Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Oh, sehr schön! – Zuruf von André Specht, CDU)

Wir hatten hier eine Beschlussempfehlung vorgelegt, die in der Tat viel Raum zur Interpretation lässt. Wir wollen damit den Anfang machen, das schwierige Thema Gebühren an einer Stelle aufzubrechen, wo es von den Studierenden selbst eingefordert wird. Es geht dabei in erster Linie um angemessene Gebühren für die erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten für den Aufbau akademischer Weiterbildungsangebote und Fernstudiengänge.

Lieber Herr Brodkorb, das Gebührenverbot in Paragraf 6 gilt für alle grundständigen und konsekutiven Studiengänge, zum Beispiel alle Bachelorstudiengänge und alle konsekutiven Masterstudiengänge. Besondere Relevanz im Falle dieses Verbots hat das Angebot der Bachelorstudiengänge als Fernstudiengänge. Nachfrage entsteht für diese Studiengänge vor allem durch Berufstätige, die diese Studiengänge berufsbegleitend studieren. Das hat faktisch für diesen Personenkreis einen weiterbildenden Charakter, für den auch gerne Gebühren entrichtet werden. Warum, Herr Brodkorb, sollte es sonst so viele erfolgreiche private Fernhochschulen in diesem Marktsegment geben?

Auch in Mecklenburg-Vorpommern versucht man, dieses wichtige Bildungssegment weiter auszubauen. Diese Möglichkeit ist jedoch durch das Gebührenverbot verwehrt. Zudem handelt es sich nach dem LHG bei einem solchen Studiengang aber eben nicht um einen weiterbildenden Studiengang. Das Landeshochschulgesetz knüpft an die Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz an. Dort gibt es nur den weiterbildenden Masterstudiengang. Hierfür ist aber ein erster bereits erworbener Hochschulabschluss Immatrikulationsvoraussetzung.

Herr Brodkorb, Sie haben gesagt, Sie verstehen unsere Forderungen nicht. Wir verstehen nicht, warum Sie es nicht verstehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP)

Lassen Sie es sich doch bitte noch einmal in Ruhe von einer Hochschule mit erfolgreichem Weiterbildungsangebot für beruflich Tätige erklären!

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Wir haben auch nicht verstanden, wie Sie auf die Idee mit den Studienkonten gekommen sind,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wir erklären Ihnen das gleich noch mal, Herr Kreher.)

die Hochschulen übrigens auch nicht. Hier sind Sie letztlich einer guten Einsicht gefolgt und haben von diesem Vorhaben abgelassen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das Hochschulgesetz wird von unserer Fraktion in Gänze abgelehnt, weil es nicht so in die richtige Richtung führt, wie wir uns das vorstellen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir hätten es gern noch privater.)

In Teilen werden wir zustimmen. – Danke schön, meine Damen und Herren.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kreher.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt hat er aber genug Schläge einstecken müssen.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es geht nicht nur mir so als Mitglied im Bildungsausschuss, dass ich immer erstaunt bin, wie viel Kraft, Herr Kreher, und Arbeitsaufwand Sie sich im Ausschuss einsparen, um es dann hier komplett in eine Rede zu investieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Das, was Sie hier gefordert haben, hätten Sie im Ausschuss natürlich auch tun können. Und auf meine damalige Frage, was Sie eigentlich mit dem Antrag zur Weiterbildung wollen, konnten Sie nichts sagen. Dass Sie sich jetzt noch ein bisschen vorbereitet haben auf Ihre Rede, um mal zu erklären, was der Antrag eigentlich meinte, den Sie gestellt haben, das ist ja in Ordnung. Aber ich möchte Sie auch dahin gehend, wenn ich das darf, berichtigen.

(Hans Kreher, FDP: Wir haben einfach nicht gesagt, dass Sie das verstehen. Wir haben einfach nicht gesagt, dass Sie das verstehen.)

Ich habe meine Position zu den Weiterbildungsgutscheinen im Gesetz gar nicht verändert. Da muss ich Sie enttäuschen. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass Studierende nicht dafür bestraft werden, dass sie länger brauchen, sondern belohnt werden, wenn Sie schneller studieren, durch Bildungsgutscheine.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Das halte ich nach wie vor für richtig.

Wir als SPD-Fraktion haben zur Kenntnis genommen, dass sämtliche Studierendenvertretungen gegen diese Ausweitung der Gebührenfreiheit waren. Wir haben nämlich vorgeschlagen, Weiterbildungsgutscheine zu verteilen für weiterführende Studiengänge. Ich muss gestehen, als SPD-Mitglied hat mich das erstaunt, dass die Studierendenvertretungen inzwischen so einen Schritt der Ausweitung der Gebührenfreiheit nicht unterstützen. Natürlich hat der auch gewisse Probleme, das hat jeder Vorschlag. Aber da wir keine Zwangsbeglücker sind, Herr Kreher, nicht deshalb, weil ich das nicht mehr für richtig halte, sondern weil wir keine Zwangsbe glücker sind und nicht versuchen, einer alten Dame über die Straße zu helfen, die eigentlich in den Bus einsteigen will, haben wir gesagt, gut, dann lassen wir das eben bleiben. So weit vielleicht noch mal zu diesen Punkten.

Meine Damen und Herren, ich hätte vor vier Wochen, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich hier heute eine Rede halten werde, die sich zum erheblichen Teil mit dem Thema des Diploms beschäftigt, dann hätte ich, das muss ich sagen, gelächelt. Denn in diesem Gesetz geht es eigentlich darum, dass wir in Zukunft nicht nur investiv wahrscheinlich die modernsten Hochschulme

dizineinrichtungen der Bundesrepublik haben, sondern auch im Hinblick auf ihre rechtliche Stellung ein sehr fortschrittliches System. Das ist eine große Reform, die es eigentlich verdient hätte, in erster Linie im Vordergrund zu stehen. Der Minister hat hierzu auch schon einiges gesagt. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Es ist wohl so, dass ein Stück Papier viel wichtiger ist als diese hochschulpolitische Reform. Aber ich möchte es mir trotzdem nicht versagen, noch einmal konzentriert darauf hinzuweisen, dass es aus meiner Sicht nicht richtig ist, wie Herr Professor Methling das dargestellt hat, dass wir kaum Änderungen in Sachen Bologna vorgenommen haben. Es sind nämlich genau sieben und nur der siebente Punkt betrifft das Diplom.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Wir haben erstens die Möglichkeit der Programmakkreditierung geschaffen. Das heißt, zukünftig müssen Hochschulen nicht mehr jeden einzelnen Studiengang akkreditieren lassen, sondern sie können ein System der Qualitätssicherung akkreditieren lassen und damit den bürokratischen Aufwand der Akkreditierung deutlich mindern. Das ist eine Konsequenz aus der Kritik an Bologna.

Zweitens gab es die Kritik, dass die Studenten nicht genügend mobil sein können in Europa. Sie wissen, eigentlich sollen in den Studiengängen Mobilitätsfenster vorgehalten werden, damit die Studenten entsprechend wechseln können. Aber das stellte sich studienorganisatorisch als sehr kompliziert heraus. Da haben wir überlegt: Was machen wir? Wir stärken die Rechte der Studierenden und sagen, wenn ihr ins Ausland gehen wollt, bekommt ihr ein Semester zusätzlich, das nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet wird. Das ist im Interesse der Studierenden und des Bologna-Prozesses wesentlich.

Drittens. Der Hauptkritikpunkt des Bologna-Prozesses war die Prüfungslast. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, dass es einfach zu viele Prüfungen gibt. Wir haben ja in einem Studiengang 300 ECTS-Punkte. Das kleinste Modul hat drei ECTS-Punkte. Sie könnten also rein theoretisch 100 Module, die insgesamt 100 Noten produzieren, in fünf Jahren generieren. Das ist natürlich nur eine maximal e und etwas übertriebene Rechnung, aber das ist das theoretisch Denkbare. Wir haben gesagt, gut, dann machen wir Folgendes: Wir schreiben in das Gesetz rein, die Hochschulen regeln in jedem Studiengang selbst

a) wie viele Module sie benoten und

b) wie viele benotete Module in die Endnote eingehen.

Völlige Freiheit und völlige Hochschulautonomie. Und wenn in Zukunft aus den Hochschulen Klagen darüber kommen, dass die Prüfungslast zu groß ist, dann können wir nur sagen: Selber schuld, denn wir haben euch als Gesetzgeber alle Möglichkeiten gegeben, das zu gestalten. Das ist eine große Entlastung.

Dann haben wir viertens den Übergang zum Master deutlich erleichtert. Sie wissen, dass einige Hochschulen oder auch unsere pauschale Abschlussnoten beim Bachelor vorsehen, beim Zugang zum Master, obwohl Studienplätze frei sind. Da hat also vielleicht mal jemand einen schlechten Tag gehabt bei einer Prüfung, rutscht auf 2,55 im Durchschnitt und bekommt keinen Zutritt mehr zum Master, obwohl er eigentlich ein vernünfti

ger und guter Student ist. Auch das haben wir in dieser Form abgeschafft. Der Zugang zum Master kann immer noch beschränkt werden, aber muss auch im Einzelfall begründet werden.

Wir haben fünftens eingeführt – und deswegen, Herr Professor Methling, erklärt sich auch, warum wir Ihrem Antrag nicht mehr zugestimmt haben –, wir haben die Regelung zum Teilzeitstudium präzisiert. Die Hochschulen haben in Zukunft die Möglichkeit, in jedem Studiengang den Status des Teilzeitstudierenden zuzulassen und in Satzungen zu regeln, wie viel ein Teilzeitstudent studieren muss. Er studiert natürlich dasselbe auf eine größere Zeit verteilt, also innerhalb eines Jahres weniger als ein gewöhnlicher Student oder eine gewöhnliche Studentin. Die Hochschule kann dementsprechend die Regelstudienzeit für den Teilzeitstudenten heraufsetzen. Auch das ist eine deutliche Modernisierung, die man durchaus im Rahmen des Bologna-Prozesses sehen kann.

Sechste Reform. Wir führen auf Vorschlag des DHV, wenn ich mich recht entsinne, das Begabtenstudium ein. Das heißt, besonders leistungsfähige Studierende können in Zukunft in allen Studiengängen spezielle Studienverläufe absolvieren, die sich durchaus deutlich unterscheiden von dem, was normalerweise im Rahmen des Bologna-Prozesses vorgegeben ist. Aber es müssen eben alternative Prüfungsleistungen erbracht werden. Das heißt, es muss die Bologna-Äquivalenz trotzdem hergestellt werden.

Und nur der siebente Punkt – und vom rechtlichen Gehalt eigentlich der unbedeutendste, wenn ich das so sagen darf, nicht symbolisch politisch, aber rechtlich gesehen der unbedeutendste – ist das Diplom.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Dazu möchte ich jetzt natürlich noch einige Dinge sagen: Es ist wahr, es gibt Befürworter und es gibt Kritiker der Wiedereinführung des Diploms als Abschluss, nicht als Studiengang. Das muss man ja mal sagen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja.)

So mutig wie die Sachsen sind wir ja nicht. Die Sachsen behalten ihre Diplomstudiengänge und das Diplom als Abschluss. Da habe ich im Übrigen noch nicht mitbekommen, dass es da große Protestwellen in Deutschland gibt. Es hat sich noch keiner bemüßigt gefühlt, da Protestlawinen zu organisieren.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das stimmt.)

Wir bleiben ja bei dem konsekutiven Studienmodell und ändern bloß die Abschlussbezeichnung. Und da wird uns doch angedeutet, wenn wir das tun, dann droht in Europa eine Erdspalte aufzugehen und der ganze Kontinent darin zu versinken. Das ist ja ungefähr das Szenario, das da gemalt wird.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Vincent Kokert, CDU: Zumindest in Vorpommern.)

Also zählen wir es auf: Professor Teuscher von der Fachhochschule Neubrandenburg ist dagegen, der Rektor der Universität Rostock ist dafür. Die Vereinigung der Unternehmensverbände ist dagegen, die IHK Rostock ist dafür. Ein studierender Vertreter der Hochschule Wismar ist dagegen, die Maschinenbaustudenten der Universität Rostock sind dafür. Die HRK hat sich gestern, glaube ich, gemeldet, sie ist dagegen, das kann man auch dagegen

halten, die TU9, die neun größten Technischen Universitäten in Vertretung von Herrn Professor Schmachtenberg sind dafür. Und es hat sich zum Glück auch noch gemeldet Herr Professor Kempten, der Bundesvorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genau.)

Der ist sogar so weit gegangen und hat gesagt: Das, was wir heute beschließen, und wenn wir das beschließen mit Unterstützung der LINKEN mit über 80 Prozent in diesem Parlament, wofür ich sehr dankbar bin, dann werden wir zur, jetzt nicht zucken – Zitat –, „Avantgarde der Hochschulreform in Europa“, Zitatende.