Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

also wieder voll im aktuellen Leben.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Ganz egal, wo zukünftig atomarer Schrott hingeführt werden soll,

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

ob nach Majak oder woanders hin, nach Russland oder nach Afrika oder in den Fernen Osten, wir wollen …

(Michael Roolf, FDP: Und ob überhaupt.)

Überhaupt, wir wollen gar keine Transporte –

(Michael Roolf, FDP: Durch Mecklenburg-Vorpommern.)

Majak im Südural –, aber ganz besonders aus dem Grunde nicht: Hier gibt es radiochemische Anlagen, Herr Liskow, wenn er hier wäre

(Egbert Liskow, CDU: Hier ist er.)

da ist er –, kann das bestimmt bestätigen, eine Anlage, mit der bei der Aufarbeitung von Brennstäben Plutonium und Neptunium gewonnen und für militärische Nutzung verwendet werden können. Deshalb haben wir auch einen Änderungsantrag formuliert, wie Sie sicherlich haben feststellen können. Er müsste Ihnen vorliegen.

Wir wollen ausschließen, dass Atomtransporte über unsere Häfen verschifft werden, egal woher, egal wohin. Und das soll der Landtag bekräftigen. Das ist unsere feste Absicht, zumal der Umgang mit einer Kleinen Anfrage meiner Kollegin Birgit Schwebs den Verdacht nahelegt, dass hier bereits unbemerkt von der Öffentlichkeit Atommüll über Rostock und Mukran ins Ausland gelangte.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Sie hatte bereits vor vier Wochen gefragt – und es ist auch mal interessant, das festzustellen –, ob es den Tatsachen entspricht, dass solche Transporte durchgeführt worden sind, ob die Landesregierung informiert war, ob die Kennzeichnung über entsprechende Gefahreinstufung erfolgt ist und so weiter und so fort. Nach 14 Tagen fragte die Bearbeiterin im Sozialministerium an, ob eine Verschiebung der Antwort um eine Woche möglich wäre. Auch nach dieser einen zugesagten Verlängerungswoche kam keine Antwort.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Immer noch nicht.)

Nein, sie hat sie immer noch nicht.

Heute hat Frau Schwebs erfahren, dass das Kabinett sich damit befasst habe und das Innenministerium nun beauftragt sei, die Antwort anzufertigen. Sehr markant! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Vorgehen ist schon sehr merkwürdig und es steht eben im direkten Zusammenhang mit unserem Antrag.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Da gehört auch was dazu.)

Wir wollen, dass die Landesregierung mit allen verfügbaren Mitteln die Interessen des Landes wahrt. Sollte es bereits Atomtransporte über Rostock oder Mukran gegeben haben, stünde das im fundamentalen Widerspruch zu den Landesinteressen und es würfe ein bezeichnendes Licht auf all die Beteuerungen und wohlklingenden Statements unserer Regierungsvertreter.

Mecklenburg-Vorpommern hat selbst kein Atomkraftwerk. Das Kraftwerk der DDR „Bruno Leuschner“ wurde abgeschaltet und die hoch radioaktiven Teile im Zwi

schenlager Nord deponiert. Das war verantwortliches Handeln. Bei uns war der Müll produziert worden. Wir mussten dafür sorgen, dass er bei uns sicher zwischengelagert werden konnte.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Dazu stehen wir bis heute und, wie der Landtagsbeschluss vom Juli dieses Jahres zeigt, auch die Mehrheit dieses Hauses. Deshalb ist es aus unserer Sicht nur recht und billig, dass wir von den Ländern, in denen Kraftwerke laufen und den giftigen Müll produzieren, genauso verantwortlich damit umgehen. Wir können und dürfen nicht zulassen, dass Atomkonzerne und andere Bundesländer ihre Probleme über unser und in unserem Land lösen. Deshalb lehnen wir jegliche Atomtransporte über unsere Straßen, Schienen und Wasserwege ab.

(Egbert Liskow, CDU: Über die Luft.)

Auf Anfrage der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, auch symptomatisch, hat der Senat aufgelistet, wie viele und welche Transporte über den Hamburger Hafen und durch die Stadt durchgeführt worden sind. Das Ergebnis muss selbst die größten Schwarzseher überraschen und erschüttern. Es waren von August 2009 bis August dieses Jahres 132 Kernstofftransporte und 100 Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe über den Hafen und es waren 300 Transporte über die Straßen. Über den Hafen Bremens gab es allein in diesem Jahr 85 Transporte von Kernbrennstoffen. Diese Zahlen machen die Dimensionen deutlich, um die es geht. Das können wir uns für unser Land nicht erlauben und das können wir auch nicht wollen.

Hamburg und Bremen wollten das auch nicht und haben deshalb bis auf Weiteres beschlossen, ihre Häfen für solche Transporte zu schließen. Dem sollten wir uns anschließen – zunächst über einen Landtagsbeschluss. Und mit aktiver Unterstützung durch die Landesregierung sollten sich unsere Hafenstädte ebenfalls dagegen wehren und entsprechende Beschlüsse fassen. Wichtig ist allerdings, dass wir es nicht bei diesem Beschluss bewenden lassen dürfen.

(Egbert Liskow, CDU: Da können wir die Röntgengeräte auch noch verbieten.)

Nicht ganz von der Hand zu weisen ist, dass die Landesregierung nur wenige Kompetenzen hat, wenn es – und das ist bekannt – um Atomtransporte geht. Mit Sicherungsaufgaben werden wir aber schon betraut. Heute werden vier Castoren – heute – das Zwischenlager Nord erreichen, deren Transport bereits 2005 genehmigt worden war.

(Burkhard Lenz, CDU: 2004 ist es angesagt worden. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Die Proteste im ganzen Land sind vielfältig und erfassen alle Bevölkerungsschichten. Und ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren, im Frühjahr wird der Widerstand ungleich größer sein.

(Michael Roolf, FDP: Es ist zu dicht an dem Wahltermin dran.)

Wir fordern Sie auf, die Zeit zu nutzen und das Mitspracherecht der Bundesländer einzufordern. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass gegen unseren Willen durch unser Land oder über unsere Häfen Castortransporte ziehen, die von einer riesigen Armada von Sicherheitskräften geschützt werden müssen,

(Egbert Liskow, CDU: Warum denn? Warum? Begründen Sie das mal!)

die eine tödliche Last in und über unser Land bringen, von der keiner weiß, wie lange sie sicher in den Behältern aufbewahrt werden kann,

(Zurufe von Egbert Liskow, CDU, und Hans Kreher, FDP)

und die letztlich unserem Image hier im Lande schaden. Unsere politischen Erklärungen dürfen nicht länger ohne rechtliche Bindungswirkung bleiben.

(allgemeine Unruhe)

Wir haben erleben müssen, dass auf das Wort der damaligen Umweltministerin und heutigen Kanzlerin Merkel niemand vertrauen darf. Auch dem Wort des heutigen Umweltministers dürfen wir nicht vertrauen. Es ist an der Zeit, die Bundesgesetze so zu verändern, dass nicht gegen den Willen unseres Landes Entscheidungen durchgedrückt werden dürfen, und wenn es sein muss, auch das Grundgesetz.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Da gab es wesentlich weniger bedeutsame Gründe, die zur Grundgesetzänderung oder -ergänzung geführt haben als bei diesem Ding.

(Michael Roolf, FDP: Was wollen Sie denn ins Grundgesetz schreiben?)

Stimmen Sie bitte unserem Antrag zu! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Griese.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Timm von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Auch ich gehöre zu denen, Herr Kollege Griese, die sich die Frage gestellt haben, was eigentlich dieser Antrag noch soll,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

wie Sie selbst vorhin eingeräumt haben. Ich will Ihnen auch sagen, warum ich mir die Frage gestellt habe. Am 9. November dieses Jahres erschienen Berichte in der Presse über einen geplanten Atomtransport von Ahaus in Nordrhein-Westfalen nach Russland, Transportroute unbekannt. Es soll allerdings über die Seehäfen gehen. Es handelt sich darum, dass 951 bestrahlte Brennelemente aus Rossendorf bei Dresden, die in Ahaus zwischengelagert sind, in Majak im Südural endgelagert werden sollen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ich denke, es gibt auf der ganzen Welt genug Endlager.)