Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Wir haben also auf einmal so viele Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern gehabt,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist doch keine Bewertung.)

wie dieses Land es Hunderte Jahre zuvor nicht gehabt hat. Und die demografische Entwicklung hat dann dazu geführt, dass irgendwann nach dieser künstlichen Besiedlung 1990 auf der einen Seite sich ein natürlicher Prozess wieder zur normalen Entwicklung einer regionalen Struktur entwickelt hat.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das war ein natürlicher Prozess, dass die Wirtschaft zusammenbrach.)

Die Strukturen sagen in etwa aus, dass wir bis zum Zweiten Weltkrieg eine Bevölkerung von etwa 1 Million Menschen hier in der Region gehabt haben. Wir sind bis auf 1,9 Millionen Menschen hoch und werden jetzt im Ergebnis uns irgendwo um die 1,5 oder 1,6 Millionen Einwohner hier in der Region einpendeln. Auch das, finde ich, gehört zu einer Berichterstattung mit dazu, dass man sagt, von welcher demografischen, von welcher bevölkerungsstrukturellen Entwicklung komme ich eigentlich in der Region, in der wir leben und wie wird sie zukünftig aussehen. Das fehlt mir in Gänze, dass dieser Ansatz in dem Bericht gar nicht enthalten ist.

Und das, was wir an womöglich strategischen Ansätzen, die der Ministerpräsident uns vorgetragen hat, die er reininterpretiert in diesen Strategieansatz, dass wir das einmal abgleichen einfach mit der realen Politik, ist, glaube ich, das Einfachste. Meinen Anspruch, den ich habe, definiere ich und dann werde ich mich einfach mal daran messen lassen: Wie gehe ich mit dem Anspruch heute um? Wie sieht meine aktuelle Politik heute bei diesem Anspruch aus?

Und da gehen wir rein in die Strukturierung, Herr Ministerpräsident, Ihrer Rede zum Thema Fachkräfte. Ja, wir haben ein Fachkräfteproblem in Mecklenburg-Vorpommern. Ja, wir haben ein Problem, Herr Ministerpräsident, an unseren beruflichen Schulen. Ihre Politik ist es gewesen und ist es immer noch, die dazu führt, dass die Lehrer an Berufsschulen im Alter unter 35 Jahren von 2005 bis 2009 konstant bei 4,3 Prozent gelegen haben. Ihre Politik ist es gewesen, keine jüngeren Lehrer in der Struktur an die beruflichen Schulen zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Heike Polzin, SPD: Das ist völliger Unsinn.)

Die zweite Situation ist, dass wir sagen: Ja, wir haben sehr viele junge Leute, wo wir uns besonders engagieren müssen. Da bin ich völlig bei Ihnen. Die müssen wir mitnehmen, denen müssen wir ein Angebot machen. Die haben bisher keine Chance gehabt, die haben womöglich eine Chance nicht erreicht, die zweite nicht erreicht. Was ist unsere Antwort darauf? Was ist Ihre aktive Politik? Die einzige berufliche Schule in Mecklenburg-Vorpommern, die noch Sonderpädagogik macht hier in Schwerin, die wird jetzt geschlossen. Das ist die Antwort des Ministerpräsidenten Erwin Sellering.

(Michael Andrejewski, NPD: Sehr kreativ.)

Die nächste Antwort ist dann auch entscheidend: Ja, wir müssen in die Familien gehen, ja, wir müssen Sozial arbeit stärken. Haben Sie sich mal einen Überblick verschafft, was in beruflichen Schulen los ist? Schulsozialarbeiter in Eggesin – null, Schulsozialarbeiter in Güstrow – einer, Schulsozialarbeiter in Bad Doberan – einer, Schulsozialarbeiter in Nordvorpommern – null. Das ist Ihr Engagement für die Integration von denjenigen, die wir dringend integrieren müssen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Regine Lück, DIE LINKE: Das ist wirklich sehr bedauerlich. – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Daran müssen Sie sich messen lassen.

Die Unterstützung des Ehrenamtes, des ehrenamtlichen Engagements ist eine der Kernthesen aus Ihrer Rede. Was machen Sie? Sie machen genau das Gegenteil in Ihrer aktiven Politik. Durch die Kreisgebietsreform und die dadurch größer werdenden Gebiete verhindern Sie

ehrenamtliches Engagement von Abgeordneten in den Regionen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Sie machen also genau das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich machen wollten.

Sie sagen, wir brauchen bezahlbare Energie, um die Aufgaben, die wir hier zu erledigen haben, auch zukünftig gestalten zu können. Gestern, Herr Ministerpräsident, gestern hörten wir von Ihnen, dass Sie den Einheitspreis beim Strom wollen. Da frage ich mich doch allen Ernstes: Was ist das für eine Politik, wenn ich auf der einen Seite den Einheitspreis, den Wettbewerb aus dem Strommarkt wieder herausnehmen will und von bezahlbarer Energie spreche? Ein völliger Widerspruch, der aktives Handeln zu dem, was ich hier aufschreibe, völlig konträr stellt.

(Heike Polzin, SPD: Ja, Sie haben eine ganze Menge nicht verstanden.)

Die lebendige Dorfmitte, auch so ein tolles Projekt der Landesregierung. Das hat nicht vor zehn Jahren hier jemand eingebracht, wie offensichtlich diesen Bericht, aber vor einem Jahr, vor eineinhalb Jahren haben wir über den MarktTreff, über den MarktTreff/Gesundheitstreff,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

und das ist für uns eben auch ganz wichtig, hier mit Ihnen gesprochen, über das Einkaufen, das Ehrenamt und die gesundheitliche Versorgung. Was hat diese Landesregierung gemacht? Sie hat es vom Tisch gewischt. Und jetzt ist es Gott sei Dank so in der Gemeinde Gudow, die stehen ja von alleine auf, die warten ja nicht auf unseren Ministerpräsidenten und auf die neue Dorfmitte, die stehen von alleine auf und machen diese Projekte selber. Wir haben mit aktivem Handeln genau das Gegenteil von dem gemacht, was wir eigentlich machen sollten.

Bezahlbare Kinderbeiträge: Es muss bezahlbar sein, dass die Kinder wieder in den Einrichtungen sind und wir die Integration ins Berufsleben für die jungen Familien erreichen können. Da bekommen Sie heute eine Chance, meine Damen und Herren, heute oder morgen, ich weiß nicht, wann unser Antrag da ist. Da geht es um das zusätzliche Geld, was vom Bund für Mecklenburg-Vorpommern zur Verfügung gestellt wird. Unser Ansatz ist, gebt es zur Senkung der Elternbeiträge aus, damit der Einstieg ins Berufsleben forciert werden kann, damit die Familien eine Chance bekommen und damit wir bezahlbare Kindergartenplätze hier im Land haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Dann haben wir das Thema Lehrerqualifizierung, das ist immer wieder angesprochen worden. Wir müssen die Lehrer qualifizieren, wir müssen dort etwas tun. Da frage ich Sie allen Ernstes: Was ist denn getan worden zum Thema Lehrerqualifizierung? Wenn wir schon keine neuen bekommen, die wir nicht im Land behalten können, dann müssen wir doch zumindest erreichen, dass die Qualifizierung, die Weiterbildung, duale Qualifizierung, neben dem Job in einer dualen Qualifizierung erreichen, dass die Lehrer sich für die Berufsbilder weiterqualifizieren können, die wir zukünftig brauchen. Was haben Sie gemacht? Nichts haben Sie an dem gemacht.

Und dann sind wir bei der medizinischen Betreuung. Ich habe es vorhin beim Gesundheitstreff schon angesprochen. Ist es wirklich von uns gewollt, so, wie es hier drinsteht, dass die Funktionen der fantastisch organisierten

Universitätsklinik in Greifswald, die eine tolle Leistung bringt, dass von dort aus die medizinische Versorgung in der gesamten Region ausreichend gesichert werden soll? Wenn das Ihre Politik ist, dann müssen Sie den Krankenhausbetreibern in Anklam, in Pasewalk oder in Ueckermünde sagen, wie es mit der Vielfältigkeit der medizinischen Betreuung aussieht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die gibt es doch noch. Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen!)

Die Situation, die Sie mit Greifswald ansprechen, kann doch im Ernst nicht Ihr Lösungsansatz sein. So viel Verbundenheit für Ihre ehemalige Heimatstadt, Herr Ministerpräsident, ist dann doch ein bisschen viel in so einem Bericht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und dann sprechen Sie den entscheidenden Punkt in einem Flächenland an, die Mobilisierung, die Mobilität, die Mobilität des ÖPNV. ÖPNV – eine unendliche Geschichte. Ich kann mir nicht vorstellen, was es für ein dickes Brett sein muss, um einen Rufbus zu organisieren.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Es ist mir nicht klar, dass das wirklich ein Prozess sein muss, der über viele Jahre geht. Aber wenn wir uns die Realität anschauen, das Handeln der Landesregierung, dann macht die Landesregierung nichts für die Mobilität im ländlichen Raum, sondern durch die Veränderung des Richtungsfaktors finanzieren wir die Straßenbahnschienen in Schwerin und in Rostock

(Hans Kreher, FDP: Ja.)

und den einzelnen Kreisen nehmen wir Geld weg,

(Hans Kreher, FDP: Genau, jawohl.)

damit die noch weniger Möglichkeiten haben, um den ÖPNV in Ihrer Region entwickeln zu lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Lassen Sie mich zusammenfassend sagen, es ist gut, dass ein Bericht erstellt worden ist. Es ist offensichtlich heute schon eine Leistung, dass in einer Regierung ressortübergreifend sich an einen Tisch gesetzt wird und man auch zu einem Ergebnis kommt. Das, was hier drinsteht, ist lediglich ein Sachstandsbericht, es ist keine Strategie. Und das, was wir vom Ministerpräsidenten heute gehört haben, war eine Parteitagsrede, die wir hier im Landtag, glaube ich, zukünftig nicht mehr brauchen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Roolf.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Ministerpräsident, Ihre Rede war genauso schlecht wie das Wetter, mit dem einzigen Unterschied, dass man sich gegen schlechtes Wetter mit Kleidung schützen kann. Ich hatte leider keine Ohrenstöpsel dabei.

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Alle vier Fraktionen, ausgenommen die NPD, die hier im Landtag vertreten sind, haben 21 Jahre miserable Politik zu vertreten und versuchen, sich heute hier als Retter von Mecklenburg-Vorpommern aufzustellen.

Es ist einfach nur peinlich, meine Damen und Herren! Diese Unterrichtung ist eine Bankrotterklärung der politischen Klasse hier im Land,

(Heinz Müller, SPD: Au ja!)

denn die Entwicklung der Einwohnerzahl in den vergangenen 21 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern ist so dramatisch, dass sich kaum Vergleichsmöglichkeiten finden lassen. Selten ist in einer Region Europas die Zahl der Einwohner innerhalb so kurzer Zeit so stark gesunken.

(Michael Andrejewski, NPD: Ohne Kriege, ohne Seuchen!)

Lebten 1990 noch fast 2 Millionen Einwohner in Mecklenburg-Vorpommern, sind es heute weniger als 1,65 Millionen Einwohner, und diese Entwicklung setzt sich unverändert fort. Jährlich hat unser Land einen Einwohnerschwund von fast 15.000 vor allen Dingen auch jungen und gut ausgebildeten Bürgern zu verkraften. In 19 Jahren, also im Jahr 2030, soll den Erhebungen dieser Unterrichtung zufolge die Einwohnerzahl in Mecklenburg-Vorpommern auf 1,45 Millionen zurückgehen und im Jahre 2060 dann sogar auf 1,15 Millionen.