Protokoll der Sitzung vom 26.01.2011

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und das ist eine unmögliche Art und Weise. Und wenn Sie der Meinung sind, Sie müssen das tun, dann tun Sie das, aber damit tun Sie dem Parlamentarismus in diesem Land keinen Gefallen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Genauso ist es. – Marc Reinhardt, CDU: Das kam sehr gespielt rüber.)

Danke.

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/4045 zur Beratung an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktion

der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und NPD angenommen.

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Wir haben 30 Minuten vorgesehen. Die Sitzung wird um 13.00 Uhr fortgesetzt.

Unterbrechung: 12.24 Uhr

Wiederbeginn: 13.08 Uhr

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP hat einen Antrag zum Thema „Ländliche Regionen nicht weiter schwächen – Auszahlungserlass zum Kommunalen Finanzausgleich korrigieren“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/4115 verteilt wird. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen wieder aufrufen, und zwar morgen zu Beginn der Sitzung. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/4076.

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in MecklenburgVorpommern (Auftragsvergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern – AVG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/4076 –

Das Wort zur Einbringung hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, der Abgeordnete Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe es nicht gezählt, aber wir haben uns ja oft über Tariftreue und ein Landesvergabegesetz in unserem Bundesland hier an dieser Stelle unterhalten. Damit hat die Diskussion über ein Landesvergabegesetz eine sehr lange Geschichte, eine teilweise nicht sehr rühmliche Geschichte. Ich betone das bewusst auch in Bezug …

(Harry Glawe, CDU: Ihr hattet ja auch acht Jahre Zeit, das einzubringen.)

(Harry Glawe, CDU: Von daher …)

Ich betone das bewusst in Bezug auf die Zeit, als wir gemeinsam mit der SPD regierten. Deswegen will ich da niemanden außen vor lassen. Es gehört einfach zur Geschichte dazu, Herr Glawe. Das muss man auch so ehrlich sagen.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Wir haben gestern erfahren, dass die Koalition sich auf ihr Landesvergabegesetz geeinigt hat. Das habe ich mit Neugier und Zustimmung zur Kenntnis genommen. Ich weiß ja nicht, was in dem Gesetz steht, das habe ich ja

noch nicht gesehen, aber was ich gehört habe, es soll eben auf den Personennahverkehr beschränkt sein, also mehr eine Lightvariante, so ein Minigesetz. Wir haben da ein anderes Verständnis. Wir haben ein Verständnis von einem umfassenden Herangehen und darin sind wir uns auch mit den Gewerkschaften in der Tat einig.

Wir sind auch von Ihnen, von den Koalitionsfraktionen oder von der FDP, immer wieder gefragt worden: DIE LINKE fordert den gesetzlichen Mindestlohn, aber was kann man denn hier im Lande ganz konkret machen? Ja, die Antwort liegt heute auf dem Tisch, nämlich mit dem Landesvergabegesetz Mecklenburg-Vorpommern, welches wir hier mit diesem Tagesordnungspunkt in die Landtagsdebatte ganz konkret einführen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und wie schon gesagt, wir wollen es nicht nur auf eine Branche reduzieren beziehungsweise begrenzen, sondern dieses Gesetz soll umfassend gelten. Ich will das im Weiteren dann auch im Einzelnen begründen.

Uns war immer wichtig, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern günstige Bedingungen zur Beteiligung an den Ausschreibungen geschaffen werden. So steht es ja auch in Ihrem Koalitionsvertrag, den habe ich noch mal nachgelesen. Und wenn ich das richtig interpretiere, haben Sie sich ja in die Hand versprochen, das nicht nur auf eine Branche zu begrenzen.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Na gut, wir sind gespannt, wie Ihr Gesetz dann im Einzelnen aussehen wird.

Wir wollen also mit unserem Herangehen kleine Lose und nicht in erster Linie Generalaufnehmer. Aber als Regel für die Vergabe reicht das selbstverständlich nicht aus. Uns geht es nicht nur um die Unternehmen, sondern uns geht es vor allem um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Arbeits- und Lebensbedingungen. Wir wollen, auch das hat die Diskussion immer wieder gezeigt, dass endlich Schluss ist mit dem ruinösen Wettbewerb um Aufträge auf Kosten von Löhnen, Arbeitsbedingungen und der Umwelt. Wir wissen – und das haben wir uns nun auch mehrfach hier im Landtag ins Stammbuch geschrieben –, dass wir das Land mit den niedrigsten Einkommen sind. Wir haben ein Image, welches mit „arme Leute“ beschrieben wird. Das ist zum Standortnachteil geworden.

Und, Herr Minister Seidel und Herr Waldmüller, wir waren ja am Montagabend zu Gast bei Herrn Roolf, in dem Falle in seiner Eigenschaft als Präsident des Wirtschaftsverbandes Handwerk. In den Gesprächen haben mir viele Handwerker dort gesagt, dass die Zeit mit der Niedriglohnpolitik nun mal vorbei ist, weil Wettbewerb tatsächlich auch die Unternehmerinnen und Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern herausfordert, an dieser Stelle mehr zu tun. Umso mehr ist es notwendig – gerade bei öffentlichen Aufträgen –, hier noch ein Stück zuzulegen, und das beinhaltet unser Gesetzentwurf.

Wir sind also auch in der Vergangenheit immer der Überzeugung gewesen, dass Niedriglohn nie ein Standortvorteil war, im Gegenteil. Nun will ich überhaupt nicht die positive Entwicklung am Markt in der Wirtschaft kleinreden, aber auch da, glaube ich, gibt es Übereinstimmung mit der Regierung, die Wirtschaftskraft unseres Landes ist nach wie vor zu gering. Deswegen streiten wir unter

anderem auch über finanzielle und andere Fragen, wie es dann weitergehen soll. Aber ich glaube, die Richtung, dass wir die Wirtschaftskraft stärken wollen, eint uns dann wieder. Wir haben einfach die Sorge, dass die Wirtschaftskraft weiter abnehmen und wieder abnehmen wird, wenn Mecklenburg-Vorpommern unattraktiv wird für qualifizierte Arbeitskräfte sowohl aus unserem Land, aber auch aus anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland.

Meine Damen und Herren, wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, der es wert ist, wirklich gründlich beraten zu werden, und Sie können heute zeigen, ob Sie es mit Ihren Ankündigungen wirklich ernst nehmen. Wir haben in der Vergangenheit sehr ausführlich – nicht nur hier im Landtag, sondern auch in der Fraktion – mit Wissenschaftlern, mit Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern genau diesen Gesetzentwurf beraten. Und natürlich galt es zu berücksichtigen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2008. Auch das hat hier immer wieder eine Rolle gespielt, auch als Argument gegen damalige Gesetzentwürfe. Auch wir hatten einen Gesetzentwurf damals eingebracht, aber der entsprach eben nicht den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Ich komme darauf jetzt im Einzelnen zurück.

Der Europäische Gerichtshof hat ja geurteilt, dass die allgemeine Verpflichtung zur Anwendung von Tariflöhnen in Vergabeverfahren nicht rechtens ist. Er rügte die Anwendung von Tariflöhnen in Vergabeverfahren und hat damit faktisch ein Verbot ausgesprochen. Logischerweise haben sich dann auch hier Mecklenburg-Vorpommern und viele andere Bundesländer erst einmal schwergetan bei der Anwendung geltender oder bei der Neuverabschiedung von entsprechenden Vergabegesetzen. Inzwischen ist es aber in gewisser Weise Geschichte. Recherchen, die gründlich durchgeführt wurden, umfangreiche Gutachten haben den möglichen rechtlichen Rahmen ausgelotet. In mehreren Bundesländern, das wissen Sie genauso gut wie ich, gibt es Vergabegesetze, die in Kraft gesetzt wurden, übrigens auch mit Unterstützung der CDU beispielsweise, oder sie werden tatsächlich zurzeit erarbeitet.

Wir wollen diesen Beispielen folgen. Wir haben diese Gesetzentwürfe alle ausgewertet und wir sind der Überzeugung, dass unser Gesetzentwurf den Vorgaben, die die Europäische Union, das europäische Recht macht, tatsächlich genügt. Generelle Tariftreueerklärungen dürfen gemäß Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht verlangt werden. Allerdings bleibt das im Öffentlichen Personennahverkehr erlaubt. Das scheint ja wohl der Aufhänger für Ihr Gesetz zu sein. Das werden wir ja dann sehen. In diesem Bereich findet die allgemeine Dienstleistungsfreiheit und damit verbunden auch die Entsenderichtlinie keine Anwendung. Beide – die Dienstleistungsfreiheit und die Entsenderichtlinie – waren aber die tragenden Normen bei der Rüffert-Entscheidung. Wir haben das hier immer wieder, Herr Schulte, auch diskutiert. Das kann man ja auch nicht wegdiskutieren.

Die zweite Norm, die in unserem Gesetzentwurf als Pflicht zur Anwendung kommen soll, ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Dessen Wirksamkeit stand auch in der EU nie infrage. Es gilt für in- und ausländische Unternehmen.

Und die dritte Norm, die wir einführen wollen, ist der Mindeststundenlohn von 10,00 Euro. Damit – das ist ganz klar – spiegelt sich unsere Position vom gesetzlichen Mindestlohn in Mecklenburg-Vorpommern wider. Wir

sprechen von 10,00 Euro. Die Festlegung einer solchen Lohnuntergrenze ist europarechtlich zulässig. Das ergibt sich aus der Entsenderichtlinie. Die Entsenderichtlinie macht einen Unterschied zwischen normalen Tarifverträgen und in Gesetzen enthaltenen Lohnvorgaben.

Selbstverständlich – so auch die Auswertung und Schlussfolgerung aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes – dürfen normale Tarifverträge nicht vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz erfasst werden und gelten damit auch nicht für ausländische Firmen. Damit wird sehr deutlich, dass normale Tarifverträge nicht von vornherein im Vergabeverfahren festgelegt werden dürfen. Lohnvorgaben – so, wie wir das jetzt vorschlagen –, die gesetzlich beziffert werden, dürfen nicht nur, sondern sie müssen sogar nach der Entsenderichtlinie im Interesse eines fairen Wettbewerbs für in- und ausländische Unternehmen gleichermaßen gelten. Da steht unsere Mindestlohnforderung in keinem Widerspruch zu dem europäischen Recht.

Über die verpflichtenden Vorgaben zur Entlohnung und zu Arbeitsbedingungen hinaus enthält unser Gesetzentwurf weitere Vorschriften zu sozialen und ökologischen Kriterien. Wir halten es für wichtig, dass Unternehmen bevorzugt werden, die die Gleichstellung beider Geschlechter beachten, die Ausbildungsplätze bereitstellen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen und anderes mehr. Das können Sie im Einzelnen – das werden Sie auch sicherlich getan haben – dann nachlesen.

Wir halten es für wichtig, dass wir schneller vorankommen mit dem sozialökologischen Umbau. Deshalb ist es aus unserer Sicht dringend geboten, ökologische Kriterien anzuwenden, und zwar nachvollziehbar über die gesamte Kette von Produktionsprozessen. Ein weiterer Tagesordnungspunkt wird uns ja heute genau mit solchen Dingen beschäftigen. Wir sind der Überzeugung, der Staat muss Vorreiter sein in diesen Fragen, und deshalb ist ein solches Vergabegesetz wichtig.

Nun kann man natürlich in einem Gesetz Normen schreiben, Verpflichtungen auferlegen, aber ohne Kontrolle und ohne Sanktionen wird sich ein solches Gesetz auch nicht durchsetzen lassen. Deswegen haben wir in das Gesetz auch Maßnahmen zur Kontrolle und mögliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Gesetz aufgenommen, damit eben dieses Gesetz kein stumpfes Schwert wird. Bedrucktes Papier, das aber nicht den Willen erkennen lässt, die darauf stehenden Regeln auch durchzusetzen, ist vergebliche Mühe und Verschwendung von Ressourcen.

Unser Gesetz, damit hatte ich begonnen, schließt keine Branche aus. Es soll gelten für das Reinigungsgewerbe, die Wachdienste, andere Service- und Lieferleistungen, Bauleistungen, den Öffentlichen Personennahverkehr, faktisch alles, was der Staat benötigt, ab einem Auftragswert von 10.000 Euro. Es soll gelten für normal angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber eben auch für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, und es soll, das habe ich deutlich gemacht, für in- und ausländische Unternehmen gelten, aber eben auch für Nachauftragnehmer, also nicht nur für den Hauptauftragnehmer, sondern auch für mögliche Nachauftragnehmer, die im Zusammenhang mit entsprechenden öffentlichen Aufträgen tatsächlich dann herangezogen werden. Es soll nicht nur für Aufträge gelten, die das Land selbst vergibt, sondern eben auch Aufträge der Kommunen mit einbeziehen.

Klar, wenn man von den Kriterien ausgeht, die ich hier genannt habe und die Sie in unserem Gesetzentwurf auch finden können, werden möglicherweise die Kosten steigen. Das will ich gar nicht verhehlen. Volkswirtschaftlich betrachtet kann dieses Gesetz aber tatsächlich nicht das Gesetz und die Umsetzung des Gesetzes ein Beitrag sein, die Ausgaben für soziale Transferleistungen zu senken und somit die sozialen Sicherungssysteme zu entlasten. Im Interesse der betroffenen Menschen ist ein solches Gesetz allemal. Ich freue mich auf eine interessante Diskussion. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Holter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Herr Seidel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Marktwirtschaft braucht freies Unternehmertum, möglichst ungehinderte Entwicklung der Unternehmen. Soziale Marktwirtschaft braucht Regeln, zum Beispiel im Bereich des Sozialrechts, des Umweltrechts, des Steuerrechts, die letztlich dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft insgesamt sich nachhaltig entwickelt und dass Menschen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, ihren Lebensweg zu gestalten, auch ihre Chancen in diesem Prozess einer Gesellschaft letztlich finden.

Ich will ganz deutlich sagen, es ist nicht zuletzt auch eine Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass es eben immer wieder notwendig ist, diese – ich will es mal so bezeichnen – Balance zwischen Regeln und Freiheit neu herzustellen, das immer wieder neu zu justieren, um damit eine gute Entwicklung zu ermöglichen. Es ist aber auch abzulesen – das, finde ich, darf man heute auch sagen –, dass nicht zuletzt Deutschland ganz offensichtlich es auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise bei allen Schwächen, die unsere Gesellschaft nach wie vor hat, doch geschafft hat, gerade für die Entwicklung der Wirtschaft eine relativ gute Balance, um das Wort noch einmal zu nutzen, hier zu gewährleisten.