Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, der Einordnung dieses Eilantrages in die Tagesordnung zuzustimmen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wird das Wort zur Gegenrede gewünscht? – Das ist nicht Fall.

Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Erweiterung der Tagesordnung einstimmig gefolgt worden.

Wir werden diesen Dringlichkeitsantrag am Freitag als ersten Tagesordnungspunkt aufrufen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU und SPD – Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, auf Drucksache 5/3735, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Innenausschusses auf Drucksache 5/4206. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/4220 vor.

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD: Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 5/3735 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 5/4206 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/4220 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Innenausschusses Dr. Gottfried Timm.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, eingebracht von den Koalitionsfraktionen, in seiner 102. Sitzung am 15. September des letzten Jahres beraten und zur weiteren Beratung federführend an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss und den Agrarausschuss überwiesen. Der Innenausschuss hat Ihnen dazu auf Drucksache 5/4206 seine Beschlussempfehlung und seinen Bericht vorgelegt.

Der Innenausschuss hat zu dem Gesetzentwurf am 4. November des letzten Jahres eine umfassende Anhörung durchgeführt. Etliche haben daran teilgenommen. Ziel dieser Anhörung war es, einige aufgeworfene Fragen der Einbringungsreden in der Ausschussdebatte mit Fachleuten zu beraten.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es unter anderem, die Aufhebung der Befristung zur Regelung zur Bildbeobachtung sowie Bild- und Tonaufzeichnung vorzunehmen, den Regelungen zur präventiven Telekommunikationsüberwachung die Befristung zu entnehmen, ebenso auch denen zum Einsatz technischer Mittel zur Erkennung von Kraftfahrzeugen.

Darüber hinaus ergeben sich aus dem sogenannten Prümer Vertrag, den mehrere EU-Mitgliedsstaaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen haben, der eine Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit ganz bestimmten Bestimmungen zum Informations- und Datenaustausch, insbesondere zur Bekämpfung terroristischer Gefahrensituationen, beinhaltet, Umsetzungspflichten für den Landesgesetzgeber.

Außerdem sieht die Landespolizei die Notwendigkeit, die Spezialeinheiten mit Distanz-Elektroimpulsgeräten, sogenannten Tasern, auszustatten, um den Beamten für ihr Handeln ein weiteres Einsatzmittel zur Verfügung zu stellen und ihnen damit weitere Handlungsoptionen in kritischen Gefahrenlagen zu eröffnen. Der Einsatz dieser

Geräte bei der Landespolizei ist derzeit rechtlich nicht zulässig, weil sie nicht in dem abschließenden Katalog der zugelassenen Waffen des Gesetzes aufgenommen sind.

Von besonderem Interesse war in dieser Anhörung die Wirkungs- und Funktionsweise der Taser. Deswegen hatten die Vertreter des Polizeipräsidenten von Berlin und des Polizeitechnischen Institutes der Deutschen Hochschule der Polizei einen einsatzfähigen Taser mitgebracht in die Anhörung dieses Hauses. Während der Anhörung wurde den Mitgliedern des Innenausschusses das Gerät vorgeführt und erläutert, wie sich diese Waffe im Einsatz auf den Körper des Probanden auswirken kann. Beide Anzuhörenden, also beide Vertreter, bestätigten, dass sich der Taser in ihren jeweiligen Einsatz lagen und -orten bewährt hat. Festgestellt wurde von der GdP, dass der Taser ein geeignetes Einsatzmittel unterhalb des Schusswaffengebrauches sei. Der Taser sollte allerdings nur von Spezialeinheiten eingesetzt werden. Das war dann auch Konsens im Innenausschuss. Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE, den Taser gar nicht einzuführen, wurde demzufolge auf der Grundlage dieser Beratungen im Ausschuss mehrheitlich abgelehnt.

Als Ergebnis der Anhörung wird darüber hinaus die Nummer 2 des Gesetzentwurfes insoweit ergänzt, als dass Polizeibeamte anderer Staaten nur mit solchen Amtshandlungen betraut werden dürfen, die auch den Polizeivollzugsbeamten des Landes Mecklenburg-Vorpommern in diesem Lande zustehen. Flankiert wird der Gesetzentwurf durch zwei Entschließungen:

Zum einen wird festgestellt, dass für den Einsatz von Tasern hinsichtlich der Handhabung, Wirkungsweise und der rechtlichen Voraussetzungen ein ganz besonderer Schulungsbedarf besteht, weshalb ein besonderes Augenmerk auf die Ausbildung, Grundlagentrainings und jährliche Wiederholungstrainings bei dem Tasereinsatz gelegt werden soll.

Zum anderen hat der Ausschuss erkannt, und zwar auch mit freundlicher Unterstützung des Agrarausschusses, dass die Haltung von gefährlichen Tieren – Reptilien, Amphibien, giftige Spinnen, Skorpione sowie große Säugetierarten, insbesondere Raubkatzen – sich auch in unserem Bundesland ausgeweitet hat. Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf, über die Anwendung von Paragraf 17 des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes per Landesverordnung ein Verbot für die nicht gewerbsmäßige Haltung einer wildlebenden Art zu verfügen. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings ein besonderes Interesse eines Halters an der Haltung so einer wildlebenden Art.

Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag mehrheitlich, mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU, gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE, der FDP und bei Abwesenheit der Fraktion der NPD, den Gesetzentwurf in der von ihm geänderten Fassung und im Übrigen unverändert anzunehmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Timm.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute werden mit den Stimmen von SPD und CDU Änderungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes für unser Land verabschiedet. Einige dieser Änderungen sind verfassungsrechtlich bedenklich, andere überhaupt nicht notwendig. Verfassungsrechtliche Bedenken werden aber in Kauf genommen, Eingriffsbefugnisse sollen auch ohne konkreten tatsächlichen Bedarf vorgehalten werden. Sie könnten, so die Argumentation der Koalitionäre, ja einmal gebraucht werden.

Warum ist das so? Der Sachverständige Professor Hartmut Aden hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf eine schlüssige Erklärung hierfür geliefert. Ich zitiere aus seinen grundsätzlichen Vorbemerkungen. Dort heißt es:

„Die Entwicklung des Polizei- und Strafprozessrechts ist in den zurückliegenden Jahrzehnten dadurch geprägt, dass nach sicherheitsbedrohenden Ereignissen – häufig ohne hinreichende Erwägung der Vor- und Nachteile – neue gesetzliche Eingriffsbefugnisse geschaffen wurden. Das Bundesverfassungsgericht … und bisweilen auch Landesverfassungsgerichte hatten sich in der Folge regelmäßig mit so entstandenen Vorschriften zu befassen.

Dadurch wurden die Gesetzgeber verpflichtet, manche Bestimmungen im Hinblick auf einen (Mindest-)Schutz der Grundrechte nachzubessern. Hierbei ist die bedenkliche Tendenz zu beachten, die vom BVerfG aufgezeigten äußeren Grenzen des im Hinblick auf den Grundrechtsschutz Zulässigen in der Gesetzgebung so weit wie möglich auszuschöpfen. Ein solches Vorgehen verkennt aber, dass auch und gerade der Gesetzgeber in der Pflicht steht, sich bei solchen Entscheidungen vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit leiten zu lassen. Hieraus folgt, dass jede Grundrechtsbeschränkung durch polizei- oder strafprozessrechtliche Vorschriften einer besonders sorgfältigen Abwägung und Begründung bedarf. Die abstrakte Begründung, eine Eingriffsgrundlage werde möglicherweise für bestimmte Situationen benötigt, reicht hierfür nicht aus. Entwurfsverfasser und Gesetzgeber sollten hier mehr Sorgfalt walten lassen und im Zweifel auf Eingriffsgrundlagen verzichten.“ So weit Professor Aden in seiner Stellungnahme an den Innenausschuss.

Aber leider sind SPD und CDU nicht bereit, im Zweifel auf Eingriffsgrundlagen zu verzichten. Die zum Teil erheblichen Kritikpunkte beeindruckten die Koalitionäre nicht, etwa zur Erhebung sensibler Daten, zur Identitätsfeststellung an einer Kontrollstelle, zur Videoüberwachung öffentlicher Orte, zur Telekommunikationsüberwachung, zur automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen, zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten sowie zur Aufhebung der Befristung einzelner Befugnisse. Das ist eine ganze Menge Kritik, die während einer Anhörung geäußert wurde.

SPD und CDU sahen sich aber zu keinen wesentlichen Korrekturen veranlasst. Sie waren leider noch nicht einmal bereit, nach einer solchen massiven und überwiegend rechtlichen Kritik auch Vertreter der Justiz um eine Stellungnahme zu bitten. Unser Antrag auf eine weitere Anhörung diesbezüglich wurde abgelehnt. Warum eigentlich? Ich vermute, die Koalitionäre ahnten bereits,

was bei einer solchen Anhörung herauskommen würde. Und da die Koalitionäre im Innenausschuss nicht die Auffassung von Vertretern der Justiz zur Kenntnis nehmen wollten, hat meine Fraktion selbst gehandelt. Meine Fraktion wollte herausfinden, ob denn die weitreichenden Kritikpunkte, die Herr Aden formuliert hat, vielleicht doch etwas übertrieben waren

(Torsten Renz, CDU: Richtig, die waren übertrieben.)

oder aber, ob sie stimmten.

Herr Renz, hören Sie weiter zu, bevor Sie wieder dümmliche Zwischenrufe machen!

(Torsten Renz, CDU: Oh, nicht persönlich werden! Nicht persönlich werden! Also, das qualifiziert Sie aber ab.)

Uns, Herr Renz, wird immer vorgeworfen, wir würden übertreiben. Deswegen haben wir an Vertreterinnen und Vertreter der Justiz geschrieben und um Stellungnahme gebeten. Also erhielt zum Beispiel die Richter- und Anwaltsvereinigung nicht Post vom Innenausschuss, weil Sie es abgelehnt haben, sondern von meiner Fraktion, quasi stellvertretend. Und wir erhielten einmal Antworten von der Neuen Richtervereinigung und zum anderen vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Ja, auf diesen Zwischenruf habe ich gewartet, Herr Kokert, dass das besonders tolle Truppen sind. Vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass diese von Ihnen besonders als tolle Truppe bezeichneten Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte auch im Landesverfassungsgericht unseres Landes vertreten sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Ich weiß, von wem sie vorgeschlagen wurden.)

Sie sollten Ihre Zwischenrufe …

(Vincent Kokert, CDU: Ich weiß auch, von wem sie vorgeschlagen wurden.)

Sie sollten Ihre Zwischenrufe wirklich einmal überdenken.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Andreas Bluhm, DIE LINKE: Richtig.)

Und einige der Vertreterinnen und Vertreter im Landesverfassungsgericht aus diesem Verein sind sogar von der Koalition vorgeschlagen worden.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie wissen nicht, was Sie tun.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich von dieser Stelle noch einmal für die kurzfristigen Stellungnahmen recht herzlich bedanken. Ich kann jetzt an dieser Stelle nicht die Antworten im Einzelnen vorlesen, zumal SPD und CDU ja ohnehin kein besonderes Interesse daran haben. Aber einige zentrale Aussagen in beiden Stellungnahmen möchte ich hier und heute deutlich in die Zweite Lesung einbringen.

1. Sowohl die Anwälte als auch die Richter schließen sich den vielfachen verfassungsrechtlichen Bedenken von Herrn Professor Aden gegen den Gesetzentwurf vollumfänglich an. Die von mir eingangs genannten

zahlreichen Regelungen werden demnach ebenso klar abgelehnt.

2. Die 2006 geänderten Vorschriften, das betraf damals den Einsatz technischer Mittel zur Bildüberwachung, die Datenerhebung zur Überwachung der Kommunikation und den Datenabgleich zur Erkennung von Kfz-Kennzeichen, wurden nur unzureichend evaluiert. Belastbares Zahlenmaterial, aus dem sich die Notwendigkeit dieser Normen ergibt, ist schlicht nicht vorhanden und konnte auch von den Koalitionären nicht vorgelegt werden. SPD und CDU halten dennoch an Eingriffsbefugnissen der Polizei fest, oft unter der pauschalen Behauptung, die Regelung sei geeignet oder die Regelung habe sich bewährt oder ein Wegfall der Befugnis sei nicht hinnehmbar.

Das alles sind keine Begründungen zur Erweiterung der Gesetzesbefugnisse. Eine unabhängige Evaluierung, wie im Übrigen auch vom Landkreistag angeregt, wird es auch zu diesen Regelungen in Zukunft nicht geben,