Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

Nutzfläche müssen die quantitativen und zunehmenden qualitativen Anforderungen der Ernährung einer rasch wachsenden Weltbevölkerung gesichert werden. Gleichzeitig werden hohe Erwartungen in die Landwirtschaft als Energielieferant aus nachwachsenden Rohstoffen gesetzt. Das Thema hatten wir im vorherigen Antrag hier bereits. Auch falsche finanzielle Anreize bei der Produktion erneuerbarer Energien haben vielen Investoren außerhalb der Landwirtschaft Appetit auf spekulative Bodenkäufe gemacht. Das ist die eine Seite der Medaille.

Eine andere Seite ist die im Antrag bezeichnete Tätigkeit der BVVG, die maßgeblich dazu beiträgt, den Boden zu verteuern und zum begehrten Spekulationsobjekt für Investoren von außerhalb der Landwirtschaft zu machen.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Die BVVG selbst vermeldet stolz, dass sie seit ihrer Gründung im Jahre 1992 insgesamt über eine Million Hektar landwirtschaftlicher Flächen privatisiert hat und dem Bund dafür 4,3 Billiarden Euro Überschüsse überwiesen hat.

Im Entwurf des Zweiten Flächenerwerbsänderungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP im Bundestag wird in der Problemstellung darauf verwiesen, dass die Preissteigerungen der von der BVVG verkauften Flächen sich seit 2004 bis heute im Durchschnitt auf annähernd 100 Prozent belaufen. Die Verkaufsziele der BVVG in Verbindung mit den angewandten Methoden der Kaufpreisermittlung und dem öffentlichen Verkauf nach Höchstgebot führen also zu dramatischen Steigerungen der Kauf- und auch der Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern.

Ortsansässige etablierte Agrarbetriebe können in dieser Situation bei der Preisentwicklung häufig nicht mehr mithalten. Ihnen droht mit Verkäufen der ehemals volkseigenen Flächen an auswärtige Kapitalanleger der Entzug der Existenzgrundlage ihrer Wirtschaft.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es. – Udo Pastörs, NPD: Ist doch toll, die Globalisierung!)

Aus diesem Grund wurde bekanntlich vor etwa einem Jahr das Moratorium des Bodenverkaufs der BVVG beschlossen und nachfolgend das Privatisierungskonzept 2010 erarbeitet.

In ersten Stellungnahmen begrüßte auch der Bauernverband unseres Landes die neuen Privatisierungsregelungen. In den Verbandsinformationen dieses Monats heißt es nun von Präsident Tietböhl, dass bei der praktischen Umsetzung des Privatisierungskonzeptes Ernüchterung eingetreten ist, weil die Preisentwicklung nicht eingedämmt ist. Wertgutachten, die nur bei Gefallen anerkannt werden, und die Infragestellung der Kompetenz der Gutachter sind weitere Kritikpunkte des Bauernverbandes.

In seiner bekannten direkten Sprache äußert der Präsident dann, und ich zitiere: „Man muss den Boden mit dem Ertrag des Bodens bezahlen können. Er gehört in die Hände derer, die vom Boden leben wollen und müssen“, Ende des Zitats. Dem kann nur vollinhaltlich zugestimmt werden.

Es ist damit noch einmal der Rahmen für das bisherige und künftige Engagement dieses Hohen Hauses in der Bodenfrage klar umrissen. Einschließen will ich in diesen Rahmen auch alle über unseren heutigen Antrag hinausgehenden Forderungen zur Bodenpolitik wie:

anstelle von Verkauf auf langfristige Verpachtung zu setzen,

die Übernahme der nach der endgültigen Abwicklung des Verkaufs nach dem EALG verbliebenen Flächen in Landeshoheit

und auch die moderate Übernahme dieser Flächen nach dem erfolgreichen Modell der NOBOMA unter Leitung von Herrn Wolfgang Jäger wäre eine sinnvolle Alternative.

Das sind keine Fantastereien, meine Damen und Herren, das sind die einzigen gangbaren Wege, die wir gehen müssen, wenn wir denn wirklich wollen, dass unsere einheimischen Landwirte möglichst große Chancen für die Zukunft haben sollen.

Natürlich kommt sofort das Argument, der Bund spiele da nicht mit und wird sich die Verkaufseinnahmen bis 2025 nicht entgehen lassen. Kluge, nachhaltige Finanzpolitik sollte beinhalten, dass langfristige Pachteinnahmen und vitale Betriebe in ländlichen Räumen viel bessere Investitionen und auch Einnahmen erbringen als ein einmaliger Ertrag. Wir wünschen Herrn Schäuble diese Einsicht. So, wie es jetzt aussieht, wird mit jedem Hektar Verkauf an Nichtlandwirte auch Zukunft unseres Landes verkauft.

Meine Damen und Herren, alles, was ich bisher zur Begründung unserer Forderung, auf den Verkauf von landwirtschaftlicher Nutzfläche über öffentliche Ausschreibungen zu verzichten, gesagt habe, trifft auch auf Fragen der Pacht und der Pachtpreise für landwirtschaftliche Nutzflächen zu. Die Pachtpreise steigen mit den Bodenverkaufspreisen. Im letzten Jahr wies in der öffentlichen Anhörung zu unserem Antrag „Bodenzugang für einheimische Landwirtschaftsbetriebe sichern“ der Vorstandsvorsitzende der Wariner Pflanzenbau eG darauf hin, dass die Verwertungspraxis der BVVG zu einer Veränderung der Agrarstruktur und zu einer Verringerung der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum geführt habe.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Die bei Ausschreibungen durch die BVVG abgegebenen Pachtgebote erreichten inzwischen das Zwei- bis Dreifache – nämlich 450 Euro pro Hektar bis 625 Euro pro Hektar, je nach Bodengüte – einer wirtschaftlich begründeten Pachthöhe, die bei 200 Euro pro Hektar bis 300 Euro pro Hektar errechnet wird. Die den Betrieben entzogene Finanzkraft fehle bei der Vergütung von Arbeitskräften und bei betriebsnotwendigen Investitionen,

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben doch kaum noch Arbeitskräfte!)

so der Vorstandsvorsitzende.

In diesem Jahr, 2010, kommen zwei weitere negativ wirkende Faktoren hinzu. Das ist zum einen die finanzielle Belastung der Bauern durch die Schlechtwetterperiode während der Getreideernte und zum anderen – wir werden das Thema ja morgen dann erörtern – die bevorstehende Kürzung der EU-Direktzahlungen ab 2014.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Tatsache ist aber auch, dass eine Vielzahl von Pachtverträgen der BVVG jetzt und in den kommenden Jahren ausläuft und mit Sicherheit eine Neu- oder Wiederverpachtung die bisherigen Pachtpreise erheblich verteuern wird. Die BVVG ist in unserem Lande Großverpächter und damit wie beim Bodenverkauf der Preisfestsetzer, an dem sich alle anderen orientieren.

Unser Vorschlag ist deshalb – und da haben wir eine Anregung des Deutschen Bauernbundes aufgegriffen –, Einfluss auf die Großverpächter BVVG und Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen, um zum Beispiel Pachtpreisklauseln, die Spielräume für ein Sinken der Pacht bei nachgewiesenermaßen schlechten Erträgen, aber auch einen Swing nach oben bei guten und sehr guten Erträgen beinhalten, einzuführen. Dieses Prinzip ist wohl jahrelang in Vergessenheit geraten, wird aber auch heute noch bei umsatz- und gewinnbezogenen Vermietungen in anderen Branchen erfolgreich angewendet.

Ich sehe vor allem bei der Landgesellschaft das Verständnis für die Probleme der Agrarstruktur und der Landwirtschaftsbetriebe und glaube auch, dass bei der Geschäftsführung die notwendige Bereitschaft für eine solche Ideendiskussion vorhanden ist.

Wir sollten uns auch im Agrarausschuss dieser Problematik gemeinsam mit Beteiligten und Interessenvertretern annehmen. Ich füge noch hinzu, dass eine Stundung von Pachten keine nachhaltige Lösung ist, da damit die Verschuldung der Bauern nur vorangetrieben wird. Es geht letztendlich um niedrige und angepasste Pachten.

Abschließend will ich noch einmal allen Kolleginnen und Kollegen, die das, was wir beantragt haben, für oppositionelle Utopie halten, sagen, dass mit dem Verkaufsmoratorium der BVVG zwar keine wirksame Begrenzung des Preisanstieges erreicht wurde, aber es wurde gezeigt, dass die ostdeutschen Länder Einfluss auf die Bundespolitik in dieser Frage nehmen können. Tun wir es gemeinsam, um die Zukunft der einheimischen Landwirte zu sichern, um die angestrebte, nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume und damit die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu sichern! – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Professor Dr. Tack.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Back haus. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Bodenpolitik hat uns in den letzten 20 Jahren hier immer wieder auch betroffen gemacht. Und auf der anderen Seite muss man auch feststellen, dass in den letzten 20 Jahren auf diesem Sektor ja auch sehr, sehr viel passiert ist.

Wenn wir uns die aktuelle Auseinandersetzung auf Bundesebene anschauen, dann freue ich mich, dass die BVVG und der Bauernverband hier sind.

Und, Herr Professor Tack, ich glaube, es geht um viel mehr. Ich will das hier ausdrücklich sagen. Es geht für mich um die Koalitionsvereinbarung der CDU, CSU und FDP.

(Dr. Fritz Tack, DIE LINKE: Ja.)

Ich vermute mal, da wird nachher noch etwas kommen.

Wenn Sie sich das anschauen, dann haben wir in den letzten Legislaturperioden unter Rot-Grün – ich will das noch mal ausdrücklich betonen – sehr, sehr viel für die Landwirtschaft in den neuen Bundesländern erreicht, sehr viel.

(Ute Schildt, SPD: Haben wir. – Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Wer sich ein bisschen erinnert, der weiß, es ging um die Bodenreform. Wenn es die Sozialdemokraten in der letzten Volkskammer nicht gegeben hätte, hätte es die 4-plus-2-Gespräche in der Form nicht gegeben, es hätte nicht die Sicherung im Einigungsvertrag der Bodenreform gegeben und es hätte Verwerfungen,

(Udo Pastörs, NPD: Das war ein Verbrechen.)

gravierende Verwerfungen

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

in den neuen Bundesländern gegeben.

(Udo Pastörs, NPD: Das wissen Sie genau, Herr Dr. Backhaus.)

Herr Pastörs, das freut mich, dass Sie mich jetzt wieder ansprechen.

(Udo Pastörs, NPD: Das war eine ganz große Schweinerei.)

Und ich möchte Sie als Scharlatan dieses Landes entlarven.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und zwar gestern Abend,