Protokoll der Sitzung vom 14.10.2010

liert und haben auch deutlich gemacht, dass die SPD in Verhandlungen – da ging es ja um Zustimmung, ich habe das ja angezweifelt, dass das richtig ist, will ich bloß noch mal erinnern –, aber dass Sie ganz konkret sich dort einbringen wollen. Ich erwarte, dass Sie in Bezug auf die Kürzungspläne der Bundesregierung und die zu erwartenden Einschnitte in Mecklenburg-Vorpommern, die ja nun hier in dieser Debatte anschaulich alle dargestellt wurden, auch deutlich sagen, welche Position die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung einnimmt. Oder wird es eine Stillhaltepolitik? Machen Sie, Herr Sellering, wie Merkel eine Politik der ruhigen Hand?

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und das, glaube ich, kann nicht sein. Wir sind hier das Parlament, das verantwortlich ist gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, den Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Regierung ist vereidigt auf die Landesverfassung. Sie handeln und müssen handeln zum Wohl der Menschen in diesem Lande.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Wenn Sie nicht eindeutig artikulieren – und wir wollen Ihnen einen Monat Zeit geben –, eindeutig hier Stellung nehmen und sagen, wie Sie gegen dieses Kürzungspaket der Bundesregierung agieren wollen und wie Sie tatsächlich auch mit landespolitischen Maßnahmen die zu erwartenden Auswirkungen abfedern wollen, dann verstoßen Sie nach meiner Auffassung gegen Ihren Eid

(Udo Pastörs, NPD: Der ist eh nichts wert. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

und Sie verstoßen gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Ich möchte Sie auffordern,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

ich möchte Sie auffordern:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Leiten Sie doch mal die richtigen Schritte ein, Herr Holter! Leiten Sie sie doch mal ein!)

Schweigen Sie nicht länger zu diesen Fragen! Sprechen Sie hier vor dem Landtag

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

zu dem Kürzungspaket der Bundesregierung!

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es ist Ihre Verantwortung. Sie sind der Ministerpräsident, Sie sind gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegenüber dem Hohen Haus rechenschaftspflichtig. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Holter.

(Egbert Liskow, CDU: Das war aber nicht doll.)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3842 abstimmen. Wer diesem zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3842 bei Zustimmung der Fraktion der FDP, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3805 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3805 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD, Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Beirat zur Ausführung des SGB in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/3810.

Antrag der Fraktion der FDP: Beirat zur Ausführung des SGB in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/3810 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Meine lieben Kollegen! Wo stehen wir heute? Wir wollen Gesundheitsland Nummer eins sein. Fakt ist aber, dass wir im Sozialbereich aus fachlicher Sicht mittlerweile den Anschluss verloren haben. Dabei wurde vor acht Jahren mit dem Kommunalisierungsgesetz ein guter Anfang gemacht. Heute blicken Fachleute mit Sorge auf die Qualität der Hilfen. Sie blicken mit Sorge auf die Qualität der Arbeitsplätze. Sie blicken mit Sorge auf die Gewinnung von Fachkräften. Sie blicken mit Sorge auf die Situation der Ausbildung und Lehre. Die aktuelle Politik des Sozialministeriums hängt uns bundesweit ab.

(Heinz Müller, SPD: Och, Herr Grabow!)

Ich möchte das mit Fakten deutlich machen. Im stationären Wohnen wurde in den Jahren 2007 und 2008 der Anstieg der Leistungsberechtigten bundesweit gebremst. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen lag der Anstieg im gleichen Zeitraum weit über dem Bundesdurchschnitt. Auch der Ambulantisierungsgrad liegt mit 30,3 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern deutlich unter dem des Bundesdurchschnittes von 34,7 Prozent. Dabei wird in Mecklenburg-Vorpommern sehr einseitig auf die Eingliederungshilfe gesetzt. Alternativkonzepte kommen kaum zum Tragen.

Dabei gibt es auch in unserem Bundesland Beispiele, wie es besser gehen könnte. Seit fünf Jahren konnte mit einem Anreizsystem der Anteil der Fallkosten auf 75 Prozent im Vergleich zu anderen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der psychisch Behinderten gesenkt werden. Wir müssen endlich die Anreize anders setzen, denn ein „Weiter so!“ darf es nicht geben.

Die Novelle des Sozialhilfefinanzierungsgesetzes wäre zum 1. Januar 2010 fällig gewesen. Seit Jahren fordern wir als Opposition gemeinsam mit den Fachleuten eine tief greifende inhaltliche Überarbeitung. Und Verände

rungsbedarf gibt es reichlich. Im Sozialhilfefinanzierungsgesetz ist immer noch nicht eine integrierte Landesbehindertenpolitik eingearbeitet. Die Anreize für eine ambulante Leistungserbringung fehlen uns. Eine Antwort auf diese Frage, wie ein inklusives MecklenburgVorpommern aussehen kann, gibt das Gesetz auch nicht her.

Eine solche inhaltliche Reform hat die Regierung verschlafen. Ganze neun Monate über das Fälligkeitsdatum hinaus hat die Landesregierung benötigt, um die Finanzierungszuweisungen anzupassen.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Eine inhaltliche Überarbeitung hat die Regierung gleich auf das Jahr 2013 verschoben. Die Koalition aus SPD und CDU scheint hier überfordert zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Heinz Müller, SPD: Ach, Herr Grabow!)

Die Regierung benötigt offensichtlich eine breite Unterstützung. Betroffene, Interessenvertretungen und die Fraktionen im Landtag müssen daher bereit sein, zu Beginn eines Gesetzesvorhabens sich einzubringen. Sie bilden ein breit gefächertes Spektrum der Bevölkerung Mecklenburg-Vorpommerns ab. So ist schon im Entstehen eines Gesetzes ein breiter Konsens möglich.

Als FDP-Fraktion schlagen wir daher vor, einen SGB-Beirat zu gründen. Dieser Beirat kann dazu beitragen, dass wichtige Reformvorhaben in Mecklenburg-Vorpommern endlich gelingen. Gerade in der Sozialpolitik kommt es darauf an, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land mitzunehmen. Eine Konfrontation mit Gesetzentwürfen trägt dazu nicht bei. Ein Beirat bietet allen Beteiligten Raum zum Austausch, zur Diskussion. Für solch ein Gremium hatten sich bereits die Fachleute in der Anhörung zum Sozialhilfefinanzierungsgesetz ausgesprochen. So kann ein gegenseitiges Verständnis für einzelne Positionen entstehen. Ein Beirat kann damit auch für notwendige Akzeptanz von Kompromissen bei den Beteiligten sorgen.

Bei der Umsetzung der Kreisgebietsreform wird genau diese Akzeptanz von Kompromissen benötigt. Viele der Teilfragen der Kreisgebietsreform werden erst in der Praxis auftauchen. Dabei wird entscheidend sein, wie sorgsam die Politik mit den Sorgen und Ängsten der Betroffenen umgeht. Dafür ist ein breit aufgestellter Beirat das richtige Gremium, um für eine breite Akzeptanz der notwendigen Kompromisse zu sorgen.

Auch die UN-Behindertenrechtskonvention muss dringend in Landesrecht umgesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Diese Umsetzung fordern die Liberalen bereits seit 2009 hier im Landtag. Dieser Schritt ist ebenfalls längst fällig. Daher sollten wir jetzt eine breite Basis für die sozialpolitischen Vorhaben in Mecklenburg-Vorpommern setzen, damit diese künftig schneller fundiert zusammenarbeiten kann.

Und an dieser Stelle, weil einige mich schon angesprochen haben, noch mal ein Grund, warum das SGB-Beirat heißt. Warum nicht einzelne SGB’s aufgezählt sind, die IX, die XI und die XII, liegt daran, dass wir uns überlegt haben, es gibt viele Punkte, wie die Pflege die verschiedenen SGB’s angreift. Die Pflege finden Sie im SGB V, im SGB IX, im SGB XI und im SGB XII. Und um uns da nicht einzuschränken, haben wir es ganz einfach, viel

leicht auch ein bisschen zu einfach, SGB-Beirat genannt. Es gibt die Themen Behindertenarbeit, die finden Sie im SGB XI, XII, IX, II, bis hin zur Wohnproblematik, wenn wir über ambulantes Wohnen reden. Deswegen haben wir es SGB-Beirat genannt, um uns da auch als Beirat nicht schon die Rute auf den Bauch zu binden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Sehr gut, Herr Grabow.)

Danke schön, Herr Grabow.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Grabow, ja, es stimmt, das Sozialministerium braucht die breite Unterstützung verschiedener gesellschaftlicher Akteure. Und wir haben diese Unterstützung. Es gibt nicht einen Gesetzentwurf, den wir hier im Bereich der Sozialpolitik eingebracht haben, den wir nicht mit den breiten Akteuren besprochen und sogar entwickelt haben. Und dazu gehört nicht nur das Sozialhilfefinanzierungsgesetz, auch zum Beispiel das Einrichtungenqualitätsgesetz, wo es gerade von den Akteuren, von den Betroffenen viel Lob für diesen breiten Diskussionsprozess gab, sogar auch von Ihnen, was dann immer eine ganz große Besonderheit ist.

Und wir haben, wenn Sie die Frage der Behindertenarbeit ansprechen, den Integrationsförderrat, wenn Sie die Frage der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention ansprechen, die natürlich vor allem in diesem Integrationsförderrat beraten wird mit allen Akteuren, noch zusätzliche Arbeitsgruppen zur Entwicklung eines Programms eingerichtet. Wir haben zum großen Thema „Pflege im Land“ den Landespflegeausschuss, übrigens das einzige Gremium, dem ich vorsitze, um hier auch ein klares Zeichen in der Bedeutung zu setzen.

Und deswegen frage ich mich ganz ehrlich, wenn Sie diese ganzen Gremien infrage stellen und wenn Sie hier behaupten, dass das Land abgehängt ist in dieser Politik, dann stellen Sie diese Arbeit vor allem der Akteure – mich persönlich trifft es gar nicht –, aber diese Akteure infrage, und das ist nicht richtig. Die Akteure im Land machen hier eine tolle Arbeit in der Sozialpolitik und da muss ich mich vor die Akteure im Land stellen.