Doch wie geht es weiter in der Förderperiode ab 2014? Wo werden wir dann stehen? Was können wir heute tun? Diese Fragen waren Gegenstand der Beratungen bei uns im Ausschuss, in den mitberatenden Ausschüssen und in einer Anhörung mit Sachverständigen. Das Ergebnis sehen wir hier vor uns liegen.
Um es kurz zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir werden aus der Höchstförderung herausfallen.
Das hängt einerseits mit der EU-Osterweiterung zusammen, denn es sind eine Reihe ärmerer Regionen dazugekommen,
und das hängt aus meiner Sicht vor allem damit zusammen, dass wir die Fördermittel nutzbringend verwendet haben. Trotz aller verbleibenden Defizite war und ist die von unterschiedlichen politischen Mehrheiten getragene Politik in unserem Land erfolgreich gewesen. Man kann sagen, wir haben aufgeholt. Das Land hat sich wirtschaftlich und in sozialer Hinsicht positiv entwickelt,
(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da haben Sie aber lange geübt, so eine künstliche Lache.)
auch dank der konstruktiven Zusammenarbeit unserer Landesregierung mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern. In der Vergangenheit war das so, und wir hoffen – und darauf machen wir in unserer Beschlussfassung ja ausdrücklich aufmerksam –, dass das auch in Zukunft so sein muss.
auch deshalb werden wir in Zukunft weniger Fördermittel bekommen. Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, sozusagen die Kehrseite des Erfolges.
Im Rahmen der Anhörung wurden Stimmen laut, Fragen danach, ob wir nicht versuchen sollten, das Land im Sinne der europäischen Statistik sozusagen vorsorglich zu teilen, und zwar in einen ärmeren und in einen reicheren Teil. Denn vielleicht, so ist die Überlegung, würde der ärmere Teil dann ja mehr Förderung erhalten können. Unsere Antwort, die können Sie nachlesen in der Beschlussempfehlung, lautet ganz klar: Nein!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielmehr sollten wir an der Forderung nach einer angemessenen Übergangsregelung festhalten. Denn wir haben trotz aller Erfolge noch ein gutes Stück des Weges vor uns. Geringer Industrialisierungsgrad, wenig Außenwirtschaft, geringe Siedlungsdichte, demografischer Wandel,
all das sind Stichworte, die belegen, dass wir weiterhin finanzielle Mittel aus dem EU-Haushalt benötigen. Und wir sollten unsere Position gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Bundesländern in Berlin und Brüssel an den Mann beziehungsweise an die Frau bringen.
Auch eine Erkenntnis aus der Veranstaltung gestern in Berlin: Es zeichnet sich ab, dass unsere Empfehlung, was die Teilung des Fördergebietes betrifft, für die Zukunft richtig ist, denn Brüssel möchte Übergangsregionen gesondert fördern. Und Brüssel möchte mit einer höheren Flexibilität als bisher ermöglichen, innerhalb eines einheitlichen Fördergebietes dem erhöhten Bedarf in Teilregionen Rechnung zu tragen. Ich betone, innerhalb eines einheitlichen Fördergebietes! Wenn das so kommt, dann können wir auch innerhalb des gesamten Landes weitere Prioritäten setzen. Das ist letztendlich ein zusätzliches Argument für die Richtigkeit unserer Entscheidung und unserer Beschlussempfehlung.
Und dann empfehlen wir, dass der Landtag dem Thema weiterhin eine hohe Aufmerksamkeit widmet. Ich denke, wir werden gemeinsam mit der Landesregierung den 5. Kohäsionsbericht sorgfältig auswerten. Dazu hatte ich ja bereits zu Beginn meiner Ausführungen einiges gesagt. Es sollte uns nach meiner Meinung gelingen, zu dem am 12. November 2010 eröffneten Kohäsionsverfahren auch eine Stellungnahme des Landtages abzugeben.
Insofern möchte ich zum Abschluss die Gelegenheit nutzen, mich bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen zu bedanken, bei den Sachverständigen
dass wir der vorliegenden Beschlussempfehlung unsere Zustimmung geben werden. – Vielen herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Um das Wort hat zunächst gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder, der hier im Land bei uns politische Verantwortung trägt, weiß, was wir an Europa und an der Europäischen Union haben.
Die gern gestellte Frage – Europa, was bringt uns das? –, die können wir für uns in Mecklenburg-Vorpommern leicht beantworten: Europa leistet für uns eine lebenswichtige und hochwirksame Hilfe
in der Entwicklung des Landes. Diese Hilfe versteckt sich hinter dem Begriff „Kohäsionspolitik“, einer europäischen Politik, die darauf gerichtet ist, mit ihren Strukturfonds ESF und EFRE die wirtschaftlichen und die Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu fördern und anzugleichen. Und dazu kommt der Fonds für die Entwicklung der ländlichen Räume ELER, als Teil der gemeinsamen Agrarpolitik.
Durch die Kohäsionspolitik der EU wird MecklenburgVorpommern bis 2013 als Ziel-1-Gebiet mit 2,65 Milliarden Euro gefördert. Über 5 Milliarden Euro waren es insgesamt in zwei Förderperioden. Ab 2014 wird unser Land aufgrund der erreichten Wirtschaftskraft mit großer Wahrscheinlichkeit – ganz genau kann man das nicht sagen, aber es spricht alles dafür – nicht mehr zu den Regionen zählen, die diese höchste Förderpriorität genießen. Aber man muss sagen, noch ist ja bei allen Fortschritten, die wir haben, die Aufgabe nicht erledigt, denn noch haben wir den Anschluss an den EU-Durchschnitt nicht gefunden und noch können wir die Zukunft nicht aus eigener Kraft gestalten.
Ich finde, die Erfolge, die wir erreicht haben in den letzten Jahren mithilfe der Strukturfonds, die dürfen nicht gefährdet werden durch ein abruptes Wegbrechen dieser Fördermittel. Wir müssen daher eine Fortschreibung mit verlässlichen und allmählichen Übergängen anstreben. Dafür gibt es gute Gründe.
Diese Gründe haben wir in einem Positionspapier dargelegt, das wir heute debattieren. Diese Gründe betreffen mehr oder weniger alle ostdeutschen Länder. Eine viel zu geringe Forschungs- und Entwicklungskapazität im privaten Bereich – im öffentlichen Bereich haben wir viel, aber im privaten Bereich –, die schwächere Einbindung in internationale Wirtschaftskreisläufe, die noch häufig unzureichende Eigenkapitalausstattung der Unterneh
men und vor allem auch, das wird uns ja alle betreffen in Europa, aber Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern als Erstes, der demografische Wandel, Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung, das sind Gründe und Sonderfaktoren, die angemessene Übergangsregelungen dringend erforderlich machen.
Die Landesregierung hat diese Auffassung aber nicht nur in einem Papier festgehalten, sondern sie hat gehandelt. Wir haben uns mit Bund und Ländern, vor allem mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten und auch mit den Parlamentariern des Europäischen Parlaments verbunden, um gemeinsam frühzeitig Einfluss auf die Entscheidungen in Brüssel zu nehmen.
Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz Ende 2009 gemeinsame Eckpunkte verabschiedet, die wir gemeinsam verfolgen. Die Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten im März 2010 hat Übergangsregelungen für notwendig erklärt, die die Förderung nicht um mehr als ein Drittel absenken lassen. Auch die Stellungnahmen des Bundesrates zur EU-2020-Strategie haben wir genutzt, um unser Kernanliegen zu verdeutlichen. Diese Strategie wird in Zukunft noch stärker mit der Kohäsionspolitik verbunden werden müssen. Ich habe zusätzlich in Brüssel mehrere Gespräche geführt, unter anderem mit dem zuständigen EU-Kommissar Hahn, und direkt die Situation besprochen. Und auch das jüngste Treffen der ostdeutschen Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin in Warnemünde hat die volle Einigkeit zwischen Bund und Ländern in diesen Fragen unterstrichen.
Zuletzt hat die Landesregierung im Oktober nach genauer Prüfung die Entscheidung getroffen, weiter an einem einheitlichen Fördergebiet für unser Land festzuhalten, das Land nicht aufzuteilen. Damit sichern wir eine bestmögliche Mittelausstattung im ganzen Land. Ich freue mich, dass der Europaausschuss diese Position ausdrücklich unterstützt. Sie wird auch von allen Wirtschaftskammern des Landes, der Vereinigung der Unternehmensverbände und dem DGB geteilt.
Meine Damen und Herren, es wurden verschiedene Modelle diskutiert, welche Übergangsregelungen für die Situation angemessen sind, und es sind ja auch verschiedene Lösungen denkbar. Gerade erst in den letzten Tagen hat die EU-Kommission in ihrem 5. Kohäsionsbericht weitere Überlegungen für die Zukunft erkennen lassen. Für die Gestaltung der Übergänge werden dabei erste Lösungsansätze sichtbar. Die Kommission hat das Problem erkannt und aufgegriffen. Sie wird eine Lösung präsentieren. Die Vorschläge müssen aber noch weiterentwickelt werden und wir müssen darauf Einfluss nehmen.
Wichtig ist, dass die Übergänge nicht abrupt erfolgen, wichtig ist, dass die Mittel weiter sehr vereinfacht eingesetzt werden können, wichtig ist, dass der Europäische Sozialfonds Bestandteil bleibt. Und für uns sehr wichtig ist, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fortgeführt und ausgebaut wird. Auch eine stärkere Verknüpfung der Kohäsionspolitik mit der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes und Regelungen, die stärker in beiden Bereichen aufeinander abgestimmt sind, wären sehr positiv.
Meine Damen und Herren, mit der Vorlage dieses neuesten Kohäsionsberichtes wird sich die Debatte fortentwickeln in Europa. Durch die eng abgestimmte Haltung zwischen der Bundesregierung und den ostdeutschen
Ländern sind wir für diese Debatte gut gewappnet. Wir werden uns weiter intensiv an der Diskussion beteiligen. Wir werden die Position, die wir haben, engagiert einbringen. Die entsprechenden Beschlüsse werden wir selbstverständlich sofort dem Landtag hier zuleiten. Ich bin dem Landtag dankbar für den vorliegenden Bericht und auch für die konstruktive Begleitung der Sache insgesamt. Ich habe die Zuversicht, dass wir gemeinsam auf einem guten Weg sind. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Jawohl, gemeinsam stark.)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich hier auf ein paar inhaltliche Fragen eingehe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um allen Beteiligten, die sich in diesen aus meiner Sicht sehr konstruktiven Diskussionsprozess eingebracht haben, meinen herzlichen Dank auszusprechen.
Sowohl in der Anhörung als auch in der Diskussion im Europa- und Rechtsausschuss waren die Debatten sachlich und zielorientiert. Selbstverständlich sind auch unterschiedliche Auffassungen zum Ausdruck gebracht worden. Das liegt in der Natur der Sache. Aber, und das halten wir für sehr wichtig, wir haben es geschafft, uns auf wesentliche Schwerpunkte zu konzentrieren. Und es ist eben wichtig, gegenüber der Europäischen Kommission mit einer Stimme zu sprechen.