Im Vorblatt zum Gesetzentwurf wird unter „A Problem“ formuliert, ich zitiere: „Das Vierte Änderungsgesetz zum Landeshochschulgesetz soll den mit der Neufassung des Landeshochschulgesetzes im Jahre 2002 eingeschlagenen Weg, die Autonomie der Hochschulen zu stärken, fortsetzen.“ Sie werden sich vielleicht erinnern, 2002 haben Sie noch einen Antrag eingebracht, der gefordert hat, den Entwurf der Landesregierung wegen der Ergebnisse der Anhörung zurückzuziehen und einen neuen Entwurf vorzulegen.
(Marc Reinhardt, CDU: Das war die alte Fraktion. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)
Wenn Sie heute explizit und positiv auf das Gesetz von 2002 Bezug nehmen, werte ich das zwar als späte, aber doch wohl richtige Erkenntnis. Nunmehr wissen wir nach den Anhörungen im Bildungsausschuss, wie die Expertinnen und Experten über Ihren Gesetzentwurf gesprochen haben – wie zu erwarten war, sehr differenziert und interessengebunden, auch was das Diplom betrifft. Ich halte dies mit Blick auf die Komplexität der Aufgaben, Anforderungen und Abläufe an den Hochschulen auch für völlig normal.
Es ist aus unserer Sicht positiv zu bewerten, dass die Koalitionsfraktionen im Gegensatz zu sonstigen Anhörungsergebnissen eine ganze Reihe von Hinweisen aufgenommen haben. Allerdings hatten Sie am Tage der Anhörung zunächst eine breite Zustimmung zum Gesetzentwurf ausgemacht, worüber ich mich gewundert habe. Zumindest konnte man das in Ihren Presseerklärungen sehen, Erklärungen, die noch vor Ende der Anhörung abgegeben wurden. Die Hinweise der Studierenden, der Gewerkschaften und der Personalvertretungen nahmen praktisch nur noch die Oppositionsfraktionen entgegen, da Abgeordnete von CDU und SPD schon nicht mehr da waren. Die diesbezügliche nachträgliche Kritik der Anzuhörenden können wir deshalb gut nachvollziehen, denn so geht man nicht mit geladenen Gästen um.
Was nun die von Ihnen deklarierte und überwiegend positive Resonanz angeht, so kann ich diese nicht teilen. Bereits 2007 existierte ein umfänglicher Entwurf zu einer Novelle des Landeshochschulgesetzes intern an den Hochschulen. Den offiziellen Entwurf legte die Landesregierung allerdings erst im Juni 2010, also drei Jahre später dem Landtag vor.
Nun, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist eine längere Vorbereitungszeit zu solchen komplexen Gesetzesvorhaben an sich nicht zu beanstanden. Gründlichkeit sollte ja vor Schnelligkeit gehen, aber offensichtlich wurde diese lange Zeit vom Bildungsministerium nicht gründlich zu einer Qualitätsverbesserung genutzt. Wie ist es sonst zu erklären, dass zu dem vorliegenden Entwurf die Koalitionsfraktionen selbst über 30 Änderungsvorschläge entwickelten und als Anträge vorlegten?
Ich fühle mich, wenn Sie das auch vielleicht nachvollziehen können, erinnert an die Verfahrensweise beim Landesgraduiertengesetz. Es blieb kaum eine wesentliche Regelung unverändert. Es liegt uns damit faktisch ein fast neuer Gesetzentwurf vor. Viele der jetzigen Änderungen wurden seit Jahren gefordert. Warum wurden sie nicht vom Bildungsministerium bereits im Ursprungsentwurf berücksichtigt, fragen wir uns. Dass erst in und zwischen den Ausschussberatungen durch die Koalitionsfraktionen oder, vielleicht sollte ich besser sagen, durch den Kollegen Brodkorb massiv nachgebessert wurde, ist wohl kein Zeichen hoher Qualität des Gesetzentwurfes der Landesregierung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Natürlich steckt ein Landeshochschulgesetz nur den groben Rahmen, den Entwicklungs- und Handlungsrahmen ab. Konkret wird es mit der Umsetzung der Ansprüche an die Reformbestrebungen erst mit den Zielvereinbarungen, denn darin geht es schließlich um die finanziellen und materiellen Rahmenbedingungen. Es wäre deshalb wünschenswert gewesen, wir hätten zum Zeitpunkt der Zweiten Lesung, also heute, wenigstens die Entwürfe dieser Zielvereinbarungen studieren können.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einige grundsätzliche Bemerkungen zu einzelnen Punkten machen, die wir kritisch sehen:
Erstens die Deregulierung beziehungsweise Zentralisierung der Hochschulgremien, konkret gesagt die Stärkung der Position der Hochschulleiterin beziehungsweise des Hochschulleiters, ich sage lieber Rektorin oder Rektor, und der fakultative Ersatz des Konzils durch den erweiterten Senat. Für bedenklich halte ich auch die vorgesehenen Eingriffsrechte des Hochschulleiters in Leitungsbereiche anderer Kollegen und in die studentische Selbstverwaltung. Ob Autonomie und Demokratie dabei wirklich gewinnen, ist aus meiner Sicht höchst fraglich. Das humboldtsche Bildungsideal ist nur sehr schlecht mit Zentralisierung vereinbar. Hochschulen sind keine Wirtschaftsbetriebe oder Verwaltungsbehörden. Studierende und auch Vertreter anderer Hochschulgremien äußerten zu diesem Vorhaben massive Bedenken; ich denke, zu Recht.
Zweitens. Die Zusammenführung der Personalkate gorien des wissenschaftlichen Mitarbeiters und der Lehrkraft für besondere Aufgaben halte ich nach wie vor für diskussionswürdig, insbesondere hinsichtlich der Folgen für die Beschäftigten, aber auch für den Lehr- und Forschungsbetrieb an den Hochschulen. Hier wird zu hinter
fragen sein, was sich hinter der größeren Flexibilität beim Einsatz wirklich verbirgt, was man damit bewirken will.
Drittens. Die Interessen der Studierenden sind aus unserer Sicht weiter unzureichend berücksichtigt. Dazu habe ich eine andere Auffassung, als der Ausschussvorsitzende sie hier vorgetragen hat. Von den Forderungen aus den Protesten zum Bologna-Prozess ist nicht viel übernommen worden, insbesondere nicht zu den Studienbedingungen. Die Studienbedingungen sind aber nicht zuletzt die zentrale Motivation für junge Leute, sich für ein Studium an den Hochschulen unseres Landes zu entscheiden. Bei demografisch rückläufigen Bewerberzahlen ist dies von besonderer Bedeutung für die nationale Wettbewerbsposition unserer Hochschulen.
Ich will feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Viertens, dass wir eine Reihe von Regelungen begrüßen. Ich will nur drei nennen:
Das sind zum Ersten das Schülerstudium und die Erleichterung des Hochschulzugangs für beruflich qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber ohne Hochschulreifezeugnis.
Das ist die Bindung von berufenen Professorinnen und Professoren an die eigene Hochschule durch Vereinbarungen über Mittelrückzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden innerhalb von drei Jahren.
Ich habe hier in Vorbereitung auf die heutige Tagung natürlich auch noch mal alle Stellungnahmen, die bei uns im Stundentakt oder im Minutentakt eingegangen sind, studiert. Was sich dort entwickelt hat an Positionierungen, das war schon interessant zu verfolgen, und wer sich dort positioniert hat. Ich will hier ganz klar zum Ausdruck bringen, auch als Hochschullehrer, der ich einmal gewesen bin, dass die Berufsbezeichnung doch in erster Linie eine Sache der Hochschulen ist und eine Sache der Berufsverbände. Die sollten doch entscheiden, welche Bezeichnung für diesen Beruf ausgegeben wird. Ärzte lassen sich doch auch nicht den Namen von anderen geben, sondern sie entscheiden selbst, wie die Bezeichnung ihres Berufes lautet, und das gilt meines Erachtens auch für die ingenieurtechnischen Studiengänge und so weiter.
Ich bin sehr erstaunt gewesen, dass BDA und BDI, also die Dachorganisationen der Wirtschaft, sich dazu geäußert haben und dann unter anderem den VDI, also die Vereinigung der Ingenieure, mitzitieren, ohne dass die sich an uns gewandt haben. Die haben uns nämlich nicht geschrieben. Andere haben uns sehr häufig geschrieben und ihre Position mitgeteilt. Es gibt überwiegend eine große Zustimmung, wie eine Umfrage bei Topmanagern, bei über 500 Topmanagern, 513 Managern zeigt. Dort haben sich über 80 Prozent dafür ausgesprochen, diesen Weg zu gehen, sodass ich die Frage stellen muss, wie andere Dachverbände der Wirtschaft zu anderen Einschätzungen kommen. Da muss man nicht unbedingt Herrn Zetsche und den Mercedes-Stern dabei zitieren, der sich auch dazu geäußert hat, wie er das Diplom bewertet,
(Harry Glawe, CDU: Das ist auch ein gutes Beispiel. Das hat sich bei jedem eingeprägt, auch bei den Linken.)
Ja, ich habe das verstanden. Ich fahre keinen Mercedes, aber das hat andere Gründe. Das hätte dann auch nicht einen solchen Zusammenhang.
(allgemeine Unruhe – Marc Reinhardt, CDU: Ihr dürft dazu nichts sagen, weil ihr sonst einen Maulkorb kriegt.)
Ich rede jetzt über das Hochschulgesetz. Ich weiß nicht, worüber Sie reden. Ich glaube, nicht über das Gleiche.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Interessant fand ich zumindest einen Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen“ am 08.12. unter der Überschrift „Ein Lehrstück in Profilbildung“, wo im Grunde genommen auch dieser Weg in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt wird.
Ich denke, die große Mehrheit der Stellungnahmen sollte uns dazu bringen, dass wir nicht rütteln lassen an dem Weg, den wir gefunden haben.
Und ich will an dieser Stelle sagen, dass wir den FDPVorschlag, der im Grunde genommen die Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz aufnimmt, zu einem Äquivalenzschein zu kommen, ablehnen. Wir sind für die Beibehaltung dieser Lösung, die wir gemeinsam gefunden haben.
Fünftens. Wir freuen uns, dass sich mehrere unserer Änderungsvorschläge in inhaltsgleichen oder ähnlichen Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen wiederfanden. Unverständlich ist für uns, dass andere Vorschläge von den Koalitionären abgelehnt wurden. Ich nenne ein paar Beispiele dafür:
Verkürzung der Zeiten von Berufstätigkeiten von beruflich Qualifizierten vor Aufnahme des Hochschulstudiums
Konkretisierung der Anforderungen an die pädagogische Befähigung von berufenen Professorinnen und Professoren
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend ein paar Bemerkungen zur Integration der Universitätsklinika und der medizinischen Fakultäten in die neue Rechtsform Universitätsmedizin. Ich halte diese Lösung für einen janusköpfigen Weg,
denn einerseits kann der Verselbstständigung des Klinikums in der medizinischen Fakultät entgegengewirkt werden – das ist eine Wirkung, die wir haben wollen –, andererseits wird das ohnehin vorhandene Übergewicht der Medizin an der Universität verstärkt. Die Zukunft wird zeigen, davon bin ich überzeugt, ob dieser Weg tragfähig ist, denn im Jahr 2005/2006 haben wir die Anstalt öffentlichen Rechts, das Klinikum, eingeführt und waren der Auffassung, das ist der richtige Weg. Und wir sollten das aufmerksam verfolgen, ob dieser nun gewählte Weg der richtige ist.
Dass dem Vorstand der Universitätsmedizin nun der Pflegedienstleiter beziehungsweise die Pflegedienstleiterin wieder verbindlich angehört, ist zu begrüßen. Dagegen ist aus unserer Sicht die fortgesetzte und verstärkte Tendenz zur Privatisierung der Bildung und medizinischen Versorgung sehr bedenklich. Sie zeigt sich besonders deutlich bei der Ausgliederung von übertragenen Aufgaben in eine Rechtsform des privaten Rechts. Und wir sehen durchaus die Gefahr, dass Filetstücken dann ausgegliedert werden, aber die Universitätsmedizin davon keinen Nutzen hat.