Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Allerdings ist vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen die Schaffung eines neuen Landesamtes un typisch und birgt durchaus das Risiko, dass zumindest kurz- und mittelfristig sogar höhere Kosten für den Landeshaushalt entstehen können. Das wurde zwar seitens der Landesregierung so nicht bestätigt, endgültig beurteilen können wird man das vermutlich erst in einigen Jahren. Eine realistische Kosten-Nutzen-Analyse gibt es bis heute nicht, jedenfalls war sie nicht Bestandteil der parlamentarischen Beratungen.

Die Zusammenlegung, meine Damen und Herren, von drei Verwaltungseinheiten ist kein Garant für die Verbesserung des Schutzes vor Wiederholungstätern. So wurde es auch in der Anhörung des Rechtsausschusses deutlich. Ich hatte damals bereits gesagt, dem Grunde nach ist gegen das Ziel, die ambulante Straffälligen arbeit verbessern zu wollen, überhaupt nichts einzuwenden. Dass dieses bisher bundesweit einmalig ist, ist kein Hinderungsgrund. Es wird sich allerdings erst im Laufe der Zeit herausstellen, ob dieses Novum erfolgreich ist oder nicht.

Angemahnt wurden in der Anhörung auch eine bessere sozial- und psychotherapeutische Begleitung der in Betracht kommenden Gruppen von Straffälligen, und dieses gegebenenfalls sogar in einer längeren Phase nach der Haftentlassung.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird sich heute zu diesem Gesetzentwurf enthalten. Erst in einigen Jahren wird man endgültig über den Erfolg oder Misserfolg zur Schaffung dieser Behörde urteilen können. Bei den Beratungen zu dem Landeshaushalt in der folgenden Legislaturperiode wird sich voraussichtlich erstmals zeigen, ob ein Finanzbedarf in dieser Größenordnung erforderlich sein wird oder nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, die Aufgaben der Führungsaufsichtstellen bei den Landgerichten in einer Führungsaufsichtsstelle zu konzentrieren und zudem die zukünftige zentrale Führungsaufsichtsstelle mit den Sozialen Diensten der Justiz sowie der Forensischen Ambulanz in einem Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit zusammenzuführen.

Ich glaube, liebe Frau Kollegin Borchardt, es gibt gute Gründe dafür, dies so zu tun. Denn die Vereinigung der drei tragenden Säulen der ambulanten Straffälligenarbeit unter einem Dach,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das habe ich gesagt.)

sozusagen in einer Behörde, bedeutet bereits strukturell eine Bündelung der fachlichen Kompetenz.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Habe ich gesagt.)

Und da sind wir uns, glaube ich, auch einig. Bereichsspezifische Maßnahmen und Konzepte können angesichts schlanker Hierarchien und in jeweils anderen Bereichen ohne Reibungsverlust

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist die Frage, ob es eine schlanke Hierarchie wird.)

schnell und zielgerichtet nutzbar gemacht werden.

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit der Zusammenführung der Aufgaben der Sozialen Dienste, der Forensischen Ambulanz und der Führungsaufsichtsstelle innerhalb einer oberen Landesbehörde, glaube ich, sind wir auf dem richtigen Weg und verfolgen das Konzept der integralen Straffälligenarbeit sehr zielstrebig. Mecklenburg-Vorpommern – auch das haben die Vorredner und auch Frau Ministerin gesagt – nimmt damit eine Vorreiterrolle ein. Der überwiegende Teil der anderen Bundesländer hat entweder die traditionelle Angliederung der Bewährungs- und Gerichtshelfer bei den Landgerichten beibehalten oder die Justizsozialarbeit bei ihren Oberlandesgerichten konzentriert. Die Anbindung der Führungsaufsichtsstellen in den anderen Ländern stellt sich noch viel uneinheitlicher dar.

Die mit der Errichtung des Landesamtes für ambulante Straffälligenarbeit einhergehende Konzentration der drei Säulen ambulanter Straffälligenarbeit bietet eine Reihe, wie meine Fraktion findet, von Vorteilen gegenüber den herkömmlichen Strukturen. Die Zusammenfassung in einem Landesamt vermindert den Informationsverlust an den Schnittstellen, wie bereits gesagt, zwischen den drei Säulen der ambulanten Straffälligenarbeit und garantiert die Bearbeitung der vielfältigen und zum Teil problematischen Fälle der Bewährungshilfe und Führungsaufsichten nach landesweit einheitlichen Standards.

Die einheitlich strukturierte Arbeitsweise einer Behörde gewährleistet also, dass in der Bewährungs- und Führungsaufsicht die Aufgaben sachgerecht mit den vorhandenen Fachkräften bewältigt werden. Über die Bewährungshelfer haben sich bereits meine Vorredner und auch ich bei der Einbringungsrede geäußert, dass wir hier nicht nachlassen dürfen.

Mit dem Landesamt steht für alle in der Strafrechtspflege tätigen Institutionen ein entscheidungskompetenter und leistungsstarker Ansprechpartner zur Verfügung, der zudem zeitnahes Handeln sichert. Schließlich wird durch die Errichtung einer landesweit zuständigen Behörde auch nach außen – auch das, glaube ich schon, ist ganz wichtig – die besondere Bedeutung herausgestellt, die dieser Aufgabe beigemessen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne zu übertreiben, kann man sagen, mit der Errichtung des Landesamtes für ambulante Straffälligenarbeit beschreitet Mecklenburg-Vorpommern einen Weg, um den uns andere Bundesländer beneiden. Daher bitte ich um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch dieses Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit werden die anvisierten Ziele, nämlich Opferschutz und die Verhinderung von Wiederholungstaten, nicht erreicht. Es ist unmöglich, aus der Haft entlassene Sexualstraftäter, die sich an Kindern vergangen haben, so lückenlos zu überwachen, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Man darf sie gar nicht erst aus der Haft entlassen. Wer dies tut, riskiert bewusst das Leben von Kindern, nur um irgendwelchen abstrakten, extrem liberalen Ideen zu dienen.

Die Strafen für Sexualstraftaten gegen Kinder sind in Deutschland skandalös niedrig. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie gelten noch nicht einmal als Verbrechen, sondern lediglich als vergleichsweise harmlose Vergehen, die nicht in jedem Fall im Führungszeugnis erscheinen müssen. Das erweiterte Führungszeugnis, in dem auch Verurteilungen unter 91 Tagessätzen festgehalten sind, wenn es sich um Sexualstraftaten handelt, ist leider noch nicht bekannt genug bei den Arbeitgebern, sodass immer noch verurteilte Sexualstraftäter in Kindergärten als Arbeitskräfte unterkommen können, was schon passiert ist, weil es nicht im normalen Führungszeugnis steht, wenn sie nur 90 Tagessätze bekommen haben.

Selbst wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass die Verjährung bei den einschlägigen Delikten gegen Kinder erst ab dem 18. Lebensjahr des Opfers zu laufen beginnt, sind die Verjährungsfristen viel zu kurz. Die Strafrahmen sind unzureichend. Noch nicht einmal bei schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge ist zwingend eine lebenslängliche Freiheitsstrafe vorgesehen. Der Täter kann auch mit zehn Jahren davonkommen, wenn er den Tod des Kindes nur leichtfertig verursacht haben sollte, nachdem er es vergewaltigt hat.

Anstatt ein solches Landesamt einzurichten, sollte sich die Landesregierung lieber auf Bundesebene für eine Strafrechtsreform auf dem Gebiet der Sexualstraftaten gegen Kinder einsetzen. Diese Delikte müssen generell als Verbrechen eingestuft werden. Bewährung darf es nicht geben. Wer auch nur ein kinderpornografisches Bild besitzt oder gar verbreitet, muss sofort mit einer Strafe belegt werden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Das heißt, wenigstens drei Jahre für den Anfang, damit er sich das auch merkt. Man soll ihn zusätzlich durchaus noch dazu verurteilen, eine Therapie zu machen. Aber die soll er gefälligst selber bezahlen.

Es kann ja wohl nicht sein, dass Leute, die unter Alkoholeinfluss Auto fahren, im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung Unsummen zu bezahlen haben, während verurteilte Leute von Sexualstraftaten an Kindern profitieren, nämlich indem sie Kinderpornografie besitzen. Das sind die Nutznießer von Straftaten an Kindern in der Haft, falls sie denn in eine solche überhaupt geraten, auf Staatskosten therapiert zu werden. Wiederholungstäter müssen lebenslang weggesperrt werden. Das Gleiche gilt für jeden, der ein Kind in irgendeiner Weise unsittlich anfasst, und zwar gleich für Ersttäter. Hinter Gittern kann man kein Wiederholungstäter mehr werden.

Wenn „lebenslänglich“ verhängt wird, ist die Sicherungsverwahrung überflüssig. Auf die sollte man bei Kinderschändern zugunsten von lebenslänglicher Freiheitsstrafe generell verzichten, weil sie mit einer konkreten Straftat nichts mehr zu tun hat und daher auch nicht als Strafhaft ausgestaltet werden kann, sondern als eine

Art Hausarrest, in dem der Täter – abgesehen von der Beschränkung seiner Bewegungsfreiheit – relativ normal leben kann. Also Zwangshotel für Kinderschänder im Anschluss an die Strafhaft, das kann es ja wohl nicht sein.

Das Lebenslänglich muss absolut sein, ohne die Möglichkeit einer früheren Entlassung. Wer sich an Kindern vergreift, hat jedes Recht auf Resozialisierung verwirkt. Es darf auch keine Verjährung bei Sexualstraftaten gegen Kinder geben. Das ist übrigens während der Anhörung von vielen gefordert worden, was die Justizministerin leider vergessen hat zu erwähnen.

Zur Todesstrafe für Kindermörder oder bei schweren Fällen von Kinderschändung kann man geteilter Meinung sein, aber das sollten nicht Abgeordnete und Politiker entscheiden, sondern das Volk in einem Plebiszit. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer aufmerksam zugehört hat, hat festgestellt, dass Herr Andrejewski offenbar das falsche Redemanuskript mitgebracht hatte.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ja.)

Sie haben nämlich zu der Sachverständigenanhörung zu den Missbrauchsfällen gesprochen. Da wurde über die Themen gesprochen und da kamen entsprechende Sachverständigenmeinungen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

In der Anhörung, die wir zu dem hier zu beratenden Gesetzentwurf durchgeführt haben, gab es keine derartigen Stimmen, es sei denn, Sie haben sie geträumt.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Hier sind die anwesend, die damals in der Anhörung dabei waren. Ich wundere mich manchmal, wie verbohrt man sein kann, wenn man hier vorne an das Pult tritt, um irgendeine Meinung von sich zu geben, die mit dem Gesetzesvorhaben, das wir hier beraten, überhaupt nichts zu tun hat.

Aber ich will noch einmal ganz kurz auf den Gesetzentwurf, von dem ich hoffe, dass er heute so unverändert beschlossen wird, in der Form, wie der Ausschuss es empfiehlt, Herr Ausschussvorsitzender, eingehen.

Natürlich kann man, Frau Kollegin Borchardt, bei allem, was durch Gesetz neu geregelt wird, eine Evaluierung beschließen. Nur es muss doch irgendwo einen Sinn machen, etwas zu evaluieren. Und das ist meistens dann so, wenn ich mich in der Materie, die ich jetzt neu regele als Gesetzgeber, nicht auskenne. Dann möchte ich gerne nach einer angemessenen Zeit wissen, ob das, was ich neu geregelt habe, nun in die richtige Richtung wirkt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Oder neue Wege geht. Und gerade bei diesem sensiblen Thema wäre es wichtig gewesen.)

Liebe Frau Kollegin, wir gehen keine neuen Wege,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber das haben wir doch gerade gehört. Natürlich!)

sondern …

… wir gehen bessere Wege.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aha?! Aha?!)

Der Weg der Resozialisierung ist so alt wie das deutsche Strafrecht.