million Einwohnern liegen wird, in 70 Jahren, also in einer Generation, haben wir uns dann in Mecklenburg-Vorpommern quasi halbiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, Sie tragen doch dazu bei, dass noch mehr Leute, gerade kluge Leute, unser Land verlassen.
Diese Entwicklung vollzieht sich nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, das ist allgemein bekannt, sondern auch in anderen Regionen in Deutschland und insbesondere in Europa. Bei uns laufen die Prozesse tatsächlich etwas schneller ab, deswegen ist es aus meiner Sicht auch ein Thema, mit dem wir uns permanent weiterhin auseinandersetzen müssen. Der demografische Wandel ist vor allem im Interesse der älteren Menschen im ländlichen Raum die größte gesellschaftliche Herausforderung der kommenden Jahre.
Das haben wir längst erkannt und arbeiten auch daran. Nunmehr liegt es auch am Landtag. Und mit dieser Beschlussempfehlung einen Prüfauftrag zu erteilen, das ist das gute Recht dieses Hauses, das akzeptiere ich ausdrücklich. Dem werden wir uns natürlich grundsätzlich stellen und wir werden daran arbeiten. Selbstverständlich werden wir auch Überlegungen und Anregungen aus dem parlamentarischen Prozess prüfen und in die Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe „Demografischer Wandel“ einbringen, die es ja zum Glück seit einigen Jahren gibt.
Allerdings, meine Damen und Herren, will ich an dieser Stelle auch festhalten, dass die Landesregierung insgesamt und speziell unser Haus als zuständiges Ressort diese Intention natürlich schon seit Langem verfolgt.
Wir haben im Jahr 2007 mit dem Strategiepapier „Land hat Zukunft“ einen Dialog zur Zukunft der ländlichen Räume angestoßen. Das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007 bis 2013 des Landes ist vom Ansatz her eine integrierte ländliche Entwicklung und wird darüber getragen, also weg von den reinen Unterstützungen des Agrarsektors und hin zu einer raumorientierten Entwicklung. Es gibt kaum ein anderes Bundesland, das Investitionen in Kindertagesstätten, Schulen, Sportplätze, Sanierung von Schlössern und Kirchen oder auch die Breitbandversorgung aus dem Fonds für die ländliche Entwicklung in der Form fördert, wie wir das hier machen. Ich glaube, das habe ich mit den Zahlen deutlich gemacht. Die Landkreise entscheiden auch heute schon im Rahmen der ländlichen Entwicklung und der Dorferneuerung maßgeblich über die Projekte, welche in den ländlichen Regionen vorangebracht und gefördert werden sollen. Wir müssen also nichts erfinden, was es schon gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir stellen darüber hinaus seit einigen Monaten in verschiedenen Gremien die Strategien und Handlungsansätze der ländlichen Räume im Lichte des demografischen Wandels dar, um auch diese Dinge öffentlich zu machen. Wir werden dafür im Übrigen für den Mut und letzten Endes auch für unsere Klarheit in der Aussage durchaus bewundert. Es hat auch gar keinen Sinn, um diese Probleme herumzureden. Ich habe das schon im September, also vor gut einem Jahr, gesagt. Unsere
1. Sicherung der bestehenden Einkommens- und Arbeitsmöglichkeiten in den ländlichen Räumen sowie Schaffung zusätzlicher Einkommensquellen, gerade auch außerhalb der Land-, Ernährungswirtschaft, Forstwirtschaft und der Fischerei
Wertschöpfung, Arbeit und persönliche Lebensperspektiven sind die Indikatoren für den Wohlstand einer Region. Sie beeinflussen damit maßgeblich die Entscheidung über Gehen oder Bleiben. Das ist uns doch wohl hoffentlich allen bewusst.
3. die Sicherung angemessener Infrastrukturen, einschließlich öffentlicher und privater Einrichtungen der Daseinsfürsorge