Wie Sie alle aus der Presse wissen, hat die SPD hier, das ist fast täglich in Artikeln zitiert worden, ganz klare Vorstellungen kundgetan und auch unsere Sozialministerin hat – zuletzt, glaube ich, gestern – ein ausgiebiges Interview in diesem Zusammenhang gegeben und die Position der SPD auf Bundesebene darin ausdrücklich unterstützt.
Die von der Bundesregierung vorgelegten neu berechneten Regelsätze haben meiner Meinung nach auch mehrere Kritikpunkte zu erfahren. Zum einen, als die Dis
kussion losgetreten wurde, viel zu spät, das sagte Frau Müller schon, da wurden erst mal so ein paar Nebelkerzen geworfen. Da trat Herr Westerwelle auf und warf der SPD vor, sie wollen den Arbeitslosen den Alkohol finanzieren und die Zigaretten finanzieren. Nebelkerzen, wie ich sage, was aber schon die Richtung, in die es ging, ziemlich deutlich machte, nämlich man wollte zu diesem Ergebnis kommen, dass die Regelsätze ungefähr so bleiben können, wie sie sind.
Und das wurde auch noch mal sehr deutlich dadurch, dass man sich diesmal nicht an die Marge der unteren 20 Prozent Einkommen gerichtet hat, sondern man das erst mal auf 15 Prozent abgesenkt hat, damit man bei der Berechnung schon mal von weniger ausgehen kann.
Was mich in diesem Zusammenhang ganz besonders enttäuscht hat, muss ich sagen, das ist die Feststellung, dass die Regelsätze für Kinder nicht zu niedrig sind. Das hat mich ehrlich gesagt ziemlich umgehauen. Und dieses Bildungspäckchen ändert daran überhaupt nichts. Die SPD, die Partei und auch die Bundestagsfraktion, fordert umfangreiche Änderungen, eine transparente und sachgerechte Berechnung, mehr Anstrengungen für bessere Bildung, einen allgemeinen Mindestlohn und konsequente Arbeitsmarktförderung. Schon im Vorfeld der Beschlussfassung im Bundestag hat die SPD angekündigt, ohne Nachbesserungen im Gesetzentwurf weder im Bundestag noch im Bundesrat zuzustimmen.
In diesem Sinne wurde von der SPD-Fraktion im Bundestag ein Antrag eingebracht, in dem sie die Kritik an den neuen Hartz-IV-Regelsätzen, den Berechnungen der Bundesregierung und dem sogenannten Bildungspaket für Kinder zusammenfasst und zahlreiche Forderungen formuliert. Die Regelsätze sollen also neu berechnet und ermittelt werden, um eine korrekte und verfassungsgemäße Bemessung der Regelsätze zu erreichen. Das Bildungspäckchen muss zu einem ernsthaften Bildungspaket ausgebaut und auf die Kinder von Geringverdienern ausgeweitet werden. Unter anderem sollen die Bildungs- und Betreuungsinfrastrukturen bedarfsgerecht und verbindlich bis zum Jahr 2020 ausgebaut werden. Es muss ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden, der einen Sozialleistungsabstand schafft. Die Kürzungen der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik müssen zudem rückgängig gemacht werden.
Die Abstimmung im Bundestag ist bereits erfolgt, das wissen Sie alle. Nun konzentriert sich die Debatte auf die Abstimmung, die morgen im Bundesrat erfolgen soll. Wie Sie und wir alle aus den Pressemitteilungen wissen, ist das Ergebnis so ziemlich klar. Das Land Mecklenburg-Vorpommern wird sich der Stimme enthalten. Das ist Ihnen auch allen klar, weil wir unterschiedliche Auffassungen auch zwischen den Koalitionsfraktionen in diesem Zusammenhang vertreten. Dennoch wird, weil, auch dies ist mittlerweile bekannt, das Saarland dagegen stimmen wird, erwartet, dass auch im Bundesrat das Ganze scheitert.
Ich habe vorhin gesagt, dass es eine Scheindiskussion gegeben hat bei der Errechnung der Regelsätze. So ist es eigentlich auch ein bisschen eine Scheindiskussion an dieser Stelle. Wie ich gerade gesagt habe, wir sind uns als Koalitionäre hier unserer unterschiedlichen Standpunkte bewusst und wissen eigentlich im Vorhinein, dass
wir hier zu keinem gemeinsamen Ergebnis kommen werden. Und wenn wir uns nicht einigen, dann ist dieser Antrag abzulehnen, und so wird es auch geschehen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, soweit vorhanden! Es ist wenig sinnvoll, eine grundgesetzkonforme Ermittlung der Regelsätze zu fordern, wenn man nicht gleichzeitig die Frage stellt, ob Hartz IV in seiner Gesamtheit nicht dem Grundgesetz ins Gesicht schlägt. Wie ist das Arbeitslosengeld II mit all seinen Regelungen eigentlich mit der auch von Frau Müller angesprochenen Menschenwürde vereinbar? Die Menschenwürde gilt dann als verletzt, wenn Menschen nicht mehr als Menschen, sondern ausschließlich als Objekte behandelt werden, die fremden Zwecken zu dienen haben.
Die Hartz-IV-Reform diente von Anfang an nicht dem Wohl der Langzeitarbeitslosen. Nicht deren Aussichten sollten verbessert werden, vielmehr war beabsichtigt, sie als Manövriermasse für reine Wirtschaftsinteressen zu benutzen. Zunächst einmal wollte sich der Schuldenstaat auf ihre Kosten sanieren. Wer früher gut verdiente und jahrzehntelang Höchstbeiträge in die Sozialkassen entrichtete, der durfte früher darauf vertrauen, dass der von ihm finanzierte und ausgehaltene Staat dann auch ihm langfristig eine halbwegs anständige Arbeitslosenhilfe überwies, sodass der soziale Abstieg nicht so extrem ausfiel. Jetzt wartet bereits nach einem Jahr Arbeitslosigkeit, auch nach einem 30-jährigen Arbeitsleben, Hartz IV. Vermögen, die durch lebenslange Arbeit gebildet werden, kassiert der Staat ein, damit er der Hotelierslobby schöne Geschenke machen kann.
Dienen sollten die neuen Hartz-Regelungen auch der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, wie es heißt, und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, also abstrakten, allein der Wirtschaft dienenden Zwecken. Und dafür wird ganzen Bevölkerungsschichten die totale Verarmung zugemutet. Was immer Hartz IV dank der Förderung eines ausbeuterischen Billiglohnsektors tatsächlich zu einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit beigetragen haben mag und damit zu höheren Gewinn- und Steuereinnahmen, das dürfen wir im Rahmen des faktisch bestehenden innereuropäischen Zahlungsausgleiches sowieso bei den Ländern abliefern, die die Rente mit 57 eingeführt haben. Wenn wir uns weigern, sind wir natürlich sofort böse Nazis und selbst einer Frau Merkel wird vorgeworfen, sie wolle das Vierte Reich. Und vor diesem Vorwurf muss man sie nun wirklich ausdrücklich in Schutz nehmen.
Im Grundgesetz gibt es auch noch das sogenannte Sozialstaatsprinzip. Wenn Hartz IV damit vereinbar ist, dann können wir auch die Hohenzollern wieder holen und behaupten, das vertrage sich wunderbar mit dem Staatsprinzip der Republik. Hartz IV ist ganz klar verfassungsfeindlich. Jeder, der für Hartz IV eintritt, ist nur dann kein Verfassungsfeind, wenn man sich auf die Verfassung der konföderierten amerikanischen Südstaaten beruft, die die Sklaverei erlaubte. Ansonsten ist ein
Hartz-IV-Befürworter natürlich ein Verfassungsfeind und dürfte vielleicht wie Schröder einen Job bei einem russischen Gaskonzern kriegen, aber Beamter würde er nach den hier herrschenden Maßstäben nicht werden dürfen.
Leider sind es die verfassungsfeindlichen Hartz-IVJubelparteien CDU und SPD, die die meisten Verfassungsrichterposten mit ihren Leuten besetzt haben. Sie allein interpretieren das Grundgesetz, sie sind sogar dazu übergegangen, ungeschriebene, für normale Menschen nicht wahrnehmbare Geheimbedeutungen im Grundgesetz zu erblicken, wie manche kabbalistischen Rabbis in der Thora oder wie die Priester des Orakels von Delphi im Gebrabbel der Pythia. Bei der Entscheidung, ob der verschärfte Volksverhetzungsparagraf verfassungskonform sei, beriefen sie sich auf eine bis dahin nie gesehene und auch nirgendwo formulierte grundsätzlich antinationalsozialistische Tendenz des Grundgesetzes, weswegen Ausnahmegesetze ausnahmsweise in Ordnung wären, wenn sie sich gegen Rechts richten würden.
Was heißt das also, grundgesetzkonforme Ermittlung der Regelsätze? Das geschriebene Grundgesetz spielt keine Rolle mehr. Und was im ungeschriebenen, nur für Eingeweihte sichtbaren Grundgesetz steht, bestimmt freihändig eine kleine Klicke von Parteibuchjuristen,
die machen können, was sie wollen. Was im alten Rom die Sibyllinischen Bücher waren, das ist jetzt das Grundgesetz – keine sichere Rechtsgrundlage mehr, sondern ein Spielzeug für eine Priesterkaste in seltsamen Gewändern. Zwar treibt der Kult um das Grundgesetz immer neue Blüten, man kann sogar schon von einer nachgemachten Buchreligion sprechen, aber wie man mit der Bibel alles und das Gegenteil beweisen kann, dann bitte so auch mit dem Grundgesetz. Die Verfassungswürdigkeit ist eine reine Lotterie geworden und die Hartz-IVEmpfänger sind die Verlierer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es kurz. Das ist ein Thema, das hatten wir ja erst vor Kurzem.
Erstens. Meine sehr geehrten Damen und Herren der Linkspartei, es wird Ihnen nicht gelingen, mit diesem Thema Uneinigkeit in die Koalitionsfraktionen zu bringen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So, so! Das sehen wir ja jedes Mal. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)
Drittens. Eine Expertenkommission kann das Urteil nicht verändern, das müssen Sie einfach auch mal zur Kenntnis nehmen.
Und sechstens muss ich eins feststellen, und das zeugt von Ihrer Phantasielosigkeit: Sie schreiben mittlerweile Ihre eigenen Anträge ab, bringen zwei, drei Sätze, formulieren sie um. Also gehen Ihnen langsam die Ideen aus oder bewegen Sie sich im reinen Ideenkarussell?
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das war ein typischer Mantei, so, wie wir ihn kennen- gelernt haben. Flach, flach, kein Inhalt, nichts. – Irene Müller, DIE LINKE: Plattheiten.)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Kollegin Irene Müller hat in ihrer Einbringungsrede unseren Antrag erläutert. Über diesen dürfte es insofern keinerlei Unklarheit geben.